TE OGH 2009/2/23 8Ob150/08d

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Veröffentlicht am 23.02.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C ***** GmbH *****, vertreten durch Foidl Trappmaier, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wolfgang Jörg S*****, vertreten durch Dr. Christian Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 38.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2008, GZ 12 R 211/07y-28, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. August 2007, GZ 6 Cg 59/07a-22, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. September 2007, GZ 6 Cg 59/07a-24, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.529,38 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 588,23 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte kaufte am 16. 10. 2003 in Österreich über Vermittlung eines Bekannten ein Fahrzeug der Marke BMW Type X5 von einem Mann, der sich als „Marco M*****“ ausgab, um 34.000 EUR und erhielt im Gegenzug Fahrzeugschlüssel samt beglaubigtem Kaufvertrag, eine (französische) Ausweiskopie des Verkäufers und die Fahrzeugpapiere. Zuvor hatte ein weiterer Bekannter des Beklagten den technischen Zustand des Fahrzeugs begutachtet und gemeinsam mit dem Beklagten die im Motorraum angebrachte Fahrgestellnummer mit jener in den Fahrzeugpapieren verglichen. Der Bekannte des Beklagten ließ überdies durch einen ihm bekannten Polizisten die eingetragene Fahrgestellnummer überprüfen. Da es sich um ein Fahrzeug mit belgischem Kennzeichen und Fahrzeugpapieren handelte, überprüfte der Polizist auch die Fahndung nach einem Fahrzeug mit dieser Fahrgestellnummer. Zu dieser Fahrgestellnummer schien eine Fahndung nicht auf. Dem Beklagten wurde mitgeteilt, dass das Fahrzeug nicht gestohlen sei.

Tatsächlich war das Fahrzeug am 11. 9. 2003 seinem belgischen Eigentümer aus einer Garage in Belgien gestohlen und auf Veranlassung der belgischen Polizei mit der Originalfahrgestellnummer zur Fahndung ausgeschrieben worden. Die Fahrgestellnummer des Fahrzeugs war jedoch manipuliert worden. Bei dem vom Verkäufer verwendeten Personalausweis handelte es sich um eine Totalfälschung. Einer Person dieses Namens ist in Frankreich ein französischer Personalausweis nicht zugeordnet.

Der Beklagte beabsichtigte, das Fahrzeug an einen österreichischen Autohändler, die A*****-D***** GmbH (in der Folge immer: GmbH) weiter zu veräußern. Die Gewinnspanne sollte plangemäß zwischen ihm und seinen beiden Bekannten geteilt werden. Unmittelbar nach Übernahme des Fahrzeugs veranlasste der Beklagte, dass das Fahrzeug zur GmbH gebracht wurde. Der Geschäftsführer der GmbH kontaktierte die Klägerin und fragte, ob die Klägerin das Fahrzeug leasingfinanzieren würde. Zwischen der Klägerin und der GmbH war bereits vereinbart worden, dass in einem solchen Fall die Klägerin das Fahrzeug direkt vom Verkäufer erwerben würde.

Der Beklagte schloss mit der Klägerin einen Kaufvertrag über das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 38.000 EUR. Die schriftliche Kaufvereinbarung enthält die Erklärung des Beklagten, dass der Kaufgegenstand sein freies Eigentum und nicht mit Rechten Dritter belastet ist. Die Klägerin stellte am 22. 10. 2003 einen Scheck über 38.000 EUR aus, den der Beklagte am 23. 10. 2003 einlöste.

Bloß zur Erlangung einer inländischen Typisierung wurde zwischen der GmbH und einem Mitarbeiter der GmbH am 5. 11. 2003 ein „Kaufvertrag“ über das Fahrzeug geschlossen. Tatsächlich war ein Verkauf des Fahrzeugs an den Mitarbeiter der GmbH nicht gewollt. Das Auto verblieb bei der GmbH.

In der Folge wurde das Fahrzeug von der Staatsanwaltschaft Wien bei der GmbH sichergestellt. Am 2. 8. 2005 teilte die Staatsanwaltschaft Wien der Kriminaldirektion 1 mit, dass an einer weiteren Sicherstellung kein Interesse bestehe. Die Beschlagnahme wurde aufgehoben und die von der Polizei angebrachten Radklammern entfernt.

