TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/24 W236 1315211-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W236 1315211-4/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter ZAWODSKY, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2018, Zl. 742449006-170549344, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4, § 8 Abs. 3a und § 9 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat wie folgt:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen. Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht zulässig ist."

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt wird.

IV. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über den ersten Asylantrag:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe muslimischen Glaubens, reiste am 03.12.2004 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2004 einen (ersten) Asylantrag.

1.2. Mit Urteil des zuständigen Bezirksgerichtes vom 30.08.2005 (rechtskräftig seit 27.04.2006) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

1.3. Mit Bescheid vom 25.09.2007, Zl. 04 24.490-BAL, wies das Bundesasylamt den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. jedoch für nicht zulässig (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.09.2008 (Spruchpunkt III.).

1.4. Der gegen Spruchpunkt I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 14.03.2008, GZ: 315.211-1/7E-X/29/07, stattgegeben, Spruchpunkt I. des Bescheides vom 25.09.2007 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

1.5. Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Durchführung einer Einvernahme wies das Bundesasylamt den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 23.09.2008, Zl. 94 24.490-BAL, erneut gemäß § 7 AsylG 1997 ab.

1.6. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung/Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.01.2012, Zl. D7 315211-2/2008/24E, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 7 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen.

2. Verfahren über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

2.1. Mit Schreiben vom 08.09.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

2.2. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 23.09.2008 wurde dem Beschwerdeführer die Absicht mitgeteilt, ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wobei ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, dazu eine Stellungnahme abzugeben. In weiterer Folge wurde eine Reihe von Stellungnahmen des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt eingebracht, in denen im Wesentlichen darauf hingewiesen wurde, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten beim Beschwerdeführer weiterhin vorliegen würden. Eine Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung erfolgte seitens des Bundesasylamtes nicht.

2.3. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.04.2010 (rechtskräftig seit 20.04.2010) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls und Betrugs gemäß § 15 Abs. 1, § 127 und § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2.4. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 18.05.2010 (rechtskräftig seit 01.02.2011) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren bewaffneten Raubes gemäß § 142 Abs. 1 und § 143 1. Satz 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Einer Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil wurde mit Urteil des zuständigen Oberlandesgerichts vom 01.02.2011 insoweit stattgegeben, als das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch darin abgeändert wurde, dass unter Bedachtnahme auf das Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.04.2010 gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 40 StGB die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre, zehn Monate und 16 Tage herabgesetzt wurde. Eine Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss von Dezember 2010 zurückgewiesen.

2.5. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 25.03.2011 (rechtskräftig seit 29.03.2011) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt.

2.6. Am 18.07.2014 wurden dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seitens des Bundeskriminalamtes mitgeteilt, dass für den Beschwerdeführer XXXX besteht. Dem Beschwerdeführer wird darin vorgeworfen, XXXX

2.7. Auf Anfrage des Bundesamtes legte die Staatendokumentation in einer Anfragebeantwortung vom 02.02.2015 die Haftbedingungen für Tschetschenen in russischen Gefängnissen dar und zeichnete zusammengefasst tendenziell eine schlechte Lage für (insbesondere tschetschenische) Häftlinge in der Russischen Föderation. Die Haftbedingungen seien überwiegend schlecht und von Erniedrigungen, Schikanen, Misshandlungen und Folter gekennzeichnet. Staatlicher Schutz bestehe kaum; zudem hätten die russischen Behörden dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz seit 2004 nicht mehr erlaubt, Personen zu besuchen, welche im Zusammenhang mit dem "Konflikt" in Tschetschenien im Gefängnis säßen. Es könne mitunter nicht von fairen Gerichtsverfahren ausgegangen werden. Strafprozesse würden auf Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus durchgeführt, die aufgrund von zum Teil unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt würden. Freisprüche seien nur sehr selten.

2.8. Mit Bescheid vom 04.03.2015, Zl. 742449006/140006667, erkannte das Bundesamt den dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.) und stellte gleichzeitig fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Hinsichtlich Spruchpunkt II. führte das Bundesamt begründend aus, dass der Beschwerdeführer als XXXX . Vor dem Hintergrund der eingeholten Anfragebeantwortung könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation XXXX einer der EMRK (Art. 2 und Art. 3) widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Aufgrund der im Fall des Beschwerdeführers weiterhin bestehenden Voraussetzungen für einen Refoulementschutz sei auszusprechen gewesen, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation unzulässig sei.

2.9. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.06.2015, GZ. W182 1315211-3/3E, gemäß § 9 Abs. 2, § 55 und § 57 AsylG 2005 als unbegründet ab.

3. Verfahren über den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz:

3.1. Nachdem der Beschwerdeführer am 29.04.2017 aus der Strafhaft bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren entlassen wurde, stellte er am 08.05.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Aus einem Aktenvermerk der zuständigen Landespolizeidirektion vom 08.05.2017 ergib sich, dass im Zuge der Antragstellung festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer XXXX . Nach Rücksprachen mit dem zuständigen Landesamt für Verfassung und Terrorismusbekämpfung und dem Bundeskriminalamt, wurde seitens des Bundesministeriums für Justiz mitgeteilt, dass XXXX .

