TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/14 W210 2216128-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2019
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Entscheidungsdatum

14.08.2019

Norm

AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W210 2216128-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.04.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und IV. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 14.08.2020 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III., V., VI., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der Beschwerdeführer wurde am 12.11.2015 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt. Hier gab er an, am XXXX in Afghanistan geboren zu sein. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Zudem werde man als Hazara und Schiit vom IS, den Taliban oder den Paschtunen getötet. Daher habe er Afghanistan verlassen.

3. Mit Schreiben vom 27.07.2016 teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit, dass gegen den Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127,15 StGB ein Strafantrag eingebracht worden sei.

4. Mit Urteil des LG Innsbruck vom 09.05.2017, rechtskräftig am 12.05.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 160 Tagessätzen, davon 80 Tagessätze bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

5. Am 05.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier gab er an, unter Alkoholismus zu leiden und sich deshalb in medizinscher Behandlung zu befinden. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, seine Familie habe mehrere Hektar Felder in der Provinz Maidan Wardak geerbt. Nachdem der Vater und Onkel des Beschwerdeführers vor etwa 16 Jahren gestorben seien, hätten die Cousins väterlicherseits des Beschwerdeführers Unterlagen gefälscht und behauptet, die Grundstücke würden ihnen gehören. Seine Cousins hätten ihn auch geschlagen und gesagt, er müsse akzeptieren, dass er keinen Anspruch auf die Grundstücke habe. Danach sei der Beschwerdeführer in den Iran gegangen; als er vor etwa sieben Jahren vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei, sei er in Kabul auf seine Cousins getroffen. Diese hätten ihn wieder geschlagen und gesagt, dass sie ihn umbringen würden, sollte er die Grundstücke wiederhaben wollen. Später sei der Beschwerdeführer ein weiteres Mal von seinen Cousins geschlagen worden, wobei sie auch eine Waffe auf ihn gerichtet und ihm abermals mit dem Tod gedroht hätten. In dem Moment sei eine Polizeistreife vorbeigefahren und die Cousins hätten Angst bekommen und seien geflüchtet. Der Beschwerdeführer sei überzeugt, dass sie ihn getötet hätten, wären sie nicht durch die Polizei daran gehindert worden.

Darüber hinaus wiederholte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbingen betreffend seine Volks- und Religionszugehörigkeit.

6. Mit Bescheid des BFA vom 15.05.2018, Zl. XXXX , wurde das Verfahren über den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 38 AVG bis zur Klärung einer Vorfrage ausgesetzt. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid des BFA vom 03.08.2018, Zl. XXXX , stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

7. Mit Urteil des LG Salzburg vom 22.10.2018, rechtskräftig am 26.10.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Die Probezeit zu XXXX wurde auf insgesamt 5 Jahre verlängert.

8. Mit Schreiben vom 29.01.2019 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu einer ihm vom BFA übermittelten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.03.2018 zur sozialen und medizinischen Situation Alkoholkranker in Afghanistan.

9. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 27.07.2016 verloren habe (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt V.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.)

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, mit Schreiben vom 14.03.2019 vollumfängliche Beschwerde. Die Beschwerde behauptet eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten mit Verwandten väterlicherseits. Eine innerstaatliche Schutzalternative bestehe mangels aufrechtem familiären oder sozialen Netzwerk in Afghanistan nicht. Der Beschwerdeführer habe sich mehrere Jahre nicht in Afghanistan aufgehalten und wäre daher bei einer Rückkehr in mehrfacher Hinsicht mit Schwierigkeiten konfrontiert, welche eine solche unzumutbar machen würden.

11. Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

12. In einer Stellungnahme vom 11.04.2019 machte der Beschwerdeführer Ausführungen zu seinem Alkoholabusus und zur Asylrelevanz.

