TE OGH 2017/11/28 9ObA102/17s

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Veröffentlicht am 28.11.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Thomas Kallab in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E***** S***** als Insolvenzverwalter der B***** GmbH, *****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 8 Ra 99/13g des Oberlandesgerichts Wien (als Berufungsverfahren zu AZ 39 Cga 115/12k des Arbeits- und Sozialgerichts Wien; Streitwert: 13.915,91 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2017, GZ 8 Ra 96/16w-33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit der Wiederaufnahmsklage angefochtenen Urteils zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RIS-Justiz RS0039991 ua).

Der Wiederaufnahmskläger ist dafür beweispflichtig, dass er ohne sein Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen vor Schluss der Verhandlung, auf welche das Urteil erging, geltend zu machen (RIS-Justiz RS0044633; RS0044558 [T12]). Ein Verschulden liegt etwa vor, wenn die Partei im Hauptprozess bereitstehende Beweismittel nicht anbietet. Ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht kann aber auch darin bestehen, dass eine Partei nicht die ihr zumutbaren Erhebungen pflegt, um die zur Dartuung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Zeugen auszuforschen oder sich sonstige Beweismittel zu verschaffen (RIS-Justiz RS0109743 [T3]; RS0044619 [T3, T4, T7]). Schon benützbare Beweismittel dürfen daher nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden. Ein Verschulden liegt somit vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, obwohl die Bedeutung der Beweismittel ohne weiteres erkennbar war. Unterließ demgegenüber die Partei im Vorprozess das Anbot von Beweismitteln, mit deren Vorhandensein sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht rechnen musste, liegt kein Verschulden vor (RIS-Justiz RS0044619 [T9, T10] ua). Die Voraussetzung, dass der zu beseitigende Nachteil ohne Verschulden der Partei entstanden sei, ist streng zu nehmen (so RIS-Justiz RS0044623).

Ob der Wiederaufnahmskläger die nach § 530 Abs 2 ZPO in Verbindung mit § 1297 ABGB zumutbare Sorgfalt angewendet hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einer Entscheidung darüber kommt grundsätzlich keine über diesen hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0111578 ua). Das ist auch hier nicht der Fall:

Der Kläger meint, erst aufgrund der objektiv unrichtigen Aussage des damaligen Geschäftsführers der Schuldnerin habe sich die Notwendigkeit zur Vorlage allfälliger weiterer Beweismittel ergeben. Aufgrund des Schlusses der Verhandlung sei ihm die Vorlage der diese Aussage widerlegenden E-Mails nicht mehr möglich gewesen.

Im Hauptverfahren wurde festgestellt, dass der Kläger mit der Übertragung seines Dienstverhältnisses von der (späteren) Schuldnerin auf eine andere Konzerngesellschaft einverstanden war. Dem Kläger war auch grundsätzlich bewusst, dass bei An- und Abmeldungen von Dienstnehmern ein Schriftverkehr per E-Mail stattfindet und dass damit die Sekretärin und Lohnverrechnerin befasst war. Der Beklagte als Masseverwalter der Schuldnerin hatte im ersten vorbereitenden Schriftsatz des Hauptverfahrens vorgebracht, dass der Kläger nach März 2011 ohne Wissen und Willen des Geschäftsführers der Schuldnerin (wieder) als ihr Dienstnehmer angemeldet worden sei (AZ 39 Cga 115/12k, ON 3 S 3). Die Erinnerungskraft des Geschäftsführers war im Zuge des Hauptverfahrens von einer Zeugin hinterfragt worden (AZ 39 Cga 115/12k, ON 13 S 20). Die Ansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger deshalb schon zu einem früheren Zeitpunkt im Hauptverfahren Grund und Anlass hatte, über seinen Vater, der als Geschäftsführer der Holding die Fäden im Konzern zog und die Ummeldungen faktisch veranlasste, oder über die Lohnverrechnerin den nun vorgelegten Schriftverkehr zu organisieren, ist danach vertretbar und überspannt die prozessualen Sorgfaltspflichten des Klägers noch nicht.

Die Erwägung des Berufungsgerichts, es hätte sich aufgrund der Motivation des Vaters, die (Rück-)Ummeldung des Dienstverhältnisses nur zur Erlangung von Krankengeld zu veranlassen, ohnedies nur um ein Scheindienstverhältnis mit der Schuldnerin gehandelt, ist danach nicht entscheidungswesentlich.

Einer weiteren Begründung bedarf die Zurückweisung der außerordentlichen Revision des Klägers nicht (§ 510 Abs 3 S 3 ZPO).

Schlagworte

;Arbeitsrecht;

Textnummer

E120333

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00102.17S.1128.000

Im RIS seit

12.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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