3.2. Der Beschwerdeführer wurde am 08.05.2017 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 09.04.2018 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Zusammengefasst brachte er im (für die gegenständliche Entscheidung) Wesentlichen vor, dass er XXXX gesucht werde, in Russland verhaftet und im Gefängnis wahrscheinlich getötet würde.

3.3. In einer Stellungnahme vom 20.04.2018 wies der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter darauf hin, dass das XXXX . Hingewiesen wird zudem auf die allgemein schwierige Lage für Rückkehrer in die Russische Föderation.

3.4. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.07.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG 2005), (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 (und § 55) AsylG 2005 zu und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden: BFA-VG), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: FPG). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt darin im Wesentlichen aus, dass nicht festgestellt werden könnte, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten habe. Entgegen seinen Angaben liege auch kein XXXX vor ("Abfrage vom 17.07.2018"). Der Beschwerdeführer habe sich hinsichtlich seiner Fluchtgründe auf jenes Vorbringen bezogen, dass schon im Zuge seines ersten Asylverfahrens für nicht glaubhaft beurteilt worden sei. Neu habe er lediglich vorgebracht, dass er verhaftet und gefoltert werden könnte. Konkrete Angaben vermochte er nicht zu machen. XXXX Darüber hinaus könnten die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers nach wie vor unbehelligt in der Russischen Föderation leben; auch dem Vater sei dies bis zu seinem Tod möglich gewesen. Mit der Verurteilung wegen schweren Raubes habe der Beschwerdeführer einen Ausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gesetzt und könne von einer Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich iSd § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ausgegangen werden. Es stelle sich auch die Situation in der Russischen Föderation nicht derart schlecht dar, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nicht zumutbar wäre. Da der Beschwerdeführer in Österreich über kein schützenswertes Privat- und Familienleben verfüge, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 ergeben. Da der Beschwerdeführer von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt worden sei, sei gegen ihn ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG zu erlassen gewesen. Da im Fall des Beschwerdeführers schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er aufgrund seines strafrechtswidrigen Verhaltens eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle, sei die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

3.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die belangte Behörde nicht ordnungsgemäß damit auseinandergesetzt habe, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation XXXX Bei rechtskonformer Durchführung des Ermittlungsverfahrens wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor im Fokus der Behörden seines Heimatsstaates stehe, XXXX

Die belangte Behörde habe auch nicht dargelegt, weswegen sie zu dem Ergebnis gelange, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Sie habe sich ausschließlich auf den Umstand der Verurteilung des Beschwerdeführers gestützt. Dies sei jedoch nicht ausreichend. Die belangte Behörde habe das Verhalten des Beschwerdeführers, aufgrund dessen er auch frühzeitig bedingt entlassen worden sei, völlig außer Acht gelassen. Der Beschwerdeführer habe sich seither wohl verhalten, ausgezeichnete Deutschkenntnisse erworben und führe gemeinsam mit seiner "Ehefrau" ein tadelloses Ehe- und Familienleben. Von einer Gefährdung für die Gemeinschaft sei daher nicht auszugehen. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die erlassene Rückkehrentscheidung nicht zulässig.

3.6. Mit Teilerkenntnis vom 22.08.2018, W236 1315211-4/3E, gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 19.06.2018, C-181/16, Gnandi gg. Belgien, statt und behob Spruchpunkt V. ersatzlos, ließ jedoch die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu. Gegen diese Entscheidung erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.09.2018 eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

3.7. Auf telefonische Bitte des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesamt um Mitteilung, um welche "Abfrage vom 17.07.2017" es sich gehandelt habe, legte das Bundesamt am 23.08.2018 eine - im Akt bereits einliegende - Abfrage des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister über die hinsichtlich des Beschwerdeführers im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, bei den Vertretungsbehörden, beim Bundesverwaltungsgericht und den Behörden für das NAG sowie den Landespolizeidirektionen erfassten Daten vor, aus welcher sich keine XXXX gegen den Beschwerdeführer ergebe. Die reine XXXX sei nicht gespeichert worden.

3.8. Auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.09.2018 an das Bundeskriminalamt, ob die gegen den Beschwerdeführer zumindest im Mai 2017 noch bestehende XXXX nach wie vor aufrecht sei, teilte das Bundeskriminalamt mit Schreiben vom 10.09.2018 mit, dass die XXXX weiterhin bestehe, derzeit XXXX jedoch blockiert werde.

XXXX

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers (insbesondere auch zu seinen Vorverfahren), der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste am 03.12.2004 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2004 einen (ersten) Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.09.2007 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Beschwerdeführer jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde. Die gegen Spruchpunkt I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) erhobene Berufung/Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.01.2012 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 04.03.2015 erkannte das Bundesamt den dem Beschwerdeführer zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.) und stellte gleichzeitig fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation unzulässig sei (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.06.2015 als unbegründet ab.

Am 08.05.2017 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkannt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Mit Teilerkenntnis vom 22.08.2018 behob das Bundesverwaltungsgericht den Spruchpunkt V. des Bescheides vom 17.07.2018 über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Gegen diese Entscheidung erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.09.2018 eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stammt aus der Teilrepublik Tschetschenien und ist Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Seine Identität steht fest und ist aus dem Spruch der gegenständlichen Entscheidung ersichtlich.

