TE OGH 2018/4/10 5Ob59/18i

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. D***** Gesellschaft mbH, *****, 2. Republik Österreich (Österreichische Bundesforste), *****, 3. A*****, und 4. DI Dr. M*****, alle vertreten durch Mag. Gerald Rauchenwald, öffentlicher Notar in Villach, wegen Eintragungen in der EZ *****, ***** und *****, je KG *****, über den Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. Jänner 2018, AZ 53 R 270/17p, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 29. September 2017, TZ 5875/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte zur grundbücherlichen Durchführung des Kauf- und Dienstbarkeitsvertrags vom ***** 2016 verschiedene Zu- und Abschreibungen einschließlich der Mitübertragung diverser Dienstbarkeiten sowie die Einverleibung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens. Abgewiesen wurde das Begehren auf Einverleibung der Dienstbarkeit der Nichtbebauung in Ansehung des Grundstücks ***** KG ***** gemäß Punkt 6.3 des Kauf- und Dienstbarkeitsvertrags für die Republik Österreich (Verkäuferin und Zweitantragstellerin), weil diese Verpflichtung die grundbücherliche Absicherung einer allfälligen Kaufpreisnachzahlung im Fall einer eingetretenen höherwertigen Nutzung des Kaufgegenstands infolge nachträglicher Änderung der Widmung oder Nutzung oder Erhöhung des Verkehrswerts bezwecke und nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Abweisung und ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer „Cottage-Servitut“ in einem vergleichbaren Fall nicht bestehe.

Der Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die – gemäß § 9 GBG einverleibungsfähige – Dienstbarkeit ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache. Der Eigentümer der belasteten Sache ist verpflichtet, etwas zu unterlassen, wozu er an sich befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte. Eine Grunddienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Duldung oder Unterlassung, zu der der Eigentümer der belasteten Liegenschaft verpflichtet ist, auf die Nutzung des belasteten Grundstücks selbst bezieht (5 Ob 151/17t mwN). Grunddienstbarkeiten müssen das Eigentum am dienenden Grundstück beschränken und das am herrschenden Gut bestehende Eigentum erweitern oder fördern. Fehlt auch nur eine dieser beiden Eigenschaften, sind die Voraussetzungen einer Grunddienstbarkeit nicht gegeben (RIS-Justiz RS0011546).

2. Eine unregelmäßige Servitut liegt nach Lehre und Rechtsprechung (unter anderem) dann vor, wenn der Berechtigte einer Grunddienstbarkeit nicht der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks, sondern eine natürliche oder juristische Person ist (Rassi in Kodek Grundbuchsrecht2 § 12 GBG Rz 17; vgl Koch in KBB5 § 479 Rz 1; RIS-Justiz RS0011562 [„Cottage-Servitut“]; RS0011539). Solche unregelmäßige Servituten sind rechtlich wie eine Grunddienstbarkeit zu behandeln, weshalb (auch) das Utilitätserfordernis des § 473 ABGB erfüllt sein muss (5 Ob 87/91; Rassi in Kodek Grundbuchsrecht2 § 12 GBG Rz 18 mwN).

3. Als unregelmäßige Dienstbarkeit in diesem Sinn anerkannte die Rechtsprechung die Einräumung von Wegerechten zugunsten von Gemeinden, welche die Nutzung der Allgemeinheit (Touristen) zur Verfügung stellt (RIS-Justiz RS0011562 [T1, T3]; Skiabfahrt: RS0011524). Dabei handelt es sich dem Inhalt nach um Duldungsverpflichtungen des Eigentümers der belasteten Liegenschaft.

4. In die – hier interessierende – Kategorie einer Unterlassungsverpflichtung fällt der Verzicht auf eine bestimmte bauliche Ausgestaltung einer Liegenschaft. Dieser kann grundsätzlich als (unregelmäßige) Grunddienstbarkeit bestellt werden, weil es sich dabei um eine Einschränkung der Nutzung der Liegenschaft selbst handelt (5 Ob 87/91 = RIS-Justiz RS0011565). Den Vorteil einer derartigen Bebauungsbeschränkung (das essentielle Utilitätserfordernis iSd § 473 ABGB) sah der Oberste Gerichtshof dabei im Fall einer Grunddienstbarkeit in der geringeren Belastung des berechtigten Grundstücks (beispielsweise durch vom belasteten Grundstück ausgehende Abgase) oder in der fehlenden Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebs, den der Eigentümer des herrschenden Grundstücks dort betreibt. Diese im Fall der Bestellung einer Grunddienstbarkeit den Eigentümer des herrschenden Grundstücks begünstigenden Vorteile kämen bei Bestellung als irreguläre Servitut für eine juristische Person (Land Tirol) eben der Allgemeinheit zugute.

