TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 L523 2186410-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
StGB §127
StGB §15
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L523 2186410-1/8E

L523 2186407-1/8E

L523 2186409-1/7E

L523 2186408-1/7E

L523 2186405-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, (BF1) StA. Armenien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, vom 29.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, (BF2) StA. Armenien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, vom 29.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, (BF3) StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, rechtsfreundlich vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, vom 29.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, (BF4) StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, rechtsfreundlich vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, vom 29.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Tanja DANNINGER-SIMADER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, (BF5) StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, rechtsfreundlich vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Wien, vom 29.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidunsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Armenien. Die beiden volljährigen Beschwerdeführer (Frau XXXX - BF1 und Herr XXXX - BF2) stellten am 17.06.2013, nachdem sie zusammen mit dem minderjährigen Sohn (BF3) illegal in das Bundesgebiet eingereist sind, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz für sich und BF3. Für die in Österreich nachgeborenen Kinder BF4 und BF5 wurden ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt, am 01.10.2014 und am 01.06.2016. Die drei minderjährigen Kinder BF3-BF5 werden durch die Kindesmutter BF1 gesetzlich vertreten.

Im Zuge einer Erstbefragung bei der PI Traiskirchen am 19.06.2013, gab die BF1 zum Fluchtgrund befragt Folgendes an:

"Im Jahr 1999 oder 2000 kamen zwei bewaffnete maskierte Männer zu uns nach Hause. Mein Vater riss einem Täter die Maske vom Kopf und schlug sie in die Flucht. Nach einer Woche versuchten sie unser Haus anzuzünden, mein Vater entdeckte den Brand und löschte ihn mit einem Feuerlöscher. Mein Vater wurde am 17. Juni 2000 von diesen Männern erschossen. Die Männer bezahlten meiner Mutter Geld, sie ging aber trotzdem zur Polizei und erstattete Anzeige. Meine Mutter wurde wegen der Anzeige bedroht. Meine Mutter, meine Geschwister und ich waren bei der Gerichtsverhandlung. Die Täter schauten immer zu uns. Die Täter wurden verurteilt, sind aber vorzeitig entlassen worden. Vor sieben Jahren versuchte mich einer der Täter auf der Straße zu vergewaltigen. Ich war deswegen auch bei der Polizei, aber die Polizei hat mir nicht geglaubt. Ich habe mich in Armenien immer verfolgt gefühlt, ich war immer mit einem Messer bewaffnet. Kurz vor unserer Flucht wurde mein Mann verprügelt. Aus diesem Grund haben wir Armenien verlassen."

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA-belangte Behörde) am 09.06.2017 gab die BF1 zum Fluchtgrund insbesondere Folgendes zu Protokoll:

"Im Sommer des Jahres 2009 als ich wusste, dass ich schwanger war, musste ich das Land verlassen...Im Jahre 1997 sind wir Opfer eines Anschlages gewesen. Unser Haus wurde gestürmt von unbekannten Männern. Sie wollten Geld stehlen und die ganze Familie ermorden. Mein Vater konnte sie als ehemaliger Boxer überwältigen. Folglich versuchten Unbekannte unsere Wohnung anzuzünden. Durch das Eingreifen meines Vaters hat die Familie überlebt. Am 16.06.2000 abends um 23:00 befanden sich alle vor unserem Haus, als plötzlich Schüsse fielen und ich sah meinen Vater am Boden in einer Blutlache liegen. Die Polizei kam und stellte den Tod meines Vaters fest. Meine Mutter musste mit ins Revier und aussagen. Danach wurde die ganze Familie unter Druck gesetzt, dass man meiner Mutter Geld anbot, ihre Aussage bei Gericht nicht durchzuführen. Man hat mich versucht zu vergewaltigen im Sommer 2004. Als ich im Jahre 2009 heiratete, musste mein Mann, wegen Verfolgung meiner ganzen Familie, seine Sachen verkaufen und kündigen und mit mir ins Ausland flüchten."

Die BF1 brachte für die Kinder BF3-5 keine eigenen Fluchtgründe vor.