Die Klägerin begehrt infolge Wandlung des am 21. 10. 2003 mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 38.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 10. 2003 (s S 2 in ON 20). Sie habe als Leasinggesellschaft mit der GmbH eine sogenannte „Handelswareneinkaufsvereinbarung“ geschlossen, wonach sie das Fahrzeug im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gekauft habe. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung verpflichte sie sich gegenüber dem Autohändler, ein von diesem bekannt gegebenes Fahrzeug zu kaufen und dieses dem Autohändler zur Veräußerung zu überlassen. Im Gegenzug räume der Autohändler eine nach einer bestimmten Frist auszuübende Verkaufsoption zum ursprünglichen Kaufpreis zuzüglich der Finanzierungskosten ein. Wirtschaftliche Funktion dieser Vereinbarung sei die Lagerfinanzierung.

Das Fahrzeug sei dem Beklagten vom „Verkäufer“ in Österreich übergeben worden. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 367 ABGB habe der Beklagte daran nicht gutgläubig Eigentum erwerben und damit auch der Klägerin kein Eigentum am Fahrzeug verschaffen können. Das Fahrzeug stehe bei der GmbH Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises zur Abholung bereit. Die Klägerin habe der GmbH verboten, das Fahrzeug weiter zu veräußern und diese angewiesen, es jederzeit an den Beklagten herauszugeben. Die Klägerin habe den Beklagten auch zur Übernahme aufgefordert. Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen. In der letzten Verhandlungstagsatzung (S 3 in ON 20) brachte die Klägerin nach Erörterung vor, dass zwar die GmbH ihren Sitz verlegt habe, aber als Autohändlerin noch vorhanden sei. Das Fahrzeug befinde sich nach den Informationen der Klägerin weiter bei der GmbH. Zum Zinsenbegehren brachte die Klägerin (S 2in ON 20) vor, dass der Fahrzeugdiebstahl für den Beklagten erkennbar gewesen sei. Er sei daher von Anfang an, jedenfalls spätestens mit Zugang des Schreibens vom 11. 8. 2005, als unredlicher Besitzer anzusehen.

Der Beklagte erhob in erster Instanz primär den Einwand, das Fahrzeug nicht selbst gekauft, sondern den Verkauf lediglich vermittelt zu haben. Überdies wendete er ein, die Klägerin sei nicht in der Lage, das Fahrzeug samt Typenschein wieder herauszugeben. Das Fahrzeug stehe nicht in ihrer Verfügungsgewalt. Der Lagerplatz der GmbH sei zwischenzeitig geräumt worden. Die Zug-um-Zug-Rückstellung des Fahrzeugs samt Typenschein sei damit unmöglich. Der Beklagte erklärte ausdrücklich, für den Fall der Klagestattgebung auf eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs samt Typenschein zu bestehen; bei Unmöglichkeit der Rückstellung des Fahrzeugs werde die „Berücksichtigung dieser Zug-um-Zug-Leistungsverpflichtung durch Aufrechnung des an die Stelle der Rückstellung in natura tretenden Wertersatzes in Höhe des äquivalenten Kaufpreises von 38.000 EUR gegen die Klageforderung bis zu deren Höhe beantragt“ (S 1 in ON 20).

Das Zinsenbegehren bestritt der Beklagte mit der Begründung, der Gebrauch des Fahrzeugs stelle ein „Äquivalent zu den Zinsen“ dar (S 3 in ON 19).

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 38.000 EUR Zug um Zug gegen Ausfolgung des Kraftfahrzeugs mit der näher angeführten (im Berichtigungsbeschluss berichtigten) Fahrgestellnummer bzw Originalfahrgestellnummer samt dem zugehörigen Typenschein und wies das Begehren der Klägerin auf Zahlung von 4 % Zinsen aus 38.000 EUR seit 24. 10. 2003 ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf das Erstgericht folgende weitere Feststellungen:

„Nach Aufhebung der Beschlagnahme des Fahrzeugs wurde das Fahrzeug von Verfügungsberechtigten der GmbH, wo es sich nach wie vor befindet, zu Fahrten verwendet. Mit Schreiben vom 11. 8. 2005 wies die Klägerin die GmbH an, das Fahrzeug weiter auf dem Platz zu belassen und sich jeglicher Verfügung über das Fahrzeug zu enthalten. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom selben Tag darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug gestohlen ist. Mit Schreiben vom 2. 12. 2005 wies die Klägerin die GmbH an, das Fahrzeug für den Beklagten inne zu haben und dem Beklagten auf Wunsch gegen Bestätigung herauszugeben. Dieses Schreiben wurde am 6. 12. 2005 auch dem Beklagtenvertreter übermittelt. Der Beklagte verweigerte eine Übernahme des Fahrzeugs.“

