TE OGH 2020/4/8 14Os30/20y

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen ***** S***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Dezember 2019, GZ 52 Hv 17/19b-198, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** S***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III), zu IIII/B auch nach § 15 StGB, schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und anderen Orten Österreichs sowie (zu III/B) auf der Insel K***** (Kroatien)

(I) mit unmündigen Personen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

A) von 1999 bis zum 29. Juni 2002 mit der zu Beginn des Tatzeitraums etwa elfjährigen ***** K*****, indem er sie in zahlreichen Angriffen mit seinem Finger vaginal penetrierte oder sie veranlasste, Oralverkehr an ihm vorzunehmen;

B) im Sommer 2004 mit der damals dreizehnjährigen ***** W*****, indem er sie mit einem Finger mehrfach vaginal penetrierte;

(II) von 1997 bis 2001 an der unmündigen ***** K***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er sie in zahlreichen Angriffen unter ihrer Bekleidung an den Brüsten streichelte und fallweise auch ihre Scheide streichelte und leckte;

(III) mit minderjährigen Personen, die seiner Erziehung, Ausbildung und Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen als deren Judolehrer und Betreuer geschlechtliche Handlungen

A) vorgenommen, und zwar

1) mit ***** K*****

a) durch die zu I/A und II angeführten Handlungen;

b) am 5. Oktober 2002 während einer Autofahrt, indem er sie veranlasste, einen Oralverkehr an ihm vorzunehmen;

2) mit ***** W***** durch die zu I/B angeführte Handlung;

B) in der Nacht zum 27. August 2001 während eines Judo-Sommerlagers mit der sechzehnjährigen ***** A***** vorzunehmen versucht, indem er mehrfach mit seiner Hand an der Innenseite ihres Oberschenkels entlang und in ihre kurze Pyjamahose fuhr, um ihre Scheide zu berühren und zu streicheln, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil es der Minderjährigen mehrfach gelang, seine Hand wegzuschieben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der relevierten Beweisanträge, die in der Hauptverhandlung am 2. Dezember 2019 zum Beweis dafür gestellt worden waren, dass der Beschwerdeführer die ihm zu I/A, II und III/A/1/a angelasteten Taten zum Nachteil der ***** K***** nicht begangen habe (ON 197 S 43 ff), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Jenen auf Vernehmung mehrerer namentlich genannter Personen, die als Schüler oder Trainer zur gleichen Zeit wie K***** beim Angeklagten in der B*****gasse und auch in G***** trainiert und Trainingslager am Wochenende sowie in den Ferien absolviert oder derartige Trainings gemeinsam mit dem Angeklagten geleitet haben sollen, ließ sich nicht entnehmen, warum die beantragten Beweisaufnahmen das behauptete Beweisergebnis erwarten ließen (RIS-Justiz RS0099454, RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 342).

Das zur diesbezüglichen Eignung der Vernehmungen erstattete Vorbringen, nach dem die genannten Schüler und Trainer keine geschlechtlichen Handlungen wahrnehmen konnten, reicht dafür ebenso wenig aus wie die Behauptung, aufgrund der beengten Verhältnisse in den Schlafräumen beider Trainingsstätten hätten nicht nur derartige sexuelle Übergriffe, sondern auch allfällige nächtliche Besuche der K***** in den privaten Räumlichkeiten des Angeklagten in G***** auffallen müssen. Denn mit diesen Ausführungen wird nicht dargelegt, aufgrund welcher Wahrnehmungen die Beweispersonen in der Lage sein sollten, zeitlich lückenlos Auskunft über den Umgang des Angeklagten mit der Unmündigen zu geben, zumal dem inkriminierten Streicheln der Brüste (unter anderem während gemeinsamen Fernsehens) – entgegen der spekulativen Behauptung der Beschwerde – nicht zwingend ein besonders hoher Auffälligkeitswert zukommt und die übrigen verfahrensgegenständlichen Vorfälle nach der – auf die für glaubwürdig erachtete Aussage des Opfers gestützten – Überzeugung der Tatrichter nicht in Anwesenheit Dritter, nachts während die übrigen Kinder schliefen, oder auch außerhalb der Trainingsorte stattfanden (US 5 f).

