TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/19 90/01/0133

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1 idF 1974/796;
AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

A gegen Bundesminister für Inneres vom 31. Mai 1990, Zl. 4 245.658/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge hat der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Dezember 1988, mit dem festgestellt worden war, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und führte nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens begründend aus, sie sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Befragung durch die Behörde erster Instanz am 26. September 1988 ausgeführt, er habe in Ankara nach Absolvierung einer vierjährigen Musikausbildung privat Musikunterricht erteilt, trotz erfolgreicher Ablegung einer Aufnahmsprüfung aber wegen seiner kurdischen Abstammung eine Anstellung beim türkischen Rundfunk nicht erhalten. Der Beschwerdeführer habe bei Konzerten in den Ostgebieten der Türkei über Aufforderung kurdische Lieder gesungen und sei in der Folge, weil dies verboten sei, von der Polizei verhört worden. Es sei in der Türkei auch verboten, in der Öffentlichkeit kurdisch zu sprechen. Der Beschwerdeführer, dessen Spezialgebiet die Volksmusik sei, wolle als Künstler frei und unabhängig arbeiten. In seiner Berufung gegen den die Flüchtlingseigenschaft verneinenden erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dieser Bescheid stelle eine formularmäßige Erledigung dar, in welcher das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden sei. Über sein bisheriges Vorbringen hinaus habe der Beschwerdeführer behauptet, er habe nicht mehr als Sänger arbeiten können, weil den Veranstaltern behördlicherseits die Beschäftigung des Beschwerdeführers verboten worden sei und er im Falle eines öffentlichen Auftrittes mit sofortiger Verhaftung habe rechnen müssen. Auch habe der Beschwerdeführer nach seinen Angaben im Falle seiner Rückkehr in die Türkei wegen seiner Abstammung und wegen des Singens kurdischer Lieder mit strafgerichtlicher Verfolgung zu rechnen. Dieses Vorbringen habe die belangte Behörde dahin gewertet, daß aus der allgemeinen Lage der Kurden allein noch nicht auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Befragung durch die Polizei könne pönaler Charakter nicht zugemessen werden; dies umso weniger, als dem Beschwerdeführer daraus keinerlei Konsequenzen erwachsen seien. Die erstmals in der Berufung vorgebrachte Behinderung bei Auftritten hätte der Beschwerdeführer, wenn dies den Tatsachen entsprochen hätte, bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung geltend gemacht, weil Asylwerber erfahrungsgemäß gerade bei ihrer ersten Befragung der Wahrheit am nächsten kommende Angaben machten. Die Nichterlangung eines Postens beim Rundfunk könne nicht als Verfolgung angesehen werden, weil es in keinem Staat ein Recht auf einen bestimmten Arbeitsplatz gebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit seinem Berufungsvorbringen zu der vom Beschwerdeführer befürchteten strafgerichtlichen Verfolgung im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland ausreichend auseinanderzusetzen. Ein Verfahrensmangel sei der belangten Behörde dadurch unterlaufen, daß sie keinerlei Ermittlungen zur Überprüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers vorgenommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Aslygesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Unbestrittenermaßen hat der Beschwerdeführer Ausführungen über von Behörden ausgehende Behinderungen bei der Ausübung seines Berufes als Musiker wie auch über zu befürchtende strafgerichtliche Verfolgung erstmals in seiner Berufung geltend gemacht. Soweit die belangte Behörde die Abweisung der Berufung damit begründet hat, daß erfahrungsgemäß die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprechen und daß daher die über das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Vorbringen hinausgehenden Ausführungen als nicht glaubwürdig anzusehen seien, hat der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt, daß eine derartige Würdigung eines sich im Lauf des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern schlüssig ist (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987, Zl. 85/01/0299, vom 7. Dezember 1988, Zl. 88/01/0276, 0284, und viele andere). Wohl ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, daß die belangte Behörde über die von ihm befürchtete strafgerichtliche Verfolgung keine Feststellungen getroffen hat. Der darin gelegene Verfahrensmangel stellt aber keine die Aufhebung des angefochtenen Bescheides bewirkende Rechtswidrigkeit dar, weil auch dieses Vorbringen gegenüber den Angaben vor der Sicherheitsbehörde erster Instanz eine wesentliche Steigerung darstellt, ohne daß einleuchtende Umstände aufgezeigt worden wären, warum bei gleichgebliebenem Sachverhalt nunmehr eine strafgerichtliche Verfolgung des Beschwerdeführers drohen sollte. Die belangte Behörde hätte daher auch bei Vermeidung dieses Mangels zu keinem anderen Bescheid gelangen können.

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten hat, aus seiner Zugehörigkeit zur in der Türkei lebenden kurdischen Volksgruppe allein könne auf das Vorliegen von Verfolgung geschlossen werden, hat ihm die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein noch keinen Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling darstellt (vgl. hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/01/0155).

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe kein Verfahren zur Überprüfung seiner Angaben durchgeführt, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Anfragen an jene staatlichen Stellen des Heimatlandes, dessen Schutz der Asylwerber gerade nicht in Anspruch nehmen will, sind aus naheliegenden Gründen des Schutzes der Person des Asylwerbers nicht zweckmäßig und nicht zielführend (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, und vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Demgemäß konnte auch eine besondere Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzukennen, unterbleiben.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010133.X00

Im RIS seit

19.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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