TE OGH 2017/10/25 1Ob177/17m

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. E. Solé, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** F*****, und 2. D***** F*****, beide vertreten durch die Nowotny & Wohlmacher Rechtsanwälte OG, Linz, gegen die beklagte Partei C***** F*****, vertreten durch Mag. Christian Malburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Juli 2017, GZ 2 R 17/17f-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom 25. Jänner 2017, GZ 2 C 16/16z-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Beklagte schloss 1992 in Notariatsaktsform einen Übergabsvertrag mit ihren Schwiegereltern. Gemäß diesem Vertrag erhielt sie eine Liegenschaft von diesen. Die Ausgedingeleistung („Übergabspreis“) bestand (zusammengefasst) in der häuslichen Versorgung und auch Pflege der Schwiegereltern sowie des Haushalts. Weiters sieht der Übergabsvertrag vor, dass die Übernehmerin im Fall ihrer Scheidung vom Sohn der Übergeber die Liegenschaft an ihre beiden Kinder (Kläger) schenken muss; deren Übereignungsanspruch entsteht mit der Rechtskraft der Scheidung. Unausgesprochener Zweck hinter diesem Punkt der Vereinbarung war, dass im Fall der Scheidung die landwirtschaftliche Liegenschaft „in der Familie“ bleibt. 2015 wurde die Ehe der Beklagten mit dem Sohn der Übergeber einvernehmlich geschieden.

Die beiden Kinder begehren nunmehr von der Beklagten deren Einwilligung zur Einverleibung ihres jeweiligen Hälfteanteils an der Liegenschaft.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Lehre und Rechtsprechung qualifizieren die einem Erwerber rechtsgeschäftlich auferlegte Verpflichtung, die übergebene Sache einer bestimmten dritten Person später zu überlassen, als eine im Rahmen der grundsätzlich herrschenden Vertragsfreiheit zulässige Vereinbarung eines sogenannten Besitznachfolgerechts (5 Ob 58/13k mwN; RIS-Justiz RS0012539 [T1]; Apathy/Neumayr in KBB5 § 608 Rz 7; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 608 Rz 4; vgl RS0012650; RS0017044 [T1]; RS0017174 [T1]). Charakteristisch für derartige Nachfolgerechte ist, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist oder im Todesfall an den Besitznachfolger fällt oder die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums begründet wird (2 Ob 68/15m mwN). Die vom Übernehmer eingegangene Verpflichtung, die Übergabsliegenschaft seinerzeit einem Dritten zu überlassen, stellt einen sogenannten „echten“ Vertrag zu Gunsten Dritter dar. Das vom Dritten erworbene Besitznachfolgerecht wurzelt in dem zwischen dem Übergeber als Versprechensempfänger und dem Übernehmer als dem Versprechenden geschlossenen Vertrag (§ 881 Abs 2 ABGB; RIS-Justiz RS0017098 [T1]). Die vom Beschenkten (Übernehmer) übernommene Verpflichtung, die geschenkte Liegenschaft niemand anderem als einem bestimmten Dritten zu überlassen, begründet einen Vertrag zu Gunsten dieses Dritten, der daraus einen unmittelbaren Anspruch erwirbt (RIS-Justiz RS0017044).

2. § 897 ABGB verweist für die rechtsgeschäftliche Bedingung bei Verträgen unter Lebenden auf die §§ 696 ff ABGB. Nach früherer Rechtslage war die Bedingung der Scheidung durch § 700 ABGB aF nicht geregelt, sodass diesbezüglich die Bestimmungen der §§ 879 und 698 aF ABGB anwendbar waren und die (auflösende) Bedingung unter Berücksichtigung der Umstände des Falls zu beurteilen war (Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 700 Rz 9 [Stand 1. 11. 2014]; Spruzina in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 700 Rz 13 [Stand 1. 7. 2013]). Seit dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts (grundsätzlich mit 1. 1. 2017; § 1503 Abs 7 Z 1 ABGB) gelten gemäß § 697 ABGB gesetz- oder sittenwidrige Bedingungen als nicht beigesetzt. Hinsichtlich auflösender gesetz- oder sittenwidriger Bedingungen trat gegenüber der früheren Rechtslage keine Änderung ein (vgl Apathy/Musger in KBB5 § 697 ABGB Rz 1).

3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt zwar bei der Vergabe von Aufträgen mit vorformuliertem Klauselkatalog, mit dem den Bietern der Vertragsinhalt – zumindest weitgehend – vorgegeben wird, jene typische Ungleichgewichtslage vor, wie sie der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu eigen ist, sodass es geboten erscheint, § 879 Abs 3 ABGB auch in solchen Fällen zur Beurteilung der Unwirksamkeit von Klauseln wegen gröblicher Benachteiligung im Wege der Analogie heranzuziehen (RIS-Justiz RS0119323). Ein damit vergleichbarer Sachverhalt liegt aber – entgegen der Ansicht der Revisionswerberin – hier nicht vor.

Nach der Begründung des Gerichts zweiter Instanz hätte sich die Beklagte bei Abschluss des individuellen Übergabsvertrags eines Rechtsanwalts bedienen können. Mit dem Übergabsvertrag habe sie eine Liegenschaft gegen Einräumung eines Ausgedinges als Gegenleistung erhalten; von einem Aufdrängen einer benachteiligenden Bestimmung seitens typischerweise überlegener Vertragspartner (ihrer Schwiegereltern), das § 879 Abs 3 ABGB vor allem bekämpfen wolle, könne hier nicht die Rede sein; auch sei nicht ersichtlich, inwiefern bei ihr eine verdünnte Willensfreiheit vorgelegen haben solle. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im gegenständlichen Fall eine Heranziehung von § 879 Abs 3 ABGB im Wege der Analogie nicht in Betracht kommt, liege doch nicht jene typische Ungleichgewichtslage vor, die der Verwendung von AGB zu eigen sei, ist nicht zu beanstanden.

4. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass die Verpflichtung zur „Schenkung“ an die Kläger im Fall ihrer Scheidung gegen kein gesetzliches Verbot verstößt. Sie vermeint jedoch, die Bedingung sei sittenwidrig (im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB). Dass die gegenständliche Bedingung der Ehescheidung von der „herrschenden Meinung“ als nichtig angesehen werde, trifft nicht zu, beschäftigt sich doch keine der von der Beklagten und dem von ihr beigezogenen Rechtsgutachter zitierten Literaturstellen mit einer Klausel, die nur annähernd mit der gegenständlichen Regelung (mit der Überschrift „bedingter Übereignungsanspruch“) vergleichbar ist. Nach den Feststellungen war der Beklagten im Zuge der Scheidungsverhandlungen und der Scheidung die im Übergabsvertrag vereinbarte Klausel mit der bedingten Übereignungsverpflichtung nicht mehr erinnerlich. Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Einschränkung der persönlichen Freiheit lagen nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vor.

Nach der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung des Berufungsgerichts ist eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen der Beklagten nicht vorgelegen. Sie sei bei Vertragsabschluss unter keinerlei Druck gestanden. Die Regelung ziele auf den Erhalt der Liegenschaft im bäuerlichen Familienbesitz und auf die Versorgung der Enkelkinder der Übergeber und Kinder der Beklagten ab. Die Beklagte habe als Eigentümerin der Liegenschaft ab 1992 den Nutzen daraus infolge Bewirtschaftung ziehen können; nach den Feststellungen seien die Erträge aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft auf das gemeinsame Konto der Beklagten und ihres (Ex-)Gatten geflossen. Dem stünden Haushalts- und Pflegedienste der Beklagten für den Zeitraum (zumindest) ab 2009 bis 2012/2013 im Ausmaß von wöchentlich „einigen Stunden“ gegenüber. Für eine Sittenwidrigkeit der Vertragsbestimmung (im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB) bestünde im vorliegenden Fall kein Anlass. Mit dieser Rechtsansicht hat das Gericht zweiter Instanz die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten (vgl RIS-Justiz RS0042881 [T5, T8]).

Wenn die Beklagte in der Revision damit argumentiert, dass sie gegenüber ihren Schwiegereltern Dienstleistungen erbracht habe, für die sie nunmehr nicht entschädigt werde, übergeht sie, dass sie dort weit über 20 Jahre wohnen und durch die Bewirtschaftung auch Erträge erzielen konnte. Eine konkrete „grobe Inäquivalenz“ der gegenseitigen Vertragspositionen vermag sie nicht aufzuzeigen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E119929

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00177.17M.1025.000

Im RIS seit

05.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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