TE OGH 2019/7/5 4Ob112/19b

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Veröffentlicht am 05.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundes-immobiliengesellschaft mbH, Wien 2, Trabrennstraße 2c, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. „W*****“ *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Nowak, Rechtsanwalt in Wien, 2. B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Raimund Hudik, Rechtsanwalt in Wien und 3. M***** GmbH, *****, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien wegen (zuletzt) 34.560 EUR sA und Feststellung (Streitwert 7.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei und die (richtig:) außerordentliche Revision der Drittnebenintervenientin gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 5 R 47/18w-85, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Jänner 2018, GZ 10 Cg 82/14k-75, teilweise abgeändert wurde, und über den (richtig:) Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2018, GZ 5 R 47/18w-85, womit das oben erwähnte Urteil des Handelsgerichts Wien im Übrigen aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Rechtsmittel der beklagten Partei wird, soweit es sich in Wirklichkeit als Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den aufhebenden Teil der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts richtet, zurückgewiesen.

2. Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Generalsanierung einer Einfriedung um ein Universitätsgelände. Die Klägerin macht auf Schadenersatz (Schlechterfüllung) gestützte Leistungsansprüche von zuletzt 34.560 EUR und ein Feststellungsbegehren geltend. Die Beklagte wandte ua Verjährung ein.

Das Erstgericht sprach der Klägerin 6.960 EUR sA (rechtskräftig) zu und wies das Mehrbegehren ab.

Mit dem angefochtenen Teil- und Zwischenurteil sprach das Berufungsgericht der Klägerin in Abänderung des Ersturteils einen weiteren Betrag von 9.072 EUR sA zu, sprach aus, dass ein Teil des Feststellungsbegehrens zu Recht besteht und ein weiterer Teil des Feststellungsbegehrens ebenso nicht verjährt sei wie das restliche Zahlungsbegehren (§ 393a ZPO). Mangels erheblicher Rechtsfrage sei die ordentliche Revision nicht zulässig. Das Berufungsgericht ergänzte sein Urteil nachträglich um einen Wertausspruch dahin, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Im Übrigen hob es die Entscheidung mit Beschluss – ohne Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei – auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten und die als außerordentliche Revision zu deutende „Zulassungsvorstellung und ordentliche Revision“ der Drittnebenintervenientin, in der jeweils keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das Rechtsmittel der Beklagten, gelten aber auch für das Rechtsmittel der Drittnebenintervenientin, die inhaltlich die gleichen Fragen wie die Beklagte aufwirft.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Zentrum des Rechtsmittels der Beklagten steht die Frage der Verjährung des gegen sie geltend gemachten Schadenersatzanspruchs.

1.1 Zum Beginn der Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt (vgl dazu zuletzt 4 Ob 98/19v):

Die Verjährungsfrist beginnt erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Die bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus; die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihre Kenntnis nicht zu ersetzen. Anderes gilt nur im Rahmen der Erkundigungsobliegenheit. Der Geschädigte darf sich nicht bloß passiv verhalten, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Diesfalls gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Die Erkundigungsobliegenheit darf aber nicht überspannt werden. Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat. Zwar ist er im Regelfall nicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen. Ausnahmsweise kann aber, sofern eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, auch – nach einer gewissen Überlegungsfrist – die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Obliegenheit des Geschädigten angesehen werden. Letztlich kommt es bei der Frage des Ausmaßes der Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt immer auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage in der Qualität des § 502 ZPO vorliegt.

1.2 Das Berufungsgericht stellte im Sinn der referierten Rechtsprechung ausdrücklich auf den (notwendigerweise hypothetischen) Zeitpunkt ab, zu dem dem Geschädigten die Umstände selbst bei rascher Einschaltung eines Privatgutachtens erkennbar geworden wären. Zu diesen Umständen gehörte im Anlassfall nicht nur Schaden und Schädiger, sondern insbesondere auch (vgl RIS-Justiz RS0034366 [T6]) der Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten (hier: Verwendung eines untauglichen Mörtels). Auch in der Berücksichtigung des Umstands, ab welchen Zeitpunkt für die Klägerin feststand, dass die Beklagte  nach einer erfolglosen Sanierung einen weiteren Sanierungsversuch endgültig verweigert, liegt kein Abweichen höchstgerichtlicher Judikatur vor, wonach die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens erst zu laufen beginnt, wenn für den Werkbesteller das Misslingen eines Verbesserungsversuchs des Werkunternehmers feststeht oder dieser eine Verbesserung endgültig verweigert (vgl RS0022078 [T3, T4]).

