TE Bvwg Beschluss 2019/5/6 L508 2167124-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3
AVG §37
AVG §66 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L508 2167124-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA: Staatenlos, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl: XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein staatenloser Palästinenser aus dem Libanon, stellte, nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, am 10.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der verschiedenen Befragungen gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er staatenloser Palästinenser sei. Er sei im Flüchtlingslager XXXX in Syrien geboren. Seine Eltern seien staatenlose Palästinenser aus Syrien gewesen. Seine Mutter sei verstorben als er drei Jahre alt gewesen sei. Nachdem seine Mutter verstorben sei, sei sein Vater mit ihm zu dessen ersten Frau in den Libanon zurückgekehrt. Sie hätten dort im Flüchtlingslager XXXX gelebt. Dort habe er sein Studium abgeschlossen. 2005 sei er ins Flüchtlingslager XXXX nach Syrien zurückgekehrt. Dort habe er gemeinsam mit seinem Onkel mütterlicherseits gelebt. Nach ca. 1,5 Jahren, also im Jahr 2007, sei er ins Flüchtlingslager XXXX in den Libanon zurückgekehrt. Er habe in seinem Spital in Beirut bis zum Jahr 2014 gearbeitet, dann sei er gekündigt worden. Seine Geschwister würden teils in den Flüchtlingslagern XXXX und XXXX leben. Befragt zu den Gründen für das Verlassen des Libanons gab der BF an, dass die Sicherheitslage sehr schlecht gewesen sei. Er habe im Flüchtlingslager XXXX gelebt und dieses würde sich unweit vom Quartier der Sicherheitskräfte befinden, weswegen es dort viele Explosionen gegeben habe. Außerdem sei er wegen dem Tod seines Vaters von seiner Familie als unerwünscht angesehen worden und habe man ihm wegen dem Tod des Vaters Vorwürfe gemacht. Hinzu käme, dass er als staatenloser Palästinenser im Libanon nicht arbeiten habe dürfen. Er habe im Bereich der Orthopädie gearbeitet, dies jedoch bei einem französischen Professor in einem Privatspital in Beirut. Palästinensern sei es nicht erlaubt zu arbeiten. Er habe im Libanon keine Rechte und keine Zukunft. Er habe den Libanon illegal verlassen und wenn er nun zurückkehren müsste, würde ihm der Vorwurf gemacht werden, dass er in Syrien gekämpft habe. Er könne nicht zurück in den Libanon.

Der Beschwerdeführer brachte insbesondere eine UNRWA-Registrierungskarte Libanon von 10/92, einen Familienregisterauszug aus dem Libanon, einen Personalausweis für palästinensische Flüchtlinge sowie ein Reisedokument, beides im Original, in Vorlage. Ferner wurden Unterlagen zu seiner Integration in Österreich in Vorlage gebracht.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF bei der UNRWA im Libanon registriert ist und dass es sich bei ihm um einen staatenlosen Palästinenser aus dem Libanon handelt. Als Fluchtgrund wurde die Sicherheitslage im Libanon festgestellt. Im Falle einer Rückkehr könne der Antragsteller wiederum im Libanon im Flüchtlingslager wohnen. Im Libanon herrsche keine erhebliche Gefährdung der gesamten Zivilbevölkerung und gäbe es - unter Verweis auf einen Bescheid des sächsischen Oberveraltungsgerichtes vom 20.01.2016 - keine Hinweise darauf, dass rückkehrende palästinensische Flüchtlinge in libanesischen Flüchtlingslagern alsbald einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Eine konkrete Verfolgung sei nicht vorgebracht worden. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung wurde insbesondere ausgeführt, dass allgemeine Diskriminierungen aufgrund der palästinensischen Abstammung nicht geeignet seien einen Asylgrund darzustellen. Unter Bezugnahme auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. Juli 2015 wurde ausgeführt, dass dieser keine Hinweise dafür enthalte, dass rückkehrende palästinensische Flüchtlinge in libanesischen Flüchtlingslagern alsbald einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Hinsichtlich der Situation von bei der UNRWA registrierten staatenlosen Palästinensern wurde abermals auf den Bescheid des sächsischen Oberveraltungsgerichtes vom 20.01.2016 verwiesen.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. In der Beschwerde wurde insbesondere begründend ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen staatenlosen Palästinenser handle, der bei UNRWA im Libanon registriert sei. Dieser Schutz sei weggefallen, weshalb dem Beschwerdeführer ipso facto der Status eines Asylberichtigten im Sinn des Art. 1 Abschnitt D GFK zuzuerkennen sei. Ferner wurden Ausführungen zur Integration getätigt und entsprechende Unterlagen in Vorlage gebracht. Hinsichtlich des detaillierten Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

5. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1.1. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen staatenlosen Palästinenser, der im Libanon im palästinensischen Flüchtlingslager XXXX gelebt hat.