Rechtlich erachtete das Erstgericht, dass der Klägerin ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag zustehe, weil der Beklagte der Klägerin kein Eigentum am Fahrzeug verschafft habe. Gemäß § 1435 ABGB seien die beiderseitigen Leistungen der Parteien in analoger Anwendung des § 877 ABGB Zug um Zug zurückzustellen. Da das Fahrzeug noch vorhanden sei, bedürfe es keines Eingehens darauf, wie bei Unmöglichkeit der Rückstellung zu verfahren wäre. Der Beklagte sei daher über seinen Einwand Zug um Zug zu verurteilen. Eine Verpflichtung des redlichen Besitzers, Früchte und Nutzungen herauszugeben, bestehe nicht. Bei Benützung des Fahrzeugs bis zur Rückabwicklung des Kaufvertrags stünden sich der Nutzen aus der Benützung und die Zinsen für die Kaufpreisforderung im Austauschverhältnis gegenüber. Die Nutzung des Fahrzeugs durch die GmbH während des Verfahrens sei der Klägerin, deren Vertragspartnerin die GmbH gewesen sei, zuzurechnen. Auch die Anweisung der Klägerin an die GmbH, das Fahrzeug für den Beklagten inne zu haben, ändere daran nichts.

Gegen dieses Urteil - das im Umfang der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens für den Zeitraum 24. 10. 2003 bis 11. 8. 2005 unbekämpft blieb - erhob nur die Klägerin Berufung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass der Beklagte unbedingt (also ohne Zug-um-Zug-Verpflichtung) zur Zahlung von 38.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 8. 2005 zu verpflichten sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es aussprach, dass die Klagsforderung mit 38.000 EUR zu Recht bestehe, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 38.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 19. 9. 2005. Die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 4 % Zinsen aus 38.000 EUR von 12. 8. 2005 bis 18. 9. 2005 bestätigte das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei der Wandlungsklage des Käufers wegen des Rechtsmangels des Fremdeigentums eine Verurteilung des Verkäufers zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Sache an ihn in Betracht komme.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, dass der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe sich im Annahmeverzug befunden, jedenfalls unter der Voraussetzung zutreffen würde, dass die GmbH ihm das Fahrzeug tatsächlich herausgegeben hätte. Die Zug-um-Zug-Einrede sei jedoch auch dann berechtigt, wenn sich der Beklagte im Annahmeverzug befinde. Es wäre nicht nachvollziehbar, warum der im Wandlungsprozess Beklagte, der den Wandlungsanspruch bestreite und aus diesem Grund die Rücknahme der dem Kläger übergebenen Sache ablehne, im Falle seines Unterliegens im Prozess seinen eigenen Rückabwicklungsanspruch verlieren sollte. § 1052 ABGB sei nicht anzuwenden, weil nicht auf Erfüllung eines zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrags geklagt werde, sondern die Klägerin sich ihrerseits durch Wandlung vom Vertrag lösen wolle.