1.3 Mit ihrem Vorbringen, dass es auf die Einholung eines Privatgutachtens nicht ankomme, weil die Klägerin die Schäden bereits 2009 bzw 2010 mit „freiem Auge“ erkennen hätte können, weicht die Beklagte von der referierten Judikatur ab. Im Übrigen rügt die Revision selbst, dass keine Partei Vorbringen zum hypothetischen früheren Zeitpunkt erstattet hat. Damit verkennt die Beklagte offenkundig, dass ihr dies zur Last fällt, liegt es doch am Schädiger, die Umstände zu behaupten und zu beweisen, die eine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit tragen (RS0034456 [T5]). Auch ihr Hinweis, dass das klagende Immobilienverwaltungsunternehmen nicht als Laie zu qualifizieren sei, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen, weil es im Anlassfall nicht auf das Fachwissen zur Immobilienverwaltung, sondern auf spezifisch-bautechnische Fragen (nämlich zur Frostbeständigkeit des von der Beklagten verwendeten Vergussmörtels) ankam.

1.4 Damit deckt sich die angegriffene Rechtsansicht des Berufungsgerichts mit der Judikatur. Die getroffenen Feststellungen reichen auch aus, um die sich zur Verjährung stellenden Rechtsfragen umfassend rechtlich beurteilen zu können, sodass der geltend gemachte sekundäre Verfahrensmangel keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft.

2. Können weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis nicht ausgeschlossen werden, ist dem Geschädigten das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden nicht abzusprechen (RS0038826). Hier steht fest, dass bei der erforderlichen Sanierung des schadhaften Sockels Bearbeitungsspuren und Rückstände an der Einfriedung zurückbleiben. Schon aus diesem Grund bedarf die Bejahung des Feststellungsinteresses durch das Berufungsgericht keiner Korrektur, weshalb es auf die aufgeworfenen Fragen zum Denkmalschutz gar nicht ankommt.

3. Das Berufungsgericht hat das gesamte Prozessvorbringen der Klägerin in Abweichung der Rechtsansicht des Erstgerichts unter ausführlicher Begründung dahin interpretiert, dass von der Klägerin der Ersatz für alle schadhaften Zaunsteher begehrt worden sei. Ohne sich mit dem Standpunkt des Berufungsgerichts, das unter anderem auf das klägerische Vorbringen in der Tagsatzung am 23. September 2014 verwies, näher auseinanderzusetzen, vertritt die Beklagte unter knapper Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung den Standpunkt, dass die Klägerin lediglich Ersatz für 15 Steher begehrt habe. Damit hat es die Beklagte unterlassen, auszuführen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht unrichtig ist. Abgesehen davon, dass der Frage, wie ein bestimmtes Prozessvorbringen zu verstehen ist, grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0042828), ist eine Rechtsrüge, die sich auf die bloße und nicht weiter ausgeführte Behauptung beschränkt, das Berufungsgericht habe die Sache rechtlich unrichtig beurteilt, nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043605).

4. Letzteres trifft für die Revision der Beklagten auch insoweit zu, als darin behauptet wird, sie habe von der Frostbeständigkeit ausgehen können. Damit entfernt sich das Rechtsmittel vom bindend festgestellten Sachverhalt, wonach die fehlende Frostbeständigkeit für einen durchschnittlichen Fachmann erkennbar war.

5. Auch die Ausführungen zur Problematik „neu für alt“ werfen schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die Beklagte selbst zugesteht, dass die Sanierungsarbeiten die Lebensdauer der Steher und Sockel nicht verlängern. Damit ist auch aus der Sicht des Beklagten kein (zu ihrem Gunsten zu buchender, vgl RS0022726) Vorteil ersichtlich, den die geschädigte Klägerin ohne die Beschädigung nicht erlangt hätte.

6. Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten und die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft. Sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

7. Die Revisionen waren daher mangels aufgeworfener Fragen im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

8. Die Beklagte bekämpft (auch) den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts. Das – in dieser Hinsicht als Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu wertenden – Rechtsmittel ist mangels Zulassungsausspruchs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO absolut unzulässig (jüngst 4 Ob 196/18d).

Textnummer

E125711

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00112.19B.0705.000

Im RIS seit

05.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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