TE OGH 2019/5/15 9ObA15/19z

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Brüggl und Dr. Harasser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 202.632,88 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 122.956,43 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 2018, GZ 15 Ra 61/18k-116, mit dem den Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. März 2018, GZ 47 Cga 22/12m-106, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

1.1. Das Urteil des Erstgerichts wird dahin berichtigt, dass es in seinem Spruchpunkt 2. betreffend die Abweisung des Mehrbegehrens ab der Zinsstaffel für das Jahr 2010 zu lauten hat:

aus 192.781 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010,

aus 195.781 EUR vom 1. 1. 2011 bis zum Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes und

aus 202.632,88 EUR ab dem Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes.

1.2. Die Ersichtlichmachung bzw Durchführung der Berichtigung in der Urschrift und in den Ausfertigungen obliegt dem Erstgericht.

2. Das klagsabweisende Teilurteil des Berufungsgerichts über 122.956,43 EUR sA wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 48.747,65 EUR samt 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 13.400 EUR vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 1996,

aus 26.800 EUR vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1997,

aus 40.200 EUR vom 1. 1. 1998 bis 31. 12. 1998,

aus 48.747,65 EUR seit 1. 1. 1999

sowie eventualiter 8,58 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 48.747,65 EUR seit 6. 3. 2014 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Im Übrigen Umfang von 74.208,78 EUR samt 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 4.852,35 EUR vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999,

aus 18.252,35 EUR vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000,

aus 31.652,35 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001,

aus 45.052,35 EUR vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002,

aus 56.452,35 EUR vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003,

aus 67.852,35 EUR vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2005,

aus 74.208,78 EUR seit 1. 1. 2006

sowie eventualiter 8,58 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 74.208,78 EUR seit 6. 3. 2014

werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

4. Das Berufungsurteil wird im Umfang des Zinsenbegehrens von 8 % Zinsen aus 594 EUR (Differenz von 192.781 EUR und 192.187 EUR) vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010 sowie aus 195.781 EUR vom 1. 1. 2011 bis zum Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes und aus 202.632,88 EUR ab dem Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

5. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war von 1. 1. 1995 bis 30. 6. 2011 angestellter Geschäftsführer der klagenden Genossenschaft. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung.

Die Klägerin betreibt im Rahmen ihres Unternehmens schon seit 1992 einen öffentlich zugänglichen Autowaschplatz mit Münzautomaten. Sie verkauft ua auch Holzpellets und Futtermittel (Maispellets).

Der Beklagte bezahlte ab einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt bis etwa 2008/2009 die durch zunehmende Steigerung des Holz- und Maispelletsgeschäfts von den bei der Klägerin beschäftigten LKW-Fahrern geleisteten Überstunden mit jeweils 100 ATS bzw später 10 EUR pro Stunde „schwarz“ und verwendete dabei zum Teil Waschautomatenerlöse und zum Teil Erlöse für „schwarz“ bezahlte Futtermittellieferungen an M. F. und J. M..

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte Waschautomatenerlöse nicht zur Auszahlung von Überstunden verwendet hat und der Klägerin dadurch ein Schaden entstanden ist. Die Verwendung von Waschautomatenerlösen zur Begleichung von Überstunden der LKW-Fahrer der Klägerin war mit dem damaligen Obmann der Klägerin akkordiert und von diesem gebilligt. Nicht festgestellt werden kann, dass von 1995 bis 2003 Waschautomatenerlöse in Höhe von jährlich 18.400 EUR erwirtschaftet wurden.

