TE OGH 2019/7/24 8Ob46/19a

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Veröffentlicht am 24.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei e***** GmbH, *****, vertreten durch Tramposch & Partner Dr. Andreas Weinzierl Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Weber, Rechtsanwalt in Baden, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2019, GZ 129 R 2/19s-20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom 8. November 2018, GZ 24 Cg 60/18a-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen werden in Ansehung des ersten Feststellungsbegehrens betreffend den Weiterbestand des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien vom 23. bis 29. 5. 2018 als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die auf dieses Teilbegehren entfallenden Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Im Übrigen, also in Ansehung des zweiten Feststellungsbegehrens betreffend die Haftung der beklagten Partei für sämtliche der klagenden Partei aus der rechtsunwirksamen Aufkündigung des Vertragsverhältnisses zum 23. 5. 2018 durch die beklagte Partei und der gerechtfertigten Aufkündigung zum 29. 5. 2018 durch die klagende Partei zukünftig entstehenden Schäden, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die darauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin vertrieb aufgrund eines am 3. 9. 2008 zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertriebs- und Lizenzvertrags sowie einer 2014 getroffenen Zusatzvereinbarung eine von der Beklagten entwickelte Kassensoftware für Friseurgeschäfte. Das Vertragsverhältnis sollte entsprechend der Zusatzvereinbarung bis 31. 12. 2023 dauern, wobei für diese „Festlaufzeit“ die ordentliche Kündigung durch beide Vertragsparteien ausgeschlossen wurde.

„Punkt 11 – Kündigung und Auflösung“ des Vertriebs- und Lizenzvertrags berechtigte beide Parteien, den Vertrag unter anderem jeweils dann mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn der Vertragspartner „trotz eingeschriebener Mahnung und angemessener Nachfristsetzung Pflichten aus diesem Vertrag nicht erfüllt“.

Gemäß „Punkt 7 – Endkundentransparenz“ dieses Vertrags war die Klägerin verpflichtet, der Beklagten „zur Markt-, Entwicklungs-, Vertriebs- und Produktbeobachtung bzw zur Sicherung der Software und Entwickler/Kundenverpflichtung nach Aufforderung [...] eine aktuelle Kundenkartei […] in digitaler und lesbarer Form innerhalb von vierzehn Tagen zu übermitteln“.

Die Klägerin übergab der Beklagten am 15. 6. 2015 eine Kundenkartei. Mit Schreiben vom 19. 10. 2016 urgierte die Beklagte die Übersendung einer aktuellen Kundenkartei gemäß Punkt 7 des Vertrags. Sie erneuerte diese Aufforderung mit Schreiben vom 28. 11. 2016. Im Schreiben vom 8. 12. 2016 hielt die Klägerin fest, dass [der Beklagten] „eine Liste mit den Kunden [der Klägerin]“ bereits bekannt sei. Am 15. 12. 2016 wiederholte die Klägerin diesen Standpunkt unter Hinweis darauf, dass eine Kundenkartei am 15. 6. 2015 übergeben worden sei und die nach diesem Datum neu hinzugekommenen Kunden der Beklagten bekannt seien, sodass der Punkt als erledigt angesehen werde.

         Mit Schreiben vom 15. 5. 2018 setzte die Beklagte der Klägerin unter Androhung des „Rücktritts vom Vertriebs- und Lizenzvertrag sowie der Zusatzvereinbarung“ (laut Schreiben vom 16. 5. 2018 gemeint im Sinne einer Auflösung gemäß Punkt 11 des Vertriebs- und Lizenzvertrags) eine Frist bis 22. 5. 2018, um sich in Bezug auf diverse Vertragsverletzungen vertragskonform zu verhalten, unter anderem um eine vollständige Kundenkartei „wie unter Punkt 7 des Vertriebs- und Lizenzvertrags vorgesehen“ zu übermitteln. Mit Schreiben vom 23. 5. 2018 „vollzog die Beklagte schließlich die Vertragsauflösung“.

