TE OGH 2019/1/16 13Os108/18h

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Veröffentlicht am 16.01.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Kristijan S***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit b FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. April 2018, GZ 124 Hv 9/16a-106, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und 4 erster Fall StGB (III) und in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demgemäß auch im Strafausspruch nach dem StGB, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner den Strafausspruch nach dem StGB betreffenden Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kristijan S***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2005/103 (I/A/1) sowie nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 (zu ergänzen: lit a) FinStrG idF BGBl I 2005/103 (I/B/1 bis 3 und [für die Entrichtungszeiträume Jänner bis November 2010] 4) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2010/104 (I/B/4 [für den Entrichtungszeitraum Dezember 2010], I/B/5 und 6), weiters jeweils eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a, Abs 3 lit b FinStrG (I/A/2), der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 und 2 StGB (II) und der Geldwäscherei nach §§ 12 zweiter Fall, „15“, 165 Abs 1 und 4 erster Fall StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) als Inhaber des Einzelunternehmens K***** im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg vorsätzlich

(A) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkt, und zwar

1) gewerbsmäßig durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 an Einkommensteuer um insgesamt 71.248,16 Euro (a/i und ii) und an Umsatzsteuer um insgesamt 75.573,38 Euro (b/i und ii) und

2) unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich von Scheinrechnungen,

a) durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010 an Einkommensteuer um insgesamt 97.900,96 Euro (i/aa und bb) und an Umsatzsteuer um insgesamt 104.923,33 Euro (ii/aa und bb) sowie

b) durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen für das Jahr 2011 an Einkommensteuer um 118.257,60 Euro (i) und an Umsatzsteuer um 80.606,83 Euro (ii) und

(B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten eine von ihm für gewiss gehaltene Verkürzung an Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und ab 2011 an Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für jeden der Entrichtungszeiträume von Jänner 2007 bis Juni 2012 bewirkt, indem er die Abgaben jeweils zum 15. des auf die Lohnzahlung folgenden Monats nicht abführte, wobei „es ihm jeweils darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“, und zwar an Lohnsteuer um insgesamt 102.920,28 Euro, an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um insgesamt 30.876,09 Euro und an Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen um insgesamt 953,19 Euro (5/c und 6/c),

(II) vom 29. Oktober 2007 bis Dezember 2012 in W***** einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht und „beiseite geschafft“ und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger im 300.000 Euro übersteigenden Betrag von 560.500 Euro zu vereiteln oder schmälern versucht, indem er wiederholt durch seinen Vater Marinko S***** von seinem Geschäftskonto Abhebungen in der genannten Höhe tätigen und diese Beträge auf Sparbücher und Wertpapierdepots, lautend auf Marinko S*****, einzahlen ließ und

(III) vom 7. Juli 2010 bis zum 21. Februar 2012 in W***** Marinko S***** dadurch, dass er ihn beauftragte, von den zu II genannten Sparkonten wiederholt insgesamt 242.160,63 Euro abzuheben und auf andere Sparkonten einzuzahlen, dazu bestimmt, Vermögensbestandteile, die aus den mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen laut II herrührten, zu verbergen, wobei er die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert beging.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht die Verantwortung des Beschwerdeführers (US 21, 24 f), den Umstand, dass der Masseverwalter (im Konkurs des Einzelunternehmens) Beschwerden gegen Abgabenbescheide erhoben hat, und deren Inhalt (US 9, 29 f und 31) sowie die Aussage des Zeugen Stefan H***** (US 23) erörtert, weshalb der auf diese Verfahrensergebnisse bezogene Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht.