13. Am 12.04.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seinem gewillkürten Rechtsvertreter und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.04.2019 und Einsicht in das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis einschließlich 31.01.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender, die EASO-Country-Guidance aus Juni 2018, der EASO-Bericht aus Jänner 2018 zu Netzwerken in Afghanistan, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.12.2018 zur Lage in Mazar-e Sharif, Herat und Kabul, sowie durch Berücksichtigung der in der Beschwerde zitierten Berichte und Judikate:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Leben und seinen Fluchtgründen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem. Seine Identität steht nicht fest. Er reiste gegen Ende 2015 nach Österreich ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hat zwei Kinder, welche bei ihrer im Iran aufhältigen Mutter, von welcher sich der Beschwerdeführer im Jahr 2012 scheiden ließ, leben. Die Mutter und Schwester des Beschwerdeführers leben ebenfalls im Iran. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, zudem spricht er auch etwas Türkisch.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kabul geboren, wo er bei seiner Familie aufwuchs. Er besuchte dort acht Jahre lang die Schule und hat in Afghanistan als Taxifahrer sowie als Hilfsarbeiter gearbeitet. Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Einreise nach Österreich in Summe etwa 14 Jahre in Afghanistan, zehn Jahre im Iran, drei Jahre in Pakistan und zwei Jahre in der Türkei.

In Afghanistan leben noch weitschichtige Verwandte des Beschwerdeführers, mit welchen er jedoch nicht in Kontakt steht bzw. zerstritten ist. Andere familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte hat der Beschwerdeführer in Afghanistan nicht.

Der Beschwerdeführer leidet an einem chronischen Alkoholabhängigkeitssyndrom, einem Benzodiazepinabhängigkeitssyndrom und an Hepatitis C (Genotyp 3a). Aufgrund seines chronischen Alkoholabhängigkeitssyndroms befand sich der Beschwerdeführer bereits in medikamentöser sowie in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung. Der Beschwerdeführer befindet sich deswegen auch derzeit in einer Therapie und nimmt Medikamente ein (Zyprexa, Schlaftabletten).

Der Beschwerdeführer nahm am 22.03 sowie am 03.04.2019 eine ambulante Beratung des Vereins XXXX in Anspruch.

Am 27.07.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft Innsbruck ein Strafantrag wegen des Vergehens nach §§ 127, 15 StGB eingebracht.

Mit Urteil des LG Innsbruck vom 09.05.2017, rechtskräftig am 12.05.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von 160 Tagessätzen, davon 80 Tagessätze bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des LG Salzburg vom 22.10.2018, rechtskräftig am 26.10.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Die Probezeit zu XXXX wurde auf insgesamt 5 Jahre verlängert.

Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen). Er hat auch im Falle seiner Rückkehr keine derartige Verfolgung zu erwarten.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:

Zur Sicherheitslage allgemein:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformationen bis 31.01.2019 - LIB 31.01.2019, S.48).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 31.01.2019, S.48).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 31.01.2019, S.51).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 31.01.2019, S.59).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 31.01.2019, S.52).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 31.01.2019, S. 52). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 31.01.2019, S.53 ff.).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister (LIB 31.01.2019, S. 335 f.)

Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, im Südosten an Nangarhar, im Süden an Logar und im Südwesten an (Maidan) Wardak (LIB 31.01.2019, S. 73).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul (LIB 31.01.2019, S. 74 f.).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen, den Hamid Karzai International Airport (LIB 31.01.2019, S. 74).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB 31.01.2019, S. 74).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes wurden mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (LIB 31.01.2019, S. 75 f.).

Wirtschaft:

Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 31.01.2019, S. 342).

Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 31.01.2019, S. 342 ff.; UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).

Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteils aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).

Medizinische Versorgung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden; privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 31.01.2019, S. 349 f.). Es gibt keine staatliche Unterstützung beim Erwerb von Medikamenten (LIB 31.01.2019, S. 350).

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten und Gesundheitsarbeiter bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren, allgemeine Gesundheitszentren und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten die Dienstleistungen der Gesundheitsposten und Gesundheitsarbeiter an. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan wird von nationalen und internationalen NGOs zur Verfügung gestellt. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB 31.01.2019, S. 350).

