TE OGH 2009/1/21 3Ob268/08w

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Veröffentlicht am 21.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei T***** AG, *****, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung (§ 355 EO), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. September 2008, GZ 53 R 246/08w, 248/08i, 277/08d-160, womit unter anderem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 27. Juni 2008, GZ 6 E 8267/07h-108, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs wird in Ansehung der Aufschiebung der Exekution im Umfang der Strafbeschlüsse ON 12, 14, 35 und 56 zurückgewiesen.

Im Übrigen (in Ansehung des Strafbeschlusses ON 62) wird dem Revisionsrekurs dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit 1.889,28 EUR (darin 314,88 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Aufgrund von behaupteten Verstößen der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verhängte das Erstgericht über die verpflichtete Partei im Rahmen der vorliegenden Unterlassungsexekution auf Antrag der betreibenden Partei ua mit den Beschlüssen ON 12, 14, 35, 56 und 62 Geldstrafen, die im Instanzenzug jeweils herabgesetzt wurden. Rechtskräftig festgesetzt wurden diese Strafen (zufolge der Beschlüsse zu AZ 3 Ob 125/08s, 3 Ob 163/08d und 3 Ob 183/08w) demnach mit 40.000 EUR, 50.000 EUR, 52.000 EUR und zweimal 55.000 EUR. Die verpflichtete Partei zahlte die ersten vier dieser Geldstrafen am 8. August 2008 (ON 135 - 139 iVm ON 179).

Am 16. Juni 2008 beantragte sie - gestützt auf eine beim Erstgericht eingebrachte exekutionsrechtliche Klage -, „die gegenständliche Unterlassungsexekution sowie die Vollziehung" bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage aufzuschieben (ON 99).

Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, die Nichtaufschiebung der Exekution greife massiv in ihre Rechtsposition ein. Abgesehen von der in die Betrachtung einzubeziehenden, einen Missbrauch ihrer Marktmacht bildenden Vorgangsweise der betreibenden Partei (die näher dargestellt wird), übersteige die Höhe der im vorliegenden Verfahren bisher verhängten Geldstrafen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als junges Unternehmen bei weitem. Sie müsse sämtliche Werbetätigkeiten stark einschränken und sogar auf Mitarbeiter verzichten. Bei einem Stammkapital von 150.000 EUR und einem Monatsumsatz von 300.000 EUR werde ihr wirtschaftliches Fortkommen durch Geldstrafen in Höhe von insgesamt 454.000 EUR massiv beeinträchtigt. Es könne auch ein Konkurs drohen. Der Schaden lasse sich nur schwer nachweisen und daher nur schwer bei der betreibenden Partei einbringen. Die vorzunehmende Interessenabwägung gegenüber der betreibenden Partei, die Telefonkunden, die sie dieser abgeworben habe, durch laufende Vorlage von eidesstättigen Erklärungen zu beeinflussen suche, müsse eindeutig zu ihren Gunsten ausfallen. Die eingebrachte Impugnationsklage sei keineswegs aussichtslos. Durch den Aufschub von Exekutionsmaßnahmen seien keine Nachteile für die betreibende Gläubigerin verbunden. Es gehe ja um die Durchsetzung eines Unterlassungstitels. Bei der Aufschiebung eines wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs sei auf das Verhalten der betreibenden Partei abzustellen; deren Vorgangsweise, jede Beschwerde zum Anlass eines Strafantrags zu nehmen, spreche für sich. Die betreibende Partei sprach sich gegen die Aufschiebung aus. Das Erstgericht wies am 27. Juni 2008 den Aufschiebungsantrag - ebenso wie den Antrag der betreibenden Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Äußerung - mangels hinreichender Behauptungen nach § 44 Abs 1 EO ab, ohne Tatsachen festzustellen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der verpflichteten Partei gegen diese Entscheidung mit Beschluss vom 30. September 2008 teilweise dahin Folge, dass es die Unterlassungsexekution hinsichtlich der Strafbeschlüsse ON 12, 14, 35, 56 und 62 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren über die Impugnationsklage der verpflichteten Partei gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von