Soweit durch die begehrten Beweisaufnahmen auch der Nachweis erbracht werden sollte, dass sexuelle Übergriffe nicht in der vom Opfer behaupteten Häufigkeit stattfanden, bezog sich das Beweisthema nicht auf eine entscheidende Tatsache, weil die bezughabenden Schuldsprüche jeweils eine gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierter Taten (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33) umfassen, weshalb die angestrebte Reduktion der – gar nicht konkret bestimmbaren – Zahl der einzelnen geschlechtlichen Handlungen ohne Auswirkung auf den Schuldspruch und die Subsumtion wäre (RIS-Justiz RS0116736).

Auch die Abweisung der Anträge auf Vernehmung von zwei Professoren und einer Sekretärin der T***** Universität erfolgte zu Recht. Dadurch sollte nämlich bloß der – per se für die Schuld- und die Subsumtionsfrage unerhebliche – Nachweis erbracht werden, dass ***** (vormals *****) K***** – entgegen seiner Aussage – tatsächlich aufgrund von Verfehlungen von der T***** Universität verwiesen wurde und deshalb im Jahr 2010 die Unterstützung des Angeklagten suchte, welche ihm dieser aber verwehrte, der Sache nach also ein Motiv des Opfers für eine Falschbezichtigung des Beschwerdeführers bewiesen werden, womit die Anträge in erster Linie darauf abzielten, die Glaubwürdigkeit des Genannten zu erschüttern.

Unter diesem Aspekt (vgl dazu RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350) ergaben sich aus dem Antragsvorbringen jedoch keine
– für die Berechtigung eines solchen Begehrens indes unerlässlichen – Anhaltspunkte für die Annahme, der Genannte hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (vgl RIS-Justiz RS0120109 [T3]).

Indem die Beschwerde die Richtigkeit der Begründung für die abweisliche Entscheidung des Erstgerichts in Frage stellt, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0121628 [T1, T3 und T4]) ebenso wie mit der Kritik an der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu den Beweisanträgen und dem Hinweis auf diesbezügliches Vorbringen der Privatbeteiligtenvertreterin.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) entspricht die Ableitung der Feststellung zum (hier die entscheidende Tatsache der Unmündigkeit des Opfers betreffenden) Tatzeitpunkt des vom Schuldspruch I/B umfassten sexuellen Missbrauchs aus den Angaben des Tatopfers W***** (US 13f) den Kriterien logischen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungssätzen und begegnet daher unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Diese Zeugin hat nämlich nicht nur in der Hauptverhandlung bestätigt, dass der Vorfall im Sommer 2004 stattgefunden haben könnte (ON 196 S 60 ff), sondern zudem bereits im Ermittlungsverfahren das Sommerlager in G***** als Tatort genannt und klargestellt, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt „sicher noch nicht mit ***** S***** zusammen war“ (ON 3 S 21). Die Letztgenannte selbst gab dazu - wie die Beschwerde ohnehin einräumt – ausdrücklich an, dass diese Beziehung einige Monate nach dem Kennenlernen Ende 2004 begann, sie mit dem Angeklagten ab 2005 eine Lebensgemeinschaft unterhielt und dieser Umstand bereits Mitte 2005 „richtig offiziell“ wurde (ON 46; ON 197 S 6 ff). Dass W***** erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Beziehung erfahren hätte, wurde von der Zeugin S***** nicht behauptet, womit das Vorbringen auch unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall ins Leere geht.

Der (offenbar auf alle Taten bezogene) Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b), dem Angeklagten käme aus „seiner Sicht jedenfalls der Strafaufhebungsgrund der Verjährung der Strafbarkeit zugute“, erschöpft sich in einer bloßen Rechtsbehauptung (vgl aber

RIS-Justiz

RS0116565) und ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich (vgl im Übrigen die dazu angestellten zutreffenden Überlegungen des Erstgerichts (US 27).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127815

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00030.20Y.0408.000

Im RIS seit

20.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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