TE Vfgh Beschluss 2012/12/12 KI-4/12

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2012
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6620 Bringungsrecht, Güter- und Seilwege

Norm

B-VG Art138 Abs1 Z2
VfGG §46, §52
Vlbg Güter- und SeilwegeG

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem OGH und dem VwGH betreffend einen Anspruch auf Benutzung eines Güterweges; kein Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes mangels Entscheidung in derselben Sache; Kostenzuspruch an die beteiligte Partei

Spruch

              I. Der Antrag wird zurückgewiesen.

              II. Der Antragsteller ist schuldig, der beteiligten Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die beantragten Kosten des Verfahrens iHv insgesamt € 1.326,96 binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Begründung:

I.

              1. Mit dem vorliegenden, auf Art138 Abs1 Z1 (gemeint wohl: Z2) B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Entscheidung über einen bejahenden Kompetenzkonflikt zwischen den ordentlichen Gerichten und dem Verwaltungsgerichtshof "mit dem weiteren Begehren, die oben einkopierten die gerichtliche Zuständigkeit bejahenden Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Innsbruck und des Obersten Gerichtshofs wegen Nichtigkeit und Unzuständigkeit aufzuheben". Diesem Begehren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

              1.1. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2010,

Z4 Cg 77/10m, wies das Landesgericht Feldkirch das Klagebegehren der im hg. Verfahren beteiligten Partei, der (nunmehrige) Antragsteller sei "schuldig, ab sofort die Wegnahme des Zusatzschildes mit der Aufschrift 'ausgenommen Anrainer und Zubringer', welches am Beginn der Zufahrtsstraße zum Anwesen [...] unterhalb der dort ebenfalls befindlichen Fahrverbotstafel montiert wurde, insoweit zu unterlassen, als dadurch für die betreffende Zufahrtsstraße [...] zum Anwesen [...] ein allgemeines Fahrverbot ausgewiesen wird" samt Eventualbegehren mangels Zulässigkeit des ordentlichen Zivilrechtsweges zurück.

              1.2. Dem dagegen von der beteiligten Partei erhobenen Rekurs wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 24. Februar 2011 Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen wurde; der angefochtene Beschluss wurde im Umfang der Zurückweisung der Klagebegehren einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Die Zuständigkeit der Zivilgerichte wurde folgendermaßen begründet:

              "Der Rekurs ist berechtigt.

              [...]

              1. Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen

sind, ob also der Rechtsweg (= Gerichtsweg) gegeben ist, hängt davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde. Der Gesetzgeber kann im Rahmen einer positiven Anordnung festlegen, ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder vor eine Verwaltungsbehörde gehört; ihm sind aber gemäß Art6 Abs1 EMRK verfassungsrechtliche Schranken dahin gesetzt, dass er 'zivilrechtliche Ansprüche' vor die Gerichte ('tribunal' im Sinne des Art6 Abs1 EMRK) verweisen muss [...].

              Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben [...]. Mit der Eigentumsfreiheitsklage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, falls sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind [...].

              2. Der Kläger stützt seine Begehren, wie sich aus den Klagsbehauptungen ergibt und im Rekursvorbringen konsequent wiederholt wird, einerseits auf Ersitzung (ein ersessenes Geh- und Fahrrecht) und andererseits auf eine privatrechtliche Vereinbarung. Unter Bedachtnahme auf den Wortlaut der Klagebegehren zu Pkt 1 bis 4 geht es um die Unterlassung verschiedener ungerechtfertigter Eingriffe in die (allenfalls über das Bringungsrecht hinausgehende) Dienstbarkeit des Klägers; insoweit liegt eine Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) vor [...]. Daran ändert nichts, dass die Einwendungen auf einen öffentlich-rechtlichen Titel gestützt werden [...], hier also auf §13 Abs4 GSG, wonach über Streitigkeiten, die zwischen einer Güterwege- oder Seilwegegenossenschaft und ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern einer solchen Genossenschaft untereinander aus dem Genossenschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörden zu entscheiden haben.

              [...]"

              1.3. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller einen außerordentlichen Revisionsrekurs, der mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 20. Oktober 2011, Z2 Ob 87/11z, als "jedenfalls unzulässig" zurückgewiesen wurde. Begründend führt der Oberste Gerichtshof Folgendes aus (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

              "II. Zur Abänderungsentscheidung des Rekursgerichts:

              [...]

              Der Beklagte erhebt außerordentlichen Revisionsrekurs 'in vollem Umfang' mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

              Mit seinen Ausführungen legt er keine Rechtsfrage von über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung und keine aufzugreifende Unrichtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung dar:

              1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist maßgeblich, ob nach dem Inhalt der Klage (Klagebegehren und Klagebehauptungen) ein zivilrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (7 Ob 277/05v; RIS-Justiz RS0045584).

              Mit der Eigentumsfreiheitsklage wird stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen hat, wenn sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen sind (1 Ob 63/02z mwN).

              2. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, muss dies im Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (4 Ob 524/93; RIS-Justiz RS0045474).

              Bringt ein Kläger daher zB vor, dass dem Beklagten ein bestimmtes landwirtschaftliches Bringungsrecht zustehe, leitet er seinen Anspruch aber daraus ab, dass der Beklagte, ohne durch dieses Bringungsrecht dazu berechtigt zu sein, Maßnahmen auf der Liegenschaft des Klägers trifft, gründet sich sein Anspruch auf sein Eigentumsrecht. Es ist daher der Rechtsweg zulässig (RIS-Justiz RS0045639). Gründet ein Kläger hingegen seinen Anspruch gegen andere Bringungsberechtigte nicht auf seinen privatrechtlichen Titel, sondern auf ein ihm von der Agrarbehörde eingeräumtes Bringungsrecht, ist der Rechtsweg nicht zulässig (RIS-Justiz RS0115952).

              3. Hier behauptet der Kläger aufgrund einer

ersessenen Servitut bzw einer privatrechtlichen Vereinbarung zur Benutzung des Zufahrtswegs bis zu seinem Wohnhaus auch über die im Rahmen der Wegegenossenschaft zustehenden land- und forstwirtschaftlichen Zwecke hinaus berechtigt zu sein. Er stützt daher sein Begehren auf ein Privatrecht.

              4. Dass der Beklagte dies mit dem Hinweis bestreitet, dass allen an der Wegegenossenschaft Beteiligten nur Rechte im Rahmen dieser Wegegenossenschaft zustünden, ändert daran nichts, weil es auf die Einwendungen des Beklagten nicht ankommt (RIS-Justiz RS0045584).

              5. Da der Anspruch grundsätzlich auf ein bürgerliches Recht gestützt wird, könnte die Zuständigkeit der Gerichte nur dann entfallen, wenn Streitigkeiten darüber durch ein Gesetz zur Entscheidung an die Verwaltungsbehörden übertragen wären.

              Nach §13 Abs4 des vbg Gesetzes über das land- und forstwirtschaftliche Bringungsrecht entscheiden über Streitigkeiten zwischen einer Güterwege- oder Seilwegegenossenschaft und ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern einer solchen Genossenschaft untereinander aus dem Genossenschaftsverhältnis die Agrarbehörden.

              Der Kläger macht aber hier gerade keinen Anspruch aus dem Genossenschaftsverhältnis, sondern ein davon unabhängiges bzw darüber hinausgehendes Privatrecht zur Grundlage seiner Ansprüche. Diese Rechtsstreitigkeit wurde mit der angeführten Rechtsvorschrift aber nicht zur Entscheidung an die Agrarbehörden verwiesen.

              6. Insoweit sind auch die vom Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 7 Ob 344/00g bzw 7 Ob 518/84 nicht einschlägig, weil es dort jeweils um Streitigkeiten aus dem Agrargemeinschaftsverhältnis ging.

              7. Gegen dieses Ergebnis spricht auch die vom Revisionsrekurs zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 2007/07/0164 nicht. Zwar wird in dieser ausgeführt, dass hinsichtlich des auch von der vorliegenden Klage betroffenen Güterwegs von einer 'doppelten Rechtsnatur' keine Rede sein könne. Diese Ausführungen stehen aber im Zusammenhang mit jenen, wonach aus der Gründungsgeschichte der Güterwegegenossenschaft und aus dem Gründungsbescheid kein Hinweis zu ersehen sei, dass dem dortigen Beschwerdeführer und nunmehrigen Kläger parallel zum wechselseitig eingeräumten Bringungsrecht ein privates Zufahrtsrecht für nicht land- und forstwirtschaftliche Fahrten eingeräumt oder ein derartiges bestehendes Recht aufrecht erhalten werden solle. Es ergebe sich vielmehr das Bild, dass mit dem Gründungsbescheid die Rechtsgrundlage für sämtliche notwendigen Zufahrten über den Güterweg geregelt habe werden sollen und dass auch das Zufahrtsrecht des Beschwerdeführers zu nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken seine Rechtsgrundlage im zitierten Gründungsbescheid finde.

              Diese Erwägungen sprechen aber nicht für die Unzulässigkeit des Rechtswegs für das vom Kläger behauptete Privatrecht, sondern - wenn überhaupt - allenfalls gegen die tatsächliche Existenz eines solchen Privatrechts, über das aber erst mit der Sachentscheidung zu befinden sein wird.