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos; dennoch ist eine Bestechung der Ärzte und Krankenschwestern üblich. Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (LIB 31.01.2019, S. 352).

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (LIB 31.01.2019, S. 351).

Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (LIB 31.01.2019, S. 351; vgl. auch EASO Country Guidance 2018, Seite 59).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 31.01.2019, S. 355).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 31.01.2019, S. 356 f.)

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 31.01.2019, S. 357 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 31.01.2019, S. 359).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 31.01.2019, S. 359 f.).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 31.01.2019, S. 360).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 31.01.2019, S. 360).

Zudem gibt es in Städten Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer, in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 31).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 31.01.2019, S. 303).

Die Hazara-Gemeinschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 31.01.2019, S. 306).

Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch stehen ihnen Bildungsmöglichkeiten offen. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (LIB 31.01.2019, S. 308). Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 31.01.2019, S. 306 f.).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangs-rekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 31.01.2019, S. 309). Dennoch existieren keine Berichte über Verfolgung durch den Staat, Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, 2018, Seite 62).

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten und 10-15% Schiiten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 31.01.2019, S. 293 und 296;).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört (LIB 31.01.2019, S. 294).

Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 31.01.2019, S. 296 f.).

Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, 2018, Seite 62).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Heimatprovinz, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen sonstigen Sprachkenntnissen und zu seinem Familienstand gründen auf den gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (Erstbefragung-Niederschrift [im Folgenden: "EB"] S. 1, BFA-Niederschrift [im Folgenden: "EV"] S. 3; BVwG-Akt, OZ 7, S. 3 bis 6).

Der im Spruch angeführte Name und das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum dienen mangels Vorlage eines originalen Identitätsnachweises lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Aus dem bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten und in der Beschwerde nicht beanstandeten Geburtsdatum resultiert die Volljährigkeit des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt.

Aufgrund des inkonsistenten Vorbringens zu den jeweiligen Aufenthalten des Beschwerdeführers in Afghanistan, im Iran und in Pakistan konnten diesbezüglich lediglich Zeiträume, aber keine genaueren Daten, festgestellt werden. Was die Angaben zu seinem Aufenthalt in der Türkei (zwei Jahre nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, ein Monat nach jenen beim BFA; EV S.12; BVwG-Akt, OZ 7, S. 15) betrifft, ist auszuführen, dass Erstere (zweijähriger Aufenthalt) für glaubwürdig befunden wurden, zumal diese mit den ebenfalls glaubwürdigen Angaben zu seinen türkischen Sprachkenntnissen (EV S. 7; BVwG-Akt, OZ 7, S. 14 f.) in Einklang zu bringen sind. Der Schluss liegt in dem Fall nahe, dass sich der Beschwerdeführer derartige Kenntnisse, die zur Kommunikation mit seiner türkischsprachigen Freundin ausreichen, in einem Zeitraum von zwei Jahren, und nicht bloß einem Monat, angeeignet hat.

Die Feststellungen zum Aufenthalt seiner Verwandten sowie zum vorhandenen (hinsichtlich der Mutter, Schwester und Kinder des Beschwerdeführers) bzw. fehlenden (hinsichtlich der Cousins väterlicherseits des Beschwerdeführers) Kontakt zu diesen Gründen auf den gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (EV S. 5 f.; BVwG-Akt, OZ 7, S. 5 f.).

Die Feststellungen zur Schulbildung des Beschwerdeführers gründen auf den gleichbleibenden Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (EV S. 7, BVwG-Akt, OZ 7, S. 5)

Die Feststellungen zur Berufserfahrung des Beschwerdeführers entspringen seinen Angaben (EB S. 2 f., EV S. 7)

Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beschwerden des Beschwerdeführers sowie zu den deshalb in Anspruch genommenen Behandlungen ergeben sich zweifelsfrei aus den im Verfahren vorgelegten Dokumenten (BFA-Akt, AS 807-895; BVwG-Akt, OZ 5) in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer hierzu in der Verhandlung getätigten Angaben (BVwG-Akt, OZ 7, S. 3 f.).

