TE OGH 2018/11/21 7Ob104/18x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** L*****, vertreten durch Dr. Andrea Göll, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei U***** M*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Vasak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2018, GZ 39 R 342/17h-36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 2. Juni 2017, GZ 5 C 558/16m-27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Beklagte hat vom Kläger mittels „Geschäftsraummietvertrag“ ein aus zwei Räumen bestehendes Objekt gemietet. Es war vereinbart, dass es ausschließlich als Lager und für Geschäftszwecke verwendet werden darf. Ursprünglich wurde ein Mietvertrag auf fünf Jahre abgeschlossen. Am 14./15. 1. 2015 wurde dann ein neuer, ohne Kündigung endender Mietvertrag für ein Jahr, somit bis 15. 1. 2016, geschlossen.

Der Beklagte zahlte den Mietzins schleppend. In einem E-Mail vom 25. 11. 2015 kündigte deshalb der Kläger den Mietvertrag per 31. 12. 2015. Der Beklagte stellte daraufhin ebenfalls mit E-Mail vom 25. 11. 2015 eine Zahlung in Aussicht und ersuchte, die Sache „laufen zu lassen“, bzw, sie nochmals zu überdenken. Zu Beginn des Jahres 2016 waren acht Monatsmieten aus 2015 offen. Zwischendurch bezahlte der Beklagte zwar Beträge, auch für 2016 blieben aber 11 „Monatsmieten“ offen. Abzüglich der Zahlungen des Beklagten stellte das Erstgericht insgesamt für 2015 und 2016 einen Rückstand von 4.016 EUR fest. Der Beklagte führte im Auftrag des Vermieters Elektroinstallationsarbeiten in seinem Bestandsobjekt durch, für die ein Kostenvoranschlag eines Unternehmers 1.361,38 EUR auswies. Der Beklagte verrechnete dafür während laufenden Verfahrens 3.960 EUR und erklärte die Aufrechnung.

Der Kläger begehrt Räumung und stützt sich dafür sowohl auf den qualifizierten Mietzinsrückstand als auch darauf, dass die Laufzeit des befristeten Mietvertrags abgelaufen sei.

Der Beklagte bestritt den Mietzinsrückstand und stützte sich auf seine Forderungen aus erbrachten Arbeiten. Überdies sei das Mietverhältnis stillschweigend über den 15. 1. 2016 hinaus verlängert worden.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Der Beklagte selbst sei davon ausgegangen, dass der Kläger der Verlängerung des Mietverhältnisses nicht zugestimmt habe und er habe alles unternommen, den Kläger und dessen Frau im Glauben zu lassen, er werde das Bestandsobjekt verlassen. Eine stillschweigende Verlängerung liege daher nicht vor. Außerdem bestehe insgesamt ein Zahlungsrückstand, den die eingewandte Gegenforderung, selbst wenn sie in dieser Höhe zu Recht bestünde, nicht erreiche.

Das Berufungsgericht behandelte die Verfahrens- und Beweisrüge des Beklagten nicht. Sie betraf Feststellungen, die sich auf das Verhalten der den Kläger vertretenden Ehefrau nach dem 15. 1. 2016 bezogen und aus denen das Erstgericht ableitete, dass keine stillschweigende Verlängerung des Mietvertrags erfolgt sei. Der Kläger habe nicht behauptet, nach dem Endtermin innerhalb der Frist des § 569 ZPO die Vertragsverlängerung abgelehnt zu haben. Es liege aber titellose Benutzung nach § 1118 zweiter Fall ABGB vor. Die Auflösungserklärung sei bereits am 25. 11. 2015 erfolgt, die behauptete Aufrechnung aber ebenso wie ein per 24. 11. 2016 behaupteter Verzicht auf den Mietzins seien erst danach erfolgt. Beides könne daher die davor erklärte Auflösung des Bestandverhältnisses nicht mehr beseitigen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise die Bestätigung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Für Räumungsklagen nach § 1118 zweiter Fall ABGB gilt im Bereich des Kündigungsschutzes die Anordnung in § 33 Abs 3 MRG, wonach die Regelungen des Abs 2 leg cit anzuwenden sind (8 Ob 78/16b; RIS-Justiz RS0020961 [T2]; zu Geschäftsräumlichkeiten vgl 3 Ob 147/14k; 9 Ob 52/14h). Die Erklärung des Vermieters, den Vertrag aufzuheben, wird daher auch hier rückwirkend unwirksam, wenn der Mieter einen nicht durch grobes Verschulden entstandenen qualifizierten Mietzinsrückstand bis zu dem in § 33 Abs 2 MRG angeführten Zeitpunkt entrichtet (RIS-Justiz RS0107946).

