TE OGH 2019/7/24 6Ob24/19a

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Veröffentlicht am 24.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Limited, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der klagenden Partei 1. A***** GmbH, *****, vertreten durch Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. L***** BV & Co KG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E***** GmbH, 2. P***** GmbH & Co KG, beide *****, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, wegen 17.026.583,08 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2018, GZ 2 R 44/18g-54, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Im Jahr 2003 schlossen die (Einzel- bzw Gesamt-)Rechtsvorgängerinnen der Beklagten als Käuferinnen mit einer Tochtergesellschaft der Klägerin (im Folgenden: der Hauptschuldnerin) als Lieferantin mehrere Verträge über die Lieferung und den Aufbau von Windenergieanlagen sowie jeweils Wartungsverträge hinsichtlich der Anlagen. Die Klägerin stellte den Käuferinnen für die einzelnen Projekte jeweils „Parent Company Guarantees“ (PCG) aus, die von den Käuferinnen angenommen wurden. Am 9. 10. 2008 wurde über die Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Beklagten machten in vier Vorprozessen (Verfahren I: 21 Cg 19/08t, Verfahren II: 13 Cg 55/10f, Verfahren III: 47 Cg 36/12i, Verfahren IV: 54 Cg 35/13w, sämtliche des Handelsgerichts Wien) erfolgreich Ansprüche aus den PCGs gegen die Klägerin geltend. Die Klägerin erfüllte die in diesen Verfahren ergangenen Urteile jeweils durch Zahlung an die Beklagten.

Gegenstand dieser Verfahren waren gegen die Klägerin als Sicherungsgeberin geltend gemachte Zahlungsansprüche (sowie weitere, nicht auf Zahlung gerichtete Ansprüche) der Käuferinnen aus der unzureichenden technischen Verfügbarkeit und aus Drosselungen der Anlagen.

Die PCG wurde in der im Verfahren I ergangenen Entscheidung 6 Ob 142/10s als zumindest Bürgschaft auf erstes Anfordern qualifiziert; ob darüber hinaus eine Garantiehaftung vorliege, wurde offen gelassen.

Die Klägerin bringt vor, ihre aus dem jeweiligen Valutaverhältnis zwischen den Beklagten und der Hauptschuldnerin resultierenden Einwendungen seien in den Vorprozessen nicht geprüft worden; sie seien aber berechtigt. Daher fordere sie im vorliegenden Verfahren von den Beklagten jene Beträge zurück, zu deren Zahlung sie in den Vorverfahren verpflichtet worden sei. Zusätzlich macht die Klägerin Ansprüche auf Zahlung jenes Betrags geltend, den sich die Beklagten, die im Jahr 2008 die Wartung der Anlagen selbst durchgeführt hätten, an Wartungsentgelt erspart hätten.

Die Beklagten wandten die Verjährung der Klageforderungen ein, da jeweils nur die dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme und die Klägerin das Verfahren nach der Ruhensvereinbarung vom 17. 5. 2013 nicht gehörig fortgesetzt habe.

Das Erstgericht verwarf mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO den Verjährungseinwand der Beklagten.

Dagegen erhoben die Beklagten im Umfang von (im Einzelnen aufgeschlüsselten) Forderungen von insgesamt 8.433.453,57 EUR gegen die Erstbeklagte und 4.199.662,98 EUR gegen die Zweitbeklagte Berufung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.

Mit ihrer außerordentlichen Revision streben die Beklagten die Klageabweisung im Umfang von 12.633.116,55 EUR an.

Rechtliche Beurteilung

1. Zunächst ist auf jene Ansprüche einzugehen, mit denen die Klägerin die Rückforderung der aufgrund der Verurteilungen in den Verfahren I bis IV an die Beklagten erbrachten Leistungen geltend macht. Sie bringt in diesem Zusammenhang vor, die Beklagten hätten sie zu Unrecht aus den PCGs in Anspruch genommen.

2.1. Auf Ansprüche des Garantieauftraggebers auf Rückforderung einer vom Garanten erbrachten Leistung ist nach der Rechtsprechung § 1431 ABGB analog anzuwenden, weil die Lage des Garantieauftraggebers, der zwar erkennt, dass die Garantie zu Unrecht abgerufen wird, aber wegen der abstrakten Ausgestaltung der von ihm in Auftrag gegebenen Garantie die Leistung nicht mehr zu verhindern vermag, derjenigen eines Irrenden rechtsähnlich ist (RS0106545; 6 Ob 140/16f).

2.2. Es erscheint daher naheliegend, dass auch der Rückforderungsanspruch des in Anspruch genommenen Sicherungsgebers (Bürgen oder Garanten) gegen den Begünstigten – ebenso wie der Rückforderungsanspruch des Garantieauftraggebers – nach § 1431 ABGB analog zu beurteilen ist. Anhaltspunkte, die auf die Anwendung einer anderen Anspruchsgrundlage hindeuten würden, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

3.1. Leistungskondiktionen (daher auch Rückforderungen analog § 1431 ABGB) verjähren gemäß §§ 1478 f ABGB nach 30 Jahren (Dehn in KBB5 § 1478 ABGB Rz 1; Vollmaier in Klang³ § 1478 ABGB Rz 20, jeweils mwN; vgl RS0020167; RS0018505).

3.2.1. Allerdings unterliegt dieser Grundsatz zahlreichen Ausnahmen.

Die Anwendung von § 1486 Z 1 ABGB auf Bereicherungsansprüche kommt dann in Betracht, wenn es sich um Forderungen eines Unternehmers handelt, die aus einer im Rahmen seines geschäftlichen Betriebs erfolgten Leistung oder Lieferung stammen (RS0018505). Bereicherungsansprüche aus ungültigen, sonst jedoch § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäften sind daher nach der Rechtsprechung von § 1486 Z 1 ABGB erfasst (RS0034137 [T6]).

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Forderung, die der dreijährigen Verjährungsfrist unterworfen werden soll, das Entgelt für eine der in § 1486 ABGB aufgezählten Gegenleistungen bildet oder funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähnelt oder wirtschaftlich an deren Stelle tritt, sodass ein synallagmatisches Leistungsverhältnis vorauszusetzen ist (5 Ob 35/19m; RS0034280 [T2]; vgl Dehn in KBB5 § 1478 ABGB Rz 1).

3.2.2. So wurden in der von den Revisionswerberinnen zitierten Entscheidung 1 Ob 32/08z Kondiktionsansprüche wegen einer im Rahmen des geschäftlichen Betriebs vorgenommenen irrtümlichen Mehrlieferung in vermeintlicher Erfüllung bestehender vertraglicher Verpflichtungen der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB unterstellt (vgl RS0123539; dazu Werderitsch, Zak 2008, 263).

4. Im vorliegenden Fall liegt nicht eine im Geschäftsbetrieb der Klägerin entstandene Forderung aus der Ausführung von Arbeiten gegen die Beklagte vor, sodass kein § 1486 Z 1 ABGB zu unterstellender Fall vorliegt. Auch ein Kondiktionsanspruch gemäß § 1431 ABGB wegen einer im Rahmen des geschäftlichen Betriebs vorgenommenen irrtümlichen Mehrleistung in vermeintlicher Erfüllung vertraglicher Verbindlichkeiten ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

5.1. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberinnen ergibt sich auch aus der die Rückforderung einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie betreffenden Entscheidung 10 Ob 62/16i nicht die Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist auf den im vorliegenden Fall zu beurteilenden Anspruch.

5.2. Im Zusammenhang mit der Bestellung einer Bankgarantie anstelle eines Haftrücklasses wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass der Verkäufer (Werkunternehmer), der als Garantieauftraggeber vom garantiebegünstigten Käufer (Werkbesteller) die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung begehrt, damit im Ergebnis nichts anderes als den restlichen Kaufpreis (Werklohn) geltend macht (8 Ob 19/15z; 10 Ob 62/16i; 6 Ob 140/16f; abw noch 1 Ob 182/98s [zusätzliche Sicherungsfunktion]).

5.3. Ausgehend davon, dass der Werklohnanspruch gemäß § 1486 Z 1 ABGB binnen drei Jahren verjährt, wurde zu 10 Ob 62/16i (unter ausdrücklicher Ablehnung der zu 1 Ob 182/98s herangezogenen Argumente) die Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist auf den von der Werkunternehmerin (Garantieauftraggeberin) gegenüber der Werkbestellerin (Garantiebegünstigten) geltend gemachten Bereicherungsanspruch bejaht (kritisch W. Faber, Verjährung des Rückforderungsanspruchs nach ungerechtfertigter Inanspruchnahme einer Haftrücklass-garantie, ÖBA 2017, 243; Berlakovits/Stanke, bau aktuell 2017, 31; differenziert Hueber, JBl 2017, 388; Scheuwimmer, ecolex 2017, 204).

