TE OGH 2018/6/19 11Os53/18f

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Veröffentlicht am 19.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberessl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred F***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 9. März 2018, GZ 601 Hv 2/18x-23a, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jennichl, sowie des Angeklagten und dessen Verteidigers Mag. Schmelz zu Recht erkannt:

Spruch

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I 2 und III (ersatzlos), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Alfred F***** wird für die durch das zu I, II und III beschriebene Verhalten begangenen strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und das Vergehen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB, unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird dem Angeklagten die vom 17. Jänner 2018, 16:20 Uhr, bis zum 8. März 2018, 8:00 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche des Angeklagten von weiteren Vorwürfen enthält, wurde Alfred F***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I 1) sowie jeweils eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I 2), der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB (II) und des Hausfriedensbruchs nach §§ 15, 109 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er am 17. Jänner 2018 in K*****

(I) Gerhard M*****

(1) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Gestalt einer Erkrankung an Hepatitis B und Hepatitis C, absichtlich zuzufügen versucht, indem er ihn in die rechte Hand biss, wobei es mangels (bisheriger) Feststellbarkeit einer Infektion beim Versuch blieb;

(2) am Körper verletzt, indem er ihm mit seiner blutenden Hand Faustschläge versetzte und ihn kratzte, wodurch der Genannte (US 6:) eine Prellung an der linken Hand und eine mehrere Zentimeter lange Kratzwunde an der rechten Wade erlitt;

(II) durch das zu I beschriebene Verhalten Handlungen begangen, die geeignet sind, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit, die ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört, nämlich von Hepatitis B und Hepatitis C (§ 1 Abs 1 Z 1 Epidemiegesetz 1950), unter Menschen herbeizuführen;

(III) den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen, nämlich in die Wohnung der Silvia Fi*****, mit Gewalt zu erzwingen versucht, indem er die Wohnungstür gegen den Widerstand des M***** aufzudrücken trachtete (US 6:) und das zu I beschriebene Verhalten setzte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die den Schuldspruch I 1 tragenden Feststellungen zur Absicht des Angeklagten, M***** mit Hepatitis B und Hepatitis C zu infizieren, erschloss das Schöffengericht – unter anderem – aus den (vom Gericht) als glaubhaft erachteten Angaben der Zeugen M***** und Fi***** zum objektiven Geschehensablauf, der Kenntnis des Beschwerdeführers von seinen Erkrankungen und deren Übertragungsmöglichkeit sowie daraus, dass die beiden (mit dem Angeklagten seit vielen Jahren bekannten – US 4 f) Zeugen dem Biss in die Hand des M***** „besondere Bedeutung“ deshalb zumaßen, weil der – wiewohl auch sonst durchaus gewaltgeneigte (US 4, 14) – Angeklagte „für gewöhnlich“ nicht beiße (US 14 f).

Entgegen dem Beschwerdevorwurf (nominell auch Z 5a, inhaltlich nur Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Welche konkreten (in der Hauptverhandlung vorgekommenen) Aussagen des Angeklagten sowie der Zeugen M***** und Fi***** in welcher Hinsicht darauf hindeuten sollten, dem Angeklagten sei es „gerade nicht“ darauf angekommen, M***** schwer am Körper zu verletzen, sondern „allein“ darauf, in die Wohnung der Fi***** einzudringen, „zumal der Angeklagte darin sein Portemonnaie vermutete“, legt die Beschwerde nicht dar. Schon deshalb versagt der Einwand (nominell auch Z 5a, inhaltlich nur Z 5 zweiter Fall), die Tatrichter hätten solche Beweisergebnisse „außer Acht“ gelassen. Jedenfalls nicht unerörtert blieb im Übrigen die – schon den Biss in die Hand des M***** und sein Wissen um die Ansteckungsgefahr leugnende – Einlassung des Nichtigkeitswerbers; sie wurde vielmehr als unglaubwürdig verworfen (US 10 ff, 14). Dass der Angeklagte – wovon das Erstgericht ohnedies ausging – „in die Wohnung zu seinen Sachen wollte“ (US 6, 13, 15), wiederum spricht keineswegs gegen die Annahme, er habe (darüber hinaus) auch darauf abgezielt, M***** mit Hepatitis B und Hepatitis C zu infizieren (US 7).

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Die gegen den Schuldspruch III gerichtete Rechtsrüge (nominell Z 9 lit b) dagegen zeigt zutreffend auf, dass es an der nach § 109 Abs 2 StGB (iVm § 92 StPO) erforderlichen Ermächtigung der Verletzten (nämlich der Wohnungsinhaberin Fi*****; vgl Soyer/Schumann in WK2 StGB § 109 Rz 45) zur Strafverfolgung fehlte.

Auf Basis der Feststellungen im Ersturteil (US 6) hätte der Angeklagte das (demnach zu Unrecht angenommene) Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 StGB (III) – zufolge Überschneidung der Ausführungshandlungen – freilich in Tateinheit (jeweils echt ideal konkurrierend) mit dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I 1) und dem Vergehen der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB (II) begangen. Daher wäre
– entgegen dem Rechtsmittelantrag – insoweit kein Freispruch nach § 259 Z 3 StPO geboten, sondern die der Ermächtigung bedürftige Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) schlicht nicht vorzunehmen gewesen (der Sache nach somit Z 10; vgl
Vogl, WK-StPO § 92 Rz 21; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 563, 633 und 647; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1; RIS-Justiz RS0115553).

Ein weiterer, im Rechtsmittel nicht geltend gemachter Subsumtionsfehler (Z 10) haftet dem angefochtenen Urteil im Schuldspruch I 2 an:

Nach dem Tatsachensubstrat des Ersturteils (US 6) bilden die zu I 1 und I 2 festgestellten – in kurzer zeitlicher Abfolge bei einheitlicher Motivationslage gesetzten – Angriffe des Angeklagten eine tatbestandliche Handlungseinheit (zu dieser Rechtsfigur 13 Os 1/07g [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28-31 Rz 89). Die – neben dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB – zusätzliche Annahme eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB ist daher vorliegend verfehlt.

Wenngleich diese Fehlsubsumtion – per se – (noch) keinen Nachteil iSd § 290 Abs 1 StPO bedeutet (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f), sah sich der Oberste Gerichtshof auch insoweit – klarstellend – zur Kassation bestimmt (§ 289 StPO).

Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Bei der deshalb gebotenen Strafneubemessung waren erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und die zahlreichen Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), welchem Umstand durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Strafschärfung infolge Rückfalls (§ 39 StGB) besonderes Gewicht verliehen wird (RIS-Justiz RS0108868 [T1, T2]), mildernd war hingegen, dass es teils beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB).

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Freiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen.

Die Vorhaftanrechnung folgt aus § 38 Abs 1 Z 1 StGB (vgl Lässig, WK-StPO § 400 Rz 1; RIS-Justiz RS0091624).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E121862

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00053.18F.0619.000

Im RIS seit

03.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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