TE OGH 2017/9/19 15Os108/17x

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Veröffentlicht am 19.09.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Janko I***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 151 Hv 15/17h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 25. April 2017 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, und des Verteidigers, Dr. Philipp, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren AZ 151 Hv 15/17h des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil vom 25. April 2017 im Benjamin A***** betreffenden Schuldspruch IV./ § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37, 35 Abs 1 SMG.

Dieses Urteil wird in Ansehung des Angeklagten A***** im Schuldspruch IV./, im den Genannten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) ebenso aufgehoben, wie der gleichzeitig ergangene, diesen Angeklagten betreffende Widerrufsbeschluss, und es wird die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer auf den Angeklagten A***** bezogenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wien trat mit Verfügung vom 15. Februar 2016 gemäß § 35 Abs 9 SMG vorläufig von der Verfolgung des Benjamin A***** wegen des Verdachts nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG (Erwerb und Besitz von 0,4 Gramm Marihuana) zurück (ON 1 in ON 51).

Nachdem dieser nicht zur Begutachtung bei der Gesundheitsbehörde (§ 12 SMG) erschienen war (ON 8 in ON 51) und er auch mehreren Ladungen der Landespolizeidirektion nicht Folge geleistet hatte (ON 9 in ON 51), erhob die Staatsanwaltschaft am 29. September 2016 beim Bezirksgericht Donaustadt zu AZ 10 U 243/16y Strafantrag wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (ON 10 in ON 51).

Mit „Beschluss“ vom 15. März 2017 übermittelte das Bezirksgericht den Akt dem Landesgericht für Strafsachen Wien, welches diesen in das Verfahren AZ 151 Hv 15/17h einbezog (ON 50 S 2).

Mit Urteil dieses Gerichts vom 25. April 2017 (ON 64) wurde (unter anderem) Benjamin A***** der (richtig:) Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./A./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 3 StGB (II./B./1./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./[richtig:]B./2./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III./A./), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (III./B./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV./) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs zu IV./ hat Benjamin A***** am 8. Februar 2016 in W***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 0,4 Gramm Marihuana beinhaltend den Wirkstoff THC, ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen (US 4).

Hiezu stellten die Tatrichter lediglich fest, dass beim Genannten am 8. Februar 2016 im Zuge einer im Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung durchgeführten Personenkontrolle ein „Baggy“ Cannabiskraut vorgefunden wurde, welches dieser vorsätzlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen hatte (US 12). Diese Urteilsannahmen leitete das erkennende Gericht aus dem „diesbezüglichen Geständnis des Zweitangeklagten“ ab (US 13).

Feststellungen zur Nichtanwendung eines bloß auf den erwähnten Vorwurf nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG bezogenen (bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen ungeachtet der weiteren, mit dem Suchtmittelgesetz nicht in Zusammenhang stehenden Schuldsprüche an sich möglichen [RIS-Justiz RS0113621]) diversionellen Vorgehens nach §§ 35, 37 SMG enthält das Urteil (aus ON 5) nicht.

Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 67). Die Angeklagten verzichteten auf Rechtsmittel, sodass der Schuldspruch in Rechtskraft erwuchs (ON 63 S 34).

Dieses Urteil verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – im Schuldspruch IV./ das Gesetz.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 37 SMG hat nach Einbringen der Anklage das Gericht die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.

Daraus folgt, dass das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung jedenfalls zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen iSd § 35 SMG vorliegen. Gelangt es zur Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Diversion nach § 35 Abs 1 iVm § 27 Abs 1 Z 1 erster oder zweiter Fall, Abs 2 SMG nicht erfüllt sind, so hat es – im Sinn des sich aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO ergebenden Gebots, die als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen, entscheidungswesentlichen Tatsachen (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30 f) in den Entscheidungsgründen des Urteils in gedrängter Darstellung anzuführen – entsprechende Feststellungen im Urteil zu treffen, aus denen sich die Nichtanwendung der Diversionsbestimmungen des SMG ableiten lassen (vgl auch RIS-Justiz RS0119091).

Da das vorliegende Urteil keine derartigen Feststellungen enthält, verletzt es in Ansehung des den Angeklagten A***** betreffenden Schuldspruchs wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV./) das Gesetz in § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 37, 35 Abs 1 SMG.

Diese Gesetzesverletzung wirkte sich zum Nachteil des Angeklagten aus; der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihrer Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen.

Textnummer

E119675

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00108.17X.0919.000

Im RIS seit

04.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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