TE OGH 2019/6/25 9ObA69/19s

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Helmut Frick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** AG, *****, vertreten durch Konrad Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Dr. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.497,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision (Revisionsinteresse: 15.000 EUR) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2019, GZ 7 Ra 69/18y-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 36 Abs 1 Z 3 AngG ist eine Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel), nur insoweit wirksam, als – neben den nicht revisionsgegenständlichen Voraussetzungen der Z 1 und 2 – die Beschränkung nicht nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Dienstgeber an ihrer Einhaltung hat, eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Angestellten enthält.

Nur wenn eine Konkurrenzklauselvereinbarung im Einzelfall unabhängig von den Kriterien des § 36 AngG aufgrund besonderer Umstände – insbesondere wegen der Art und Weise ihres Zustandekommens – gegen die guten Sitten verstößt, ist sie gemäß § 879 Abs 1 ABGB von Anfang an nichtig und unwirksam (RS0029891).

Sowohl der zulässige Umfang der Beschränkung der Erwerbsfreiheit, als auch die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Konkurrenzklausel hängen regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründen
– abgesehen von einer krassen Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage (RS0029956 [T6]; RS0029891 [T4]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der die zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Konkurrenzklausel
– jedenfalls örtlich beschränkt auf das Bundesland Wien und zeitlich beschränkt auf sechs Monate –, als wirksam angesehen wurde, bewegt sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums. Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Der Beklagte war bei der Klägerin bis 31. 10. 2017 in einer Filiale in Wien als Hörgeräteakkustiker beschäftigt. Da der Beklagte türkisch spricht, betreute er bei der Klägerin viele türkische Kunden. Seit 1. 1. 2017 ist der Beklagte selbständig als Hörgeräteakkustiker tätig, wobei sein Geschäftslokal ca 700 m von der Filiale der Klägerin entfernt ist. Der Beklagte betreut dort nunmehr eine nicht genau feststellbare Anzahl von ehemaligen türkischen Kunden der Klägerin.

Der vom Beklagten hervorgehobene Umstand, sein Fortkommen wäre im Hinblick auf den Kontakt mit seiner „ethnischen Gemeinschaft“ unbillig erschwert, lässt außer Acht, dass nach Rechtsprechung und Lehre zwischen den Interessen des Arbeitnehmers, den Arbeitsvertrag ohne Nachteile kündigen und nach beendetem Arbeitsverhältnis seine Kräfte und Kenntnisse ungehindert entfalten zu können, und jenen des Arbeitgebers, durch den Wechsel des Arbeitnehmers nicht in seinem Erwerbsinteresse erheblich geschädigt zu werden, eine Abwägung zu erfolgen hat (vgl Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 8; RS0029952). Das Berufungsgericht hat bei der erforderlichen Interessenabwägung berücksichtigt, dass der Aufbau eines selbständigen Unternehmens durch den Beklagten in einem anderen Bundesland schwerer möglich wäre, als im konkreten Bezirk in Wien, in dem sehr viele Türken leben. Wenn das Berufungsgericht aber unter Hinweis auf den starken Konkurrenzkampf im Bereich der Hörgeräteakkustik und der Schwierigkeit in diesem Bereich, qualifiziertes Personal zu finden, auch berücksichtigt hat, dass sich der Wechsel des Beklagten in die Selbständigkeit nachteilig auf die die konkrete unternehmerische Tätigkeit berührenden Interessen der Klägerin auswirken kann (und auch tatsächlich ausgewirkt hat), und im Ergebnis die Wirksamkeit der Konkurrenzklausel bei der Interessenabwägung im Rahmen des gesetzlichen beweglichen Systems des § 36 Abs 2 Z 3 AngG (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 95; vgl 9 Ob 239/93) bejaht hat, dann ist diese Beurteilung im Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

Auch mit dem Argument, die Konkurrenzklausel sei deshalb sittenwidrig, weil die Klägerin damit die bei ihr beschäftigten Hörgeräteakkustiker an sich binden wolle und daher der Beklagte bis zu seiner Pensionierung für die Klägerin weiterarbeiten müsste, ist für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen. Eine gewisse (vorübergehende) Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber ist jeder Konkurrenzklausel immanent. Dass es aber der Klägerin bei Vereinbarung der Konkurrenzklausel nur darum gegangen wäre, den Beklagten in unbilliger Weise an ihr Unternehmen zu binden (vgl 9 ObA 70/13d), also ein Fall besonderer
– sittenwidriger – Knebelung des Arbeitnehmers durch die gegenständliche Vertragsklausel vorliegt, lässt sich weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Klägerin, auf das der Beklagte alleine abstellt, entnehmen.

Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E125717

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00069.19S.0625.000

Im RIS seit

05.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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