              [...]"

              1.4. Der Antragsteller beantragte daraufhin mit

Eingabe vom 9. Dezember 2011 beim Landesgericht Feldkirch, dieses möge einen Kompetenzprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen. Mit Beschluss vom 15. Jänner 2012, Z7 Cg 57/11v wies das Landesgericht Feldkirch diesen Antrag ab.

              2. Der vorliegende Antrag richtet sich "gegen diese Entscheidungen" (gemeint: gegen die unter Pkt. 1.2. und 1.3. angeführten Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Innsbruck und des Obersten Gerichtshofes). Der Antragsteller stellt in der Begründung seines Antrages eingangs (auszugsweise) die bisher ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes über Beschwerden der im hg. Verfahren beteiligten Partei im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Güterweg dar und kommt zu dem Schluss, es sei "offenkundig, dass sämtliche vom Kläger [von der beteiligten Partei] geltend gemachten Ansprüche in der Substanz bereits vom Verwaltungsgerichtshof entschieden sind und in die Zuständigkeit der Agrarbehörden und des Verwaltungsgerichtshofes fallen".

II.

              Der Antrag ist nicht zulässig.

              1. Gemäß Art138 Abs1 Z2 B-VG iVm §46 Abs1 VfGG

besteht ein vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender Kompetenzkonflikt u.a. dann, wenn ordentliche Gerichte und der Verwaltungsgerichtshof ihre Zuständigkeit in derselben Sache in Anspruch genommen oder in derselben Sache selbst entschieden haben.

              2. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

              Wie (zuletzt) im Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 20. Oktober 2011, Z2 Ob 87/11z, zutreffend ausgeführt wird, wurde in den Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und in dem Verfahren vor dem Landesgericht Feldkirch (bzw. in der Folge vor dem Oberlandesgericht Innsbruck und dem Obersten Gerichtshof) eben nicht "in derselben Sache" entschieden: In den Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren jeweils Ansprüche aus dem Genossenschaftsverhältnis strittig, über deren (Nicht-)Bestehen nach dem Vbg. Güter- und Seilwegegesetz die Agrarbehörden zu entscheiden haben. Demgegenüber berief sich der Kläger in dem Verfahren vor dem Landesgericht Feldkirch auf ein ersessenes Servitut bzw. auf eine privatrechtliche Vereinbarung zur Benutzung des Zufahrtswegs bis zu seinem Wohnhaus auch über die im Rahmen der Wegegenossenschaft zustehenden land- und forstwirtschaftlichen Zwecke hinaus.

              Der Kläger stützte sein Begehren in diesem Verfahren daher ausschließlich auf einen privatrechtlichen Anspruch. Die Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen eines über das Genossenschaftsverhältnis hinausgehenden (davon unabhängigen) Privatrechts liegt in der Zuständigkeit der Gerichte, solange Streitigkeiten darüber nicht durch ein Gesetz zur Entscheidung an die Verwaltungsbehörden übertragen sind (vgl. §1 JN). Eine solche Zuständigkeitsübertragung ist im Vbg. Güter- und Seilwegegesetz nicht vorgesehen.

              3. Da ein bejahender Kompetenzkonflikt nicht

vorliegt, ist der Antrag wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

              4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §52 VfGG. Dem Antrag der beteiligten Partei, die dem Verfahren von Amts wegen beigezogen wurde, auf Kostenersatz ist aus folgenden Erwägungen Folge zu geben: Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (VfSlg. 11.925/1988, 16.329/2001), ist der Wortlaut des §52 zweiter Satz VfGG in dem Sinn auszulegen, dass der Gesetzgeber damit die Möglichkeit eröffnete, in Verfahren zur Entscheidung eines im Sinne des §46 VfGG durch die Partei anhängig gemachten Kompetenzkonfliktes der antragstellenden Partei den Ersatz der anderen Beteiligten erwachsenden Kosten nicht nur bei Zurückziehung, sondern - wie dies im gegebenen Fall zutrifft - auch bei Erfolglosigkeit ihres Antrages infolge Zurückweisung aufzuerlegen. Der Kostenersatzanspruch eines am Verfahren Beteiligten kann nämlich nicht davon abhängen, ob der Antrag, dessen (von seinem Willen unabhängige) Einbringung für ihn Kosten nach sich zog, aus dem einen oder dem anderen Grund erfolglos geblieben ist. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer iHv € 221,16 enthalten.

              5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Güter- und Seilwege, VfGH / Kosten, VfGH / Beteiligter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:KI4.2012

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten