TE OGH 2018/7/17 1Ob103/18f

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Veröffentlicht am 17.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Höfrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen Herausgabe eines Sparbuchs (Streitwert 9.600 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 21. März 2018, GZ 2 R 158/17p-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 7. Juli 2017, GZ 16 C 721/17k-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 557,02 EUR (darin enthalten 92,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ersuchte die Beklagte um Umwidmung eines Grundstücks in Bauland zur Errichtung zweier Wohnhäuser. Über Vorgabe der Beklagten verpflichtete er sich für den Fall einer Umwidmung in Bauland-Dorfgebiet zu einer widmungsgemäßen Bebauung. Zur „Sicherstellung dieser Bebauungspflicht“ übergab er der Beklagten vereinbarungsgemäß ein Sparbuch über 9.600 EUR. Die Beklagte widmete 1.200 m² des rund 5.700 m² großen Grundstücks des Klägers in Bauland-Dorfgebiet um. Der Kläger errichtete darauf einen 3 x 3 m großen Geräteschuppen. Er begehrt nun die Herausgabe des Sparbuchs, weil er das umgewidmete Grundstück entsprechend der Vereinbarung widmungsgemäß bebaut habe. Die Beklagte bestreitet dies und erachtet die Kaution als verfallen. Das Berufungsgericht änderte das klagestattgebende erstinstanzliche Urteil im klagsabweisenden Sinn ab, weil der Kläger seiner vertraglichen Bebauungspflicht durch die Errichtung bloß eines Geräteschuppens nicht nachgekommen sei. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Konkretisierung der Bebauungspflicht aus einem mit einer Gemeinde geschlossenen Verwendungsvertrag keine Rechtsprechung bestehe und dies im Hinblick auf die Vielzahl solcher Verträge von erheblicher Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Dies ist hier nicht der Fall. Der Umstand alleine, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, bewirkt entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht ihre Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816).

Unabhängig von der exakten rechtlichen Einordnung des hier abgeschlossenen („Verwendungs-“)Vertrags im Sinne des § 22 Abs 2 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 (LGBl Nr 23/1995; nachfolgend kurz „K-GplG“), ergibt sich aus dessen Charakter als – im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung abgeschlossene – privatrechtliche Vereinbarung, dass er nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts auszulegen ist (idS etwa Trapichler, Befristete Baulandwidmung und Vertragsraumordnung – Teil 2, bbl 2015, 47 [51]). Dies wird vom Revisionswerber ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Zulässigkeit der Festlegung einer konkreten Bebauung als vertragsgemäß. Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, also die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen (RIS-Justiz RS0017915 [T1]). Es ist das gesamte Verhalten der Vertragsteile, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann, zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0017915 [T15 und T29]) und auf die konkreten Umstände, wie den Geschäftszweck (Zweck der Regelung, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten; RIS-Justiz RS0017915 [T23]) und die Interessenlage, Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0017915 [T32]). Der Wortlaut des Vertrags verpflichtet den Kläger hier zwar nur ganz allgemein zu einer widmungsgemäßen – § 3 Abs 4 K-GplG erwähnt etwa Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, bestimmte Wohngebäude samt dazugehörigen baulichen Anlagen oder Gebäude bestimmter gewerblicher Kleinbetriebe – Bebauung, ohne diese näher zu konkretisieren. Damit weist die Formulierung der Bebauungspflicht einen geringen Präzisierungsgrad auf und lässt eine gewisse Bandbreite an Bauführungen zu. Aufgrund des für den Kläger evidenten Zusammenhangs der Bebauungspflicht mit der von ihm zur Verwirklichung eines Wohnbauprojekts beantragten Umwidmung (auch das Gespräch mit dem Sachbearbeiter der Beklagten erfolgte vor dem Hintergrund eines beabsichtigten Wohnbaus) ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe die strittige Vertragsklausel dahin verstehen dürfen, dass die Errichtung eines Wohngebäudes die vereinbarte widmungsgemäße Bebauung darstellt, nicht zu beanstanden, würde doch ein anderes Verständnis die konkrete Zielsetzung des Vertrags, wie sie sich hier aus den Umständen des Vertragsabschlusses ergibt, missachten.

Die vertragliche Bezugnahme auf eine mögliche Bebauung aufgrund eines Baurechts oder Superädifikats legt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nahe, dass eine Bebauung mit einem Geräteschuppen nach dem Vertragswillen der Beklagten bereits „widmungsgemäß“ wäre; vielmehr wird damit erkennbar bloß die Möglichkeit einer Bebauung durch einen Dritten ohne Eigentumsübertragung angesprochen. Soweit der Revisionswerber argumentiert, die Widmung „Bauland-Dorfgebiet“ sei nach § 3 Abs 4 K-GplG explizit „auch für Gartenhäuser bestimmt“, übersieht er, dass dies nur für die dort genannten Nebenanlagen zu einem Wohngebäude gilt. Die in der Revision behauptete Ähnlichkeit des Verwendungsvertrags mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird zwar mitunter in der Literatur vertreten (idS etwa Kleewein, Vertragsraumordnung in der Praxis – Privatrechtliche Verträge und deren Grenzen, RFG 2005, 52; Dullinger, Vertragsraumordnung aus privatrechtlicher Sicht, ZfV 1997, 11 [18] zieht eine Parallele zu Vertragsformblättern); eine Unbeachtlichkeit des sich aus den besonderen Umständen des Vertragsabschlusses ergebenden und für den Kläger erkennbaren Vertragszwecks kann daraus aber nicht abgeleitet werden. Auf die in der Revision kritisierte Rechtsansicht, die Verwendungsvereinbarung sei durch nachfolgende behördliche Eingaben des Klägers „konkretisiert“ worden, muss nicht weiter eingegangen werden. Ausgehend von der unbedenklichen Argumentation des Berufungsgerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Vertragsabschlusses ergebe sich ein klares Auslegungsergebnis, verbleibt für die in der Revision angesprochene Zweifelsregel des § 915 Satz 2 ABGB kein Raum (RIS-Justiz RS0017957; RS0017951).

Weshalb das Grundrecht des Klägers auf sein Eigentum verletzt sein soll, wenn sich dieser – wie dies § 22 K-GplG vorzeichnet – zur Absicherung einer vertraglichen Bebauungspflicht zum Erlag einer Kaution verpflichtet und diese in weiterer Folge mangels Vertragserfüllung verfällt, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Es ist auch unklar, worauf das Argument, die Umwidmung in Bauland-Dorfgebiet habe dem Ansuchen des Klägers nicht entsprochen, abzielt. Der Verwendungsvertrag bezieht sich jedenfalls auf diese Baulandkategorie. Der Einwand der (teilweise) unterbliebenen Leistung und – damit zusammenhängend – einer Bereicherung der Beklagten verstößt ebenso gegen das Neuerungsverbot wie das Revisionsvorbringen, dem Kläger sei der Kautionseinbehalt wirtschaftlich und eine Bebauung mit einem Wohnhaus alters- und gesundheitsbedingt nicht zuzumuten.

Die Entscheidung über die von der Beklagten verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO; die Beklagte hat darin auf die mangelnde Zulässigkeit hingewiesen.

Textnummer

E122295

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00103.18F.0717.000

Im RIS seit

06.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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