Der Beschwerdeführer trat in Österreich vier Mal strafgerichtlich in Erscheinung:

1. Mit Urteil des zuständigen Bezirksgerichtes vom 30.08.2005 (rechtskräftig seit 27.04.2006) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.04.2010 (rechtskräftig seit 20.04.2010) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls und Betrugs gemäß § 15 Abs. 1, § 127 und § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

3. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 18.05.2010 (rechtskräftig seit 01.02.2011) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren bewaffneten Raubes gemäß § 142 Abs. 1 und § 143 1. Satz 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Laut Urteil hat der Beschwerdeführer am 12.09.2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem bislang unbekannten Täter mit einer schwarzen Sturmhaube und einer Schirmkappe maskiert durch Drohen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe (eine Pistole oder ein Messer) dem einzig anwesenden Kassier Bargeld in Höhe von € 1.825,-- weggenommen oder abgenötigt. Der Beschwerdeführer zeigte sich nicht geständig. Mildernd wurden keine Umstände berücksichtigt; erschwerend wurde eine einschlägige Vorstrafe berücksichtigt.

Einer Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil wurde mit Urteil des zuständigen Oberlandesgerichts vom 01.02.2011 insoweit stattgegeben, als das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch darin abgeändert wurde, dass unter Bedachtnahme auf das Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 15.04.2010 gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 40 StGB die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre, zehn Monate und 16 Tage herabgesetzt wurde. Eine Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss von Dezember 2010 zurückgewiesen.

4. Mit Urteil des zuständigen Landesgerichts vom 25.03.2011 (rechtskräftig seit 29.03.2011) wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt.

Für den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte XXXX

Der Beschwerdeführer ist von seiner ehemaligen Ehefrau geschieden. Die drei gemeinsamen Kinder leben bei der Mutter. Für die drei Kinder des Beschwerdeführers scheinen in Österreich keine aufrechten Meldungen auf. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner asylberechtigten Lebensgefährtin, mit der er nach islamischer Tradition seit 15.01.2017 verheiratet ist, seit 03.05.2017 in einem gemeinsamen Haushalt.

Bis zu seiner Ausreise aus Tschetschenien im Herbst 2004 lebte der Beschwerdeführer ausschließlich in der Russischen Föderation. Er beherrscht sowohl die russische als auch die tschetschenische Sprache in Wort und Schrift. In Tschetschenien verfügt der Beschwerdeführer noch über eine Großfamilie, darunter seine Mutter, seine Schwester und zahlreiche Tanten sowie Cousinen und Cousins. Der Beschwerdeführer steht zu seiner Mutter und seiner Schwester in regelmäßigem Kontakt. Festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat über eine zumindest vorübergehende Unterkunftsmöglichkeit im Rahmen des Familienverbandes verfügt. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sowie an nichtorganischer Insomnie; ansonsten ist er gesund und arbeitsfähig.

1.3. Zum Fluchtvorbringen:

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer in der Russischen Föderation einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist, da ihm die Unterstützung des Widerstandes im Zuge der Tschetschenienkriege unterstellt wurde bzw. wird.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verließ oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation würde eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten.

1.4. Zur maßgeblichen Lage in der Russischen Föderation:

1.4.1. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten samt Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers stützte sich auf folgende Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.02.2015, Russische Föderation, "Tschetschenen in russischen Gefängnissen, faires Gerichtsverfahren?", die auch im Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2015, Zl. 742449006/140006667, wiedergegeben wurde:

"Wie werden tschetschenische Häftlinge in russischen Gefängnissen behandelt.

Wie werden tschetschenische Häftlinge in russischen Gefängnissen behandelt, die im Verdacht stehen, an terroristischen Anschlägen beteiligt zu sein.

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Zu der Fragestellung wurden in öffentlich zugänglichen Internetquellen im Rahmen der zeitlich begrenzten Internetrecherche in deutscher und englischer Sprache nachfolgende Informationen gefunden.

Die nachfolgend angeführten Quellen stellen daraus einen Auszug, bestehend aus einem Mix von NGO- Berichten, Zeitungsartikeln, sowie aus (grundsätzlich) sicheren sowie zuverlässigen Standardquellen der Staatendokumentation, dar.

Ergänzend dazu darf in diesem Zusammenhang auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD zur russischen Föderation vom 12.11.2014 zum Thema: Situation von tschetschenischen Strafgefangenen [a-8933-2 (8934)] hingewiesen werden, welche der AFB als Anhang beigefügt ist, bzw. unter dem Link http://www.ecoi.net/local_link/290421/425022_de.html, abgerufen werden kann.

ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) ist die Herkunftsländerinformationsstelle des Österreichischen Roten Kreuzes. ACCORD wird vom Europäischen Flüchtlingsfonds, vom Bundesministerium für Inneres, von UNHCR und von weiteren im Asylbereich tätigen Organisationen kofinanziert.

