TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 W186 2127410-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
Dublin III-VO Art. 28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W186 2127410-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2016, Zl: 1098471708 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Antrag auf Erstattung der Eingabegebühr wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seiner Person liegen zwei EURODAC-Treffermeldungen zu Italien vor, und zwar hinsichtlich einer illegalen Einreise am 10.08.2015 sowie einer Asylantragstellung vom 02.10.2015.

Der BF wurde am 11.12.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) richtete am 14.12.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Mit schriftlicher Benachrichtigung vom 28.12.2015, beim Bundesamt am selben Tag eingelangt, stimmte Italien diesem Gesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 26.02.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt. Hierbei gab er unter anderem an, im österreichischen Bundesgebiet oder sonst im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten habe er keine Familienangehörigen oder Personen, zu denen eine besonders enge Beziehung bestehe, er lebe auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Über Vorhalt der Zuständigkeit und der bereits erfolgten Zustimmung Italiens gab der Beschwerdeführer an, er sei mit einer Rücküberstellung nicht einverstanden, Italien habe es im Flüchtlingslager zu viele Auseinandersetzungen zwischen den Asylwerbern gegeben, er sei von einem Asylwerber aus Gambia auf die Stirn geschlagen worden, das sei ihm zu gefährlich gewesen, daher habe er Italien verlassen.

Das Bundesamt wies den Asylantrag des BF mit Bescheid vom 26.02.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 01.04.2016 (Zl. W205 2123787-1/4E) als unbegründet ab.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.05.2016 wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei sechs Monate davon unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

Der BF wurde am 11.03.2016 aufgrund einer über 48h dauernden Abwesenheit von der Grundversorgung entlassen. Er verfügte seit diesem Zeitpunkt an über keinen behördlich gemeldeten Wohnsitz.

Das Bundesamt informierte Italien mit Schreiben vom 22.03.2016 über den Umstand, dass der BF untergetaucht ist.

Der BF befand sich seit 03.04.2016 in Untersuchungshaft und von 03.05.2016 bis 02.06.2016 in Strafhaft. Im Anschluss an die Strafhaft wurde der BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 FPG festgenommen.

1.2. Mit Bescheid vom 02.06.2016 wurde über den BF gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung des BF nach Italien verhängt.

1.3. Am 06.06.2019 langte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein. Die Beschwerde beantragte neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides und den Ausspruch, dass die Anordnung von Schubhaft und die Anhaltung des BF in rechtswidriger Weise erfolgten, sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gem. VwG-Aufwandsverordnung sowie von Eingabengebühr, Kommissionsgebühren und Barauslagen aufzuerlegen.

1.4. Das Bundesamt legte die Verwaltungsakten am 07.06.2016, hg. eingelangt am 09.06.2016, vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Einen Antrag auf Kostenersatz stellte das Bundesamt hingegen explizit nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt und zur Person:

Der BF, ein nigerianischer Staatsangehöriger reiste illegal in das Bundesgebiet ein, und stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF bereits zuvor am 02.10.2015 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte.

Das Bundesamt stellte am 14.12.2015 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien. Italien stimmte der Wiederaufnahme des BF mit Schreiben vom 28.12.2015 ausdrücklich zu.

Das Bundesamt wies den Antrag auf internationalen Schutz des BF mit Bescheid vom 26.02.2016 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß der Dublin III-VO zuständig sei. Unter einem erlies das Bundesamt gegen den BF eine Anordnung zur Außerlandesbringung.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 01.04.2016 als unbegründet ab.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.05.2016 wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei sechs Monate davon unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

Der BF befand sich seit 03.04.2016 in Untersuchungshaft und von 03.05.2016 bis 02.06.2016 in Strafhaft. Im Anschluss an die Strafhaft wurde der BF festgenommen und mit gegenständlichen Mandatsbescheid die Schubhaft über ihn verhängt.

Der BF befand sich von 02.06.2016 bis 08.06.2016 in Schubhaft, die im PAZ Hernalser Gürtel vollzogen wurde.

Gegen den BF bestand eine durchsetzbare und rechtskräftige Anordnung zur Außerlandesbringung.

Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er hielt sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Zum bisherigen Verhalten des BF:

Der BF ist vorbestraft.

Der BF ist nicht im Besitz von Barmitteln und verfügte im Bundesgebiet über keinen festen Wohnsitz.

Der BF ist in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Der BF ist aktuell nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes.

Zum Privat- und Familienleben des BF:

Der BF hat in Österreich keine maßgebliche soziale oder familiäre Verankerung.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Es besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung gegen den BF. Die Zustimmung Italiens liegt vor. Die Überstellungsfrist ist noch nicht abgelaufen.

Der BF ist haftfähig.

Das Bundesamt organisierte die Überstellung des BF nach Italien bereits während der Anhaltung des BF in Strafhaft.

2. Beweiswürdigung:

Zur Person und zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten (Asyl- u. Fremdenakten) der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (zum Dublin-Verfahren). Die von der Behörde zur Person getroffenen Feststellungen wurde in Beschwerde nicht bestritten.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Das Vorliegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Angaben zum Nichtvorhandensein ausreichender Existenzmittel resultiert aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung, wonach der BF nur über einen geringen Anteil an Bargeld verfügt und keine Kredit- oder Bankomatkarten mit sich führte.

Die Angaben zum Vorliegen der Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme des BF und die erfolgte Überstellung nach Italien ergeben sich ebenfalls aus dem Verwaltungsakt.

Die erfolgte Überstellung des BF nach Italien resultiert aus der Einsicht in die Anhaltedatei Vollzugsverwaltung, sowie aus dem Überstellungbericht vom 08.06.2016.

Dass das Bundesamt die Überstellung des BF zügig und bereits während der Anhaltung des BF in Strafhaft organisierte beruht auf dem Verwaltungsakt, aus dem insbesondere ersichtlich ist, dass die Ausstellung des Laissez-Passer für den BF bereits am 25.05.2016 erfolgt ist.

Die Angaben zur Haftfähigkeit beruhen einerseits auf den Aussagen des BF im Zulassungsverfahren, sowie andererseits auf dem Umstand, dass weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Beschwerde ein Gegenteiliges Vorbringen ersichtlich ist.

Familiäre/soziale Komponente:

Sämtliche Feststellungen zu diesem Punkt basieren auf den eigenen Angaben des BF in der Erstbefragung am 11.12.2015 bzw. in der Einvernahme vom 26.02.2016.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

1. Die belangte Behörde verhängte die Schubhaft laut Spruch gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung. Bei der Abschiebung, zu deren Sicherung die Schubhaft verhängt wurde, handelt es sich um eine Überstellung im Dublin-Verfahren gemäß Art. 29 Dublin III-VO, beim Zielstaat der aufenthaltsbeendenden Maßnahme um den zuständigen Staat im Dublin-System.

2. Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223).

Der BF ist als Staatsangehöriger Nigerias Drittstaatsangehöriger und stellte den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich nach dem 01.01.2014. Daher ist die Dublin III-VO auf den BF anwendbar. Folglich stützte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ebenfalls zutreffend auf Art. 28 Dublin III-VO.

3. Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

4. "Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

Die Definition der Fluchtgefahr erfolgte in dem gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG auf Schubhaftverfahren gemäß Art. 28 Dublin III-VO anzuwendenden § 76 Abs. 3 FPG.

5. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautete:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die belangte Behörde gründete das Vorliegen von Fluchtgefahr im angefochtenen Bescheid durch Hervorhebung der entsprechenden Gesetzesstellten auf die Z 1, 3, 4, 5, 8 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG und führte hierzu aus:

"Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Sie sind im Bundesgebiet unsteten Aufenthalts und haben es unterlassen eine aufrechte Meldeadresse bekannt zu geben.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG kommt bei volljährigen Fremden dann in Betracht, wenn - bei Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses - Umstände gegeben sind, die erwarten lassen, der Sicherungszweck könne auch durch die Anordnung eines gelinderen Mittels erreicht werden. Gegen mündige Minderjährige ist das gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, es bestünde die berechtigte Befürchtung, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Die Anordnung des gelinderen Mittels ist daher in einem solchem Fall nur dann ausgeschlossen, wenn dem Sicherungsbedürfnis auf diese Art nicht entsprochen werden kann, was bei Minderjährigen gem S 77 Abs. 1 zweiter Satz FPG das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung voraussetzt (VwGH 14.10.2007,2007/21/0370).

