TE OGH 2018/7/24 9ObA22/18b

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Veröffentlicht am 24.07.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Canan Aytekin-Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI A*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei O*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2017, GZ 7 Ra 54/17p-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS-Justiz RS0037300). Das Gericht ist allerdings nicht zur Erörterung eines Vorbringens gezwungen, dessen Schwächen bzw Ergänzungsbedürftigkeit bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen des Gegners hat die betroffene Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS-Justiz RS0122365 [T3, T4]).

Den Parteien ist zwar Gelegenheit zu geben, unschlüssiges, unbestimmtes oder widerspruchsvolles Begehren zu verdeutlichen und zu präzisieren, doch kann daraus nicht die Verpflichtung des Gerichts zur Anregung einer Klagsänderung abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0037112 [T2]).

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

2. Auch in der Revision wird nicht bestritten, dass die befristete Betrauung mit einem Funktionsposten im Rahmen eines unbefristeten Dienstverhältnisses grundsätzlich zulässig ist. Dass eine befristete Vereinbarung durch Zeitablauf endet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, sondern stellt allgemein die vom Gesetz vorgesehene Beendigungsform für befristete Dauerschuldverhältnisse dar (vgl beispielsweise § 1158 Abs 1 ABGB, § 19 Abs 1 AngG).

Kündigung und Befristung schließen einander grundsätzlich aus. Eine Kündigung zum vereinbarten Endtermin, zu dem das Rechtsverhältnis nach der Vereinbarung ohnehin enden soll, ist in einem solchen Fall rechtlich bedeutungslos (RIS-Justiz RS0028428 [T4]). Die Erklärung, einen befristeten Vertrag nicht fortsetzen zu wollen, ist nicht als Kündigung im Sinne einer einseitigen auf Beendigung eines unbefristeten Dienstverhältnisses gerichteten Willenserklärung zu verstehen, sondern nur die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Vertrags nach Ablauf der Befristung (RIS-Justiz RS0063980).

Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass die Erklärung der Beklagten, dass der Funktionsvertrag mit dem vereinbarten Endtermin jedenfalls beendet sei, keine Kündigung darstellt, sondern nur zum Ausdruck bringt, dass die Beklagte an der Befristung festhalten will, ist daher nicht zu beanstanden.

Soweit das Klagebegehren auf Rechtsunwirksamerklärung der – danach nicht vorliegenden – Kündigung gerichtet ist, wurde es richtigerweise abgewiesen.

3. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt ebenso wenig wie der Umstand, dass mehrere Dienstnehmer gleichartige Arbeitsverträge abgeschlossen haben, das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0042816 [T3]).

Der vom Kläger abgeschlossene Funktionsvertrag wurde auf fünf Jahre befristet. Im Vertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass er mit Ablauf der Befristung endet, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Beklagten bedarf. Zusätzlich haben die Parteien die Einhaltung eines bestimmten Prozedere für den Fall vereinbart, dass von Seiten des Dienstgebers eine Nichtverlängerung angedacht ist. Daraus ist aber entgegen der Revision nicht zwingend zu schließen, dass sich für den Fall, dass das Prozedere vertragswidrig nicht eingehalten wurde, der befristete Vertrag automatisch verlängert. Eine derartige Folge steht im Widerspruch zum Text des Funktionsvertrags („… endet automatisch mit Ablauf ...“) und lässt sich auch den „Abfederungsbestimmungen“ nicht entnehmen. Da der Vertrag grundsätzlich mit Ablauf der Befristung endet, bedarf es zu einer Verlängerung der übereinstimmenden ausdrücklichen oder schlüssigen Willenserklärung der Parteien. Weder lässt sich aus der Vereinbarung ableiten, dass der Dienstgeber vorweg für den Fall der Nichteinhaltung des Prozedere einer Verlängerung zugestimmt hat, noch kann allein aus der Nichteinhaltung der in den Abfederungsbestimmungen vorgesehenen Maßnahmen (Vorabinformation, Zielvereinbarung und Evaluierung) aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers auf eine solche Willenserklärung des Dienstgebers geschlossen werden. Das ergibt sich schon daraus, dass sich etwa im ebenfalls vorgesehenen Fall einer Nichtverlängerung aus organisatorischen Gründen die Nichtverlängerung auch kurzfristig ohne Vorverfahren entscheiden kann und dennoch keiner gesonderten Beendigungserklärung bedarf.

Wenn die Revision in diesem Zusammenhang von einer „Selbstbindung“ der Beklagten bzw einem „gebundenen Ermessen“ im Hinblick auf eine entsprechende Beschlussfassung in den verantwortlichen Gremien spricht, bestätigt sie letztlich die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine Vertragsverlängerung gerade nicht aus der Nichteinhaltung des Prozedere folgt, sondern eine Vereinbarung der Parteien und eine Willensbildung der zuständigen Organe der Beklagten erfordert.

Das nimmt entgegen der Revision den Abfederungsbestimmungen nicht ihre Relevanz, weil es nicht bedeutet, dass deren Nichteinhaltung ohne Konsequenzen bleibt, sondern nur, dass sie keine automatische Vertragsverlängerung zur Folge hat. Inwieweit daraus allenfalls andere Ansprüche resultieren, ist hier nicht zu prüfen.

Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass sich aus der Vereinbarung der Abfederungsbestimmungen kein Verlängerungsautomatismus ableiten lässt und das auf Feststellung des aufrechten Funktionsvertrags abzuweisen ist, ist daher nicht korrekturbedürftig.

4. Erstmals in der Revision behauptet der Kläger, dass, auch wenn man nicht von einer Verlängerung des Funktionsvertrags ausgeht, er aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten nicht zu anderen Dienstleistungen als den im ersten Funktionsvertrag vereinbarten, verpflichtet sei. Dabei übergeht er aber, dass die Parteien ausdrücklich für den Fall der Nichtverlängerung das Wiederaufleben des Vertrags als „Expert“ vereinbart haben, ohne dass damit eine Rückkehr auf die alte Stelle verbunden ist. Der Kläger ist damit aufgrund dieses wiederaufgelebten Vertrags zu den darin vereinbarten Dienstleistungen verpflichtet.

5. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E122355

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00022.18B.0724.000

Im RIS seit

10.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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