4. Der Vertragspunkt 6 („Sonstiges“) des vorgelegten Kauf- und Dienstbarkeitsvertrags lautet auszugsweise:

Die D***** Gesellschaft m.b.H verpflichtet sich für sich und für den Rechtsnachfolger für den Fall einer nach Abschluss dieses Vertrags eintretenden höherwertigen Nutzung des Kaufgegenstands eine Aufzahlung zu dem in diesem Vertrag festgelegten Kaufpreises an die Republik zu leisten, welche sich wie folgt berechnet:

Die Aufzahlung ist der Differenzbetrag zwischen der dem in diesem Vertrag festgelegten Kaufpreis zugrundeliegenden Verkehrswerten und dem durch die nachträgliche Änderung der Widmung oder Nutzung erhöhten Verkehrswert...

6.2 Die Parteien sind in Kenntnis, dass eine vollständige grundbücherliche Sicherstellung dieser Aufzahlungsverpflichtung nicht möglich ist.

6.3 Vereinbarungsgemäß verpflichtet sich die D***** Gesellschaft m.b.H als teilweise grundbücherliche Sicherstellung für sich und ihre Rechtsnachfolger gegenüber der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) ohne deren Zustimmung kein Gebäude oder sonstige Baulichkeit auf dem Kaufgegenstand zu errichten und räumen somit der Republik die Dienstbarkeit der Unterlassung der Errichtung solcher Baulichkeiten ein; die Dienstbarkeitseinräumung wird von der Republik ausdrücklich angenommen.“

5. Zweck dieser als Dienstbarkeit bezeichneten Verpflichtung ist – wie aus dem für die Auslegung im Grundbuchsverfahren maßgeblichen (RIS-Justiz RS0060573 [T10]) Wortlaut der Grundbuchsurkunde selbst hervorgeht – die teilweise grundbücherliche Sicherstellung einer Nachzahlungsverpflichtung des Käufers. Sie soll die Verkäuferin (Zweitantragstellerin) davor schützen, dass eine einseitige, nicht mit ihrer Zustimmung erfolgte Bebauung der verkauften Liegenschaft sich negativ auf die Aufzahlungsverpflichtung auswirkt. Ein Vorteil, wie er für die Bestellung einer Grunddienstbarkeit charakteristisch und essentiell ist, und der im Fall einer irregulären Servitut eben einem persönlich Berechtigten unabhängig vom Eigentum am herrschenden Grundstück zusteht oder von dem die Allgemeinheit bei Bestellung zugunsten einer Gebietskörperschaft profitiert, liegt darin nicht. Die Rechtsprechung, die das Utilitätserfordernis keinem strengen Maßstab unterstellt (RIS-Justiz RS0011593) und nach der der Grundsatz, dass nur die völlige Zwecklosigkeit die Begründung einer Servitut hindert, besonders für unregelmäßige Servituten gilt (RIS-Justiz RS0011541), ist nicht das entscheidende Argument für den Standpunkt der Revisionsrekurswerberin. Gerade in der zuletzt zitierten Rechtsprechung wird die Zwecklosigkeit nach der Ausübung der Nutzung durch den Berechtigten und damit in Ansehung einer Duldungsverpflichtung des Eigentümers der belasteten Liegenschaft geprüft (s nur 5 Ob 95/01h; 4 Ob 248/06h; 7 Ob 277/08y). Es lässt sich daraus nicht ableiten, dass jeder rein wirtschaftliche Zweck (hier die Sicherstellung einer obligatorischen Verpflichtung aus einem Kaufvertrag) die Begründung einer unregelmäßigen Grunddienstbarkeit in Form einer Unterlassungsverpflichtung rechtfertigt.

6. Es ist richtig, dass der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 87/91 das Motiv für die Einräumung der Dienstbarkeit (Bebauungsbeschränkung) als nicht relevant erachtet hat. Die vorliegende Vertragsgestaltung macht jedoch – nach der in diesem Einzelfall nicht zu korrigierenden Auslegung der Vorinstanzen – die Funktion der Sicherstellung einer künftigen Zahlungsverpflichtung des Käufers und damit den Beweggrund für dessen Unterlassungsverpflichtung zu Gunsten des Verkäufers zum wesentlichen Inhalt der Vereinbarung über die Bestellung einer Dienstbarkeit.

Textnummer

E121851

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00059.18I.0410.000

Im RIS seit

08.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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