2. Allgemein kommt es für die Frage der Anwendbarkeit des MRG darauf an, ob der Mietgegenstand nach der Parteienabsicht bei Abschluss des Mietvertrags zu Wohnzwecken oder zu Geschäftszwecken in Bestand gegeben bzw genommen worden ist oder welcher Zweck von den Parteien später einvernehmlich zum Vertragszweck gemacht worden ist (2 Ob 80/13y; vgl RIS-Justiz RS0070039).

Hier wurde das Objekt mittels Geschäftsraummietvertrag ausschließlich als Lager zur Verwendung zu geschäftlichen Zwecken vermietet. Der Beklagte hat sich im Verfahren auf das MRG berufen und der Kläger hat dem nicht widersprochen. Es ist daher von der Anwendbarkeit des MRG auszugehen. Dass es der Beklagte erstmals in seiner Revision bloß für „denkbar“ hält, dass das Bestandsobjekt „§ 1 Abs 4 Z 2 (alt) MRG“ unterliegen könnte, ändert daran nichts. Konkrete Behauptungen dazu fehlen überdies.

Der Beklagte kann daher hier die rechtsgestaltende Wirkung der Auflösungserklärung noch entkräften (RIS-Justiz RS0020939). Es ist deshalb sowohl das Bestehen eines Mietzinsrückstands als auch das behauptete fehlende grobe Verschulden des Beklagten daran zu prüfen, wozu – wie die Revision zu Recht aufzeigt – Feststellungen bzw gegebenenfalls eine Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG fehlen.

3. Auch der behauptete Räumungsanspruch wegen Ablaufs des befristeten Mietvertrags kann noch nicht endgültig beurteilt werden:

3.1. Die in den § 1114 ABGB, § 569 ZPO aufgestellte Vermutung ist insbesondere dann als widerlegt anzusehen, wenn der betreffende Vertragspartner seinen Willen, eine stillschweigende Erneuerung des Vertrags zu verhindern, durch unverzügliche, nach außen erkennbare Erklärungen und Handlungen so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass bei objektiver Würdigung kein Zweifel an seiner ernstlichen Ablehnung einer solchen Vertragserneuerung aufkommen kann (RIS-Justiz RS0020790; RS0020804).

3.2. Auch eine vor dem Endtermin eines Zeitmietvertrags abgegebene eindeutige Erklärung des Bestandgebers, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, schließt ein „Bewendenlassen“ im Sinne des § 1114 ABGB aus. Sie kann auch außergerichtlich erfolgen, ist nach der Rechtsprechung aber nur dann beachtlich, wenn sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin abgegeben wird (RIS-Justiz RS0032945; RS0032952; vgl noch weitergehender: Iby in Fasching/Konecny² IV/1, § 569 Rz 9 und Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr Wohnrecht § 29 MRG Rz 55). Im Fall der Entscheidung 6 Ob 643/94 wurde ein solcher unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang auch bei einer sechs Wochen vor dem Endtermin abgegebenen Erklärung als gegeben angesehen.

Zieht man im Sinne von 5 Ob 56/04b alle Umstände des Einzelfalls in Betracht, steht auch eine Erklärung etwa sieben Wochen vor dem Endtermin im notwendigen zeitlichen Zusammenhang mit diesem. Durch die Kündigungserklärung vom 25. 11. 2015 brachte der Kläger klar und eindeutig zum Ausdruck, dass er das Mietverhältnis nicht verlängern wollte. Weiterer Erklärungen bedurfte es nicht, um eine stillschweigende Verlängerung im Sinne von § 569 ZPO zu verhindern.

3.3. Allerdings kann von einer bereits erfolgten Vertragsauflösung später – auch stillschweigend – wieder abgegangen werden. Der Beklagte hat eine stillschweigende Verlängerung behauptet und auch vorgebracht, die für den Kläger handelnde Ehefrau habe ihm auch noch 2016
– während der Suche nach einem Kaufinteressenten für das Bestandsobjekt – gestattet, dieses weiter zu benutzen.

Um dies beurteilen zu können, bedarf es der (noch nicht geprüften) Feststellungen über das nachfolgende Verhalten der Parteien. Erst nach Vorliegen einer gesicherten Feststellungsgrundlage kann über die Frage der allfälligen späteren stillschweigenden Verlängerung des Mietvertrags abschließend entschieden werden. Nur wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Parteien nach dem 15. 1. 2016 stillschweigend doch wieder eine Verlängerung das Bestandvertrags vereinbart hätten, ist die Frage des groben Verschuldens und des Mietzinsrückstands im Sinne von § 33 MRG zu klären.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E123447

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00104.18X.1121.000

Im RIS seit

12.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten