TE OGH 2017/10/3 14Os82/17s

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Veröffentlicht am 03.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Dr. Sylvia N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 22. Mai 2017, GZ 38 Hv 14/17z-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung der Dr. Sylvia N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat sie – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in O***** und an anderen Orten unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer Geisteskrankheit im Sinn einer manisch psychotischen Exazerbation einer bipolaren affektiven Störung, beruht, Nachgenannte gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

(III) im Dezember 2016 und Jänner 2017 ihren Ehemann Dr. Josef N***** und ihre Töchter Isabella und Marie N*****, indem sie während ihrer Unterbringung im Landesklinikum W***** mehrere – vom für das Unterbringungsverfahren zuständigen Richter an Dr. Josef N***** weitergeleitete – Schriftstücke verfasste, in denen sie unter anderem schrieb: „Ich habe meinen Mann getötet. Ich habe mein Kind Isabella mit fünf Messerstichen abgestochen. Ich habe meine Tochter Marie gedrosselt. Mädchen sind unwertes Leben innerhalb der Familie. Ich steche mein Kind ab“, „Ich ersteche mein Kind, dasjenige das er liebt“, „Ich ersteche mein Kind ? mein Mann“;

(IV) am 4. Jänner 2017 den Pflichtschulinspektor des Landesschulrats für Niederösterreich, Franz W*****, indem sie ihn während ihrer Unterbringung im Landesklinikum W***** anrief und sagte, sie werde ihre Kinder abstechen, um sich an der Schule, den Lehrern und dem Schulinspektor zu rächen; auch wenn die Kinder derzeit nicht bei ihr seien, werde sie sie irgendwann kriegen,

und dadurch mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert mit ihrem Einwand von Rechtsfehlern mangels Feststellungen sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite nicht auf Basis des Urteilssachverhalts und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit

(RIS-Justiz RS0099810).

Zu Punkt III des Urteilsspruchs ignoriert sie nämlich sowohl die – durch (zulässigen; vgl dazu Danek, WK-StPO § 270 Rz 32; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580; RIS-Justiz RS0098936 [T15]) Verweis auf den Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) getroffenen – Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten (schriftlichen) Äußerungen, als auch die – die vermisste Ankündigung eines zukünftigen Übels gar wohl enthaltenden – Passagen aus den (von der Rüge nur partiell zitierten) betreffenden Schreiben („Ich steche mein Kind ab“, „Ich ersteche mein Kind, dasjenige, das er liebt.“; „Ich ersteche mein Kind ...“; US 5 f iVm US 2), sowie weiters die Urteilsannahmen, nach denen die Betroffene (auch) in der Absicht handelte, dass die Drohungen den bedrohten Personen, nämlich ihrem Ehemann und ihren Töchtern, zur Kenntnis gelangen (US 6, 8).

Entgegen der weiteren Beschwerdebehauptung lässt sich den Entscheidungsgründen bei – von der Rüge erneut prozessordnungswidrig nicht angestellter – Gesamtbetrachtung und unter Heranziehung des Urteilstenors zu deren

Verdeutlichung (RIS-Justiz RS0117247 [T2]) auch unmissverständlich entnehmen, dass Dr. Sylvia N***** die verfahrensgegenständlichen Schriftsätze in dem sie betreffenden, beim Bezirksgericht W***** zu AZ 1 UB ***** geführten Unterbringungsverfahren (mit dem Ziel der Weiterleitung an die Bedrohten) einbrachte (US 5 f iVm US 2).

Aus welchem Grund es ungeachtet dieser Urteilsannahmen und jener zur subjektiven Tatseite für die vorgenommene Subsumtion relevant sein sollte, ob die Betroffene Einfluss auf die Weiterleitung der Schriftstücke an die Bedrohten hatte, und weshalb es zudem erforderlich gewesen wäre, weitere Feststellungen dazu zu treffen, auf welche Weise ihr Ehemann tatsächlich Kenntnis von den schriftlichen Drohungen erlangte, erklärt die Beschwerde nicht. Sie verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes

(RIS-Justiz

RS0116569).

Soweit sie aus den Verfahrensergebnissen andere, für die Beschwerdeführerin günstigere Schlüsse zieht als jene des Erstgerichts, übt sie bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Bezogen auf Punkt IV des Urteilsspruchs vertritt die Rüge unter Berufung auf eine (ersichtlich missverstandene) Kommentarmeinung (Schwaighofer in WK2 StGB § 107 Rz 13) die Ansicht, Drohungen, die der Täter im Zorn oder in einem außergewöhnlichen Erregungszustand ausspricht, würden – mangels Vorliegens der subjektiven Tatseite – (generell) „nicht unter § 107 StGB fallen“ und reklamiert unter Hinweis auf die – nach ihrer Ansicht – einen solchen Gemütszustand der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt indizierenden Aussage des Tatopfers entsprechende Feststellungen. Indem sie dabei die Konstatierungen zur Absicht der Betroffenen, den Bedrohten in Furcht und Unruhe vor der Verwirklichung des angekündigten Übels, nämlich der Tötung ihrer – unter dem Schutz des Adressaten der Drohung stehenden – Kinder, zu versetzen (US 5 f, 12), entfernt sie sich ein weiteres Mal vom Urteilsinhalt.

Die Sanktionsrüge (Z 11) bekämpft ausdrücklich nur das – auf eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung der Erkenntnisquellen gestützte, nicht bloß schematisch und keineswegs widersprüchlich begründete – Unterbleiben bedingter Nachsicht der Maßnahme und erstattet solcherart bloß ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0099865; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728; ders in WK2 StGB § 45 Rz 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E119488

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00082.17S.1003.000

Im RIS seit

12.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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