TE OGH 1992/2/19 1Ob523/92

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Veröffentlicht am 19.02.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga P*****, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Georg W*****, vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 375.000 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. Mai 1991, GZ 16 R 72/91-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. November 1990, GZ 20 Cg 181/89-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.976 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.496 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 672 KG K*****. Im März 1989 beauftragte sie eine Immobilienmaklergesellschaft mit der Vermittlung des Verkaufes dieser Liegenschaft um S 750.000. Die Liegenschaft ist 1502 m2 groß, liegt im Grünland und unterliegt einem absoluten Bauverbot; das dort befindliche ältere Holzhaus ist ohne Baugenehmigung errichtet.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 375.000 sA Zug um Zug gegen Unterfertigung eines verbücherungsfähigen Kaufvertrages über einen Hälfteanteil an der genannten Liegenschaft. Am 8. Mai 1989 hätten der Sohn der Klägerin in deren Namen und der Beklagte auch als Bevollmächtigter seiner Ehegattin mündlich einen Kaufvertrag über die Liegenschaft geschlossen und ferner vereinbart, dass der Beklagte von einem ihm befreundeten Rechtsanwalt einen schriftlichen Vertragsentwurf verfassen lassen werde. Da die vom Beklagten übermittelten Vertragsentwürfe jedoch mit dem mündlich Vereinbarten zum Teil in unvereinbarem Widerspruch gestanden seien, habe der Sohn der Klägerin den Beklagtenvertreter um Vorlage von Entwürfen ersucht, die der mündlichen Vereinbarung entsprächen. Die Klägerin sei nach wie vor bereit, den mündlich geschlossenen Kaufvertrag zu erfüllen, und mit der Ehegattin des Beklagten einen Vertrag über die an sie zu veräußernde Liegenschaftshälfte Zug um Zug gegen Zahlung des halben Kaufpreises von S 375.000 abzuschließen.

Der Beklagte wendete ein, der von der Klägerin behauptete Vertrag begründe auf Seiten der Käufer ein unteilbares Gesamthandschuldverhältnis, weshalb die passive Klagslegitimation fehle. Da der Sohn der Klägerin die ihm übermittelten Vertragsentwürfe zurückgewiesen habe, liege Dissens vor. Außerdem habe der Sohn der Klägerin den Beklagten über die Bebauungsmöglichkeiten in Irrtum geführt. Überdies liege Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes vor; wegen des wesentlichen und unbehebbaren Rechtsmangels der mangelnden Bebaubarkeit werde auch Wandlung begehrt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, eine Mitarbeiterin des von der Klägerin beauftragten Immobilienbüros habe dem Beklagten die Liegenschaft auf dessen Antrag zum Verkauf um S 750.000 angeboten und gleichzeitig mitgeteilt, dass die Liegenschaft kein Baugrund sei. Der im Immobilienverkehr bewanderte Beklagte habe hiezu auch beim Stadtgemeindeamt Klosterneuburg und beim Grundbuchsgericht Erkundigungen eingezogen. Der Beklagte habe die Liegenschaft besichtigt und sich, da sie ihm gefallen habe, an den Sohn der Klägerin gewandt. Dieser sei von seiner Mutter zum Abschluss eines Kaufvertrages über die Liegenschaft bevollmächtigt gewesen. Der Beklagte habe jedoch noch einige Fragen klären wollen. Schließlich sei es am 8. Mai 1989 in der Rechtsanwaltskanzlei des Sohnes der Klägerin zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Beklagten gekommen. Dabei seien unter anderem der Telefonanschluss, die anwesenden Anrainer und die Zufahrtsmöglichkeiten erörtert worden. Der Beklagte sei an der Übertragung der Pachtrechte an den angrenzenden Grundstücken interessiert gewesen; der Sohn der Klägerin habe ihm zugesichert, das Chorherrnstift Klosterneuburg würde als Verpächter einer solchen Übertragung zustimmen, gleichzeitig aber den Pachtzins erhöhen. Der Sohn der Klägerin habe dem Beklagten in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich mitgeteilt, die Liegenschaft sei von einem absoluten Bauverbot betroffen; die darauf befindliche Gartenhütte sei etwa 25 Jahre alt und ohne Baubewilligung errichtet worden. Die Stadtgemeinde Klosterneuburg erlasse jedoch kaum Abtragungsaufträge. Auch die auf den Nachbargrundstücken errichteten Hütten seien ohne Baubewilligung errichtet worden. Der Beklagte habe das jedoch nicht als Hindernis für den Liegenschaftskauf angesehen, weil es ihm in erster Linie um den Garten gegangen sei. Außerdem sei der Beklagte entschlossen gewesen, das Gartenhaus abzutragen und durch ein neues gleicher Art zu ersetzen; diese Absicht habe er jedoch bei sich behalten. Beim Gespräch am 8. Mai 1989 habe sich der Beklagte schließlich damit einverstanden erklärt, die Liegenschaft gemeinsam mit seiner Gattin um S 750.000 zu kaufen. Dabei sei er sich im klaren gewesen, dass das darauf befindliche Gartenhäuschen ohne Baubewilligung errichtet worden und die Liegenschaft von einem absoluten Bauverbot betroffen sei. Es sei auch abgemacht worden, dass der Beklagte die Vertragsurkunde von dem ihm befreundeten Beklagtenvertreter verfassen lassen werde. Am 10. Mai 1989 habe der Beklagte schriftlich festgehalten, er nehme „das Anbot“ des Sohnes der Klägerin an und ersuche, ihm zur Vorlage des Vertragsentwurfes eine Frist bis 19. Mai 1989 zu gewähren. An diesem Tag habe er dem Sohn der Klägerin drei verschiedene, von der mündlichen Vereinbarung abweichende Vertragsentwürfe übermittelt. Der Sohn der Klägerin habe darauf den Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 23. Mai 1989 gebeten, den Entwurf dementsprechend zu korrigieren; seine Urgenz vom 14. Juni 1989 sei erfolglos geblieben.

