TE OGH 2019/2/13 13Os110/18b

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Veröffentlicht am 13.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der AAss Schaffhauser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario S***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mario S***** und Evelyn P***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 21. März 2018, GZ 12 Hv 110/16x-402, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (A), demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit den auf diese Schuldsprüche bezogenen Teilen der Nichtigkeitsbeschwerden werden die Angeklagten hierauf verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden und für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – Mario S***** und Evelyn P***** jeweils des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (A) und des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben sie in V***** und andernorts

(A) „als Beteiligte (§§ 12 1., 2. oder 3. Fall; 14 Abs 1 StGB)“ von Anfang April bis 30. Juni 2006 „ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht“ und dadurch sieben im Ersturteil namentlich genannte Personen am Vermögen geschädigt, wobei der Schaden insgesamt 300.000 Euro überstieg, indem sie zusammen 4.992.905 Euro, die „ihnen zum Erlag auf einem vorherbestimmten Konto als bloßer Liquiditätsnachweis zum sogenannten 'Trading' und unter Vereinbarung und Zusage der Absicherung gegen Verlust überlassen“ worden waren, „vereinbarungs- und abredewidrig und ohne jegliche Sicherheit von diesem Konto transferierten“,

(B) im einverständlichen Zusammenwirken mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet, wobei der Schaden insgesamt 300.000 Euro überstieg, und zwar

(I) am 20. März und am 30. Mai 2007 Christian H***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, das Geld hochverzinslich zu veranlagen, zur Überweisung von zusammen 590.000 Euro sowie

(II) von August bis Ende Oktober 2013 127 im Ersturteil namentlich genannte, durch ihre verlustreiche Beteiligung an einem „Pyramidenspiel“ geschädigte (US 28) Personen durch die Vorgabe, in Dubai gegen den (dort ansässigen) Veranstalter des Spiels eine „Sammelklage“ zu führen und dessen Immobilien veräußern zu lassen, sodass die Geschädigten ihre Investitionen refundiert erhalten würden, zur Zahlung von zusammen rund 68.000 Euro als „Unkostenbeitrag“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützten (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil in den Schuldsprüchen A mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die zum Nachteil der Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Den Tatbestand der Untreue (§ 153 Abs 1 StGB) verwirklicht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Es ist ein Charakteristikum der Untreue, dass Machtgeber und Geschädigter miteinander ident sind, mit anderen Worten der Vermögensschaden demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt. Dass letztlich Dritte an ihrem Vermögen geschädigt werden, genügt nicht (RIS-Justiz RS0106192; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 36).

Nach dem Urteilssachverhalt waren S***** und P***** Gesellschafter, Zweitere darüber hinaus Geschäftsführerin der P***** GmbH. Auf ein Konto dieser Gesellschaft überwiesen sieben Personen insgesamt rund 5 Mio Euro. Die Gesellschaft hatte ihnen zuvor „garantiert“, dass dieses Giralgeld „weder für fremde noch für eigene Zwecke behoben, verringert oder zu Gunsten der P***** GmbH oder Dritter ausbezahlt wird“ (vielmehr sollte es der P***** GmbH beim Finanzmarkthandel bloß als „Liquiditätsnachweis“ dienen; im Gegenzug sollten die Geldgeber Anteile an erhofften, von dieser Gesellschaft unter Einsatz anderer Geldmittel zu erwirtschaftenden Spekulationsgewinnen erhalten). Entgegen dieser Vertragspflicht investierte die Gesellschaft das Bankguthaben in mehrere (im Ersturteil näher beschriebene) hochriskante Finanzgeschäfte, die zum Totalverlust dieses Vermögenswerts führten. Die betreffenden Geschäftsabschlüsse und Investitionen wurden – teils aufgrund einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse (an denen auch S***** und P***** mitwirkten) – jeweils von P***** als Geschäftsführerin der P***** GmbH (mit Unterstützung des S*****) im Namen dieser Gesellschaft getätigt (US 13 bis 23).