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass Tschetschenen in russischen Gefängnissen Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Einzelquellen:

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist eine eigenständige, parteipolitisch und konfessionell unabhängige Organisation, die 1936 als Dachverband der im Asylbereich tätigen Hilfswerke gegründet wurde. "Die Länderanalyse arbeitet unabhängig, vernetzt und systematisch. Die Länderanalyse hat Zugang zu Informationsnetzwerken in Herkunftsländern und zu externen Länder-ExpertInnen, Organisationen und Institutionen in der Schweiz und anderen Ländern.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet:

Gemäss Paragraph 73 der Strafvollzugsordnung der Russischen Föderation sollten Gefangene ihre Haftstrafen in dem Gebiet verbüssen, in welchem sie leben oder wo sie verurteilt wurden.[...]

Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial weist darauf hin, dass die Nicht-Einhaltung des Paragraphen 73 vor allem Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit betrifft. Swetlana Gannuschkina von Memorial sagt: "Die meisten Einwohner Tschetscheniens sitzen ihre Haftstrafe weit von der Heimat entfernt ab." Die Georgian Daily schreibt, dass Tschetschenen gezwungen sind, ihre Haftstrafen Tausende Kilometer von zu Hause entfernt zu verbüssen.

Haftbedingungen für Tschetschenen in russischen Gefängnissen. Wie bereits oben erwähnt, ist die Lage in den russischen Gefängnissen prekär. Erniedrigungen, Schikanen, Misshandlungen und Folter kommen regelmässig vor. Tschetschenen sind von solchen Haftbedingungen besonders betroffen. Gemäss dem US Departement of State haben im Allgemeinen die Diskriminierung von und die Gewalt gegen Minderheiten in der Russischen Föderation in den letzten Jahren stetig zugenommen.

Folter, Misshandlung und erniedrigende Behandlung. The Guardian schreibt, dass Tschetschenen am stärksten von der Brutalität des russischen Gefängnissystems betroffen seien. Zudem werden die Haftbedingungen, welchen die Tschetschenen ausgesetzt sind, regelmässig als "entsetzlich" beschrieben. Auch die russische Journalistin Elena Maglevannaya zeichnet in ihren Berichten ein düsteres Bild: Ihre ausführlichen Recherchen, welche auf Bildmaterial und handgeschriebenen Aussagen von Inhaftierten und deren Anwälten basieren, belegen ständige Folter, Prügel und Erniedrigung tschetschenischer Häftlinge. Sie stellt fest, dass alle Häftlinge Erniedrigung erfahren. Jedoch gebe es einige Gruppen, die speziell unbeliebt seien: Muslime, Personen aus dem Kaukasus und vor allem Tschetschenen. Auf die Frage, in welcher Weise die Rechte tschetschenischer Häftlinge verletzt werden, antwortet sie folgendermassen: "Von einer Verletzung von Rechten zu sprechen ist sehr milde ausgedrückt. Tschetschenen werden geschlagen, ihre Füsse auf den Boden genagelt, wie im Falle von (...) Zubair Zubairaev, mit Eisenstangen aufgespiesst und von Wachhunden attackiert, wie im Falle von Islam Taipov (...). Dem schwer kranken Zaurbek Talkhigov (...) wurden eine lebenswichtige Operation und auch sonstige medizinische Behandlung verweigert. Man muss nicht noch zusätzlich erwähnen, dass Tschetschenen oft ganze Haftstrafen in Zellen absitzen müssen, die eigentlich zum Disziplinararrest vorgesehen wären. Die Bedingungen in diesen Zellen sind extrem hart, und es ist oft kalt und feucht.[...]

Beunruhigend ist auch, dass viele der heutigen Gefängnisaufseher früher als Soldaten in Tschetschenien gekämpft haben. Sie haben deshalb eine besondere "Abneigung" gegenüber Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit entwickelt. Das Institute for War and Peace Reporting meint dementsprechend, dass tschetschenische Häftlinge den Soldaten, welche in Anti-Terror-Operationen im Nordkaukasus teilgenommen haben, zum Frass vorgeworfen" werden.

Diskriminierung aufgrund der Religion. Des Weiteren erfahren tschetschenische Häftlinge auch regelmässig Diskriminierungen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit. Im Gegensatz zu den meisten Russen, die der orthodoxen Kirche angehören, sind Tschetschenen Muslime. Menschenrechtsorganisationen in Russland erhalten unzählige Briefe von Häftlingen, die sich darüber beklagen, dass sie ihren Glauben nicht ausüben dürfen. Russisch-orthodoxe Priester würden die Gefangenen regelmässig besuchen, Muslime jedoch würden keinen derartigen Besuch erhalten und oft sogar aufgrund ihrer Religion beschimpft. Die Mutter eines tschetschenischen Häftlings berichtet auch davon, dass ihrem Sohn während des Ramadans absichtlich nur Schweinefleisch gegeben wurde, im Wissen, dass er dadurch nichts zu sich nehmen kann.

Kein staatlicher Schutz. Opfer von Misshandlungen, Erniedrigungen und Folter haben zudem oft keine angemessenen Möglichkeiten, um Beschwerden durchzusetzen, oder fürchten sich davor. Im Allgemeinen werden Untersuchungen von Fällen, welche Folter oder Misshandlung in Gefängnissen beinhalten, nur selten bis nie eingeleitet. Dies führt effektiv zu einem Klima der Straflosigkeit, was zu weiteren und vermehrten Straftaten beitragen kann. Zudem wenden sich Opfer von Erniedrigungen, Misshandlungen oder Folter nur selten an Regierungseinrichtungen oder Menschenrechtsorganisationen. Sie mussten nicht nur schier unerträgliche Schmerzen über sich ergehen lassen, sondern ihnen ist auch bewusst, dass die Täter von einem grossen Handlungsfreiraum profitieren. Das Resultat ist, dass sie sich vor noch mehr Gewalt gegen sie oder ihr engeres Umfeld fürchten und deshalb keine Beschwerde einreichen.

Für viele Tschetschenen ist die Situation noch prekärer. Die russischen Behörden erlauben es dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz seit 2004 nicht mehr, Personen zu besuchen, welche im Zusammenhang mit dem "Konflikt" in Tschetschenien im Gefängnis sitzen. Eine sehr vage Richtlinie, welche auf sehr viele Tschetschenen ausgedehnt werden kann und welche sie völlig ungeschützt lässt.

Schweizerische Flüchtlingshilfe (11.6.2012): Russland:

Wehrdienstentzug und Haftbedingungen für Personen tschetschenischer Volkszugehörigkeit

Auskunft der SFH-Länderanalyse, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1340356648_russland-wehrdienstentzug-und-haftbedingungen-fuer-personen-tschetschenischer-volkszugehoerigkeit.pdf, Zugriff 2.2.2015

Das Auswärtige Amt berichtet:

Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Wladimir Lukin, übt in seinen Jahresberichten abgewogene, aber teils auch sehr deutliche Kritik unter anderem an Missständen im Gerichtswesen und den Zuständen in russischen Gefängnissen, insbesondere hinsichtlich Gewaltakten gegenüber Häftlingen und deren unzureichender medizinischer Versorgung. [...]

Folter ist gesetzlich verboten. Der Menschenrechtsbeauftragte Lukin kritisiert in seinem im Frühjahr 2012 veröffentlichten Jahresbericht 2011 erneut folterähnliche Zustände vor allem in den russischen Untersuchungsgefängnissen. NRO wie "Amnesty International" (z.B. Jahresbericht 2011) oder das russische "Komitee gegen Folter" sprechen davon, dass es bei Verhaftungen, Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft weiterhin zu Folter und grausamer oder erniedrigender Behandlung durch die Polizei und die Ermittlungsbehörden kommt. [...]

Die Lage in den Strafkolonien (in Russland Oberbegriff für Haftanstalten, in denen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt wird) und die Bedingungen des Strafvollzugs bleiben sehr schwierig. Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. [...]

Besonders schlecht ist die Lage der Untersuchungshäftlinge. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen und viel geringerem Rechtsschutz gegenüber ungerechten Behandlungen. [...]

In den Strafkolonien sind die Bedingungen insofern vergleichsweise besser, als die Unterbringung in Gruppen den einzelnen Häftling effektiver vor schikanöser Behandlung durch das Gefängnispersonal schützt. Laut Menschenrechtsorganisationen kann jedoch in allen Strafkolonien gegen Häftlinge, denen Verstöße gegen die Anstaltsregeln vorgeworfen werden, sogenannte Straf-Isolierhaft (Schiso) angeordnet werden. Häftlinge seien dort oft besonders üblen Haftbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt.

AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation

Auszug aus dem Asylländerbericht der ÖB Moskau:

Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 1990er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert. Die Regierung hat in die Renovierung der oft arg heruntergekommenen Gefängnisse investiert und durch Amnestien die Zahl der Insassen der bislang meist total überfüllten Gefängnisse reduziert (im Juni 2014 befanden sich offiziellen Daten zu Folge in Russland 676.000 Personen in Haft - im Jänner 2011 waren es noch knapp 750.000). Allerdings entsprechen die Haftbedingungen im Hinblick auf Verpflegung und medizinische Versorgung der Häftlinge sowie hygienische Einrichtungen nicht immer allgemein anerkannten Mindeststandards. In Jugendhaftanstalten und in Untersuchungsgefängnissen sind die Haftbedingungen besonders harsch. Weder während noch nach der Haft gibt es Rehabilitierungsprogramme, so dass die Rückfallquote von Straftätern im internationalen Vergleich hoch ist.[...]

Offiziellen Angaben zu Folge kamen 2012 in russ. Gefängnissen insgesamt 4121Gefangene ums Leben. Gelegentlich werden Vorfälle bekannt, in denen Häftlinge angesichts schlechter Haftbedingungen revoltieren (im Juni 2013 kam es im Rahmen eines Protestes zur kollektiven Selbstverletzung von ca. 40 Häftlingen in einer Strafkolonie in Irkutsk; im März 2014 schnitten sich 30 Häftlinge in einem Gefängnis im Gebiet Bryansk die Pulsadern auf).

ÖB Moskau (1.10.2014): Asylländerbericht - Russische Föderation

Die Deutsche Welle ist der Auslandssender Deutschlands. Er ist öffentlich-rechtlich organisiert und wird aus Steuermitteln des Bundes finanziert. In der DW-Zentrale Bonn und am Standort Berlin arbeiten rund 3.000 festangestellte und Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 60 Nationen.