Der Beklagte habe ausdrücklich den Einwand der Zug-um-Zug-Verurteilung erhoben. Der Einwand sei jedoch nicht berechtigt, weil den Übernehmer der Sache - anders als sonst - nicht die Pflicht treffe, die Sache an den Übergeber zurückzustellen, wenn es aufgrund eines klassischen Rechtsmangels, nämlich des Fremdeigentums, zur Wandlung komme. Vielmehr könne er seine Leistung auch dann zurückfordern, wenn er die Sache dem Eigentümer übergeben habe bzw für diesen bereithalte. Die Klägerin sei von Anfang an nicht berechtigt gewesen, das gekaufte Fahrzeug als zu ihrem Vermögen gehörig zu betrachten. Eine Vermögensverschiebung vom Beklagten zur Klägerin habe somit in Wahrheit nicht stattgefunden. Eine Bereicherung der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten infolge Wegfalls des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrags durch dessen erfolgreiche Wandlung käme nur dann in Betracht, wenn der (bestohlene) Eigentümer zugunsten der Klägerin auf die Rückgabe des Fahrzeugs an ihn verzichtet hätte. Dies sei jedoch nicht behauptet worden. Eine Zustimmung des Eigentümers zur Ausfolgung des Fahrzeugs an den Beklagten sei nicht behauptet worden. Es komme daher ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Beklagten auf Rückgabe des Fahrzeugs an ihn nicht in Betracht. Ungeachtet dessen bleibe der Kondiktionsanspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises bestehen. Der Beklagte habe auch keinen Zug-um-Zug-Einwand auf Rückgabe der Sache an den Eigentümer erhoben. Eine Verurteilung der Klägerin (bloß) Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs komme daher nicht in Betracht. Das vom Beklagten aus dem Titel des Wertersatzes eventualiter erhobene Kompensationsbegehren sei nicht berechtigt, weil die Klägerin durch die allfällige Unmöglichkeit der Rückstellung des Fahrzeugs nicht bereichert sei. Es bedürfe daher auch keiner näheren Klärung, ob sich das Fahrzeug überhaupt noch in der Verfügungsmacht der Klägerin befinde oder ob diese überhaupt in der Lage wäre, es an den Beklagten herauszugeben. Der Klägerin stünden bloß gesetzliche Verzugszinsen ab Klagezustellung zu. Ein bereicherungsrechtlicher Zuspruch von Zinsen könnte nur dann erfolgen, wenn der Beklagte durch Veranlagung des an ihn gezahlten Kaufpreises Zinsen in der nunmehr von der Klägerin begehrten Höhe lukriert hätte oder wenn er sich durch Abdeckung seines Bankkontos Zinszahlungen an die Bank in dieser Höhe erspart hätte. Derartiges sei nicht behauptet worden.

Mit seiner inhaltlich auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten - und entgegen der Auffassung der Revisionsbeantwortung gesetzmäßig ausgeführten - Revision begehrt der Beklagte eine Abänderung des Berufungsurteils dahin, dass „die Klage abgewiesen“ werde; allenfalls das Urteil erster Instanz wiederhergestellt werde; allenfalls die „Dreigliedrigkeit des Urteilsspruchs“ zu entfallen habe. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision „nicht zuzulassen“; in eventu, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch im Sinne des gestellten Antrags auf Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, dass der Beklagte den Kaufvertrag mit der Klägerin abschloss. Ebenfalls nicht strittig ist, dass weder die Klägerin noch der Beklagte nach dem jeweils anzuwendenden österreichischen Recht (§ 31 Abs 1 und 2 IPRG; Kaufvertragsabschlüsse und Übergabe jeweils in Österreich) gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erwerben konnten: Keiner der Fälle des § 367 Abs 1 ABGB liegt vor. Die Klägerin war daher wegen des vorliegenden Rechtsmangels grundsätzlich zur Wandlung berechtigt: Der Beklagte verschaffte der Klägerin die geschuldete rechtliche Position, nämlich das Eigentum am Fahrzeug, nicht (P. Bydlinski in KBB2 § 933 Rz 3 mwN).