Der BF2 bezog sich bei seiner Erstbefragung am 17.06.2013 auf die Fluchtgründe seiner Frau. Demnach wäre der Vater der BF1 ein reicher und sehr einflussreicher Mann gewesen und sollte einen hohen Posten in einem Einkaufszentrum bekommen. Der Schwiegervater wäre aber umgebracht worden und die Schiegermutter wäre trotz Schweigegeld zur Polizei gegangen und hätte Anzeige erstattet. Danach wäre die ganze Familie bedroht worden und nach der Hochzeit mit seiner Frau BF1 auch er selbst. Deshalb hätten sie sich zur Flucht entschlossen.

Bei der Einvernahme vor dem BFA am 09.06.2017 gab der BF2 zum Fluchtgrund befragt an, dass er und sein Sohn BF3 keine eigenen Fluchtgründe hätten und sie sich auf die seiner Frau BF1 berufen würden. Er gab zudem an, dass auch er selbst wegen der Probleme seiner Frau von mafiösen Personen unter Druck gesetzt und bedroht worden sei. So hätte er öfters bemerkt, dass Leute auf ihn zugekommen wären und über die Vergangenheit geredet hätten. Auch wären vor 9 Jahren mehrere unbekannte und verschiedene Männer vor ihm gestanden und ihm handgreiflich gegenüber geworden. An die Namen dieser Menschen könne er sich nicht mehr erinnern.

2. Vor der gegenständlichen Antragstellung auf internationalen Schutz haben die BF1 und der BF2 bereits in Belgien 2009 einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren wurde allerdings 2013 endgültig negativ beendet. Der BF2 führte hierzu befragt vor der belangten Behörde aus:

"Wir hörten in Belgien, dass das Asylverfahren in Österreich viel humaner verläuft und in Österreich es leichter ist einen positiven Bescheid zu bekommen."

3. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden des BFA vom 29.12.2017 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien ebenfalls abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Entsprechend § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise, da einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Zudem wurde gegen die BF1 ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot und gegen den BF2 ein solches auf 6 Jahren befristet erlassen.

Das BFA begründete seine abweisenden Entscheidungen im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen als nicht glaubwürdig angesehen hätte werden müssen. Dies insbesondere deshalb, da das Vorbringen weitgehend abstrakt, vage und zudem widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei.

So habe die BF1 angegeben, bereits seit 2000 bedroht und 2004 sogar versucht vergewaltigt worden zu sein, sie wäre dann aber erst 2009 geflohen, weil da ihr Ehemann wegen der Probleme mit den Mördern des Vaters auch bedroht worden sei. Im Gerichtsverfahren zum Mordprozess um den Vater wäre der Täter aber bereits 2005 rechtskräftig verurteilt worden. Zudem hätte die BF1 zusammen mit ihrer damaligen Familie einerseits seit 2000 versteckt in Armenien gelebt, die Ladungen zu Gericht aber über Verwandte erhalten. Der BF2 hingegen gab an, dass er von der Mafia verfolgt worden sei wegen der Zeugenaussage der Schwiegermutter und dass der Schwiegervater ein reicher und einflussreicher Mann gewesen sei. Die BF1 gab an, dass ihr Vater hingegen Fahrer und Bodyguard eines Chefs der Polizei gewesen sei.

Hinzu komme die Tatsache, dass das Asylverfahren der BF1-2 in Belgien in zwei Instanzen negativ entschieden wurde, sodass auch dies klar gegen eine glaubhafte Verfolgung der BF in Armenien spreche.

Zudem würden keine sonstigen Rückkehrhindernisse vorliegen, zumal auch die vorgebrachten gesundheitlichen Probleme der BF1 nicht bescheinigt werden konnten und darüber hinaus ohnehin eine ausreichende medizinische Versorgung in Armenien gewährleistet wäre. Die Straffälligkeit der BF1-2 in Österreich gefährde zudem die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

4. Die Bescheide wurden am 16.01.2018 den BF ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 09.02.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.