Die Deutsche Welle beichtet zusammengefasst in einem Interview mit Zara Murtazalieva, einer tschetschenischen Frau welche länger als 8 Jahre in einer Strafkolonie in Russland wegen einer angeblich fingierten terroristischen Anschuldigung verbrachte. Die Bedingungen in der Haftanstalt für Frauen IK13 waren absolut schrecklich. Schrecklich erklärt es nur annähernd. Es gibt einem Mangel an elementaren, alltägliche Annehmlichkeiten wie heißes Wasser. Für 160 Leute gab es vielleicht drei oder vier funktionierende Toiletten, vier oder fünf Wasserhähne in den Waschräumen, keine Duschen. Dann gab es die Schläge. Es gibt häufig körperliche und verbalen Missbrauch und Männer die gewalttätig gegenüber Frauen sein können. Ich habe mit vielen Gefangenen gesprochen welche absolut schreckliche Geschichten erzählen. Von Männern- und Frauenkolonien. Russische Gefängnisse sind Folterkammern.

Zara Murtazalieva is a Chechen woman who spent more than eight years at a prison colony in Russia on terrorism charges that she says were fabricated. She was released last year from a colony next door to the one where the Pussy Riot activist Nadezhda Tolokonnikova was protesting conditions until a few weeks ago. Murtazalieva spoke with DW from France, where she is currently living.[...]

The conditions in detention centers, specifically in Russian penal colonies - and I can only speak for the women's colony I was in, IK13 - are absolutely terrible. Terrible is putting it lightly. There is a lack of elementary, everyday amenities like hot water. For every 160 people there were maybe three or four working toilets, four or five taps in the washing facilities, no showers - and that's the very least of it. Then there are the beatings. There is frequent physical and verbal abuse and men can be violent toward women. I've spoken to many prisoners who tell absolutely terrible stories, from both the men's and the women's colonies. Russian prisons are essentially torture chambers.[...]

The conditions Nadia (Nadezhda) are in are in no way different from the ones I lived in. Essentially it's all the same - it's the same system. We also went on hunger strike. I saw people protest and even slit their wrists. But the problem is that a simple inmate, who doesn't have human rights activists, lawyers, journalists behind them, who doesn't have those possibilities to get through to society or the world, no one can hear those people. So that's why many inmates are grateful to Nadia for the fact that through her, society can hear the voices of all the inmates.

DW - Deutsche Welle (22.11.2013): 'Russian prisons are essentially torture chambers',

http://www.dw.de/russian-prisons-are-essentially-torture-chambers/a-17246149, Zugriff 26.1.2015

Spiegel Online (Eigenschreibweise in Großbuchstaben; kurz SPON) ist laut Wikipedia eine der reichweitenstärksten deutschsprachigen Nachrichten-Websites. Sie wurde am 25. Oktober 1994 als redaktionell unabhängiges Web-Angebot des Nachrichtenmagazins Der Spiegel gegründet.

Spiegel online berichtet:

Straßburg/Moskau - In Russland hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im vergangenen Jahr die meisten Grundrechtsverletzungen festgestellt. In 129 Urteilen entschieden die Richter in Straßburg gegen Moskau.[...]

Gerichtshofspräsident Dean Spielmann bescheinigte der Regierung in Moskau "guten Willen", die Urteile des Gerichtshofs zu befolgen. Die russischen Behörden seien darum bemüht, die Haftbedingungen in Gefängnissen zu verbessern, sagte er.

Spiegel online (30.1.2014): Gerichtshof für Menschenrechte: Russland führt Statistik der Grundrechtsverletzungen an, http://www.spiegel.de/politik/ausland/strassburg-russland-fuehrt-statistik-der-grundrechtsverletzungen-an-a-950281.html, Zugriff 26.1.2015

Caucasian Knot ist ein Massenkommunikationsmittel im Internet mit einer Menschenrechtsausrichtung, das über den Kaukasus informiert. Caucasian Knot wurde 2001 von der Menschenrechtsorganisation Memorial gegründet. Caucasian Knot veröffentlicht aktuelle Informationen zum Alltag im Kaukasus, zu Ereignissen, Vorgängen und Entwicklungen in der Region, darunter Material lokaler Massenmedien, Dokumente und Rechtsvorschriften, Informationen über die Geschichte, ethnische Gruppen sowie religiöse und kulturelle Traditionen der Region, wissenschaftliche Literatur, analytische Überblicke und Kommentare, Daten zu Nichtregierungsorganisationen, politischen und gesellschaftlichen Akteuren sowie zu regionalen Massenmedien.

Die nachfolgend zitierte Quelle berichtet zusammengefasst, dass Sergey Butrin, ein Insasse der Strafkolonie Stawropol, beim EGMR Klage über die Haftbedingungen eingeleitet hat, unter denen er erblindete und sich mehrere chronische Krankheiten zuzog.

The European Court of Human Rights (ECtHR) has communicated the complaint filed by Sergey Butrin, an inmate of the Stavropol penal colony, who went blind and got several serious chronic diseases at penitentiary institutions. In his complaint to the ECtHR, Sergey Butrin indicates intolerable detention conditions during serving his sentence and complains about the courts' dismissal of his request for release because of his health state.

