TE OGH 2019/11/18 8Ob93/19p

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2019, GZ 11 R 69/19a-26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Projektentwicklerin ist Wohnungseigentumsorganisatorin und nach wie vor (schlichte) Miteigentümerin einer rund 15.000 m² großen Liegenschaft, auf der seit 2009 ein „Loft-Stadtteil“ errichtet wird und von der sie sukzessive Miteigentumsanteile mit dem Ziel der Begründung von Wohnungseigentum verkaufte. Bislang gibt es nur einen Entwurf des Wohnungseigentumsvertrags vom 27. 7. 2009 und eine vorläufige Nutzwertberechnung vom 16. 6. 2009, weil noch nicht alle Umbauarbeiten abgeschlossen sind.

Der Beklagte erwarb seine Liegenschaftsanteile, verbunden mit der Zusage von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG an zwei Lofts sowie an den drei KFZ-Abstellplätzen Nr 44, 45 und 46, mit Kaufvertrag vom 1. 3. 2012 von der Wohnungseigentumsorganisatorin. Mit Nachtrag vom 16. 3. 2012 zu diesem Kaufvertrag wurde dem Beklagten statt an den genannten KFZ-Abstellplätzen die Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG an den KFZ-Abstellplätzen Nr 139, 140 und 141 zugesagt und im Grundbuch zu seinen Gunsten angemerkt (B-LNr 1 bm 1467/2012). Zu Gunsten des Klägers ist ebenfalls die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG angemerkt. Er hat seine Miteigentumsanteile mit Kaufvertrag vom 6. 8. 2015 von den Voreigentümern erworben, die diese ihrerseits im Jahr 2010 von der Wohnungseigentumsorganisatorin gekauft hatten.

Um der für das in Entwicklung befindliche Projekt notwendigen Flexibilität Rechnung tragen zu können, behielt sich die Wohnungseigentumsorganisatorin in den von ihr abgeschlossenen Kaufverträgen die Verwendung und Verwertung sämtlicher nicht als Zugangs- oder Zufahrtswege gewidmeter, unbebauter Flächen der Liegenschaft vor und ließ sich die Berechtigung einräumen, Zu-, Um- und Ausbauten an den auf der Liegenschaft befindlichen Gebäuden vorzunehmen, Einheiten zusammenzulegen oder abzuändern, allenfalls unter Einbeziehung von allgemeinen Teilen des Gebäudes und der übrigen Freiflächen.

Der Kläger begehrte vom Beklagten wegen titelloser Benützung die Räumung der KFZ-Abstellplätze Nr 139, 140 und 141 insbesondere von den dort aufgestellten zwei Betonabweisern und die zukünftige Unterlassung der Nutzung dieser Flächen als KFZ-Abstellplätze. Dabei stützte er sich auf den Entwurf zum Wohnungseigentumsvertrag und die vorläufige Nutzwertberechnung, in der die KFZ-Abstellplätze Nr 139, 140 und 141 nicht angeführt sind.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte die die Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zurückzuweisen:

1. Eine Eigentumsfreiheitsklage kann nur gegen einen unberechtigten Eingriff (auch eines anderen Miteigentümers) in das gemeinsame Eigentumsrecht erhoben werden (zB RIS-Justiz RS0012040; RS0012113) und setzt damit verbotene bzw unerlaubte Eigenmacht des Störers voraus (RS0012112).

2. Der Kläger argumentiert im Wesentlichen damit, dass der „Nutzungs- und Verfügungsvorbehalt“, den sich die Wohnungseigentumsorganisatorin in den jeweiligen Kaufverträgen mit den Wohnungseigentumsbewerbern ausbedungen habe, nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG nichtig sei. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, wäre im Hinblick auf die Verbrauchereigenschaft des Klägers von Amts wegen aufzugreifen gewesen, dass dieser Vorbehalt gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG verstoße.

3.1 Auf die Frage der Gültigkeit dieses Vorbehalts kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an, weil der Kläger unabhängig davon keine Benützung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch den Beklagten, also einen Eingriff des Beklagten in das gemeinsame Miteigentum, aufzuzeigen vermag:

Der Rechtstitel für die einem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse liegt nicht in der Nutzwertfestsetzung bzw der Nutzwertbestimmung, sondern in der Widmung (die wiederum Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags ist). Die rechtswirksame Widmung gibt den Ausschlag dafür, was zu einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt gehört und dementsprechend vom jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich genutzt werden darf (RS0118149).