Darin wurde zunächst das Fluchtvorbringen der BF1 wiederholt und ausgeführt, dass ihre Angaben und auch die des BF2 sehr wohl glaubhaft und nachvollziehbar seien. Dies würde auch aus den herangezogenen Länderberichten zu Armenien hervorgehen, welche die Korruption als großes Problem darstellen würden und aus denen hervorginge, dass ein effizienter Schutz von den Sicherheitsbehörden und von der Justiz nicht erwartet werden könne. Allfällige Widersprüche in den Aussagen der BF hätten durch ausführlichere Befragungen erörtert werden müssen. Zudem hätte die BF1 sehr wohl psychische Probleme und könne nicht aufgrund der Tatsache, dass die BF1 keinen Arzt aufgesucht habe, daraus geschlossen werden, dass diese gesund sei. Vielmehr wäre das Verfahren vor der belangten Behörde mangelhaft, da der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht ausreichend entsprochen worden wäre. Auch würden die BF1 und BF2 mittlerweile Deutschkurse besuchen und wären wie die Kinder, welche in die Schule bzw. den Kindergarten gehen würden, bereits gut integriert. Alledem zufolge seien die angefochtenen Bescheide mangelhaft und rechtswidrig.

5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1 Feststellungen zu den Personen

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um armenische Staatsbürger. Ihre Identität steht nicht fest. Sie sprechen muttersprachlich armenisch, gehören zur Volksgruppe der Armenier und gehören der armenisch apostolischen Kirche an.

Die beschwerdeführenden Parteien leben zusammen in einer Flüchtlingsunterkunft für Asylwerber. Über die im gegenständlichen Erkenntnis hinausgehenden Mitglieder der Kernfamilie haben sie keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die Eltern, Geschwister und weitere Verwandte des BF2 sowie entfernte Verwandte der BF1 sind nach wie vor in Armenien aufhältig.

Die volljährigen BF1 und BF2 sind seit April 2009 verheiratet, in Jerewan geboren und in Armenien aufgewachsen und haben dort auch bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2009 gelebt. Sie haben in ihrem Herkunftsstaat die Grund- und Hauptschule besucht und wurden dort sozialisiert. BF1 hat zwei Jahre studiert und in einem Videogeschäft gearbeitet. BF2 hat XXXX gelernt und hat zuletzt als XXXX seinen Lebensunterhalt finanziert. Der minderjährige BF3 wurde in Belgien geboren, dort suchten die BF1-3 bereits um Asyl an, das Verfahren wurde allerdings 2013 im Instanzenzug rechtskräftig negativ entschieden. Danach erfolgte die gegenständliche Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich. Hier wurden auch die BF4-5 nachgeboren.

Die BF1-2 weisen lediglich geringe Deutschkenntnisse auf. Beide sind weder in einem Verein Mitglied noch gehen sie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Sie leben von staatlicher Unterstützung. Laut ihren Angaben verfügen Sie zudem nur über einige Bekanntschaften im Flüchtlingsheim. Die minderjährigen Kinder besuchen die Schule (BF3) bzw. den Kindergarten.

Die BF leiden allesamt an keinerlei schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Erkrankungen.

Die BF1 wurde in Österreich bereits dreimal strafgerichtlich verurteilt:

BG Meidling vom 15.10.2014, XXXX gem. XXXX - Geldstrafe in Höhe von 120 Euro

LG Strafsachen Wien vom 09.07.2015, XXXX gem. XXXX - Freiheitsstrafe 9 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

BG Innere Stadt vom 19.07.2016, XXXX gem. XXXX - Freiheitsstrafe 3 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

Der BF2 wurde ebenfalls in Österreich straffällig:

LG Strafsachen Wien vom 09.07.2015, XXXX gem. XXXX - Freiheitsstrafe 7 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

1.2. Länderfeststellungen

Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den nachvollziehbaren, zutreffenden und umfassenden Ausführungen des BFA an.

Auszugsweise werden aus den herangezogenen Länderfeststellungen insbesondere folgende Feststellungen explizit angeführt:

"...

Sicherheitslage:

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach (1992-94) halten armenische Verbände rund 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt.

...

Rechtsschutz/Justizwesen:

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Es ist bekannt, dass einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz keine juristische Ausbildung haben. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 22.3.2016).