While being kept in prison, the complainant has completely lost sight: the man was diagnosed with "complicated cataract in both eyes." In addition to blindness, while in prison, Sergey Butrin got such diseases as coronary heart disease, stenocardia, hypertonia, encephalopathy, urolithiasis, chronic pancreatitis, chronic pyelonephritis, and a number of other deceases. Sergey Butrin was recognized Category I invalid, the website of the ECtHR reports.

In his complaint, the complainant claims that he is not able to move around the prison alone and that he spends most of the day lying down. When he tries to go somewhere, then he "stumbles upon objects", falls down and "gets injuries." Sergey Butrin writes that he cannot eat because of his "constantly trembling hands" and that he has to eat by putting his face on a plate "like an animal."

Caucasian Knot (31.10.2014): ECtHR asks Russia to clarify the case of inmate of Stavropol penal colony, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/29800/, Zugriff 26.1.2015

Amnesty International (AI), eine NGO mit mehr als 3 Millionen UnterstützerInnen, Mitgliedern und AktivistInnen in über 150 Ländern, setzt sich weltweit für Menschenrechte ein, führt Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen durch. "Amnesty International ist eine weltweite, von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschaftsinteressen und Religionen unabhängige Mitgliederorganisation.

Amnesty International berichtet:

Es gab 2012 weiterhin zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen; wirksame Untersuchungen der Vorwürfe waren jedoch selten. Dem Vernehmen nach umgingen die Ordnungskräfte die bestehenden Vorkehrungen zum Schutz vor Folter häufig mit diversen Mitteln. Dazu zählten der Einsatz von Gewalt unter dem Vorwand, die Häftlinge müssten ruhig gestellt werden, und die Nutzung geheimer Hafteinrichtungen, insbesondere im Nordkaukasus. Außerdem verweigerte man den Häftlingen oft den Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und ernannte stattdessen Pflichtverteidiger, bei denen man davon ausgehen konnte, dass sie Spuren von Folter ignorieren würden.

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/russland?destination=suche%3Fwords-advanced%3D%26country%3D106%26topic%3D%26node_type%3Dai_annual_report%26from_month%3D3%26from_year%3D2013%26to_month%3D5%26to_year%3D2013%26page_limit%3D10%26go_x%3D12%26go_y%3D4%#folterundanderemisshandlungen, Zugriff 27.1.2015

Ist ein faires Gerichtsverfahren wahrscheinlich, insbesondere bei terroristischem Hintergrund.

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Zu der Fragestellung wurden in öffentlich zugänglichen Internetquellen im Rahmen der zeitlich begrenzten Internetrecherche in deutscher und englischer Sprache nachfolgende Informationen gefunden.

Die nachfolgend angeführten Quellen stellen daraus einen Auszug, bestehend aus einem Mix von NGO- Berichten, Zeitungsartikeln, sowie aus (grundsätzlich) sicheren sowie zuverlässigen Standardquellen der Staatendokumentation, dar.

Es darf in diesem Zusammenhang auch auf das Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation zu den Themen Rechtsschutz/Justizwesen, Folter und unmenschliche Behandlung und Korruption hingewiesen werden, Ggstl. LiB ist über I-Ghost verfüg- und abrufbar.

Zusammenfassung:

Gemäß den nachfolgend zitierten Quellen kann davon ausgegangen werden, dass mitunter nicht von einem fairen Gerichtsverfahren ausgegangen werden kann.

Einzelquellen:

Das Auswärtige Amt gibt an:

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenen, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschter Beweise zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien.[...]

In Ermittlungsverfahren und vor Gericht können sie nicht auf eine faire Behandlung bzw. einen fairen Prozess vertrauen.

AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der russischen Föderation

Auszug aus dem Asylländerbericht der ÖB Moskau:

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig; allerdings haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der russische Ombudsmann als auch russische NGOs wiederholt Missstände im russischen Justizwesen kritisiert: Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen: Lediglich 1,1% der eingeleiteten Strafverfahren enden mit Freispruch des Angeklagten.

ÖB Moskau (1.10.2014): Asylländerbericht - Russische Föderation

FH - Freedom House gibt an, dass Kritiker bemängeln, dass Russland gegen schlechte Haftbedingungen, weitverbreitete illegale Verhaftung und Folter zur Erzwingung von Geständnissen nichts unternimmt.

Critics charge that Russia has failed to address ongoing criminal justice problems, such as poor prison conditions and the widespread use of illegal detention and torture to extract confessions.

FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html, Zugriff 26.1.2015

Amnesty International berichtet:

Eine Justizreform wurde allgemein als notwendig erachtet, selbst auf höherer Verwaltungsebene. Doch erfolgten keine wirksamen Schritte, um die Unabhängigkeit der Gerichte sicherzustellen. Es trafen zahlreiche Berichte über unfaire Verfahren aus dem ganzen Land ein. Viele Gerichtsentscheidungen, die z.B. extremistische Straftaten, Wirtschafts- und Drogendelikte betrafen, waren von politischen Erwägungen beeinflusst. Die Zahl der Urteile, die politisch motiviert schienen, wie das gegen die Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot, nahm zu. Häufig wurde der Vorwurf erhoben, Absprachen zwischen Richtern, Staatsanwälten, Ermittlungsbeamten und anderen Vertretern der Ordnungskräfte hätten zu unfairen Strafurteilen bzw. zu unangemessenen Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten geführt.

