TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/28 I405 1235384-2

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Veröffentlicht am 28.12.2018
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Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §75 Abs20
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 1235384-2/60E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. wird gemäß § 68 AVG

idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Betreffend Spruchpunkt II. wird das Verfahren gem. § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 08.07.2002 einen Asylantrag.

Als Fluchtgrund brachte er Verfolgung aus politischen Gründen vor. Er sei politischer Aktivist bzw. aktives Mitglied Gruppierung der MASSOB gewesen und für das Gebiet Orumba North als Koordinator zuständig gewesen. Er sei in Gefahr, von der nigerianischen Regierung verfolgt zu werden und habe daher sein Heimatland verlassen. Er befürchte, von den Regierungstruppen getötet zu werden, da alle MASSOB-Mitglieder verfolgt würden.

2. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2003, Zl. 02 17.876-BAG abgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Nigeria zulässig sei.

3. Die dagegen gerichtete Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei.

4. Mit Beschluss vom 26.05.2009, Zl. 2006/20/0423-6 lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03 ab.

5. Nach seiner Rückübernahme gemäß der Dublin II-VO aus der Schweiz stellte der Beschwerdeführer am 24.10.2013 seinen gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

6. Der BF wurde hierzu am 25.10.2013 einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und am 15.11.2013 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Auf Nachfrage gab er an, dass er nach Abweisung seines ersten Asylantrages Österreich im Jahr 2009 verlassen habe und nach Spanien gereist sei. Dort habe er ebenfalls einen Asylantrag gestellt, welcher jedoch aufgrund der Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen worden sei. In der Folge sei er im Oktober 2013 nach Österreich zurückgeschickt worden.

Seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren seien aufrecht. Seine Situation habe sich verschlimmert. Die Polizei töte Mitglieder seiner Organisation. Hierzu legte der BF Kopien von Zeitungen aus Nigeria, eine Mitgliedskarte, Kopie einer Anleitung für MASSOB-Mitglieder vor. Seine Mitgliedskarte habe er bereits im Erstverfahren vorgelegt.

Auf Vorhalt, warum er dann von der Botschaft in Nigeria einen Reisepass ausgestellt bekommen habe, wenn er von der Polizei verfolgt werde, gab der BF an, dass er seinen Reisepass in Österreich verloren habe.

7. Mit Bescheid vom 15.11.2013, Zl 13 15.491-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers nach § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

8. Dieser Bescheid wurde am 10.12.2013 durch persönliche Ausfolgung an den Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellt (As. 223 BAA).

9. Mit Schriftsatz vom 18.12.2013 wurde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2013 Beschwerde erhoben.

10. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese mit Beschluss vom 14.03.2014, Zl. I405 1235384-2/3E, gemäß § 63 Abs, 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

11. Mit Erkenntnis des VwGH vom 28.01.2015, Zl. Ra 2014/18/0026-11, wurde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.03.2014, Zl. I405 1235384-2/3E, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.09.2015 und am 02.05.2016 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache, des BF, seiner rechtlichen Vertretung sowie Mitarbeitern der belangten Behörde als Zeugen mündliche Verhandlungen durch. In der ersten mündlichen Verhandlung wurden die Anwesenden primär zu den Umständen der Zustellung des angefochtenen Bescheides befragt. In der zweiten mündlichen Verhandlung wurde der BF über die Gründe für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und über seine privaten und persönlichen Verhältnisse einvernommen. Mit den BF wurden auch die im Akt zur jederzeitigen Einsicht befindlichen Länderfeststellungen zu Nigeria samt den Erkenntnisquellen, welche dem BF mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt worden waren, erörtert und dem BF die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.

13. In der Folge wurde seitens des erkennenden Gerichts eine Anfrage an die Staatendokumentation hinsichtlich aktueller Berichte zur den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten von Herzerkrankungen (in concreto: von Herzklappeninsuffizienzen) bzw. der Verfügbarkeit von adäquaten Medikamente zur Behandlung von Herzerkrankungen in Nigeria gestellt. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.08.2016 ergab Folgendes: Die Behandlung von Herzerkrankungen, bzw. von Herzklappeninsuffizienz ist in Nigeria möglich. Eine Behandlung ist durch einen Kardiologen stationär, wie auch ambulant am University College Hospital in der UCH Road in Ibadan möglich. Zudem ist auch eine Ultraschalluntersuchung mittels Echokardiographie (Echoverlaufskontrolle) möglich. Auch eine Operation der Herzklappen ist durch einen Herzchirurgen im selben Krankenhaus möglich, wie auch eine stationäre oder ambulante Nachbehandlung.

14. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem BF sowie dem BFA mit Schriftsatz vom 17.10.2016 und 15.10.2018 im Rahmen des Parteiengehörs das Ergebnis der Anfragebeantwortung und umfassende Länderfeststellungen zur Situation in Nigeria sowie Fragestellungen zur persönlichen Situation des BF und forderte unter einem die genannten Parteien auf, binnen zwei Wochen hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

15. In den entsprechenden Stellungnahmen machte BF Angaben zu seinem Privat- und Familienlebe, seinem Gesundheitszustand, denen diverse Empfehlungsschreiben, Teilnahmebestätigungen an Kursen sowie medizinische Befunde beigelegt waren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Der BF ist Staatsangehörige Nigerias, gehört der Volksgruppe Igbo an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität des BF steht fest.

Der strafrechtlich unbescholtene BF leidet an keinen schweren Krankheiten und ist arbeitsfähig. Er leidet an einer Herzklappeninsuffizienz, die in Abstand von sechs Monaten einer Echoverlaufskontrolle unterzogen wird.

Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 08.07.2002 einen Asylantrag. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er Nigeria aufgrund seiner politischen Tätigkeit für die MASSOB verlassen habe. Mangels Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens beschied das Bundesamt seinen Asylantrag mit Bescheid vom 30.02.2003, Zl. 02 17.876-BAG, negativ. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03, als unbegründet ab. Mit Beschluss vom 26.05.2009, Zl. 2006/20/0423-6 lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03 ab.

Der BF reiste sodann im Jahr 2008 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und begab sich nach Spanien, wo ihm von der nigerianischen Botschaft ein Reisepass ausgestellt wurde.

Am 24.10.2013 stellte der BF nach seiner Rücküberstellung aus der Schweiz den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Darin wiederholte der BF seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren und gab an, dass diese aufrecht seien und sich verschlimmert hätten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten dartun konnte. Nicht festgestellt werden kann, dass seit Rechtskraft Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03, zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland Umstände eingetreten sind, wonach der BF in Nigeria aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Konfession gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des BF und den vorgelegten nigerianischen Reisepass vor der belangten Behörde.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand gründen sich auf den im Beschwerdeverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen. Die Verfügbarkeit der medizinischen Behandlung des Herzleidens des BF gründet sich auf das Ergebnis der eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.08.2016.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet im Jahr 2008 und seiner Weiterreise nach Spanien sowie den dort ausgestellten nigerianischen Reisepass ergeben sich aus den Angaben des BF vor dem erkennenden Gericht.

Die Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren und zu den darin vom BF geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf seine Angaben im ersten Asylverfahren und den vorliegenden Verwaltungsakten sowie auf den diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde und vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat. Die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe wurden von der belangten Behörde und dem Unabhängigen Bundesasylsenat - rechtskräftig - als nicht glaubhaft qualifiziert. Der BF bringt in gegenständlichen zweiten Asylverfahren keine neu entstandenen Fluchtgründe vor. Bei seiner niederschriftlichen Befragung führte er aus, dass seine Fluchtgründe dieselben seien. Damit vermochte der BF kein entscheidungsrelevantes neues Vorbringen seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens geltend zu machen.

Auf Basis der vorliegenden aktuellen Länderinformationsblätter und der darin enthaltenen Quellen sowie den diesbezüglichen Aussagen des BF in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde sowie in den Beschwerdeverhandlungen gelangte das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung, dass der BF keine reale Gefahr der Folter, der Todesstrafe, einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung oder ihre persönlichen Unversehrtheit aufgrund eines zwischen- oder innerstaatlichen Konflikts droht.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

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AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

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EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

-

IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

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USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Vorweg ist hinsichtlich der Beschwerdefrist auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 26.09.2017, G 134/2017, G 207/2017, zu verweisen, in welcher er die Wortfolge "2, 4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." in § 16 Abs 1 BFA-VG als verfassungswidrig aufhob. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft. Die aufgehobenen Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

Aufgrund dieses Erkenntnisses beträgt die Beschwerdefrist gegen Bescheide der belangten Behörde - mit Ausnahme von Verfahren nach § 3 Abs 2 Z 8 BFA-VG, § 33 Abs 4 AsylG - vier Wochen anstelle von 14 Tagen. Somit erweist sich die gegenständliche Beschwerde nicht als verspätet, da diese innerhalb der 14-tägigen Beschwerdefrist erhoben wurde.