Hinsichtlich der von der Klägerin verkauften Futtermittel (Maispellets) war nicht nur in den Jahren 2005 und 2006, sondern auch 2000 bis 2004 und 2007 ein über das „normale Maß? hinausgehender Schwund von jährlich zwischen 3 bis 7 Tonnen festzustellen. Der Inventurabgang bei den Maispellets betrug im Jahr 2000 170.508 t, 2001 193.211 t, 2002 108.433 t, 2003 31.446 t, 2004 0 t, 2005 36.113 t, 2006 35.777 t, 2007 9.556 t und 2008 0 t, jeweils abzüglich eines durchschnittlichen normalen Schwundes von 6 t. Die Nettoverkaufspreise betrugen jeweils pro Tonne im Jahr 2002 145 EUR, 2003 170 EUR, 2004 184 EUR, 2005 161 EUR, 2006 172 EUR, 2007 210 EUR und 2008 239 EUR. Die Nettoeinkaufspreise betrugen pro Tonne im Jahr 2004 121 EUR, 2005 124 EUR, 2006 165 EUR, 2007 204 EUR, 2008 185 EUR, 2009 167 EUR und 2010 215 EUR.

Die aufgrund der Schwarzzahlungen durch den Beklagten eingeleiteten Prüfungsverfahren der zuständigen Gebietskrankenkasse und des örtlichen Finanzamts sind abgeschlossen. Das Finanzamt verrechnete für die Nachforderungen von 2007 bis 2011 einen Säumniszuschlag von 420,61 EUR und die Gebietskrankenkasse Verzugszinsen von 6.431,27 EUR. Diese Beträge wären bei ordnungsgemäßer Bezahlung und Versteuerung von Überstunden nicht angefallen.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit der vorliegenden Klage an Schadenersatz letztlich (Schriftsätze vom 11. 2. 2014, ON 11 bzw vom 6. 3. 2014, ON 14) 202.632,88 EUR samt – Zinsenhauptbegehren – 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 13.400 EUR vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 1996,

aus 26.800 EUR vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1997,

aus 40.200 EUR vom 1. 1. 1998 bis 31. 12. 1998,

aus 53.600 EUR vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999,

aus 67.000 EUR vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000,

aus 80.400 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001,

aus 93.800 EUR vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002,

aus 105.200 EUR vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003,

aus 116.600 EUR vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004,

aus 128.000 EUR vom 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2005,

aus 148.597 EUR vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2006,

aus 168.120 EUR vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007,

aus 172.922 EUR vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008,

aus 182.781 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009,

aus 192.781 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010,

aus 195.781 EUR vom 1. 1. 2011 bis zum Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes und

aus 202.632,88 EUR ab dem Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes.

Zunächst brachte die Klägerin dazu vor, der Beklagte habe mit den Waschautomatenerlösen und den Erlösen aus den „schwarz“ an J. M. gelieferten Futtermittel nicht zur Gänze die von Mitarbeitern der Klägerin geleisteten Überstunden „schwarz“ bezahlt, sondern aus den Waschautomatenerlösen den Betrag von 177.461 EUR und aus den in den Jahren 2005 und 2006 vereinnahmten und nicht verbuchten Zahlungen des J. M. für Maispelletslieferungen den Betrag von 18.320 EUR unberechtigt für sich vereinnahmt. Dadurch und durch den vom Finanzamt eingehobenen Säumniszuschlag und den von der Gebietskrankenkasse verrechneten Verzugszinsen von gesamt 6.851,88 EUR sei ihr ein Schaden zumindest in Höhe des Klagsbetrags entstanden, den der Beklagte zu ersetzen habe. Mit Schriftsatz vom 19. 12. 2017 (ON 91) brachte die Klägerin ergänzend vor, dass sich aus den Inventurabgängen ergebe, dass der Beklagte Maispelletslieferungen nicht nur in den Jahren 2005 und 2006 an J. M. außerhalb der offiziellen Buchhaltung vorgenommen habe, sondern jedenfalls bereits ab dem Jahr 2000 bis 2007, wobei der Beklagte daraus 74.208,78 EUR nicht für die Bezahlung der Überstunden der Mitarbeiter der Klägerin verwendet, sondern für sich vereinnahmt habe. Der Betrag von 202.632,88 EUR werde als Pauschalbetrag an Schadenersatz für die Jahre 1995 bis 2011 geltend gemacht, ohne dass dabei eine betragsmäßige Zuweisung auf bestimmte Jahre anhand der Berechnungen vorgenommen werde (ON 100 S 30). Für den Fall, dass das Gericht zu den von der Klägerin geltend gemachten Fälligkeiten keine Feststellungen treffen könne, werde die Gesamtfälligkeit mit 6. 3. 2014 geltend gemacht, weshalb der Beklagte in eventu schuldig zu erkennen sei, der Klägerin den Klagsbetrag samt 8,58 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 6. 3. 2014 zu bezahlen.