Aus § 1435 ABGB, der bei der Auflösung des Vertrags durch Wandlung nach § 932 ABGB unmittelbar anzuwenden ist, ergibt sich, dass durch den Rücktritt vom Vertrag beiderseitige Kondiktionsansprüche entstehen, soweit von beiden Seiten bereits Leistungen erbracht wurden. Die beiderseitigen Leistungen sind in analoger Anwendung des § 877 ABGB Zug um Zug zurück zu erstatten (RIS-Justiz RS0086350; Rummel in Rummel3, § 1435 Rz 2 mwN). Voraussetzung für die Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verpflichtung in den Urteilsspruch durch das Gericht ist entweder ein entsprechendes Klagebegehren oder zumindest eine entsprechende, im Klagevorbringen zum Ausdruck kommende Bereitschaft des Klägers zur Erbringung der Gegenleistung oder aber ein entsprechendes Einwendungsvorbringen des Beklagten (RIS-Justiz RS0086350; RS0107733; RS0020997; 1 Ob 9/97y; 6 Ob 143/07h = EvBl 2007/166). Der Beklagte hat ausdrücklich einen entsprechenden Zug-um-Zug-Einwand erhoben und erkennbar nur für den Fall der Unmöglichkeit der Rückstellung des Fahrzeugs durch die Klägerin ein Wertersatzbegehren gestellt. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend zunächst die Berechtigung des vom Beklagten primär erhobenen Zug-um-Zug-Einwands überprüft. Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin behauptete „Annahmeverzug“ des Beklagten grundsätzlich nicht geeignet ist, den Zug-um-Zug-Einwand des Beklagten für unberechtigt zu erachten: In Lehre und Rechtsprechung herrscht Uneinigkeit, ob im Fall des Annahmeverzugs des Gläubigers iSd § 1419 ABGB dennoch die Einrede der Zug-um-Zug-Leistung beachtlich ist (bejahend 5 Ob 9/72 = SZ 45/11 = JBl 1973, 309; Heidinger in Schwimann, ABGB3 VI, § 1419 Rz 11; Reischauer in Rummel3, § 1419 Rz 4; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht [1982] 265 ff; verneinend RIS-Justiz RS0020035; 1 Ob 523/92 = JBl 1992, 590; F. Bydlinski, Fälligkeit und Grundlagen des Entgeltsanspruchs bei Störungen in der Erfüllung des Kaufes und des Werkvertrages, JBl 1973, 281 [290 f]; Mayrhofer, Schuldrecht, AT 356 f). Einer abschließenden Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es jedoch nicht, weil sich die Zug-um-Zug-Leistungspflicht hier auf beiderseitige Kondiktionsansprüche nach Wandlung des Vertrags aus einer analogen Anwendung des § 877 ABGB (RIS-Justiz RS0086350) ergibt und aus § 877 ABGB unmittelbar das Zug-um-Zug-Prinzip ohne Einschränkungen abzuleiten ist („... muß dagegen auch alles zurückstellen, was aus einem solchen Vertrage zu seinem Vorteile erhalten hat“). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass es nicht nachvollziehbar wäre, warum der im Wandlungsprozess Beklagte, der den Wandlungsanspruch bestreitet (hier: mit dem vorrangig erstatteten Vorbringen, gar keinen Kaufvertrag geschlossen zu haben) und aus diesem Grund die Rücknahme der dem Kläger übergebenen Sache ablehnt, im Falle seines Unterliegens im Prozess seinen eigenen Rückabwicklungsanspruch verlieren sollte. Nach Wandlung hat daher eine Zug-um-Zug-Verurteilung über Einwand des Beklagten auch dann stattzufinden, wenn der Wandlungskläger bereits außergerichtlich vergeblich gegenseitige Rückabwicklung angeboten hatte.

Somit bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob - wie das Berufungsgericht unter Berufung auf P. Bydlinski aaO § 933 Rz 17 meint - den Übernehmer tatsächlich beim klassischen Rechtsmangel des Fremdeigentums grundsätzlich keine Pflicht zur Zurückstellung der Sache an den Übergeber trifft: Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus § 1435 ABGB iVm der analogen Anwendung des § 877 ABGB (RIS-Justiz RS0086350), dass der Wandlungskläger alles zurückzustellen hat, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, sind diese Zug um Zug zu erfüllen. Der Anspruch steht dem Leistenden auch dann zu, wenn er nicht Eigentümer des geleisteten Gegenstands ist (RIS-Justiz RS0016321; zur Wandlung 7 Ob 541/95). Der Kondiktionsanspruch ist gegen den Empfängergerichtet, dem der Zurückfordernde die Leistung mittelbar oder unmittelbar erbracht hat. Er setzt nicht voraus, dass der Zurückfordernde Eigentümer der geleisteten Sache war oder gegenwärtig ist (Wilburg in Klang VI2 487 f; Koziol/Welser II13 289 f). Bei Vorliegen eines Rechtsmangels kann jedoch die Eigentumsklage des wahren Eigentümers mit der Leistungskondiktion des Verkäufers nach Wandlung konkurrieren: In diesem Fall trifft den Übernehmer, der die Sache dem Eigentümer ausgefolgt hat, keine Rückstellungspflicht gegenüber dem Übergeber (Koziol/Welser aaO 290; P. Bydlinksi aaO § 933 Rz 17). P. Bydlinski (aaO) meint in diesem Zusammenhang, dass der Übernehmer seine eigene Leistung auch dann zurückfordern kann, wenn er die Sache für den Eigentümer bereit hält. Im Verhältnis zum Eigentümer wäre eine Rückstellung an den Übergeber überhaupt nur mit seiner (gemeint: des Eigentümers) Zustimmung zulässig.