5.4. Im vorliegenden Fall liegt allerdings – wie bereits das Berufungsgericht ausführte – keine der Entscheidung 10 Ob 62/16i vergleichbare Konstellation vor.

Die Erwägung, die Rückforderung der aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern bzw Garantie erbrachten Leistung von den Begünstigten ersetze – wie im Fall der Rückforderung der abgerufenen Haftrücklassgarantie – die Geltendmachung des Werklohnanspruchs durch den Werkunternehmer, kommt nämlich im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin nicht Gläubigerin des von den Beklagten geschuldeten Entgelts ist; Entgeltgläubigerin ist vielmehr die Hauptschuldnerin. Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten, der funktional durch die Leistungskondiktion der Klägerin ersetzt würde, ist aus den Klagebehauptungen daher nicht ableitbar.

5.5. Auf die Frage, ob die der Inanspruchnahme der Bürgschaft bzw Garantie zugrunde liegenden Ansprüche der Beklagten aus der Nichteinhaltung der zugesagten technischen Verfügbarkeit sowie wegen der Vornahme von Drosselungen der Anlagen überhaupt als Gewährleistungsansprüche zu qualifizieren sind, braucht daher für die Beurteilung der Verjährungsfrage nicht weiter eingegangen zu werden.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wird von den Revisionswerberinnen im Zusammenhang mit der angestrebten Anwendung des § 1486 Z 1 ABGB nicht aufgezeigt.

6.1. Die von den Revisionswerberinnen angestrebte Anwendung der Bestimmung des § 1480 ABGB erfasst nur Ansprüche, die sich von Vornherein und ihrer Natur nach auf Leistungen richten, die in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind, die regelmäßige Wiederkehr mithin für die betreffenden Ansprüche typisch ist (RS0109640).

6.2. Das Berufungsgericht qualifizierte die Rückforderung der von der Klägerin für die unzureichende technische Verfügbarkeit sowie für die Drosselung von Windenergieanlagen geleisteten Zahlungen nicht als wiederkehrende Ansprüche im Sinn des § 1480 ABGB, weil gänzlich ungewiss sei, ob die (hier rückgeforderten) Ansprüche in einem Betriebsjahr überhaupt anfielen. Dieser
– mit der Rechtsprechung im Einklang stehenden – Beurteilung hält die außerordentliche Revision nichts Stichhältiges entgegen.

7. Angesichts der auf die Rückforderung der geleisteten Zahlungen anzuwendenden dreißigjährigen Verjährungsfrist ist auf die Ausführungen der Revisionsrekurswerberinnen zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nicht weiter einzugehen.

8.1. Die Klägerin begehrt im weiteren die Leistung jener Beträge, die sich die Beklagten an Wartungsentgelten für das Jahr 2008 erspart hätten.

Das Berufungsgericht führte dazu aus, die Klägerin stehe auf dem Standpunkt, die Erfüllung der Wartungsverträge („Full Service Pakete“) noch nicht übernommen zu haben, sodass sie einen Bereicherungs-, keinen vertraglichen Entgeltanspruch behaupte. Gründe dafür, auf diesen Anspruch die dreijährige Verjährungsfrist anzuwenden, seien nicht ersichtlich.

8.2. Soweit die Beklagten in der außerordentlichen Revision „davon ausgehen“, dass die vertragliche Erfüllungspflicht aus den Wartungsverträgen bereits für das Jahr 2008 auf die Klägerin überbunden worden wäre, findet dies im bisher festgestellten Sachverhalt keine Deckung. Dass die Beklagten – sofern keine Überbindung der Verpflichtungen aus dem Wartungsvertrag auf die Klägerin erfolgt sei – keine Anspruchsgrundlage für die behauptete „Anrechnung“ der „Ersparnis“ auszumachen vermögen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Verjährung.

9. Zusammengefasst zeigt die außerordentliche Revision nicht auf, dass das Berufungsgericht in seiner Beurteilung der Verjährung der eingeklagten Bereicherungsansprüche von der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgegangen wäre.

Textnummer

E125840

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00024.19A.0724.000

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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