Die Gerichte hören weiterhin zu den Institutionen, denen seitens der Bevölkerung ein geringes Vertrauen entgegengebracht wird. Die Verfassungsreform sieht die Schaffung des Obersten Justizrates vor, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu gewährleisten. 2016 gab es jedoch keine Entwürfe oder Konzepte im Justizbereich, die mit der Öffentlichkeit geteilt oder diskutiert wurden. Positiv war 2016 die Reform des Bewährungssystems, das einen alternativen Strafvollzug vorsah, was angesichts der oft inadäquaten Verhältnisse in den Haftanstalten wichtig ist (FH 29.3.2017).

Die Gerichtsbarkeit zeigt keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Berichten zufolge nimmt das Kassationsgericht eine dominante Stellung ein. Es diktiert den Ausgang aller wichtigen Fälle der niederen Gerichtsbarkeit. Diese Kontrolle seitens des Kassationsgerichts bleibt das dominante Problem, das die Unabhängigkeit der Justiz beeinflusst. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt in einem Urteil vom 27.10.2016 fest, dass es dem Vorsitzenden des Kassationsgerichts an der notwendigen Distanz gemäß des richterlichen Neutralitätsgebotes mangelte (USDOS 3.3.2017).

Richter unterliegen weiterhin des politischen Drucks von allen Ebenen der Exekutive, speziell seitens der Rechtsvollzugsorgane sowie der Hierarchie innerhalb der Justiz. Richter haben keine lebenslange Amtszeit, wodurch sie der Kündigung ausgesetzt sind und keine wirksamen Rechtsmittel besitzen, falls die Exekutive, die Legislative oder hochrangige Vertreter der Gerichtsbarkeit entscheiden, sie zu bestrafen. Vormalige Entlassungen von Richtern wegen ihrer unabhängigen Entscheidungen haben immer noch eine einschüchternde Wirkung auf die Justiz als Ganzes (USDOS 3.3.2017).

...

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch

Verhaftungen durchführen dürfen. . Der Polizeichef füllt in

Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).Am 17.7.2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der bewaffneten Gruppe "Sasna Tsrer", die eine Polizeistation besetzte, und Sicherheitsorganen. In jenen Tagen kam es zu Versammlungen von Demonstranten am Freiheitsplatz in Jerewan, welche laut der "Foundation Against the Violation of Law" (FAVL) unrechtmäßig verhaftet wurden. Zahlreiche Berichte zeigten, dass die Protestierenden Schlägen, Erniedrigungen und grausamen Behandlungen in Gewahrsam der Polizei ausgesetzt waren. Den Rechtsanwälten wurde der Zugang zu den verhafteten Demonstranten für mehrere Stunden verwehrt. Demonstranten wurden bis zu 32 Stunden statt der vorgesehenen maximal drei Stunden festgehalten und zwar ohne Wasser und Nahrung (FAVL 7.2016).

...

Korruption:

Zu den gravierenden Demokratiedefiziten kommt die grassierende Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. Die Korruption wird, neben dem Oligarchentum, als größtes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft Armeniens gesehen. Armenien hat trotz von Regierungsseite seit Jahren angekündigten Verbesserungen und verabschiedeten Antikorruptionsstrategien in den letzten Jahren nur geringe Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (AA 22.3.2016).

Der Kampf gegen Korruption ist seit Jahren an der Spitze der politischen Agenda in Armenien, evident durch mehrere Rechtsreformen in Bezug auf Korruption, Integrität und Stärkung der Justiz. Nichtsdestotrotz sind sich Beobachter weitgehend einig, dass Korruption weiterhin ein wichtiges Problem für die armenische Gesellschaft darstellt. Die Justiz wird als besonders der Korruption zugeneigt angesehen (CoE-GRECO 25.6.2016).

Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruptionsdelikte von Beamten vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um, sodass viele Beamte, die sich korrupter Praktiken bedienen, straffrei gehen. Es bestehen zahlreiche Anschuldigungen hinsichtlich Korruption in Regierungskreisen. Obwohl es die Verfassung verbietet, dass Geschäftsleute gleichzeitig öffentliche Positionen einnehmen, besetzen Oligarchen und Firmenleiter Sitze in der Nationalversammlung. Auch benützen zahlreiche Regierungsmitarbeiter ihre Ämter, um ihre privaten Geschäftsinteressen voranzutreiben. Oligarchen, die in Verbindung zur Regierung stehen oder selbst Regierungsposten einnehmen, monopolisieren die Wirtschaft. Überdies ignorieren die Behörden Medienberichte, aus denen hervorgeht, dass Regierungsvertreter in korrupte Machenschaften verstrickt sind (USDOS 3.3.2017).

Das GAN Business Anti-Corruption Portal sah 2016 ein hohes Korruptionsrisiko bei der Führung oder Investitionsplanung von Geschäften. Zwar wurde ein gewisser Fortschritt im Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption verzeichnet, doch gab das enge Verhältnis zwischen Oligarchen, Politik- und Wirtschaftskreisen Anlass zur Sorge über Vetternwirtschaft und Einflussnahme. Im Justizwesen werden Schmier- und Bestechungsgelder oft bezahlt, um günstige Gerichtsurteile zu erlangen. Auch die Polizei stellt für Geschäftsaktivitäten ein hohes Korruptionsrisiko dar. In der öffentlichen Verwaltung besteht für Geschäftstätigkeiten ein moderates Korruptionsrisiko. Allerdings besteht im Umgang mit der Zoll- oder Steueradministration sowie mit dem öffentlichen Beschaffungswesen ein hohes derartiges Risiko (GAN 7.2016).

Laut einer von Transparency International in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1.527 ArmernierInnen waren 2016 lediglich 14% der Meinung, dass die Regierung den Kampf gegen Korruption ziemlich oder sehr gut führt, um 7% weniger als 2013. Fast Zwei-Drittel betrachteten die Regierungspolitik als sehr schlecht oder schlecht. Hierbei sahen die Befragten die Vertreter von Regierungsinstitutionen als am meisten in Korruption verwickelt. 77% der ArmenierInnen gaben an, dass die Anzeige von Korruption gesellschaftlich nicht akzeptiert ist (der höchste Wert unter den 42 Ländern der Region) (TI 2017). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2016 belegte Armenien Platz 113 (2014: 94) von insgesamt 176 untersuchten Staaten (TI 2016).

...

Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 22.3.2016).

...

Sozialbeihilfen:

Das Sozialsystem in Armenien umfasst derzeit: das staatliche Sozialhilfe-Programm, wie Unterstützung von Familien, einmaliger Geburtenzuschuss und Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren; das Sozialhilfeprogramme für Personen mit Handicap, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate sowie das staatliches Sozialversicherungsprogramm, bestehend aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft (IOM 8.2015).

Familienbeihilfen

Die monatliche Familienbeihilfe beträgt 17.000 Dram (Basiswert) plus

5.500 Dram bis 8.000 Dram monatlich für jedes Kind unter 18, abhängig von der Familiensituation, dem Familieneinkommen sowie der örtlichen Lage. Am ersten Schultag gibt es eine Einmalzahlung von 25.000 Dram (SSA 2016).

Einmalige Beihilfen

Diese können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate geprüft (IOM 8.2014).

Mutterschaftsgeld

Derzeit bestehen in Armenien drei Arten von Beihilfen in Verbindung mit Kindesgeburten. Einerseits die einmalige Mutterschaftsbeihilfe von 50.000 Dram. Darüber hinaus gibt es eine monatliche Zahlung von ca. 18.000 Dram im Monat an alle erwerbstätigen Elternteile, die ein Kind (bis zum 2. Lebensjahr) versorgen und sich in einem teilweise bezahlten Mutterschaftsurlaub befinden. Für das dritte und vierte Kind stehen je 1 Million Dram zu und zusätzlich 500.000 Dram auf ein Spezialkonto für das Kind, von dem vor dem 18. Lebensjahr nur für bestimmte Zwecke wie etwa für Schulgebühren Geld abgehoben werden darf. Ab dem fünften Kind wird der einmalige Geldbetrag bis auf 1,5 Millionen Dram erhöht plus einer halben Million auf das Spezialkonto. Außerdem haben Mütter das Recht auf einen Mutterschutzurlaub von 70 Tagen vor und 70 Tagen nach der Geburt. Dieser Zeitraum wird bei schwierigen auf 155 oder Mehrlingsgeburten auf 180 Tage erhöht. In diesem Zeitraum wird das Gehalt zu 100% weiter bezahlt. Es können bis zu drei Jahre unbezahlte Karenz in Anspruch genommen werden, ohne das es zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt (Repat Armenia 2016).