Im ganzen Land klagten Rechtsanwälte über Verfahrensmängel, die das Recht ihrer Mandanten auf ein faires Verfahren beeinträchtigten. Die Anwälte beschwerten sich u.a. darüber, dass ihnen der Zugang zu ihren Mandanten verweigert wurde, dass mutmaßliche Straftäter in Gewahrsam genommen wurden, ohne umgehend ihre Rechtsbeistände und Angehörigen zu informieren, und dass staatlich besoldete Pflichtverteidiger benannt?wurden, die dafür bekannt sind, Verfahrensfehler und Misshandlungen nicht zu beanstanden.

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/russland?destination=suche%3Fwords-advanced%3D%26country%3D106%26topic%3D%26node_type%3Dai_annual_report%26from_month%3D3%26from_year%3D2013%26to_month%3D5%26to_year%3D2013%26page_limit%3D10%26go_x%3D12%26go_y%3D4%#folterundanderemisshandlungen, Zugriff 27.1.2015

Das US Department of State [USDOS, Außenministerium der Vereinigten Staaten] ist für die auswärtigen Angelegenheiten der Vereinigten Staaten zuständig und in diesem Bereich die leitende Bundesbehörde. Mehrere Abteilungen des US-Außenministeriums veröffentlichen Informationen, die für die Recherche von Herkunftsländerinformationen relevant sein können. Besonders hervorzuheben ist das Bureau of Democracy, Human Rights and Labor, das jedes Jahr sowohl die Menschenrechtsberichte als auch die Berichte zur Religionsfreiheit veröffentlicht (Country Reports on Human Rights Practices, International Religious Freedom Reports).

USDOS berichtet zusammengefasst, dass die Unschuldsvermutung gilt. Bestimmte Verbrechen (u.a. Terrorismus, Spionage und Geiselnahme) müssen von drei Richtern verhandelt werden. Jurys verhandeln ungefähr 600-700 Fälle pro Jahr, oder 0,05 Prozent aller Kriminalfälle. Während Richter weniger als 1% der Angeklagten freisprechen, ist der Prozentsatz bei Verhandlungen mit einer Jury 20%. Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Es gibt jedoch zahlreiche glaubwürdige Berichte, dass Exekutivbeamte in Fälle von Folter, Misshandlung und Gewaltanwendung zum Erzwingen von Geständnissen verwickelt sind, und es gab Vorwürfe, dass die Regierung Beschuldigte nicht konsequent zur Verantwortung zieht.

A judge without a jury typically hears trials (bench trials). The defendant has a legal presumption of innocence. The law provides for the use of jury trials for a limited range of crimes in higher-level regional courts. Certain crimes, including terrorism, espionage, hostage taking, and mass disorder, must be heard by panels of three judges rather than by juries. Juries try approximately 600 to 700 cases each year, or 0.05 percent of all criminal cases. While judges acquit less than 1 percent of defendants, juries acquit an estimated 20 percent.[...]

Although the constitution prohibits such practices, there were numerous credible reports that law enforcement personnel engaged in torture, abuse, and violence to coerce confessions from suspects, and authorities generally did not hold officials accountable for such actions.

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html, Zugriff 27.1.2015

USDOS berichtet weiter, dass Korruption sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet ist. Nach einem Bericht des Ombudsmannes für Menschenrechte, Vladimir Lukin, vom April, waren fast 57 Prozent der

24.390 im Büro eingegangenen Beschwerden in Bezug auf Verletzung der Grundrechte. Von diesen waren mehr als 67 Prozent angebliche Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren.

Corruption was widespread throughout the executive, legislative, and judicial branches at all levels of government.[...]

According to an April report by the ombudsman for human rights, Vladimir Lukin, almost 57 percent of the 24,930 complaints received by his office in 2012 related to violations of civil rights. Of these, more than 67 percent involved alleged violations of the right to a fair trial.

USDOS - US Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices 2013 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html, Zugriff 27.1.2015

Freedom House berichtet, dass ein im November veröffentlichter Bericht des Council of Europe betreffend des russischen Rechtssystems berichtet, dass Richtern die Unabhängigkeit fehlte, da sie Druck auch von innerhalb der Justiz nicht geschützt waren. Der Bericht stellt fest, dass künftige Reformbemühungen in der Justiz sich verstärkt auf ein Recht auf ein faires Verfahren und die Achtung der Unschuldsvermutung konzentrieren sollten.

In November, a report on the Russian legal system released by the Council of Europe pointed out that judges lacked independence because they were not properly shielded from undue pressure, including from within the judiciary. The report found that "future reform efforts in the judiciary should focus on strengthening the right to a fair trial and on ensuring genuine adversarial proceedings and respect for the presumption of innocence."

FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/277855/411161_de.html, Zugriff 2.2.2015

1.4.2.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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