Die Feststellungen zur Höhe des (nicht erklärten) Gewinns des Einzelunternehmens begründen die Tatrichter
– von der Rüge (Z 5 vierter Fall) übergangen (siehe aber RIS-Justiz RS0119370) – insbesondere mit den als nachvollziehbar bezeichneten Erhebungen der Abgabenbehörde im Zusammenhalt mit dem Gutachten des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen (US 21 f, 30 und 31 f) sowie aus den aktenkundigen Überweisungen auf Sparkonten des Marinko S***** (US 33). Diese Erwägungen widersprechen weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungssätzen und sind solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0118317).

Die ins Treffen geführte Urteilspassage (US 47) bringt gerade nicht zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer mit den vom Schuldspruch II erfassten Überweisungen eine tatsächlich bestehende Darlehensforderung seines Vaters habe begleichen wollen. Ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu den Erwägungen, weshalb die Tatrichter die Existenz der behaupteten Forderung verneinten (US 28), liegt daher nicht vor.

Die Tatsachenrüge (der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5a) kritisiert den Umstand, dass das Erstgericht die Lohnsteuerschuld im Tatzeitraum höher ansetzte als die Abgabenbehörde in ihrer Beschwerdevorentscheidung. Mit eigenständigen – für den Beschwerdeführer günstigen – Schlussfolgerungen aus den dazu im Urteil angeführten (US 29 f und 31) Prämissen, insbesondere den Ausführungen des Sachverständigen zu dieser Differenz, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II vernachlässigt mit ihren Einwänden, „Gewinne eines Unternehmens“ dürften „vom Unternehmer entnommen und beliebig verwendet werden“, „die nicht ordnungsgemäße Verbuchung der Entnahmen“ sei ebenso wenig strafbar wie „die Einzahlung von Gewinnbeträgen auf Sparbücher“ und „bis Insolvenzeröffnung gab es keine offenen Forderungen gegenüber dem Angeklagten“, die Feststellungen zu der im Tatzeitraum bestehenden Mehrheit an Gläubigern und dem auf deren Schädigung gerichteten Vorsatz (US 19 iVm US 38; RIS-Justiz RS0099810).

Ebenso wenig ist die – auf eine oberstgerichtliche Entscheidung (14 Os 42/94) gestützte – Argumentation, „eine bloße Verzögerung in der Befriedigung der Gläubiger“ reiche „noch nicht zur Erfüllung des Tatbestandes gem. § 156“, am Urteilssachverhalt orientiert. Nach diesem wurden Sparbücher (mit einem Einlagestand, der lediglich einen Teil der zu II inkriminierten Überweisungen umfasste) durch eine Geldwäscheverdachtsmeldung entdeckt und vom Vater des Beschwerdeführers erst nach darauf gerichteter Klage des Masseverwalters herausgegeben (US 19, 34, 36 und 38). Da der „tatsächliche Gläubigerausfall“ nach dem angefochtenen Urteil „noch nicht bekannt ist“, nahm das Erstgericht bloß Tatversuch an (US 47).

Die Notwendigkeit von Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer „Forderungen vor Insolvenzeröffnung nicht zahlen konnte“, leitet dieser nicht methodengerecht aus § 156 Abs 1 StGB, dessen Wortlaut Zahlungsunfähigkeit nicht voraussetzt (vgl dazu RIS-Justiz RS0095308 sowie Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 1), ab.

Im Recht ist allerdings die Kritik (Z 9 lit a) zum Schuldspruch III, es fehlten Konstatierungen für die (rechtliche) Annahme eines Verbergens oder einer gleichwertigen sonstigen Ausführungshandlung nach § 165 Abs 1 StGB. Denn bloße Giralgeld-Überweisungen oder Behebungen von Bargeld (und Übergabe desselben an Dritte) sind als Vorgänge des gewöhnlichen Wirtschaftslebens ohne Hinzutreten (hier nicht festgestellter ?vgl US 19 f?) besonderer Begleitumstände nicht tatbildlich (RIS-Justiz RS0129616 ?T1?, RS0094947 [T3]).