34.500 EUR aufhob. Dagegen wies es den weitergehenden Antrag auf Aufschiebung des gesamten Exekutionsverfahrens (auch hinsichtlich vorangegangener und nachfolgender Strafbeschlüsse) ab. Der Umstand, dass die verpflichtete Partei aufgrund der verhängten Strafen ihre Werbetätigkeiten einschränken bzw auf die Einstellung von Mitarbeitern verzichten müsse, könne aufgrund der Aussage ihres Geschäftsführers als bescheinigt angenommen werden. Bestehe der Hauptteil der Geschäftstätigkeit - wie hier bei einem im Aufbau begriffenen Telefonanbieter im ersten Geschäftsjahr - in der Anwerbung neuer Kunden, sei es nachvollziehbar, dass Abgänge durch eine Gesamtgeldstrafe von 562.000 EUR zu einer Einschränkung dieser Tätigkeit führten. Dies stehe wiederum offenkundig in direktem Zusammenhang mit der Umsatzentwicklung (vgl zur Offenkundigkeit 3 Ob 342/99m). Damit sei die Gefahr eines Vermögensnachteils trotz der Möglichkeit der Rückzahlung der Strafen evident. Zwar stelle die Judikatur zum schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil auf die wirtschaftliche Situation der betreibenden Partei ab (3 Ob 151/06m), es könne aber auch die Unmöglichkeit, die erlittenen Nachteile ziffernmäßig nachzuweisen, diese Voraussetzung erfüllen. Es sei notorisch, dass ein konkreter Nachweis, welche Umsätze bzw Gewinne bei regulärer Geschäftstätigkeit erzielt worden wären, nicht möglich sei, zumal sich die Wirkungen aus der eingeschränkten Tätigkeit auch weit in die Zukunft erstreckten. Auch die Möglichkeit einer Festsetzung des Schadenersatzes nach § 273 Abs 1 ZPO schließe diese Gefahr nicht aus. Da aber die Aufschiebung geeignet sei, die Befriedigung der betreibenden Partei zu gefährden, sei die Aufschiebung vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Eine Aufschiebung für erst zu vollziehende Exekutionsakte (aufgrund von erst nach der vorliegenden Entscheidung einlangenden Anträgen) komme aber mangels der dafür erforderlichen Behauptungen nicht in Betracht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei sämtlichen Strafbeschlüssen 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle (zum stattgebenden Teil) Rechtsprechung zur Frage, ob die mangelnde Beweisbarkeit des tatsächlichen Schadens einen schwer zu ersetzenden Vermögensnachteil darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist überwiegend unzulässig, in Ansehung des zeitlich letzten der betroffenen Strafbeschlüsse (ON 62) aber berechtigt.

1. Im Umfang der Aufschiebung der Exekution der vier Strafbeschlüsse ON 12, 14, 35 und 56 fehlte der betreibenden Partei schon im Zeitpunkt des Einbringens des Revisionsrekurses die materielle Beschwer, deren Fehlen trotz Abweichen der Entscheidung vom Sachantrag zur Zurückweisung des Rechtsmittels führt (stRsp, 4 Ob 576/94 = SZ 67/230 ua, RIS-Justiz RS0041868). Wie sich aus der Schilderung des Verfahrensverlaufs ergibt, hatte die verpflichtete Partei noch vor der Entscheidung zweiter Instanz, bei der die Zahlung offenkundig im Akt noch nicht ersichtlich war, die mit jenen Beschlüssen über sie verhängten Geldstrafen vollständig gezahlt. Damit war aber die Exekution in diesem Umfang beendet, die Aufschiebung ging insoweit ins Leere, weil ein bereits beendetes Exekutionsverfahren nicht aufgeschoben werden kann (RS0001029; RS0001667; Jakusch in Angst, EO² § 42 Rz 31; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO Vorbem zu §§ 42 - 45 Rz 4). Das muss auch für jeden einzelnen Strafbeschluss bei der Unterlassungsexekution gelten, der rechtlich selbständig ist (3 Ob 256/04z mwN; iglS schon 3 Ob 46 - 66, 1053/91, 1053/91 ua, RIS-Justiz RS0004458). Dem entsprechend wiesen auch die Vorinstanzen den Antrag der verpflichteten Partei auf Rückzahlung dieser vier Geldstrafen mittlerweile übereinstimmend (und damit nach § 78 EO iVm § 528 Abs 1 Z 2 ZPO unanfechtbar) ab (ON 178 und 222).

Somit hat die betreibende Partei mit ihren zu den erwähnten Strafbeschlüssen führenden Anträgen alles erreicht, was sie im Rahmen der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen nach dem Gesetz erreichen konnte. Einen wie immer gearteten Nachteil bedeutet die wirkungslose Bewilligung der Aufschiebung der Exekution in diesem Umfang somit nicht. Ihr Revisionsrekurs ist daher insoweit unzulässig. Das Interesse an der Kostenentscheidung erster Instanz könnte eine andere Beurteilung im vorliegenden Fall schon deshalb nicht rechtfertigen, weil das Erstgericht einen Kostenzuspruch für die Äußerung zum Aufschiebungsantrag bereits unangefochten abgewiesen hat (s aber die überwiegende Rsp, wonach Kosteninteressen generell keine Beschwer begründen: RIS-Justiz RS0002396 [T17] und [T21]).

2. In Ansehung des Strafbeschlusses ON 62 ist dagegen der Revisionsrekurs berechtigt. Die verpflichtete Partei erlegte die vom Rekursgericht festgesetzte Sicherheitsleistung (ON 177). Die demnach wirksam gewordene Aufschiebung der Exekution in diesem Umfang steht ungeachtet der vom Rekursgericht im Tatsachenbereich getroffenen Feststellungen mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Aufschiebung der Exekution nicht in Einklang.