Ab dem 1.1.2016 erhalten auch Frauen, die in keinem Arbeitsverhältnis stehen, die Geburtenbeihilfe in der Höhe von 50.000 Dram für das erste und zweite, bzw. eine Million für das dritte und vierte und 1,5 Millionen ab dem fünften Kind. Die monatliche Beihilfe von 18.000 Dram bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes sollte jedoch nach Aussagen des Arbeits- und Sozialministers weiterhin nur Frauen zukommen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (ARKA 11.11.2015).

...

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Die Leistungen werden in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei. Allerdings gilt dies nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre medizinische Versorgung. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem.

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die überbordende Korruption auf allen Ebenen, ein weiteres Problem die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals. Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen - meist Privatkliniken - stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung. Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen grundsätzlich kostenlos: Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. 50 USD pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Jerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet. Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten: Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden. Importierte Medikamente sind dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland. Für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich (AA 22.3.2016).

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt sieben regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten.

...

Rückkehr:

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 22.3.2016).

Das offizielle Internet-Informationsportal "Tundarc" bietet potentiellen armenischen Rückkehrern, auch Doppelstaatsbürgern, wichtigen Informationen zu den zu beachtenden Formalitäten bei einer Rückkehr sowie den wichtigsten Themenbereichen, wie Gesundheitsfürsorge, Pension, Bildung oder Militärdienst an. Überdies findet sich eine Orientierung zu bestehenden Hilfsprogrammen (Tundarc o.D.).

Die Europäische Union startete am 31.1.2017 ein neues Projekt zur Unterstützung der Reintegration von armenischen Rückkehrern. Im Rahmen des Projekts sollen auch die Kapazitäten der Regierung und der NGOs im Bereich der Wiedereingliederung gestärkt werden. Das Projekt mit einem Budget von 493.000 Euro wird vollständig aus der Europäischen Union im Mobilität Partnership Facility-Programm finanziert, das vom Internationale Center for Migration Policy Development (ICMPD) implementiert wird (AN 31.1.2017).

Die Armenische Caritas implementiert das Projekt: "Migration and Development III", das bis Ende Februar 2019 läuft. Eine der Zielgruppen sind RückkehrerInnen aus der EU, der Schweiz und Liechtenstein. Jährlich soll zwischen 70 und 80 RückkehrerInnen bei ihrer Reintegration durch die Bereitstellung von Unterkunft, Beratung und Bildungsmaßnahmen sowie durch die Schaffung eines Unterstützungssystems bei Gründung eines Betriebes geholfen werden (AC 2017).

..."

1.3. Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Armenien von privaten Dritten bzw. von Mitgliedern der Mafia bedroht und verfolgt wurden.

Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die BF1-2 eingeschüchtert, geschlagen und verfolgt worden seien, insbesondere aufgrund der Zeugenaussagen der Mutter der BF1 anlässlich eines 2005 rechtskräftig abgeschlossenen Mordprozesses betreffend den getöteten Vater der BF1.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr nach Armenien einer konkreten Bedrohungs- und Gefährdungssituation ausgesetzt wären oder dass sonstige rechtlich relevante Rückkehrhindernisse bestehen würden.

2. Beweiswürdigung

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akte des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der volljährigen BF vor dem BFA, die bekämpften Bescheide und die Beschwerdeschriftsätze.

Aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakte ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Das BFA hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die wesentlichen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich einerseits den diesbezüglichen Ausführungen des BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid grundlegend an und tritt andererseits dem Verfahrensergebnis bei. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Ausführungen des BFA nach Ansicht des Gerichts als tragfähig darstellen und insofern keiner weiteren Ergänzung bedürfen.