Ob ein Wohnungseigentumsobjekt (§ 2 Abs 2 WEG), ein Wohnungseigentums-Zubehörobjekt (§ 2 Abs 3 WEG) oder Allgemeinteile (§ 2 Abs 4 WEG) vorliegen, entscheidet sich daher im Regelfall nach der privatrechtlichen Einigung (der Widmung) der Wohnungseigentümer, die im Allgemeinen im Wohnungseigentumsvertrag erfolgt (RS0120725).           

Für den Rechtsakt der Widmung bestehen im Gegensatz zum Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum keine Formvorschriften (RS0082712). Er kann im Stadium der Vorbereitung einer Wohnungseigentumsbegründung auch vom Wohnungseigentumsorganisator gesetzt werden (RS0120725 [T2]; 5 Ob 18/19m), was bei der Errichtung einer größeren Anlage, deren Wohnungen sukzessive abverkauft werden sollen, sogar dem Regelfall entspricht (5 Ob 157/03d). Spätere Widmungsänderungen können konkludent die Zustimmung aller Mit- und Wohnungseigentümer finden (5 Ob 290/07v; 5 Ob 210/13p).

3.2 Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung von Teilen einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft hängen vielfach von den konkreten Umständen des gerade zu beurteilenden Falls ab (RS0114928 [T7]).

3.3 Hier sollte mit der vom Kläger herangezogenen Fassung des Wohnungseigentumsvertragsentwurfs – wie schon die Bezeichnung als Entwurf deutlich macht – kein Rechtstitel für eine rechtswirksame Widmung aller zum damaligen Zeitpunkt noch nicht von einer Verwertung betroffenen Teile der Liegenschaft als Allgemeinflächen geschaffen werden (zur selben Liegenschaft bereits klarstellend: 5 Ob 18/19m).

Daraus folgt, dass der Kläger die nach § 523 ABGB geltend gemachten Ansprüche weder auf die vorläufige Nutzwertberechnung noch den Entwurf des Wohnungseigentumsvertrags stützen kann. Woraus sich die Widmung der dem Beklagten zugeordneten KFZ-Abstellflächen als allgemeinen Teil der Liegenschaft ergeben soll, bringt der Kläger damit nicht schlüssig zur Darstellung.

Die Auffassung der Vorinstanzen, auch jene Flächen, die in den Kaufverträgen über Miteigentumsanteile nicht einzelnen Vertragsparteien zur ausschließlichen Nutzung zugeordnet worden seien, seien nicht zur gemeinsamen Nutzung und Verfügung aller Miteigentümer verblieben, begegnet vor diesem Hintergrund – jedenfalls bezogen auf die strittigen Flächen – keinen Bedenken.

3.4 Selbst wenn man anderer Ansicht wäre, wäre dem Kläger nicht geholfen. Er übergeht, dass der Beklagte nach den Feststellungen seit 2012 die KFZ-Abstellflächen Nr 139, 140 und 141 nutzt, nachdem ihm diese Flächen mit Nachtrag zum Kaufvertrag ersatzweise zugeordnet worden waren, weil an der ursprünglich vorgesehenen Stelle wegen baupolizeilicher Auflagen zu wenig Platz war, ohne dass es je Probleme gab oder sich jemand dadurch behindert fühlte. Der Kläger fand daher bei Abschluss seines Kaufvertrags 2015 bestimmte (im Einklang mit der grundbücherlichen Anmerkung stehende) Benützungsverhältnisse vor, aus denen sich die Widmung der KFZ-Abstellflächen als (zugesagtes) Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten ergab. Bei der gegebenen Sachlage muss aber davon ausgegangen werden, dass alle Miteigentümer und Wohnungseigentumsbewerber einschließlich der Voreigentümer des Klägers konkludent in diese Widmung eingewilligt haben (vgl zu Fällen einer konkludenten Widmung 5 Ob 290/07v). Bereits das Erstgericht hat darauf verwiesen, dass der Kläger in diese „rechtsgeschäftlichen Verhältnisse“ eingetreten ist. Von einem Eingriff des Beklagten in „Allgemeinflächen“ kann daher keine Rede sein.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E126831

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00093.19P.1118.000

Im RIS seit

13.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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