Wie vom erkennenden Senat ausführlich dargelegt wurde, steht der Aufschiebung der Exekution eines rechtskräftigen Strafbeschlusses die Möglichkeit eines Stundungsansuchens im Exekutionsverfahren zur Hereinbringung der Geldstrafe wegen der Einheit der Exekutionsführung nach § 355 EO und der letztgenannten nach § 11 Abs 1 GEG 1962 nicht entgegen (3 Ob 12/06w = SZ 2006/46 mwN, zustimmend Klicka in Angst, EO² § 355 Rz 22b).

Nach § 44 Abs 1 EO hat die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung zu unterbleiben, wenn die Exekution ... fortgeführt werden kann, ohne dass dies für den Aufschiebungswerber mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Der Vermögensnachteil hängt vom Exekutionsobjekt und der Exekutionsart ab. Die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils muss außer bei Offenkundigkeit konkret behauptet und erfoderlichenfalls bescheinigt werden; sie kann aber auch unmittelbar aus dem tatsächlichen Vorbringen erhellen (RIS-Justiz RS0001666; Deixler-Hübner aaO § 44 Rz 1). Ein Vermögensnachteil wäre nur dann nicht oder nur schwer ersetzbar, wenn die Aufschiebungswerberin entweder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen mangelnder finanzieller Mittel des allenfalls Ersatzpflichtigen, nicht damit rechnen kann, Ersatz für seinen Schaden zu erlangen (1 Ob 138/06z; Jakusch aaO § 44 Rz 2). Der Aufschiebungswerber hat - abgesehen vom Fall der Offenkundigkeit - den drohenden Nachteil konkret zu behaupten und zu bescheinigen (RIS-Justiz RS0001619; RS0001666). Demnach kann die Exekution auf eine Geldforderung nur aufgeschoben werden, wenn ausreichend glaubhaft gemacht wird, dass die Vermögenslage des betreibenden Gläubigers derart sei oder sein werde, dass der Anspruch auf Rückstellung des beim Drittschuldner zu Unrecht hereingebrachten Forderungsbetrags ganz oder teilweise uneinbringlich werden würde (RIS-Justiz RS0001628). Zur Zahlung eines Geldbetrags wurde ausgesprochen, die damit verbundenen Nachteile könnten nur dann die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer ersetzbaren Vermögensnachteils bilden, falls die Rückforderung des Geldbetrags voraussichtlich ganz oder teilweise uneinbringlich wäre (3 Ob 97/78, RIS-Justiz RS0001429; ähnlich zur Zahlung eines Vorschusses nach § 353 Abs 2 EO auch 3 Ob 1/82, RIS-Justiz RS0001710). Zur Unterlassungsexekution judiziert der Oberste Gerichtshof, wie vom Gericht zweiter Instanz erläutert, ihre Aufschiebung setze voraus, dass die Weiterführung der Exekution trotz Möglichkeit der Rückzahlung der Strafen mit Nachteilen verbunden wäre, deren Ersatz die verpflichtete Partei von der betreibenden Partei nicht erlangen könnte, falls die Exekutionsführung zu Unrecht erfolgt. Solche Umstände können etwa darin gelegen sein, dass die verpflichtete Partei geschäftliche Nachteile erleiden würde, deren Ersatz sie von der betreibenden Partei nicht erlangen kann (RIS-Justiz RS0114378; ähnlich Deixler-Hübner aaO § 44 Rz 8 [„Vermögensnachteil"]). Auch wenn grundsätzlich auch aus anderen Gründen die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils bejaht werden könnte, läuft die vom Rekursgericht im Wesentlichen übernommene Begründung der Aufschiebungswerberin darauf hinaus, das Argument eines bloßen Geldmangels der verpflichteten Partei selbst ausreichen zu lassen. Dass reine Vermögensschäden wie die behaupteten in der Regel schwer beweisbar sind, liegt in deren Natur und kann für sich allein die Beurteilung als die Gefahr eines schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils begründend noch nicht rechtfertigen. Der Fall der Entscheidung 3 Ob 342/99m ist schon deshalb nicht vergleichbar, weil in jenem der damals verpflichteten Partei die Verwendung eines Namens (Firmenschlagworts) verboten wurde, weshalb sie bei Fortführung der Exekution ihre Kundenkontakte nicht wie bisher aufrecht erhalten und Mitarbeiter rekrutieren konnte. Insbesondere hat hier die verpflichtete Partei nicht einmal behauptet, sie sei nicht in der Lage, die durch die Zahlung der Geldstrafen abfließenden Barmittel mittels Kredits oder durch Zuschüsse ihrer - nach eigenen wiederholten Behauptungen (ON 16, 24 etc) - den viertgrößten deutschen Festnetzanbieter als Schwestergesellschaft führenden Konzernmutter zu ersetzen. Die entsprechenden Kreditkosten wären wohl auch ohne weiteres nachweisbar, weshalb keine Rede davon sein kann, sie könne sie nicht von der betreibenden Partei ersetzt erhalten. Die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils ist somit ungeachtet des von der zweiten Instanz als bescheinigt bzw notorisch angesehenen Sachverhalts zu verneinen.

Demnach ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts über den Antrag auf Aufschiebung der Exekution des Strafbeschlusses ON 62 wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 74 und 78 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E898283Ob268.08w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00268.08W.0121.000

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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