Der Beklagte bestritt das Haupt- und Zinseneventualbegehren. Er habe der Klägerin keinen Schaden zugefügt, weil er mit sämtlichen aus den Waschautomaten und den Futtermittellieferungen an J. M. erzielten, aber nicht offiziell verbuchten Erlöse in Kenntnis und mit Zustimmung der Klägerin Überstunden der bei der Klägerin beschäftigten LKW-Fahrer bezahlt und keine Gelder für sich behalten habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 6.851,88 EUR samt 8,58 % Zinsen seit 6. 3. 2014 statt und wies das Mehrbegehren von 195.781 EUR samt 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 13.400 EUR vom 1. 1. 1986 (richtig: 1996) bis 31. 12. 1996,

aus 26.800 EUR vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1997,

aus 40.200 EUR vom 1. 1. 1998 bis 31. 12. 1998,

aus 53.600 EUR vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999,

aus 67.000 EUR vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000,

aus 80.400 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001,

aus 93.800 EUR vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002,

aus 105.200 EUR vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003,

aus 116.600 EUR vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004,

aus 128.000 EUR vom 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2005,

aus 148.597 EUR vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2006,

aus 168.120 EUR vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007,

aus 172.922 EUR vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008,

aus 182.781 EUR vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009 und

aus 192.187 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010,

sowie das Zinseneventualbegehren von 8,58 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 195.781 EUR seit 6. 3. 2014 ab.

Durch die gesetzwidrige Vorgangsweise des Beklagten, Überstunden von Mitarbeitern der Klägerin „schwarz“ auszubezahlen, sei der Klägerin infolge des Säumniszuschlags des Finanzamts und der Verzugszinsen der Gebietskrankenkasse ein Schaden von 6.851,88 EUR entstanden, den ihr der Beklagte zu ersetzen habe. Dass der Beklagte der Klägerin einen weiteren Schaden dadurch zugefügt habe, dass er Gelder aus dem Waschautomatenerlös für sich selbst vereinnahmt habe, sei nicht feststellbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen den klagsabweisenden Teil des Klagebegehrens gerichteten Berufung und der vom Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Klagebegehrens erhobenen Berufung teilweise Folge. In Abänderung des Ersturteils wies es das Klagebegehren von 122.956,43 EUR samt 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, nämlich

aus 13.400 EUR vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 1996,

aus 26.800 EUR vom 1. 1. 1997 bis 31. 12. 1997,

aus 40.200 EUR vom 1. 1. 1998 bis 31. 12. 1998,

aus 53.600 EUR vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999,

aus 67.000 EUR vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000,

aus 80.400 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001,

aus 93.800 EUR vom 1. 1. 2002 bis 31. 12. 2002,

aus 105.200 EUR vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003,

aus 116.600 EUR vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2005,

aus 119.979,40 EUR vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2006 und

aus 122.956,43 EUR seit 1. 1. 2007 sowie das Zinseneventualbegehren von 122.956,43 EUR samt 8,58 % Zinsen über den Basiszinssatz seit 6.3.2014 mit Teilurteil ab (Spruchpunkt I.).

Im Übrigen, also hinsichtlich eines Zuspruchs von 6.851,88 EUR samt 8,58 % Zinsen seit 6. 3. 2014 und hinsichtlich einer Abweisung von 72.824,57 EUR samt 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, nämlich

vom 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2005 aus EUR 11.400,--,

vom 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2006 aus EUR 28.617,60,

vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007 aus EUR 48.542,97,

vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 aus EUR 49.965,57,

vom 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2009 aus EUR 59.824,57 und

vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010 aus EUR 69.230,57

und der Abweisung des Zinseneventualbegehrens im Umfang von 8,58 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 72.824,57 EUR seit 6. 3. 2014 hob es die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück (Spruchpunkt II.).

Da die Klägerin ihrer Schadensberechnung für die Jahre 1995 bis 2003 jährliche Waschautomatenumsätze von 18.400 EUR und anrechenbare „Schwarzzahlungen für 1995 bis 2001 von 5.000 EUR und für 2002 bis 2003 von 7.000 EUR zugrunde gelegt habe, das Erstgericht dazu aber nur eine negative Feststellung treffen habe können, wofür die Klägerin die Beweislast treffe, bestünde ein geltend gemachter Schadensbetrag in Höhe von 116.600 EUR (93.800 EUR [13.400 EUR x 7] und 22.800 EUR [11.400 EUR x 2]) jedenfalls nicht zu Recht. Ausreichende Feststellungen zu den Waschautomatenerlösen für die Jahre 2004 bis 2010, hinsichtlich derer die Klägerin ihrer Schadensberechnung jährliche Differenzen von 11.400 EUR (abzüglich 1.000 EUR für 2006, 3.208 EUR, 1.500 EUR und 1.890 EUR für 2007 und 1.541 EUR für 2008), für das Jahr 2009 eine Differenz von 10.000 EUR und für das Jahr 2010 eine Differenz von 3.000 EUR, gesamt somit 60.861 EUR, zugrunde gelegt habe, fehlten jedoch. In diesem Umfang sei das Ersturteil daher aufzuheben.

Die Behauptung in der Berufung der Klägerin, Maispelletslieferungen seien nicht nur an M. F. und J. M. sondern 2001 bis 2007 auch an andere Personen „schwarz“ erfolgt, wofür der Beklagte insgesamt 74.208,78 EUR lukriert und für sich vereinnahmt habe, verstoße gegen das Neuerungsverbot, weil die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren aus dem Titel „Pellets“ lediglich 9.197 EUR und 9.123 EUR für Lieferungen an J. M. in den Jahren 2005 und 2006 gefordert habe. Für diese Jahre errechne sich – ausgehend von dem von der Klägerin behaupteten Inventurabgang an Maispellets von 30.113 t für 2005 bzw 29.777 t für 2006 (abzüglich des durchschnittlichen normalen Schwunds von jährlich 6 t) und unter Zugrundelegung der jeweiligen Bruttoverkaufspreise – ein maximaler Schadensbetrag von 5.817,60 EUR für 2005 und 6.145,97 EUR für 2006. Da die Klägerin die Inventurdifferenzen mit dem „Kilopreis“ von 0,182 EUR netto bzw 0,2184 EUR brutto multipliziere, bestünden jedenfalls Differenzbeträge für 2005 und 2006 von 3.379,40 EUR (9.197 EUR abzüglich 5.817,60 EUR) und 2.977,03 EUR (9.123 EUR abzüglich 6.145,97 EUR), somit in Summe ein Differenzbetrag von 6.356,43 EUR ebenfalls nicht zu Recht. Auch dieser Betrag sei daher samt Zinsen mit Teilurteil abzuweisen. Insgesamt sei ein Betrag von 122.956,43 EUR sA mit Teilurteil abzuweisen.

Da sich aus dem festgestellten Sachverhalt aber nicht ergebe, worauf diese Inventurdifferenzen zurückzuführen seien und wofür der Beklagte allenfalls lukrierte Beträge von (maximal) 5.817,60 EUR und 6.145,97 EUR brutto verwendet habe, sei hinsichtlich der Position „Futtermittelverkäufe“ im Umfang von 11.963,57 EUR das Ersturteil ebenfalls aufzuheben.

Auch das Zinsenbegehren der Klägerin „aus 192.187 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010“ und „aus 195.781 EUR vom 1. 1. 2011 bis zum Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes sowie aus 202.632,88 EUR ab dem Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes“ sei abzuweisen, weil die Klägerin in ihrer Berufung nicht bemängelt habe, dass das Erstgericht über die von ihr begehrte Verzinsung aus 192.781 EUR nicht vollständig und über die Zinsen aus 195.781 EUR (202.632,88 EUR abzüglich 6.851,88 EUR [Zuspruch des Erstgerichts]) seit 1. 1. 2011 gar nicht entschieden und auch keinen Urteilsergänzungsantrag gestellt habe. Diese Zinsansprüche seien daher aus dem Verfahren ausgeschieden.

Da aus den Feststellungen, die aufgrund der Schwarzzahlungen eingeleiteten Prüfungsverfahren seien mittlerweile abgeschlossen und der Klägerin seien Säumniszuschläge und Verzugszinsen verrechnet bzw angelastet worden, nicht verlässlich abgeleitet werden könne, dass diese Säumniszuschläge und Verzugszinsen ausschließlich auf vom Beklagten zu verantwortende „Überstundenschwarzzahlungen“ zurückzuführen seien, sei das Ersturteil auch im Umfang dieses Klagsanspruchs von 6.851,88 EUR aufzuheben. Insgesamt werde das Erstgericht im ergänzend durchzuführenden Verfahren daher über den Klagsbetrag von 72.824,57 EUR sA neuerlich zu entscheiden haben. Dem Aufhebungsbeschluss wurde kein Rechtskraftvorbehalt beigesetzt.

Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil wurde vom Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen.

Gegen das klagsabweisende Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, mit dem Antrag, den Spruch des Ersturteils in der Teilabweisung des Hauptbegehrens dahin zu berichtigen, dass dieser in seiner letzten Zeile wie folgt zu lauten hat und danach ergänzt wird:

„... aus 192.781 EUR vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010,

aus 195.781 EUR vom 1. 1. 2011 bis zum Tage der Behändigung des Schriftsatzes vom 11. 2. 2014 sowie

aus 202.632,88 EUR ab dem Tage der Behändigung dieses Schriftsatzes ...“

Weiters wird der Antrag gestellt, das angefochtene Teilurteil im Sinne einer Klagsstattgabe iSd Haupt- oder Eventualbegehrens abzuändern. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise korrektur- und ergänzungsbedürftig sind. Die Revision ist dementsprechend im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags teilweise auch berechtigt.

1. Erstmals in der Revision behauptet die Klägerin, dass eine Beweislastverschiebung hinsichtlich der Schadenshöhe vorzunehmen sei, weil der Beklagte nicht bereit gewesen sei, im Verfahren über die Einnahmen (aus der Waschanlage) und Ausgaben (Auszahlung von Überstunden) Auskunft zu geben und er aus Eigeninteresse die entsprechenden Unterlagen vernichtet habe. Soweit die Revisionswerberin damit neue, von den bisherigen Urteilsfeststellungen nicht getragene Behauptungen aufstellt, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO. Abgesehen davon hat das Erstgericht (positiv) festgestellt, dass der Beklagte die Waschautomatenerlöse zur Bezahlung von Überstunden verwendet hat (siehe Berufungsurteil S 19), sodass für die Anwendung von Beweislastregeln kein Raum bleibt (RS0039903 [T1]).

2.1. Zu Recht rügt die Klägerin in ihrer Revision als Verfahrensmangel iSd § 503 Z 2 ZPO, dass das Berufungsgericht in seiner Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin im erstinstanzlichen gegenüber dem Beklagten wegen des unberechtigten Einbehalts der Erlöse aus Maispelletslieferungen (für die Jahre 2005 und 2006) lediglich einen Schaden von 18.320 EUR geltend gemacht habe. Im Schriftsatz vom 19. 12. 2017 (ON 91) hat die Klägerin vorgebracht, dass sich aus den Inventurabgängen der Jahre 2000 bis 2008 ergebe, dass der Beklagte nicht erst in den Jahren 2005 und 2006 Maispelletslieferungen (an J. M.) außerhalb der offiziellen Buchhaltung vorgenommen habe, sondern jedenfalls schon ab dem Jahr 2000 bis 2007 in Höhe von insgesamt 74.208,78 EUR. Diese Gelder habe der Beklagte ebenfalls für sich vereinnahmt. In der mündlichen Verhandlung vom 22. 3. 2018 (ON 100 S 30) führte die Klägerin dazu ergänzend aus, dass der Beklagte aus den von ihm nicht verbuchten Einnahmen aus den Warenverkäufen und den Waschautomaten für die Jahre 2002 bis 2008 insgesamt einen Betrag von 164.457,80 EUR nicht zur Überstundenbezahlung verwendet habe. Aufgrund der vom Beklagten seit 1995 geübten Praxis habe er daher jedenfalls für einen Fehlbetrag von 202.632,88 EUR einzustehen. Dieser Betrag werde – ohne betragsmäßige Zuweisung auf bestimmte Jahre – als Pauschalbetrag an Schadenersatz für die Jahre 1995 bis 2011 geltend gemacht.

2.2. Somit hätte das Berufungsgericht auch über die von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzforderung von 74.208,78 EUR betreffend den von ihr behaupteten unberechtigten Einbehalt des Beklagten aus den Erlösen aus den Maispelletslieferungen inhaltlich entscheiden müssen. Die Unterlassung einer Entscheidung bewirkt einen Mangel des Berufungsverfahrens, der in diesem Umfang zur Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht führt, weil zu dieser Schadenersatzforderung auch jegliche Feststellungen fehlen. Der bestätigende klagsabweisende Teil des angefochtenen Teilurteils beträgt somit 48.747,65 EUR sA, der von der Aufhebung betroffene Teil des Teilurteils 74.208,78 EUR sA. Die bereits vom Berufungsgericht beschlossene Aufhebung im Umfang von 60.861 EUR + 11.963,57 EUR bleibt von der Entscheidung über die Revision gegen das berufungsgerichtliche Teilurteil unberührt.

2.3. Die erstmals in der Revisionsbeantwortung aufgeworfene Frage der Schlüssigkeit des Klagebegehrens (vgl RS0031014; RS0037907) wird vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern sein.

3.1. Weiters bekämpft die Klägerin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Zinsenbegehren von 8 % Zinsen aus 594 EUR (Differenz von 192.781 EUR und 192.187 EUR) vom 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2010 sowie jedes Zinsenbegehren aus 195.781 EUR seit 1. 1. 2011 sei aus dem Verfahren ausgeschieden. Da das Erstgericht nicht begründet habe, weshalb es über diese Zinsenbegehren nicht entscheiden wollte, sei erkennbar, dass ihm dabei lediglich ein offensichtliches Versehen (Ziffernsturz bzw Auslassung) unterlaufen sei. Dieser Fehler sei gemäß § 419 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

3.2. Bei einer Diskrepanz zwischen Gewolltem und Erklärtem besteht die Möglichkeit einer Urteilsberichtigung (§ 419 ZPO). Die Urteilsberichtigung findet ihre theoretische Grundlage in der Tatsache, dass der materielle Gehalt der Entscheidung durch den Entscheidungswillen des Gerichts bestimmt wird. Die offenbare Unrichtigkeit, die einer Berichtigung iSd § 419 Abs 1 ZPO zugänglich ist, darf daher nur die Wiedergabe des zur Zeit der Entscheidung bestehenden Entscheidungswillens des erkennenden Gerichts nach außen betreffen (RS0041489). Die Urteilsberichtigung nach § 419 ZPO ist zulässig, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichts zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat und sich dies aus dem ganzen Zusammenhang und insbesondere aus den Entscheidungsgründen ergibt (RS0041418; s auch RS0041362 und RS0041519). Bei Auslassungen, die zu einer gänzlichen oder teilweisen Nichterledigung des Begehrens führen, ist nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Urteilsberichtigung nach § 419 ZPO zu unterscheiden, ob das Gericht tatsächlich auch über den Anspruch mitentscheiden wollte oder nicht. Ist feststellbar, dass das Gericht auch über diesen Anspruch mitentscheiden wollte, kann die Nichterledigung durch eine Urteilsberichtigung behoben und die Entscheidung durch Berichtigung ergänzt werden. Die Absicht, auch über den fehlenden Teil zu entscheiden, muss aber ausreichend deutlich nach außen getreten sein (9 ObA 53/17k Pkt 5; RS0041818; Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 419 ZPO Rz 7, 8). Dies ist hier der Fall.

3.3. Aus der Entscheidung des Erstgerichts ist zu erkennen, dass es auch über die monierten Zinsansprüche entscheiden wollte. Insbesondere die Begründung des Ersturteils bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass der (offensichtliche) Ziffernsturz und die (irrtümlichen) Auslassungen bewusst gemacht wurden. Hingegen hat das Berufungsgericht ausdrücklich begründet, weshalb es darüber nicht entschieden hat.

3.4. Der Oberste Gerichtshof kann selbst die Entscheidung des Erstgerichts – wie in Spruchpunkt 1. ersichtlich – berichtigen. Die Ersichtlichmachung der Berichtigung in der Urschrift und die Durchführung der Berichtigung in den Ausfertigungen hat durch das Erstgericht zu erfolgen (9 ObA 53/17k Pkt 8.). Eine neue Rechtsmittelfrist wird dadurch aber nicht eröffnet (vgl 9 Ob 93/18v).

3.5. Soweit das Berufungsgericht über die (nunmehr) berichtigten Zinsansprüche bisher noch nicht entschieden hat, liegt ein Verfahrensmangel iSd § 503 Z 2 ZPO vor (vgl 9 ObA 53/17k Pkt 5.), der in der Revision auch – zumindest implicite (vgl RS0041851) – geltend gemacht wurde. Da dieser Umstand geeignet ist, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern, ist der Revision teilweise Folge zu geben und das Berufungsurteil in diesem Umfang zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin hinsichtlich der nunmehr berichtigten Zinsansprüche aufzuheben (Spruchpunkt 4.).

4.1. Der Aufhebung an das Erstgericht unterfällt auch das Zinseneventualbegehren von 8,58 % Zinsen über den Basiszinssatz seit 6. 3. 2014 aus 74.208,78 EUR, weil die Klägerin einen Pauschalbetrag an Schadenersatz für die Jahre 1995 bis 2011 geltend gemacht hat, (ausdrücklich) ohne dabei eine betragsmäßige Zuweisung auf bestimmte Jahre vorzunehmen.

4.2. Die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 48.747,65 EUR samt Zinsenhaupt- und Zinseneventualbegehren, soweit über diese Zinsen das Berufungsgericht bereits entschieden hat, ist zu bestätigen. Soweit die Klägerin aus dem Betrag von 74.208,78 EUR Zinsen laut Zinsstaffel des Zinsenhauptbegehrens geltend macht, ist der Revision daher ebenfalls nicht Folge zu geben.

5. Zusammengefasst hat zunächst das Erstgericht die Berichtigung laut Spruchpunkt 1. dieser Entscheidung (siehe Pkt 3.1. bis 3.4.) ersichtlich zu machen und durchzuführen. Danach wird das Berufungsgericht in einer Ergänzungsentscheidung über das Zinsenbegehren der Klägerin laut Spruchpunkt 4. dieser Entscheidung (siehe Pkt 3.1. und 3.5.) zu entscheiden haben. Nach Rechtskraft dieser Entscheidung wird das Erstgericht zum einen über den bereits vom Berufungsgericht aufgehobenen Teil des Klagebegehrens (Spruchpunkt II. des Berufungsurteils), zum anderen über den nunmehr laut Spruchpunkt 3. aufgehobenen Teil des Klagebegehrens sowie über einen allenfalls vom Berufungsgericht in seiner Ergänzungsentscheidung aufgehobenen Teil des Zinsenbegehrens – nach allfälliger Verfahrensergänzung – zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E125150

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00015.19Z.0515.000

Im RIS seit

05.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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