Zwar suchten sie am 27.1.2016 die Behörde aus eigenen auf jedoch nicht um den rechtlichen Erfordernissen zu entsprechen, sondern um einen unrechtmäßigen Folgeantragantrag einzubringen und den unrechtmäßigen Aufenthalt zu rechtfertigen.

Daher ist zu prüfen und abzuwägen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei insbesondere das gelindere Mittel gemäß § 77 Abs. 3 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit scheidet jedoch in Ihrem Fall auf Grund Ihrer finanziellen Situation aus.

Aber auch mit einer angeordneten Unterkunftnahme wird in Ihrem Fall nicht das Auslangen gefunden, Auf Grund des von Ihnen gesetzten Vorverhaltens ist bei objektiver Betrachtung Ihres Einzelfalles nicht damit zu rechnen, dass Sie auf freiem Fuße belassen für ein weiteres Verfahren greifbar sind. Sie haben sich bereits als unzuverlässig und nicht im Mindesten mit der österreichischen Rechtsordnung verbunden erwiesen.

Weiter sind Sie nach derzeitiger Aktenlage haftfähig und haben Sie auch nicht Gegenteiliges behauptet. Sollte sich Ihr Gesundheitszustand ändern, so kann Ihnen auch im Stande der Schubhaft adäquate medizinische Hilfe geboten werden.

Auch aus diesem Grunde erweist sich die Verhängung von Schubhaft nicht a priori als unverhältnismäßig.

Durch Einsichtnahme in die Staatendoku konnte kein systemischer Mangel in der Versorgung im Dublinland festgestellt werden; es bestehen sohin keine materiellen Bedenken die einer Außerlandesbringung ihrer Person nach Italien entgegenzutreten.

Weiter wird die Überstellungsfrist von max. 6 Wochen entsprechend der Dublin III-VO eingehalten werden, sofern Sie sich der Überstellung nicht widersetzen.

Italien hat einer Rücknahme Ihrer Person bereits zugestimmt und kann die Überstellung daher am 02.06.2016 realisiert werden.

Aus der Länderinformation des BFA sind keine Informationen ersichtlich, die eine Verbringung ihrer Person nach Italien als unverhältnismäßig oder gegen andere Rechtsnormen (insbesondere EMRK) verstoßend erscheinen lassen."

Die belangte Behörde begründete das Vorliegen von Fluchtgefahr unter anderem mit einer Folgeantragsstellung des BF (Z 4, 5 des § 76 Abs. 3 FPG). Sie führte zum vermeintlichen Folgeantrag auf S. 6 des angefochtenen Bescheides aus, dass der BF am 27.1.2016 die Behörde aus eigenen aufgesucht habe, um einen unrechtmäßigen Folgeantrag einzubringen.

Indem das Bundesamt diesen vermeintlichen Folgeantrag sodann in der Begründung des Vorliegens von Fluchtgefahr im angefochtenen Mandatsbescheid heranzieht (§ 76 Abs. 3 Z 4 und 5 FPG) ist ihm entgegenzuhalten, dass § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 einen Folgeantrag als jeden, einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgenden Antrag bezeichnet. Es ist daher anzunehmen, dass sich der Gesetzestext des § 76 Abs. 3 Z 4 und 5 FPG an der Legaldefinition des Folgeantrages des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 orientiert, weshalb das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Unrecht auf das Vorliegen eines Folgeantrages Bezug genommen hat um damit das Vorliegen einer Fluchtgefahr zu begründen ( Die Stellung des "Folgeantrages" erfolgte im Jänner 2016, der erstinstanzliche Bescheid über den Asylantrag des BF vom 11.12.2015 wurde erst am 26.02.2016 erlassen).