Die Feststellungen zum eingebrachten Strafantrag und zu den Verurteilungen wegen Vergehen nach dem StGB des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den entsprechenden Unterlagen im BFA-Akt (AS 345 ff., 369 ff. und 1163 ff.) sowie der eingeholten Strafregisterauskunft.

2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers und seiner Rückkehrbefürchtungen:

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559); die Aussage des Asylwerbers ist dabei die zentrale Erkenntnisquelle, der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer zunächst in seiner Erstbefragung und sodann in einer ausführlichen Einvernahme vor dem BFA Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen. Aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA geht hervor, dass die belangte Behörde Rückfragen tätigte und dem Beschwerdeführer Gelegenheit gab, sein Vorbringen zu konkretisieren. Die erkennende Richterin konnte zudem im Zuge der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen und sich von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens ein eigenes Bild machen. Der Beschwerdeführer hatte somit ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurden mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist unter diesen Gesichtspunkten zu würdigen und ist hierzu Folgendes auszuführen:

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubwürdig darzulegen. Bei dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen betreffend Grundstücksstreitigkeiten mit Cousins väterlicherseits handelt es sich nicht um eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, sondern um eine rein private Verfolgung bzw. Bedrohung, die in keinem Zusammenhang mit den genannten Gründen steht (vgl. dazu die rechtlichen Ausführungen unter Pkt. II.3.2).

Dies aus den folgenden Erwägungen:

So machte der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung, befragt nach seinen Fluchtgründen, lediglich eine Gruppenverfolgung schiitischer Hazara sowie den Krieg in Afghanistan geltend (EB S. 5 f.). Vor dem BFA führte der Beschwerdeführer sodann als Fluchtgrund gänzlich neu Grundstücksstreitigkeiten an, aufgrund welcher er von seinen Cousins geschlagen und mit dem Tod bedroht worden sei (EV S. 13 ff.).

Mit diesen Angaben, welche der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt hat, steigerte er sein Fluchtvorbringen erheblich. Dieses - im Hinblick auf die nunmehr behauptete persönliche Bedrohung - gesteigerte Vorbringen erweckte den Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12) und die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Reiseroute und der Identitätsfeststellung des Antragstellers dient. Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN). Dazu befragt, weshalb er dieses Vorbringen nicht bereits früher erstattet habe, berief sich der Beschwerdeführer darauf, ein anderer Flüchtling habe ihm erzählt, es gehe bei der Erstbefragung nur um den Fluchtweg; erst bei der darauffolgenden Einvernahme müsse er alles erzählen. Dem Beschwerdeführer war bei der Erstbefragung jedoch offenbar sehr wohl bewusst, dass er auch Angaben zu seinem Fluchtgrund machen musste, führte er bei dieser Gelegenheit doch sowohl den Krieg als auch Bedrohungen gegen die Hazara an. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers überzeugt vor diesem Hintergrund daher nicht.

Darüber hinaus schilderte der Beschwerdeführer den Vorfall mit seinen Cousins bei seinem letzten Aufenthalt in Kabul widersprüchlich. So gab er hierzu beim BFA an, seine Cousins hätten ihn geschlagen und ihn mit einer Waffe und dem Tod bedroht. Nur weil in dem Moment zufälligerweise eine Polizeistreife vorbeigefahren sei, hätten sie schließlich von ihm abgelassen und seien geflüchtet (EV S. 13). Der Schilderung dieser letzten Begegnung mit seinen Cousins in der mündlichen Verhandlung zufolge sei es jedoch gar nicht zu einer direkten Konfrontation zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Cousins gekommen. Diese seien bloß auf den Beschwerdeführer zugelaufen, welcher vor ihnen geflüchtete sei. Als sie ein an einer Ecke stehendes Polizeiauto bemerkt hätten, seien die Cousins von dort geflüchtet; Schläge und Todesdrohungen wurden dabei nicht vorgebracht (BVwG-Akt, OZ 7, S. 9).