Jene – von S***** geförderten – Rechtshandlungen, durch die (letztlich) die Geldgeber geschädigt wurden (Vertragsabschlüsse und Geldüberweisungen von Konten der P***** GmbH – vgl RIS-Justiz RS0095943 [T2], RS0094545 [T16]), setzte P***** somit gerade nicht im Rahmen einer ihr von den Geldgebern eingeräumten Befugnis in deren Namen. Sie nahm sie vielmehr im Namen der (nach den Feststellungen indes dadurch nicht geschädigten) P***** GmbH im Rahmen ihrer Befugnis als Geschäftsführerin dieser Gesellschaft vor (zur Abgrenzung des Tatbestands der Untreue von jenem der Veruntreuung im gegebenen Zusammenhang Salimi in WK2 StGB § 133 Rz 140 mwN).

Es war demnach verfehlt, das konstatierte Verhalten der Angeklagten dem Tatbestand der Untreue (§ 153 Abs 1 StGB) zu unterstellen. Das in Rede stehende Bankguthaben wäre freilich als „Gut“ im Sinn des § 133 Abs 1 StGB zu werten (RIS-Justiz RS0093878). Ob dieser Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt ist, wurde aber nicht durch Feststellungen geklärt; ebenso wenig geht aus dem Ersturteil hervor, ob die Angeklagten die Geldgeber etwa (schon) mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz im Sinn des § 146 StGB zur Überweisung der Gelder verleiteten (vgl RIS-Justiz RS0094372).

Aus diesen Gründen kann die Frage nach gerichtlicher Strafbarkeit des von den Schuldsprüchen A erfassten Verhaltens der Angeklagten auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts nicht abschließend beantwortet werden.

Dieser Rechtsfehler (Z 9 lit a) führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Das gegen die damit beseitigten Aussprüche gerichtete Beschwerdevorbringen hat demnach auf sich zu beruhen.

Die übrigen, (inhaltlich nur) die Schuldsprüche B II betreffenden Einwände verfehlen ihr Ziel.

Die – auf Z 5a (als Aufklärungsrüge) gestützte – Kritik, es wäre „Aufgabe des Gerichtes gewesen“, „alle“ (und nicht bloß einzelne der) „127 'Geschädigten' zu dem Grund ihrer Einzahlung auf das Konto zu befragen“, scheitert (schon) an der unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung bestehenden Subsidiarität des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a gegenüber jenem der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO: Dass die Angeklagten an darauf abzielender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen wären (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036), wird mit dem Hinweis, das Erstgericht habe „geradezu überraschend“ ihren eigenen beweiswürdigenden Überlegungen widerstreitende Tatsachenfeststellungen getroffen, nicht behauptet (vgl RIS-Justiz RS0120025 [T1]).

Das weitere Beschwerdevorbringen (nominell auch Z 5 zweiter Fall, inhaltlich nur Z 9 lit a) behauptet – der Sache nach – einen Feststellungsmangel, indem es unter Hinweis auf die Aussagen von vier (nach dem Urteilsinhalt zum Kreis der 117 durch die Taten laut B II Geschädigten zählenden) Zeugen, sie hätten jeweils „das einbezahlte Geld“ von den Angeklagten „zurückbekommen“, die Konstatierung dieser Rückzahlungen fordert.

Damit setzt es sich prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0118580 [T14]) über die ohnehin getroffene Urteilsaussage hinweg, wonach ein („verschwindend geringer“) Teil der Geschädigten den geleisteten „Unkostenbeitrag“ – freilich erst „zeitnah“ zur Hauptverhandlung – „retourniert bekam“ (US 51). Es legt überdies nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb solche (nicht im Sinn des § 167 Abs 2 StGB rechtzeitigen, sondern) späteren Rückzahlungen den angefochtenen Schuldsprüchen entgegenstehen sollten (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

Hinzugefügt sei, dass eine derartige (nachträgliche) Schadensgutmachung (der Beschwerde-
auffassung zuwider) am vorangegangenen – zur Tatbestandsverwirklichung nach § 146 StGB (der bloß darauf gerichteten Vorsatz verlangt) übrigens gar nicht erforderlichen – Eintritt einer (unrechtmäßigen und zumindest zeitweiligen – vgl RIS-Justiz RS0094261) Bereicherung der Angeklagten (oder eines Dritten) nichts ändert (zu ihrer Bedeutsamkeit als bloßer Strafzumessungsgrund vgl RIS-Justiz RS0094376;
L/St/Flora, StGB4 § 146 Rz 44).

In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher – abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche zu verweisen.

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E124148

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00110.18B.0213.000

Im RIS seit

27.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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