Dem ungeachtet bezog das Bundesamt jedoch zutreffender Weise durch die Feststellungen im angefochtenen Bescheid und der Hervorhebung der entsprechenden Ziffer im Gesetzestext (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG) mit ein, dass der BF (Anmerkung: zumindest laut ZMR seit 14.03.2016) abgesehen von seiner Untersuchungs- und Strafhaft über keinen festen Wohnsitz mit behördlicher Meldung verfüge und somit die Abschiebung behindere. Zwar verfügte der BF über eine Obdachlosenmeldung des Vereins Ute Bock im Zeitraum 14. - 18. März 2016, doch teilte dies weder der BF dem Bundesamt eigenständig mit, noch war er im ZMR obdachlos gemeldet.

Ebenso verwies das Bundesamt beizupflichtender Weise auf die fehlende soziale und berufliche Verankerung des BF, sowie auf das Nichtvorhandensein ausreichender Existenzmittel im Bundesgebiet (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG) und das Vorliegen einer durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (§ 7 Abs. 3 Z 3 FPG) und schloss auch daraus auf das Vorliegen von Fluchtgefahr. Zutreffend erweist sich auch, dass der BF durch sein Untertauchen aus dem Grundversorgungsquartier die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 verletzte (§ 76 Abs. 3 Z 8 FPG).

Dass es sich hierbei um einen "Standard" Dublin-Fall - wie ihn die Rechtsprechung des VwGH herausgearbeitet hat (vgl. VwGH 26.08.2010, 2010/21/0234; 30.08.2007, 2007/21/0043; 19.06.2008, 2007/21/0070) - handelt, ist nicht ersichtlich: Der BF befindet sich nicht in Grundversorgung, die eine typischerweise bei Asylwerbern fehlende soziale Integration im Bundesgebiet (VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043; 07.02.2008, 2007/21/0402; 18.02.2009, 2006/21/0261) und Mittellosigkeit (VwGH 29.04.2008, 2007/21/0079) aufwiegen könnte. Angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums auf Grund des Vorliegens einer rechtskräftigen und durchführbaren Anordnung der Außerlandesbringung würden überdies bereits weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075; 05.07.2011, 2008/21/0617; 25.03.2010, 2008/21/0617).

Angesichts des einmonatigen Zeitraumes, der zwischen Verurteilung und Haftentlassung des BF lag, konnte dem BF im Gegensatz zu Fällen, in denen die Anhaltung in Strafhaft zumindest mehrere Monate dauerte (vgl. VwGH 19.05.2015, Ro 2015/21/0008; 15.10.2015, Ro 2015/21/0026; 19.05.2011, 2007/21/0527) oder das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ohne Folgeasylantrag bereits mehr als ein Jahr vor der Verurteilung eingeleitet worden war und während dieser Zeit nicht einmal urgiert wurde (VwGH 25.04.2014, 2013/21/0209) keine die Verhängung der Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft unverhältnismäßig machende Säumnis vorgeworfen werden.

Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr ging das Bundesamt auch zutreffend davon aus, dass nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden konnte:

Die Dublin-III-VO führt nicht näher aus, welche weniger einschneidenden Maßnahmen möglich sind. Art. 8 RL 2013/33/EU sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie Antragsteller iSd RL 2013/32 EU sind, und dass Antragsteller ua. nur dann in Haft genommen werden dürfen, wenn dies mit Art. 28 Dublin-III-VO in Einklang steht; weiters verpflichtet diese Bestimmung in Abs. 4 die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften Bestimmungen für Alternativen zur Inhaftnahme enthalten, wie zB Meldeauflagen, die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit oder die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten. § 77 Abs. 3 FPG sieht demgemäß (vgl. Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und nationales Recht³, 2006, 113) als gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen, vor.

Die Beschwerde bringt insbesondere vor, dass die belangte Behörde das Hinreichen gelinderer Mittel nicht ausreichend geprüft habe.