3.2.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Da die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 25.10.2013 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages nicht aber der Antrag selbst.

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Eine entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, ua). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd I, 2. Aufl 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Von einer verschiedenen "Sache" iSd § 68 Abs 1 AVG ist auszugehen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 24.02.2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl VwGH 19.09.2013, 2011/01/0187; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 15.10.1999, 96/21/0097).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Im gegebenen Fall bestätigte der Unabhängige Bundesasylsenat mit seinem Bescheid vom 30.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03, die negative Entscheidung des Bundesasylamtes vom 30.02.2003, Zl. 02 17.876-BAG, und erwuchs die negative Erledigung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz in Rechtskraft. Dieser Bescheid kann mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr bekämpft werden, weshalb § 68 Abs 1 AVG anzuwenden ist.

Der von dem BF behaupteten Änderung des Sachverhalts kommt für sich allein oder auch in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich keine Asylrelevanz zu. Die Tatsachen und Beweismittel bestanden schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens. Mit dem von der BF geltend gemachten nach wie vor bestehenden Problem aufgrund seiner politischen Tätigkeit bezieht er sich zur individuellen Begründung seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz ausschließlich auf Umstände, die bereits Gegenstand des ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens waren. Damit wird im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl VwGH 07.06.2000, 99/01/0321). Somit vermochte der BF keine wesentliche Änderung der entscheidungsrelevanten Fakten darzutun (vgl. VwGH 22.11.2004, 2001/10/0035; 21.06.2007, 2006/10/0093).

Der Asylfolgeantrag stützt sich somit auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt, dem die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 2330.05.2006, Zl. 235.840/0-V/14/03, entgegensteht (vgl VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist - wie oben ausgeführt - nicht erkennbar, dass die Rückführung des BF nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihr in Nigeria jegliche Lebensgrundlage entzogen würde.

3.2.2. Hinsichtlich der nunmehr vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden des BF, wonach er an einer Herzklappeninsuffizienz leide, die in Abstand von sechs Monaten einer Echoverlaufskontrolle unterzogen werde, ist anzumerken, dass weder aus der Aktenlage noch aus den Angaben der BF zu entnehmen ist, dass hier eine unmittelbare medizinische Maßnahme erforderlich wäre, auch der BF selbst nimmt keine Medikamente ein. Gegenteiliges wurde in der Beschwerde oder im Beschwerdeverfahren auch nicht behauptet.

Dem Beschwerdeargument, wonach nicht erhoben worden sei, wie teuer die medizinische Behandlung sei und dass der BF nicht in der Lage sei, sich die medizinische Behandlung zu leisten, weshalb dem BF im Falle seiner Rückkehr eine Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK drohe, kann nicht gefolgt werden, zumal der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken im Allgemeinen kein_e Fremde_r ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er oder sie an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein_e lebensbedrohlich Erkrankte_r durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (siehe EGMR D./Vereinigtes Königreich, 30240/96, 02.05.1997, EGMR Große Kammer, N./Vereinigtes Königreich, 26565/05, 27.05.2008, Rn. 42ff; EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515; 13.09.2011, 2010/22/0003).

Im letztgenannten Erkenntnis des VwGH, in dem es um einen an AIDS erkrankten BF aus Nigeria geht, beruft sich der VwGH ausdrücklich auf die EGMR Rechtsprechung zu N./Vereinigtes Königreich und führt im Wortlaut aus:

"Im hier zu beurteilenden Fall ist der BF "im Moment nicht todkrank". Selbst wenn sich - wie dem Vorbringen zu entnehmen ist - sein Zustand nach Absetzen der momentanen (vom BF aber nicht näher konkretisierten) Therapie rasch verschlechtern würde und die Gefahr bestehe, dass er "einen baldigen Tod" erleide, liegt der Fall nicht anders als jener, der dem zitierten Urteil der großen Kammer des EGMR vom 27. Mai 2008 zugrunde lag. Auch dort konnte sich die BF nach ihrer Behauptung eine Behandlung im Heimatland nicht leisten und es würden sich die Familienmitglieder im Heimatland nicht um den abzuschiebenden Fremden kümmern. Dass der vorliegende Fall in seinen außergewöhnlichen Umständen demjenigen des Urteils des EGMR im Fall D gegen Großbritannien (Aids im Endstadium; psychologische Vorbereitung auf den Tod in einer durch Zutrauen gekennzeichneten Umgebung) gleiche, wird nicht behauptet.

Demgegenüber weist der vorliegende Fall des BF keine außergewöhnlichen Umstände auf, die über diejenigen im eingangs zitierten Fall des EGMR hinausgingen." Im Lichte der bestehenden und wiederholten Rechtsprechung des EGMR und des VwGH in dieser Frage muss das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass sich die Situation des BF nicht von jener der BF in N./Vereinigtes Königreich, von jener in Josef/Belgien oder von jener des BF in VwGH 2010/22/0003 unterscheidet.

Es steht außer Frage, dass der BF am einer Herzklappeninsuffizienz, die in Abstand von sechs Monaten einer Echoverlaufskontrolle unterzogen wird. Aus der Anfragebeantwortung vom 16.08.2018 geht auch eindeutig hervor, dass die Behandlung der Beschwerden des BF in Nigeria möglich sind.

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt auch zur Kenntnis, dass die medizinische Versorgung nicht kostenlos zugänglich ist. Der BF ist jedoch arbeitsfähig und verfügt über Familienangehörige in Nigeria. Zudem ist er zur Zeit nicht in einem lebensgefährlichen Zustand und wäre grundsätzlich überstellungsfähig. Zugang zur gesundheitlichen Versorgung ist in Nigeria im Grundsatz gegeben. Aus diesen Gründen kommt die einschlägige Judikatur - und damit auch das Bundesverwaltungsgericht - zum Ergebnis, dass sich die BF zur Zeit nicht in einer derart außergewöhnlichen gesundheitlichen Situation befindet, die im Falle einer Überstellung des BF nach Nigeria eine Verletzung des Art. 3 der EMRK nach sich ziehen würde (vgl. Josef/Belgien, RN 123, 124 und VwGH, 13.09.2011, 2010/22/0003).

3.2.3. Sonstige Umstände, nach welchen eine Abschiebung des BF nach Nigeria Art. 2 oder 3 EMRK verletzen würde, wurden seinerseits nicht vorgebracht und sind dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht amtswegig bekannt geworden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass das Leben in Nigeria Schwierigkeiten für den BF mit sich bringen kann. Dennoch kann nicht erkannt werden, dass ihm im Falle einer Rückkehr dort die nötigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, zumal der BF über soziale Kontakte in Nigeria verfügt und dort hauptsozialisiert war.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der BF gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens gegenüber dem Vorbescheid nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt - wie die belangte Behörde zu Recht entschieden hat - eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs 1 AVG vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache erfolgte damit zu Recht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 Aba 1 AVG als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu II.)

§ 75 Abs. 20 AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

bestätigt, so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie sich aus den bisherigen Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und vor dem erkennenden Gericht ergibt, hat der BF keine in Österreich lebenden Verwandten und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte.

Zudem kann bei einer Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK auch im Hinblick auf sein Privatleben die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer nicht erkannt werden.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Ausweisungen und dem damit verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben hat eine Einzelfallprüfung zu erfolgen, die sich nicht in der formelhaften Abwägung iSd Art. 8 EMRK erschöpfen darf, sondern auf die individuelle Lebenssituation des von der Ausweisung Betroffenen eingehen muss. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.09.2007, B328/07, dargelegt hat, lassen sich aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes eine Vielzahl von Kriterien ableiten, die bei der gebotenen Interessensabwägung zu beachten sind. Dazu zählen vor allem die Aufenthaltsdauer, die an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft ist (EGMR vom 31.01.2006, 50.435/99), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR vom 28.05.1985, 9214/80, 9473/81, 9474/81 ua.) und dessen Intensität (EGMR vom 02.08.2001, 54.273/00), der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- oder Berufsausbildung, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (EGMR vom 04.10.2001, 43.359/98 ua.), die Bindung zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR vom 24.11.1998, 40.447/98 ua.) und die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR vom 24.11.1998, 40.447/98 ua.).

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet in der Dauer nunmehr fünf Jahren seit seiner Rücküberstellung im Oktober 2013 aus der Schweiz nach Österreich war nur ein vorläufig berechtigter. Selbst wenn man seinen Aufenthalt aus dem Erstverfahren von 2002 bis 2008, insgesamt also sechs Jahre, mitberücksichtigen würde, hat der BF die lange Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht für seine Integration genützt. So weist der BF zum Entscheidungszeitpunkt keine berücksichtigungswürdige besondere Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht auf. Er verfügt über keine berücksichtigungswürdigen Kenntnisse der deutschen Sprache. Der BF hat zwar einen Deutschkurs besucht, jedo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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