         Am 29. 5. 2018 erklärte die Klägerin ihrerseits die Auflösung der Verträge.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt, nachdem sie mit der am 25. 5. 2018 beim Erstgericht eingebrachten Klage zunächst noch Vertragszuhaltung geltend gemacht hatte, die Feststellung,

1.) dass die Vertragsauflösung der Beklagten vom 15. und 23. 5. 2018 hinsichtlich des Vertriebs- und Lizenzvertrags sowie der Zusatzvereinbarung unwirksam gewesen sei und diese Verträge zwischen den Parteien vom 23. bis 29. 5. 2018 weiter bestanden hätten;

2.) dass die Beklagte der Klägerin für sämtliche zukünftigen Schäden, die der Klägerin aus der rechtsunwirksamen Aufkündigung des Vertrags vom 23. 5. 2018 durch die Beklagte und der gerechtfertigten Aufkündigung des Vertrags vom 29. 5. 2018 durch die Klägerin entstehen werden, hafte.

Die Beklagte habe zu Unrecht die außerordentliche Kündigung ausgesprochen, weil sich die Klägerin immer vertragstreu verhalten habe und die Beklagte ihr zudem keine angemessene Nachfrist gesetzt habe. Hingegen sei die Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Klägerin mit 29. 5. 2018 berechtigt erfolgt, weil die Beklagte nach Einbringung der Klage – trotz aufrechter Verträge – massiv geschäftsschädigend im Exklusivgebiet der Klägerin konkurrenzierend aufgetreten sei. Der Klägerin stünden daher Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zu, die aber, da das ordentliche Vertragsende in der Zukunft liege, noch nicht abschließend beurteilt werden könnten, bzw sich teilweise erst in der Zukunft realisieren würden. Es sei nicht absehbar, ob und wie viele Kunden der Klägerin, die wegen der Vertragsauflösung durch die Beklagte nicht hätten beliefert werden können, das Vertragsverhältnis mit der Klägerin beenden würden.

Die Beklagte bestritt und wandte ein, sie habe den Vertrag wegen mehrfachen Vertragsbruch durch die Klägerin berechtigt vorzeitig aufgelöst.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Mit einer Ausnahme lägen die von der Beklagten geltend gemachten Vertragsverstöße durch die Klägerin entweder nicht vor oder habe es die Beklagte unterlassen, unter Setzung einer angemessenen Nachfrist ein vertragskonformes Verhalten einzumahnen. Die vorzeitige Vertragsauflösung durch die Beklagte sei jedoch insofern gerechtfertigt gewesen, als die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist keine vollständige Kundenliste an die Beklagte übersandt habe. Hier sei keine weitere Nachfristsetzung erforderlich gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Vertragsauflösung durch die Beklagte zum 23. 5. 2018 sei zwar nicht berechtigt erfolgt, weil ihre erstmals wieder im Schreiben vom 15. 5. 2018 aufgestellte Behauptung, ihr sei trotz mehrfacher Aufforderung niemals eine vollständige Kundenkartei übermittelt worden und sie setze der Klägerin eine letzte Nachfrist bis 22. 5. 2018, um sich diesbezüglich vertragskonform zu verhalten, nicht als Einmahnung ihres Verlangens vom Herbst 2016, sondern allenfalls nur als neue Forderung verstanden werden könne, die Klägerin solle ihr eine aktuelle Kundenliste senden. Hierfür sei aber nicht einmal die im Vertrag vorgesehene 14-Tages-Frist eingehalten, geschweige denn eine Nachfrist gesetzt worden.

Allerdings fehle dem ersten Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse, weil der Vertrag durch die Kündigung der Klägerin jedenfalls rechtswirksam beendet worden sei und nicht nachvollziehbar sei, warum die Klägerin allfällige Ausgleichsansprüche wegen der unterbliebenen Leistungen der Beklagten während der sechs Tage vom 23. bis 29. 5. 2018 nicht beziffern können sollte. Beim zweiten Feststellungsbegehren gehe es um die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, weil, so die Behauptung der Klägerin, sie selbst zum 29. 5. 2018 den Vertrag aufgrund von Vertragsverletzungen der Beklagten vorzeitig beendet habe. Dazu habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, die Beklagte habe versucht, mit tatsachenwidrigen Behauptungen Kunden der Klägerin abzuwerben. Die Klägerin habe allerdings nicht einmal behauptet, dass sie dabei die Vorgangsweise nach Punkt 11 des Vertrags – eingeschriebene Mahnung samt angemessener Nachfrist, um dem Vertragspartner Gelegenheit zu geben, den Vertrag einzuhalten – befolgt habe. Das Erstgericht habe zu den behaupteten Vertragsverletzungen der Beklagten keine Feststellung getroffen; dies habe die Klägerin in ihrer Berufung nicht gerügt. Somit sei, ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts, auch das zweite Feststellungsbegehren nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen seien.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig; sie ist wegen eines auf unrichtiger Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften beruhenden Stoffsammlungsmangels im Sinne des Aufhebungsantrags auch teilweise berechtigt.