Da der BF über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügte (siehe Bargeldaufstellung der Anhaltedatei), kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheitsleistung im Falle des BF nicht in Frage komme. Vor dem Hintergrund, dass der BF nach Bescheidzustellung im Asylverfahren unabgemeldet aus dem Quartier der Grundversorgung untertauchte, um der Effektuierung der Anordnung der Außerlandesbringung zu entgehen, obwohl er davon informiert war, dass eine mehr als 48-stündgie Abwesenheit vom Quartier der Grundversorgung eine Verletzung seiner Meldeverpflichtung nach § 15a AsylG 2005 darstellte, ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie davon ausgeht, dass mit der Anordnung der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten nicht das Auslangen gefunden werden kann. Ebenso kann aufgrund dessen mit dem gelinderen Mittel der periodischen Meldeverpflichtung der Auffassung des Bundesamtes folgend nicht das Auslangen gefunden werden.

Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers manifestiert, überwiegen daher die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Gegen den BF lag zum Zeitpunkt der gegenständlichen Schubhaftverhängung eine rechtskräftige und aufrechte (§ 12a Abs. 6 AsylG 2005) Anordnung der Außerlandesbringung nach Italien vor, sein Antrag auf internationalen Schutz vom 11.12.2015 ist rechtskräftig zurückgewiesen. Die Überstellungsfrist ist nicht abgelaufen, weil Österreich Italien am 22.03.2016 vom Untertauchen des BF informierte und sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängerte.

Das Bundesamt organisierte die Überstellung des BF zügig. Die Ausstellung des Laissez-Passer für den BF wurde vom Bundesamt bereits am 25.05.2016 vorgenommen. Die Verständigung Italiens von der geplanten Überstellung des BF erfolgte ebenso noch während der Anhaltung des BF in Strafhaft, am 30.05.2016. Dass das Bundesamt die gesamte Strafdauer hin untätig blieb, um die Überstellung des BF in die Wege zu leiten, kann somit nicht festgestellt werden.

Es gab für das Bundesamt daher keine Gründe anzunehmen, dass mit der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen ist. Die Schubhaft hat bis zum Abschiebetermin weniger als sechs Tage betragen.

Der BF war haftfähig. Es lagen auch keine Krankheiten vor, die eine Anhaltung in Schubhaft oder die Dauer in Schubhaft unverhältnismäßig machen würden. Selbst wenn der Beschwerdeführer an einer noch nicht diagnostizierten und noch nie behandelten psychischen Erkrankung leiden würde, hätte er während der Anhaltung Zugang zu regelmäßiger medizinischer Versorgung und psychischer Betreuung gehabt, die er laut Anhaltedatei jedoch nicht in Anspruch nahm.

Zwar war die Annahme von Fluchtgefahr in Bezug auf das Vorliegen eines Folgeantrages verfehlt, doch stützte die belangte Behörde das Vorliegen von Fluchtgefahr darüber hinaus auf weiterer Gründe - die sich als zutreffend erwiesen haben - und für sich alleine geeignet waren, eine erhebliche Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO zu begründen, weshalb von einer Behebung des Bescheides Abstand genommen werden konnte.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. und III. - Kostenbegehren, Eingabengebühr

Lediglich der BF begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht dem BF nach den angeführten Bestimmungen kein Ersatz seiner Aufwendungen zu. Da Aufwandersatz lediglich auf Antrag der Partei zu leisten ist (vgl. § 35 VwGVG Abs. 7), war der belangten Behörde mangels Antrag kein Konstenersatz zuzusprechen.

Eingabengebühr

Der BF stellt "unter Hinweis auf § 35 VwGVG den Antrag, ihm die Eingabegebühr zu ersetzen.

Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Eingabegebühr ist in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert, weshalb es dem entsprechenden Antrag an der Rechtsgrundlage mangelt.

Der Antrag auf Erstattung der Eingabegebühr ist daher zurückzuweisen.

Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass im gegenständlichen Verfahren auch kein Obsiegen des BF vorliegt, weshalb diese selbst dann nicht zu erstatten gewesen wäre, wenn es dafür eine rechtliche Grundlage in § 35 leg. cit. gäbe.

3.3. Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung, Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Kostenersatz,
Mittellosigkeit, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2127410.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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