Zu einer Herkunftsverschleierung, etwa durch (im Gesetz genannte) falsche Angaben im Rechtsverkehr über den Ursprung oder die wahre Beschaffenheit der betreffenden Vermögensbestandteile, das Eigentum oder sonstige Rechte an ihnen, finden sich (weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht) subsumtionstaugliche Feststellungen. Die Aussagen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Strafverfahren zum Bestehen einer Darlehensforderung seines Vaters, welche er mit den Erträgen des Unternehmens getilgt habe (vgl US 36 f), scheiden als Tathandlungen aus, weil der Angeklagte in einem gegen ihn geführten Strafverfahren nicht verpflichtet ist, wahrheitsgemäße Angaben zu tätigen (jüngst 13 Os 89/18i mwN).

Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Schuldspruchs III und des darauf beruhenden Strafausspruchs nach dem StGB samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht.

Darauf war der Angeklagte mit seiner diesen Strafausspruch betreffenden Berufung zu verweisen.

Über die Berufung, soweit sie den Strafausspruch nach dem FinStrG betrifft, und die Beschwerde gegen den Beschluss auf Erteilung einer Weisung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO festzuhalten:

Das Erstgericht subsumierte die von I/B des Schuldspruchs erfassten Taten (auch) § 38 Abs 1 (lit a) idF BGBl I 2005/103 und (ab Dezember 2010) idF BGBl I 2010/104. Bei dem nach § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich ging das Erstgericht davon aus, dass die nach dem Tatzeitrecht geltenden Fassungen (jeweils) nicht ungünstiger als das Urteilszeitrecht und daher anzuwenden seien (US 50). Mit Blick auf gewerbsmäßige Begehung bejahte es (auch) die von § 38 Abs 2 FinStrG idF des AbgÄG 2015 (BGBl I 2015/163) verlangte Absicht des Beschwerdeführers, sich selbst durch die wiederkehrende Begehung (des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG) einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (US 44).

Nach dem Urteilssachverhalt betrieb der Beschwerdeführer ein Einzelunternehmen, weshalb er selbst Steuersubjekt hinsichtlich der aus dem Betrieb resultierenden Abgaben war. Die Lohnsteuer wird allerdings von den Arbeitnehmern geschuldet (§ 83 Abs 1 EStG). Den Arbeitgeber trifft (bloß) die Pflicht, die Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und bis zum 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats der Lohnzahlung an das Finanzamt abzuführen (§ 78 Abs 1 und § 79 EStG). Insoweit kommt
– ungeachtet der (erst) bei Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten greifenden Haftungsbestimmung des § 82 EStG – ein abgabenrechtlicher Vorteil des Arbeitgebers durch Nichtabführen der Lohnsteuer nicht in Betracht.

Ein amtswegig wahrzunehmender Subsumtionsfehler (Z 10) liegt hier dennoch nicht vor, weil mit der Hinterziehung von Lohnsteuer jeweils
– tateinheitlich – auch eine solche von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und (ab 2011) von Zuschlägen zu diesen Dienstgeberbeiträgen einhergegangen ist. Diese Beträge schuldet der Dienstgeber (vgl § 39 Abs 2 lit a und § 41 Abs 1 FLAG sowie § 122 Abs 7 WKG;
Kuprian in Csazsar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz §§ 41 ff Rz 1; Doralt/Ruppe/Ehrke-Rabel, Grundriss des österreichischen Steuerrechts II7 Rz 1143). Dass sich der Beschwerdeführer durch die inkrimnierten Handlungen in einzelnen Entrichtungszeiträumen einen abgabenrechtlichen Vorteil von weniger als 400 Euro tatsächlich verschaffte, ist ohne Bedeutung, weil die Feststellung (US 15) der für die Subsumtion ausschlaggebenden Absicht, sich durch die Tat einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (§ 38 Abs 2 FinStrG), ausreichenden Sachverhaltsbezug aufweist.

Textnummer

E123904

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00108.18H.0116.000

Im RIS seit

06.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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