1.1 Das Berufungsgericht ist der Auffassung des Erstgerichts, die vorzeitige Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte zum 23. 5. 2018 sei mangels (rechtzeitiger) Übermittlung einer Kundenliste durch die Klägerin rechtswirksam, zu Recht entgegengetreten. Das nahezu eineinhalb Jahre nach der letzten bezughabenden Korrespondenz erstmals im Schreiben vom 15. 5. 2018 erneut formulierte Ansinnen auf Übersendung einer Kundenliste kann nicht als Einmahnung der bereits im Jahr 2016 angeforderten Kundenkartei verstanden werden. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher von der Anforderung einer neuen – im Mai 2018 aktuellen – Kundenkartei mit Schreiben vom 15. 5. 2018 durch die Beklagte ausgegangen. Hierfür setzte die Beklagte der Klägerin aber nicht einmal die entsprechend Punkt 7 des Vertriebs- und Lizenzvertrags vorgesehene Leistungsfrist von 14 Tagen, womit sich die auf die Nichtübermittlung einer Kundenkartei bis 22. 5. 2018 gestützte vorzeitige Vertragsauflösung als unberechtigt erweist.

1.2 Das Vorliegen der übrigen von der Beklagten geltend gemachten Auflösungsgründe wurde von den Vorinstanzen übereinstimmend verneint. Darauf kommt die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht mehr zurück. Vielmehr meint sie, die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts und die darauf aufbauende rechtliche Beurteilung seien mängelfrei. Daraus folgt, dass sie im Revisionsverfahren die noch vor den Unterinstanzen eingewandten Vertragsverstöße nur mehr in Bezug auf die unterlassene Übersendung der Kundenliste aufrecht hält, sodass auf die weiteren Vorwürfe gegen die Klägerin nicht mehr einzugehen ist.

2.1 Obwohl das Berufungsgericht die vorzeitige Vertragsauflösung durch die Beklagte als rechtswidrig beurteilt hat, ging es im Hinblick auf die sich aus dieser Rechtsansicht ergebenden rechtlichen Feststellungsmängel nicht mit einer Aufhebung des Ersturteils vor.

2.2 Zum einen legte es das Fehlen von Feststellungen zu den vermeintlich von der Beklagten nach dieser Auflösungserklärung begangenen Vertragsverletzungen der Klägerin mit dem Argument zur Last, diese habe das Fehlen derselbigen nicht gerügt.

Nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Lehre ist aber von Amts wegen auf jede sich aus einer (zutreffenden) rechtlichen Beurteilung ergebende Unvollständigkeit des Sachverhalts Bedacht zu nehmen, sofern – wie hier – eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt (RIS-Justiz RS0114379), auch wenn der Berufungswerber die Mangelhaftigkeit nicht rügte (RS0043310).

Eine Pflicht der Klägerin, das Fehlen von Feststellungen zu ihrem Vorbringen zu rügen, die Beklagte habe nach dem 23. 5. 2018 versucht, mit tatsachenwidrigen Behauptungen ihre Kunden abzuwerben, bestand damit nicht.

2.3 Zum anderen hielt das Berufungsgericht der Klägerin entgegen, dass sie nicht behauptet habe, die Beklagte gemäß Punkt 11 des Vertriebs- und Lizenzvertrags unter Setzung einer angemessenen Nachfrist abgemahnt zu haben.

Zu Recht kritisiert die Klägerin diese Ansicht des Berufungsgerichts allerdings als überraschend, weil die Notwendigkeit einer allfälligen Nachfristsetzung durch die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren weder von der Beklagten eingewandt noch vom Erstgericht erörtert wurde. Ungeachtet der Frage, ob die Setzung einer Nachfrist im vorliegenden Fall nicht ohnehin sinnlos gewesen wäre und daher unterbleiben konnte (vgl RS0018371; RS0018428), nachdem die Beklagte das Vertragsverhältnis ihrerseits bereits zum 23. 5. 2018 vorzeitig aufgelöst hatte, begründet die fehlende Erörterung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts mit den Parteien einen Verstoß gegen § 182a ZPO (RS0037300).

2.4 Entgegen der Meinung der Klägerin ist jedoch nicht (und schon gar nicht als Aktenwidrigkeit) zu beanstanden, dass das Berufungsgericht ihr Vorbringen zum vertragswidrigen Auftreten der Beklagten im Exklusivvertriebsgebiet der Klägerin ab 24. 5. 2018 nicht als von der Beklagten im Sinne des § 267 ZPO zugestanden beurteilt hat. Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, ist eine Verfahrensfrage (RS0040078). Die Rechtsprechung lässt den Schluss von einer unterbliebenen Bestreitung auf ein schlüssiges Geständnis im Allgemeinen nur dann zu, wenn dafür im Einzelfall gewichtige Indizien sprechen (RS0040078 [T6]). Solche zeigt die Klägerin nicht auf.

3.1 Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung erlauben, ob die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die Klägerin zum 29. 5. 2018 gerechtfertigt war. Erst auf dieser Grundlage kann die Berechtigung des zweiten – von der Klägerin ausdrücklich auch darauf gegründeten – Feststellungsbegehrens beurteilt werden.

3.2 In ihrer Revision vertritt die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung, wonach dem Empfänger einer unberechtigten Rücktritts-(Auflösungs-)erklärung das Wahlrecht zugebilligt wird, am Vertrag festzuhalten oder nicht (RS0018492; 9 Ob 712/91), die Ansicht, ihr rechtliches Interesse an beiden Feststellungsbegehren bestünde bereits unabhängig davon, ob die Beklagte nach ihrer unberechtigten Auflösungserklärung vom 23. 5. 2018 konkurrenzierend im Exklusivvertriebsgebiet der Klägerin tätig geworden sei. Dabei übergeht die Klägerin aber, dass sie nach dem 23. 5. 2018 mit ihrem ursprünglichen Klagebegehren weiterhin Erfüllung verlangt und damit von ihrem Wahlrecht schon in diesem Sinne Gebrauch gemacht hatte, bevor sie ihrerseits das Vertragsverhältnis aus einem nach ihrer Darstellung wichtigem Grund auflöste. Der Klägerin ist zwar bei aufrecht bleibendem Vertrag ein Schadenersatz wegen Nichterfüllung gegen die Beklagte zuzubilligen, dieser trägt ihren Anspruch aber nur bis zu ihrer eigenen Auflösungserklärung. Danach kommt ein – allerdings von der Berechtigung ihrer Auflösungserklärung abhängiger und daher noch zu prüfender – Nichterfüllungsschaden in Betracht.

4. Bei einem beendeten Vertragsverhältnis – wie hier – wird das rechtliche Interesse nur dann bejaht, wenn das ergehende Urteil immer noch geeignet ist, die Grundlage für weitere Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu schaffen. Besonders in einem solchen Fall liegt es jedoch am Kläger, das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses oder Rechtes durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten und (erforderlichenfalls) auch zu beweisen (RS0039186 [T2]; RS0039239 [T4]).

Die Klägerin hat ihr rechtliches Interesse an den beiden Feststellungsbegehren in erster Instanz mitbegründet, dass die ihr durch die Auflösungserklärungen entstandenen Schäden noch nicht absehbar seien bzw teilweise erst in der Zukunft eintreten würden. Damit zeigt sie ein rechtliches Interesse am ersten Feststellungsbegehren nicht auf, zumal die Haftung der Beklagten für diese Schäden ohnehin vom zweiten – auch auf die unberechtigte Vertragsauflösung durch die Beklagte abzielenden – Feststellungsbegehren umfasst ist. Ein darüber hinausgehendes rechtliches Interesse an der (isolierten) Feststellung, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien über den 23. 5. 2018 hinaus bis zum 29. 5. 2018 aufrecht war, wurde von der Klägerin nicht dargetan. Die Vorinstanzen haben dieses daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

5. Insgesamt hält die Beurteilung der Vorinstanzen zum zweiten Feststellungsbegehren der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Da sich das Verfahren insoweit als ergänzungsbedürftig erweist, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen in teilweiser Stattgebung der Revision der Klägerin in diesem Umfang aufzuheben. Im Übrigen kommt der Revision keine Berechtigung zu.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E125755

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00046.19A.0724.000

Im RIS seit

08.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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