In gegenständlicher Beschwerde wurde seitens des BFA ausgeführt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen bei UNRWA im Libanon registrierten palästinensischen Flüchtlinge handle.

Der belangten Behörden ist vorzuwerfen, dass sie es, vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer staatenlos und palästinensischer Herkunft ist und in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon gelebt hat, gänzlich unterlassen hat Ermittlungen dahingehend zu tätigen, ob der BF tatsächlich bei UNRWA registriert ist und sofern er bei UNRWA registriert ist, zu ermitteln, ob diese Registrierung noch aufrecht ist.

Ferner wird die belangte Behörde zu ermitteln haben, ob den Geschwistern des BF die Unterstützung der UNRWA vor Ort zukommt sowie in welcher Form (bspw. durch Zuwendungen im Rahmen des Hilfs- und Dienstprogrammes wie etwa Lebensmitteln, sonstigen Zuwendung sowie das Bestehen von Gesundheitsleistungen) und ob dies im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers auch für diesen zutreffen wird. Jedenfalls wird die belangte Behörde auch zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Libanon als staatenloser palästinensischer Flüchtling den Beistand der UNRWA vor Ort wieder in Anspruch nehmen wird können und werden diesbzg. auch die Einreisemodalitäten sowiei die Zugangsmöglichkeiten zu den Flüchtlingslagern wie die dort herrschenden Sicherheitsbedingungen entsprechend zu eruieren sein.

Sofern sich in der Folge aus einer eingehenden Befragung des Beschwerdeführers zur UNRWA Registrierung und aus einschlägigen Ermittlungen ergibt, dass der Beschwerdeführer bei UNRWA als Flüchtling registriert war oder ist und nach wie vor unter dem Schutz von UNRWA steht, wird es die Verpflichtung der belangten Behörde sein, zu ermitteln, weshalb der Beschwerdeführer nicht mehr den Schutz von UNRWA in Anspruch nimmt oder genommen hat, und zwar unabhängig davon, ob ein Fluchtgrund iSd GFK glaubhaft gemacht wurde und unabhängig davon, ob ein behaupteter Fluchtgrund den Anforderungen an die Glaubhaftmachung entspricht oder nicht.

Diese unbedingt notwendigen Ermittlungen haben im gegenständlichen Fall weder im Ermittlungsverfahren noch in der angefochtenen Entscheidung ihren Niederschlag gefunden, weshalb der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage, ob der Beschwerdeführer über eine aufrechte UNRWA Registrierung verfügt, leidet.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen teils gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.

Die belangte Behörde wird sich daher im fortgesetzten Verfahren - nach erfolgter Ermittlungen zum Vorliegen einer aufrechten UNRWA Registrierung, der Einreise- und Zugangsmöglichkeiten zu den Flüchtlingslagern, der dortigen Sicherheitslage und dem Zugang zu Unterstützungsleistungen in diesen sowie einer neuerlichen Einvernahme des Beschwerdeführers - mit dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhalt, insbesondere auch unter Beachtung der einschlägigen Judikatur betreffend staatenlose Palästinenser die unter dem Schutz von UNRWA stehen (vgl. dazu VfGH vom 24.09.2018, Zl. E 761-766/2018-18, und die unten angeführte Judikatur), auseinander zu setzen haben.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3,

3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc,

s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

2.2.1.2. Des Weiteren muss im gegenständlichen Fall noch erwähnt werden, dass die belangte Behörde im Fall einer aufrechten und aktuellen UNRWA-Registrierung des Beschwerdeführers Folgendes zu beachten haben wird:

Gemäß Art 12 Abs. 1 lit a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Statusrichtlinie) ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß

Art 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.

In seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, U 1053/2012-14, führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"Der Beschwerdeführer legte im Asylverfahren eine auf seine Person ausgestellte "UNRWA Registration Card" vor. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht - in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK - einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76).

Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die - in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL vorgesehene - "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese - im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallenden Personen - für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH, El Kott, Rz 76). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art. 12 lit. a der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung in der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte." (Vgl. auch VfGH U 706/2012-15 vom 29.06.2013)

Im Urteil vom 17.06.2010, C31/09, Nawras Bobol, welchem der Antrag einer staatenlosen Palästinenserin aus Gaza an die ungarischen Behörden auf Anerkennung als Flüchtling nach Art. 1 Abschn. D 2. Satz der GFK zugrunde lag, zumal sie nunmehr außerhalb des Tätigkeitsgebiets der UNRWA lebe, stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass "für die Zwecke der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Person den Schutz oder Beistand einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR genießt, wenn sie diesen tatsächlich in Anspruch nimmt. Sofern sie diesen nicht tatsächlich in Anspruch nimmt, kann sie ihren Antrag auf Anerkennung als Flüchtling jedenfalls nach Art. 2 lit c der Richtlinie (sinngleich: Art. 1 Abschn. A der GFK) prüfen lassen. Mit der Registrierung der betreffenden Person bei der UNRWA liegt ein ausreichender Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA vor" (Rn 52-54).

Sollte sich folglich herausstellen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen palästinensischen Flüchtling iSd Artikels 1 D der GFK handelt, so wird sich die belangte Behörde mit dieser Thematik entsprechend umfassend auseinanderzusetzen habe und reicht der Verweis auf eine Entscheidung eines deutschen Gerichtes - wie die belangte Behörde dies getan hat - hierzu keinesfalls aus. Die belangte Behörde wird - unter Beiziehung aktueller Länderfeststellungen zur Situation von UNRWA-Flüchtlingen im Libanon und deren Aufnahmemöglichkeit in die dortigen Flüchtlingslager - zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr tatsächlich den Schutz von UNRWA wieder in Anspruch nehmen wird können bzw. ob die UNRWA den Schutz der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon gewährleisten kann; dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte, denen zufolge sich die sozio-ökonomischen Bedingungen wie auch die dortige Sicherheitslage teilweise als problematisch erweisen. Die belangte Behörde wird folglich zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer den Asylausschlussgrund des - in Umsetzung des Art. 12 Abs. 1 lit. a 1 Satz ergangenen - § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfüllt und wird eine Würdigung unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zu erfolgen haben (vgl. etwa EuGH 17.6.2010, Rs. C-31/09, Nawras Bolbol, Rz. 52). Ferner wird die Erstinstanz die Frage zu klären haben, ob der Beschwerdeführer nicht "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, weil ihm der Beistand der UNRWA zwar - jedenfalls - in der Vergangenheit gewährt wurde, nunmehr jedoch "aus irgendeinem Grund" iSd Status-RL nicht mehr gewährt wird; dies alles unter entsprechender Berücksichtigung des Erkenntnisses des EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 61 sowie des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshof vom 29. Juni 2013, U 706/2012, Rz 17).

2.2.1.3. Darüber hinaus ist noch zu konstatieren, dass sich die belangte Behörde bei der Beurteilung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Libanon sowie bei der Beurteilung der Situation von palästinensischen Flüchtlingen zum Entscheidungszeitpunkt des 20.07.2017 auf Berichte, die überwiegend aus den Jahren 2014, 2015 und vereinzelt aus 2016 stammen gestützt hat. Naturgemäß enthalten diese Geschehnisse, die zeitlich wesentlich vor dem Erscheinungstermin liegen. Bereits vom Bundesamt ist zu erwarten, dass es insoweit, als es um Feststellungen zur fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern und der Rückkehrsituation geht, von den ihr, insbesondere durch die eigene Staatendokumention, zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch macht und aktuelle Berichte in die Entscheidung einbeziehen (Hinweis E vom 15. September 2010, 2008/23/0334, mwN). Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben [vgl. in diesem Sinn auch VfGH vom 22. November 2013, U 2612/2012-17, und vom 20. Februar 2014, U 1919/2013 u.a.] VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0141. Im konkreten Fall stellen sohin auch die auf veralteten Länderberichte getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat einen Verfahrensmangel dar, welcher ebenso von Entscheidungsrelevanz ist.

2.2.1.4. Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen, wie beispielsweise auch dem Einwand hinsichtlich der unterlassenen Würdigung in Bezug auf das Vorbringen der Verfolgung durch die Familie (Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe), auseinanderzusetzen haben wird.

2.2.2. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen, amtswegige Ermittlungspflicht,
Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Ermittlungsmangel,
Ermittlungspflicht, Fluchtgründe, GFK, Glaubhaftmachung, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Registrierung, soziale Gruppe, staatenlos,
UNRWA, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L508.2167124.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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