TE OGH 2018/3/13 11Os21/18z

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Veröffentlicht am 13.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Slavisa S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall, Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 65 Hv 96/17p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 14. September 2017 (ON 60) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Hubmer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. September 2017, GZ 65 Hv 96/17p-60, wurde Slavisa S***** neben nicht nach dem SMG ergangenen Schuldsprüchen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (D) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des – für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevanten – Schuldspruchs D hat er vom Jänner 2017 bis zum 16. März 2017 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 427,9 Gramm Cannabiskraut (enthaltend 66,2 Gramm THCA und 5,01 Gramm Delta-9-THC), erworben und besessen, wovon er eine „nicht mehr feststellbare, im Zweifel die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigende Menge“ „in Verkehr setzen wollte“.

Über die gegen den Strafausspruch erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft hat das hierfür zuständige Oberlandesgericht bislang nicht entschieden. Der Schuldspruch des Angeklagten erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

In ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bringt die Generalprokuratur Folgendes vor:

„Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.

Daraus folgt, dass das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung jedenfalls zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen iSd § 35 SMG vorliegen. Gelangt es zur Ansicht, dass diese Voraussetzungen für eine Diversion nach (fallbezogen) § 35 Abs 1 SMG iVm § 27 Abs 1 Z 1 erster oder zweiter Fall SMG nicht erfüllt sind, so hat es im Sinn des sich aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO ergebenden Gebots, die als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30 f) in den Entscheidungsgründen des Urteils in gedrängter Darstellung anzuführen, sohin fallbezogen Feststellungen zu treffen, aus denen sich die Nichtanwendung der Diversionsbestimmungen des SMG ableiten lassen (vgl auch RIS-Justiz RS0119091).

Da das vorliegende Urteil keine derartigen Feststellungen enthält und aus dem konstatierten beabsichtigten Weiterverkauf per se ein Vorteil für den Angeklagten, der die Uneigennützigkeit und damit ein diversionelles Vorgehen nach den §§ 37, 35 SMG ausschließt (Schwaighofer in WK2 SMG § 35 Rz 13 f), nicht abzuleiten ist, verletzt es in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (D./) das Gesetz in § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm den §§ 37, 35 Abs 1 SMG (15 Os 108/17x).“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung hindert der Umstand, dass der Angeklagte – wie hier – weiterer, mit dem Suchtmittelgesetz in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen schuldig erkannt wird, eine vorläufige Verfahrenseinstellung nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG nicht (RIS-Justiz RS0113621).

Auch dann ist ein – freilich als Ausnahme angelegtes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 658) – diversionelles Vorgehen gemäß § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG (unter den in § 35 Abs 3 bis 7 SMG normierten Voraussetzungen) in Ansehung solcher Straftaten nach § 27 Abs 1 oder 2 oder 30 SMG (zwingend) geboten, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden sind, ohne dass der Angeklagte daraus einen Vorteil gezogen hat.

Dieses (Diversions-)Kriterium und die (materielle) Voraussetzung des § 27 Abs 2 SMG („ausschließlich zum persönlichen Gebrauch“) werden insofern gleich verstanden, als nicht nur „Eigenkonsum“, sondern auch uneigennütziges Handeln zum persönlichen Gebrauch eines anderen (vgl § 35 Abs 1 SMG) den Privilegierungstatbestand erfüllt (RIS-Justiz RS0124624; Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 57; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 70). Daraus folgt, dass – unbeschadet der Änderung in § 35 Abs 1 SMG mit BGBl I 2015/144 („§ 27 Abs 1 oder 2“ statt zuvor „§ 27 Abs 1 und 2“), die zur „Klarstellung“ dienen sollte (siehe BAB 882 BlgNR 25. GP 17 f) – hinsichtlich einer Tat nach § 27 Abs 1 SMG das angesprochene Diversionskriterium genau dann erfüllt ist, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs 2 SMG vorliegen: Hier wie dort wird (nur) verlangt, dass die Tat ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder, ohne dass der Täter daraus einen Vorteil gezogen hat, für den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen wurde. Wurden daher durch die Tat § 27 Abs 1 und 2 SMG verwirklicht, ist Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG; zum Diversionsausschluss bei gleichzeitigem Schuldspruch wegen anderer strafbarer Handlungen nach dem SMG siehe RIS-Justiz RS0113621 [T5] und Schroll, WK-StPO § 203 Rz 34 f mwN; zum Verhältnis zu anderen Diversionsformen siehe Schroll, WK-StPO Vor §§ 198–209b Rz 16 f) – stets geboten. Dagegen ist diversionelles Vorgehen nach dieser Bestimmung – logisch – niemals zulässig, wenn durch die Tat nur Abs 1 (und nicht auch Abs 2) des § 27 SMG verwirklicht wurde (vgl Schroll, WK-StPO § 203 Rz 31/1; aA Schwaighofer in WK2 SMG § 35 Rz 9, obwohl er die § 27 Abs 2 mit § 35 Abs 1 SMG übereinstimmende Auslegung selbst vertritt). Als Privilegierungsvoraussetzung hat das Erstgericht den fraglichen Tatumstand (Begehung ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des Angeklagten selbst oder uneigennützig zu dem eines Dritten) hier – anders als zu 15 Os 108/17x, wo ein Schuldspruch nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG zugrunde lag – indes ebenso wenig bejaht wie als Kriterium des § 35 Abs 1 SMG.

Nach den Urteilskonstatierungen erwarb und besaß der Angeklagte das tatverfangene Suchtgift „in der Absicht“, einen die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigenden Teil davon zu „verkaufen“ und das Übrige selbst zu konsumieren (US 8).

Zwar trifft es zu, dass der Urteilssachverhalt die Nichtannahme der Voraussetzungen des § 35 Abs 1 SMG
– aber auch (wie mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO hinzugefügt sei) jener des § 27 Abs 2 SMG – deshalb trägt, weil das Schöffengericht in tatsächlicher Hinsicht keine Aussage dazu getroffen hat, ob der vom Angeklagten beabsichtigte „Verkauf“ ausschließlich uneigennützig für den persönlichen Gebrauch eines anderen stattfinden sollte (vgl Schroll, WK-StPO § 203 Rz 45).

Solche Feststellungen zu einem Ausnahmesatz (vgl RIS-Justiz RS0122332 [insbesondere T4]) aber wären nur dann zu treffen gewesen, wenn in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Beweisergebnisse auf einen Umstand hingedeutet hätten, der für die positive Beurteilung seiner Voraussetzungen den Ausschlag gäbe (vgl 14 Os 43/14a [zu § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG], 14 Os 33/17k [zu § 27 Abs 2 SMG] ua), was hier nach Lage der Akten nicht der Fall ist (und auch von der Beschwerde nicht behauptet wird).

Die von der Generalprokuratur relevierte Gesetzesverletzung liegt daher nicht vor, sodass ihre zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Textnummer

E120977

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00021.18Z.0313.000

Im RIS seit

23.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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