Die behauptete asylrelevante Verfolgung aufgrund des Alkoholabusus des Beschwerdeführers konnte bereits aufgrund seiner diesbezüglichen widersprüchlichen bzw. uneinheitlichen Angaben nicht festgestellt werden. So wurde zwar im Verfahren vor der belangten Behörde eine derartige potentielle Verfolgungsgefahr in den Raum gestellt, beim BFA schloss der Beschwerdeführer diesen Umstand jedoch wiederum explizit als Fluchtgrund aus. Dort gab er - nachdem ihm vom Einvernahmeleiter der Begriff der "sozialen Gruppe" iSd GFK erklärt wurde und dieser fragte, ob der Beschwerdeführer seiner Meinung nach einer solchen Gruppe angehöre - an, er zähle sich nicht zu einer derartigen Gruppe, zumal er sein Alkoholproblem derzeit im Griff habe; Probleme seitens des Staates hätte er aus diesem Grund mit Sicherheit nicht (EV S. 17 f.).

Die vom Beschwerdeführer geäußerte Rückkehrbefürchtung, wonach er in Afghanistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur Religionsgemeinschaft der Schiiten verfolgt werde, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. So ergibt sich aus den Länderberichten, dass in Afghanistan weder eine Gruppenverfolgung der Hazara noch eine der Schiiten vorliegt. Sowohl UNHCR als auch EASO bestätigen dies (vgl. dazu die rechtlichen Ausführungen unter Pkt. II.3.2.).

Andere Anhaltspunkte, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen, sind im gesamten Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, in das Verfahren eingebrachte und dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebrachte Berichtsmaterial. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Diese Berichte sind nach wie vor als hinreichend aktuell anzusehen und setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen. Die entsprechenden Fundstellen sind in den Klammern neben den Absätzen ersichtlich.

Die bereits vom BFA ins Verfahren eingebrachte Version des Länderinformationsblatts vom 29.06.2018 inkl. Kurzinformation vom 31.01.2019 erweist sich für den gegenständlichen Fall nach wie vor als hinreichend aktuell und wird der Entscheidung zugrunde gelegt. Dies belegen auch die übrigen ins verwaltungsgerichtliche Verfahren eingebrachten Einschätzungen der Lage in Afghanistan, denen weder die Beschwerde noch das Vorbringen in der Verhandlung substantiiert entgegengetreten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid vom 18.02.2019. Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu Spruchpunkt A) I. - Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und IV. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wendet, ist sie nicht begründet:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).

Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen wurde vom Beschwerdeführer nicht bzw. nicht glaubhaft dargelegt (vgl. Pkt. II.2.2).

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Gefährdung durch seine Cousins väterlicherseits aufgrund behaupteter Grundstücksstreitigkeiten ist nicht unter einen der Gründe der GFK zu subsumieren, denn ein Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung und einem der in der GFK taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) besteht nicht. Es würde sich vielmehr, selbst wenn man die Schilderungen des Beschwerdeführers für wahr hält, um eine rein private Verfolgung handeln, die nur dann Asylrelevanz erlangen kann, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, den notwendigen Schutz zu bieten. Davon kann freilich im gegenständlichen Fall - zumindest in afghanischen Großstädten, die unter staatlicher Kontrolle stehen - keine Rede sein. Eine derartige Handlung (widerrechtliche Aneignung von Grundstücken und sich daraus ergebende Verfolgungshandlungen) erfolgt in diesem Falle lediglich aus kriminellen Motiven und würde wohl auch erfolgen, wenn der Beschwerdeführer und seine Familie einer anderen Nationalität, Religionsgemeinschaft oder Rasse angehörten. Die Gefahr, infolge Grundstücksstreitigkeiten Opfer von Gewaltverbrechen zu werden, besteht vielmehr potentiell für alle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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