Aus dieser Belegstelle ist allerdings nicht der vom Berufungsgericht gezogene Schluss zu ziehen, dass den Übernehmer gegenüber dem Übergeber nach Wandlung wegen eines Rechtsmangels niemals eine Zurückstellungspflicht trifft: Vielmehr sind die Ausführungen des genannten Autors dahin zu verstehen, dass der Übernehmer von seiner Herausgabepflicht (nur) dann befreit ist, wenn er die Sache dem Eigentümer ausfolgt oder zumindest für diesen bereit hält. Der letzte Satz („im Verhältnis zum Eigentümer wäre Rückstellung überhaupt nur mit seiner Zustimmung zulässig“) bezieht sich nur auf das Verhältnis Übernehmer/Eigentümer, nicht aber auf das nach Kondiktionsrecht zu beurteilende Verhältnis zwischen Übergeber und Übernehmer nach Wandlung wegen eines Rechtsmangels. Damit ist für die Klägerin deshalb nichts gewonnen, weil sie sich im gesamten Verfahren niemals darauf berufen hat, die Sache dem wahren Eigentümer (der sich nach der Aktenlage bisher auch nie an die Klägerin gewandt hat) herausgeben zu wollen oder für diesen bereit zu halten. Ganz im Gegenteil hat die Klägerin von Anfang an darauf verwiesen, zur Zurückstellung der Sache an den Beklagten bei Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises bereit zu sein. Bei dieser Konstellation ist das Bestehen einer Zug-um-Zug-Verpflichtung kondiktionsrechtlich deshalb zu bejahen, weil die gegenteilige Beurteilung zu einer Bereicherung des Wandlungsklägers führen würde, der zwar den Kaufpreis zurückerhielte, die übergebene Sache aber jedenfalls bis zur Rückforderung durch den wahren Eigentümer - die möglicherweise nie erfolgen würde - behalten könnte. Das Berufungsgericht ist somit zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Übernehmer bei Wandlung wegen eines Rechtsmangels generell zur Herausgabe an den Übergeber nicht verpflichtet sei.

Damit bedarf es aber eines Eingehens darauf, ob die Rückgabe der Sache der Klägerin (nunmehr) unmöglich ist: Während der Beklagte auf eine mögliche Unmöglichkeit der Herausgabe des Fahrzeugs samt Fahrzeugpapieren hinwies, brachte die Klägerin in erster Instanz zuletzt vor, nach ihrem Wissen befinde sich das Fahrzeug weiterhin in der Verfügungsgewalt der GmbH, die ihren Standort bloß verlegt habe. Dass die Zug-um-Zug-Verpflichtung zu entfallen habe, weil der Klägerin eine Rückstellung des PKW an den Beklagten unmöglich sei, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren niemals behauptet. Der in der Berufung der Klägerin geltend gemachte Feststellungsmangel, dass das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass der Kontakt zwischen der Klägerin und der GmbH abgerissen sei und diese „zumindest derzeit nicht in der Lage sei, auf das Fahrzeug zu greifen“ (S 9 der Berufung ON 23), liegt daher schon mangels erstinstanzlichen Vorbringens der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Klägerin nicht vor. Die Klägerin ist überdies daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung Unmöglichkeit der Leistung bei einer obligatorischen Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache nicht schon im Nichtbesitz der Sache liegt (RIS-Justiz RS0018446 [T1]). Nur dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststünde, dass ein für die Rückstellungsverpflichtung erforderliches Mitwirken des Dritten von diesem endgültig verweigert wird, ist von einer Unmöglichkeit der Leistung (im Anlassfall: Rückstellung des Fahrzeugs samt Fahrzeugpapieren) auszugehen (RIS-Justiz RS0016423; 8 Ob 86/06i mwN). Davon kann hier in Anbetracht des Vorbringens der Klägerin nicht die Rede sein, weshalb es der in der Berufung bekämpften Feststellung, dass sich das Fahrzeug nach wie vor bei der GmbH befinde, nicht bedarf.

Das Urteil des Erstgerichts ist daher wiederherzustellen. Im Hinblick auf die Berechtigung des primär vom Beklagten erhobenen Zug-um-Zug-Einwands erübrigen sich Ausführungen zum Wertersatzbegehren des Beklagten, das bloß eventualiter erhoben wurde.

Bereits das Berufungsgericht verwies zutreffend darauf, dass die Klägerin kein taugliches Vorbringen erstattete, das einen bereicherungsrechtlichen Zinsenzuspruch rechtfertigen könnte. Auch in diesem Umfang war daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Bemessungsgrundlage im Berufungsverfahren ist der Wert der strittigen Gegenleistung (Zug-um-Zug-Verpflichtung; s RIS-Justiz RS0042952).

Textnummer

E90173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00150.08D.0223.000

Im RIS seit

19.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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