2.1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und deren Volksgruppen - und Glaubenszugehörigkeit ergeben sich aus dem Akteninhalt und den diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben der Beschwerdeführer.

Die Feststellungen zu den familiären, privaten und sozialen Verhältnissen der beschwerdeführenden Parteien gründen sich auf die in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer im Asylverfahren.

Die Feststellung, dass die BF allesamt an keinerlei schwerwiegenden Erkrankungen leiden ist darauf zurückzuführen, dass derartige Leiden nicht glaubhaft vorgebracht wurden.

Die BF1 behauptete zwar an XXXX zu leiden bzw. XXXX (Dragees in einer Plastikdose) einzunehmen. Diesbezügliche medizinische Nachweise hierfür konnte sie allerdings nicht in Vorlage bringen und führte vielmehr an, dass sie aufgrund Zeitmangels keine einschlägigen Arztbesuche seit 2013 mehr wahrnehmen konnte.

Vorgebrachte gesundheitliche Beeinträchtigungen werden aber nur so weit als erwiesen angenommen, als sie vom Beschwerdeführer bescheinigt werden können, etwa durch die Vorlage ärztlicher Atteste. Es wird darauf hingewiesen, dass gerade in diesem Punkt eine erhöhte Mitwirkungspflicht durch den Beschwerdeführer besteht (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601), weshalb sich das erkennende Gericht nicht veranlasst sieht, diesbezüglich weitere Ermittlungen zu tätigen. Im gegenständlichen Fall ist dem BFA überdies nicht entgegen zu treten, wenn es angesichts der fehlenden medizinischen Nachweise und der nicht nachvollziehbaren Argumentation des Zeitmangels hierfür und der bloßen Behauptung die mitgebrachten Dragees seien XXXX, von einem vorgetäuschten Krankheitszustand ausgeht.

Vollständigkeitshalber wird dennoch festgehalten, dass aus den Länderfeststellungen zudem ohnehin hervorgeht, dass in Armenien die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist und insbesondere auch psychische Probleme - wie die behaupteten - einer adäquaten Behandlung zugänglich sind.

Die Straffälligkeit der BF1-2 in Österreich ergibt sich aus dem Strafregisterauszug der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien

Das BFA konnte keine glaubhafte Bedrohung und Verfolgung der Beschwerdeführer in Armenien durch Mitglieder der Mafia oder sonstige Personen feststellen. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens schließt sich das entscheidende Gericht den diesbezüglich tragfähigen und schlüssigen Ausführungen des BFA im Ergebnis zweifelsfrei vollinhaltlich an.

So erscheint es insbesondere auffällig und keinesfalls nachvollziehbar, dass die BF aufgrund der Ermordung des Vaters der BF1 im Jahr 2000 und der damit zusammenhängenden Zeugenaussage der Mutter der BF1 verfolgt und bedroht würden. Wäre doch einerseits der Mörder bereits im Jahr 2005 zu 13 Jahren Haft rechtskräftig verurteilt worden und hätte daran eine bis 2009 andauernde Bedrohung zur Einwirkung auf die Aussage der Mutter bzw. Schwiegermutter daran nichts zu ändern vermocht.

Anderseits gab die BF1 an, dass ihr Vater Fahrer und Bodyguard eines Chefs der Polizei gewesen sei, dem widersprechend führte der BF2 aus, dass der Schwiegervater ein reicher und einflussreicher Mann gewesen sei, welcher einen hohen Posten in einem Einkaufszentrum bekommen sollte, und der BF2 daher nunmehr von der Mafia verfolgt werde.

Lebensfremd ist zudem auch, dass die BF1 ausführt bereits seit 2000 bedroht und 2004 sogar einmal versucht vergewaltigt worden zu sein wegen der Ermordung ihres Vaters bzw. der Aussage der Mutter hierzu, die BF1 aber erst 2009 nach der Heirat mit BF2 die Flucht ergriff, da zu diesem Zeitpunkt auch BF2 verfolgt worden wäre.

Darüber hinaus sind die Aussagen des BF2 hinsichtlich seiner erlebten Bedrohungen seit seiner Heirat im Jahr 2009 äußerst vage, wenig substantiiert und nicht nachvollziehbar. So hätten ihn öfters mafiöse Personen und verschiedene Menschen an deren Namen er sich nicht erinnern könne aufgesucht und hätten mit ihm über die Vergangenheit reden und ihn an das Geschehene erinnern sollen, damit seine Schwiegermutter über ihre Aussage nachdenke. Aus diesem Grund sei er auch zweimal geschlagen worden. Als die BF1 dann schwanger gewesen sei, wäre es zu gefährlich geworden, da die mächtigen Leute dem BF2 in der Arbeit Schwierigkeiten machten und ihn und seine Familie bedrohten, deshalb wären sie im Jahr 2009 noch aus Armenien geflohen. Konkrete Angaben zu den behaupteten Bedrohungen bzw. zu den Verfolgern vermochte der BF2, trotz mehrfacher Aufforderung hierzu durch die belangte Behörde, nicht zu machen.

Nach der ständigen Rsp des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, Zahl 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Im Lichte der oa. Ausführungen wäre somit die Aufgabe der volljährigen Beschwerdeführer - gewesen, ein detailliertes und kohärentes sowie plausibles Vorbringen zu erstatten und dies entsprechend zu bescheinigen.

In der Gesamtbetrachtung des Fluchtvorbringens, insbesondere unter Berücksichtigung der nicht nachvollziehbaren und mitunter sehr vagen und inkonkreten Angaben und auch der gehäuften Widersprüchlichkeiten, halten die Ausführungen der volljährigen Beschwerdeführer einer Glaubwürdigkeitsprüfung keinesfalls stand.

In der Gegenüberstellung der auf das behördliche Vorbringen gestützten und insofern in sich schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde zum Fluchtvorbringen, mit dem insoweit nicht stichhaltigen Beschwerdevorbringen, gelangte das erkennende Gericht, somit zu keinem von den diesbezüglichen Feststellungen der Behörde abweichenden Ergebnis.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Es wurden dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Insofern kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau auch die erforderliche Aktualität zu.

Neuere Quellen (wie etwa der Bericht des dt. Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien; https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armenien/201870 [Stand: März 2018] bestätigen das von der belangten Behörde beschriebene Bild, weshalb sich das Gericht den behördlich getroffenen Feststellungen zur Lage in Armenien zweifelsfrei anschließt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Beschwerdeführer sind auch in den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in den Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, nicht entgegengetreten.

Es wurden folglich im gesamten Verfahren keine stichhaltigen Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen der belangten Behörde zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht alledem zufolge davon aus, dass der maßgebliche Sachverhalt im ausreichenden Maße ermittelt wurde. Wenn die Beschwerdeführer vermeinen, es wären weitere Ermittlungen durchzuführen gewesen, kann sich das ho. Gericht dem nicht anschließen und weist das ho. Gericht darauf hin, dass sowohl Recherchen vor Ort als auch die Beziehung eines Ländersachverständigen unterbleiben können, wenn der maßgebliche Sachverhalt auch anderweitig festgestellt werden kann, was hier zweifelsfrei der Fall war. Eine ausführliche Befragung und die Möglichkeit der konkreten Schilderung des Fluchtvorbringens erfolgte zudem seitens der Behörde.

Ein weitergehendes Ermittlungsverfahren würde letztlich in einem unzulässigen Erkundungsbeweis münden. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde [das ho. Gericht] einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

3. rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idgF. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 34 AsylG 2005 ist in den gegenständlichen Fällen von einem Familienverfahren auszugehen.

Zu A)

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen konnte weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht werden (siehe hierzu die Ausführungen in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.2 und 2.3.)

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung erörtert wurde, war dem Vorbringen der Beschwerdeführer zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im Asylverfahren muss das Vorbringen des Antragstellers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden. Ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtung der Asylbehörde bzw. des Asylgerichtshofes, im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren geltenden Prinzipien der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes der Offizialmaxime, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig (§ 39 Abs 2 AVG, § 18 AsylG 2005) festzustellen, obliegt es in erster Linie dem Asylwerber auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen (vgl VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vgl zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Es ist in erster Linie Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den Beschwerdeführern behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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