Rechtlich meinte das Erstgericht, dem Beklagten stehe die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht zu, weil er sich in Annahmeverzug befinde. Die Klägerin könne vom Beklagten, weil keine Gesamthandschuld vorliege, den auf ihn entfallenden Kaufpreisanteil einfordern. Der behauptete Dissens sei zu verneinen, weil sich die Streitteile bereits am 8. Mai 1989 mündlich über den Kaufgegenstand und den Preis geeinigt hätten. Da sich der Beklagte beim Vertragsabschluss nicht in Irrtum befunden habe und ihm die Klägerin die versprochene rechtliche Position hätte verschaffen können, sei dem Beklagten die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums, aber auch die gewährleistungsrechtliche Wandlung verwehrt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängel- und aktenwidrigkeitsfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in rechtlicher hinsicht aus, nach den erstinstanzlichen Feststellungen seien die Angaben des Sohnes des Klägers über die Beschaffenheit der Liegenschaft entgegen den Behauptungen des Beklagten keineswegs undeutlich gewesen. Er habe dem Beklagten unmissverständlich erklärt, die Liegenschaft sei von einem absoluten Bauverbot betroffen, die Gartenhütte sei 25 Jahre alt und ohne Baubewilligung errichtet worden; die Stadtgemeinde Klosterneuburg halte sich allerdings mit Demolierungsbescheiden sehr zurück. Auf die rechtliche Qualifikation des „absoluten Bauverbotes“ komme es dann nicht an. Sollte der Beklagte dennoch gehofft haben, die Gartenhütte der Bauordnung entsprechend umbauen oder neu errichten zu können, sei dies seine Sache gewesen. Der Beklagte meine offenbar, dass die Klage auf Zahlung des Kaufpreises gegen ihn und seine Ehegattin als unzertrennliche Streitgenossen hätte gerichtet werden müssen, übersehe dabei jedoch, dass für die Frage der Teilbarkeit eines Schuldverhältnisses Leistung und Gegenleistung auseinandergehalten werden müssten. Der Umstand, dass eine der aus dem Schuldverhältnis entspringenden Forderungen oder Verpflichtungen zur gesamten Hand zustehe oder geschuldet werde, bedeute noch nicht, dass das auch für die damit in synallagmatischem Zusammenhang stehende Gegenforderung oder -verpflichtung gelte. Gegenstand des Kaufvertrages sei nach den Feststellungen die Liegenschaft als Ganzes gewesen. Eine Forderung zur gesamten Hand sei gegeben, wenn ein Schuldner mehreren Gläubigern eine unteilbare Sache verspreche. Solle Eigentum übertragen werden, sei die Leistung trotz der Teilbarkeit des Rechtes nicht in der Art teilbar, dass der Veräußerer einen Miteigentumsanteil übertragen könnte. Einer von mehreren Käufern sei daher für sich allein nicht berechtigt, die unteilbare Sache oder einen Eigentumsanteil daran zu fordern; andererseits dürfe ein Käufer, dem in einem solchen Fall bloß ein Eigentumsanteil angeboten wird, die Leistung zurückweisen, ohne in Annahmeverzug zu geraten, weil sie nicht dem Geschuldeten entspreche. Die Kaufpreisschuld werde dagegen mangels anderer Vereinbarung deshalb noch nicht zu einer von allen Käufern nur gemeinsam zu erfüllenden Gesamthandschuld. Das Erstgericht habe die Vereinbarung einer unteilbaren Leistung nicht festgestellt. Die Kaufpreisschuld sei somit keine Gesamthandschuld. Es könne dahingestellt bleiben, ob durch die gemeinsame Verpflichtung von Ehegatten Solidar- oder lediglich anteilsmäßige Haftung entstehe, weil die Klägerin ohnehin bloß die halbe Kaufpreisforderung eingeklagt habe. Für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages bedeute dies, dass die Klägerin die Kaufpreisforderung grundsätzlich nur Zug um Zug gegen Übergabe der gesamten Liegenschaft an beide Käufer begehren könne, ob sie nun den Kaufpreis bloß anteilig oder zur Gänze einfordere. Mache der Kläger nicht sämtliche ihm aus dem Kaufvertrag zustehenden Rechte geltend, könne dies noch nicht dazu führen, dass der Beklagte die begehrten Teilleistungen ohne Einhaltung der Zug-um-Zug-Verpflichtung erfüllen müsse. Bis zur gehörigen Anbietung der Gegenleistung könne der Beklagte daher seine Leistung zur Gänze zurückbehalten. Nach den Feststellungen hätte allerdings der Beklagte verbücherungsfähige Vertragsurkunden errichten lassen und dem Sohn der Klägerin übermitteln müssen. Die von ihm ausgefolgten Vertragsentwürfe hätten jedoch der mündlichen Vereinbarung nicht entsprochen, weshalb sie vom Sohn der Klägerin berechtigterweise zurückgewiesen worden seien. Da der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung durch den Sohn der Klägerin keine geeigneten Vertragsentwürfe vorgelegt habe, befinde sich der Beklagte im Annahme- und, da ein anderer Fälligkeitstermin, aber auch eine Vorleistungspflicht der Klägerin nicht vereinbart worden sei, zugleich im Schuldnerverzug. Bleibe der Kaufvertrag und damit die Pflicht beider Vertragsteile zu dessen Erfüllung trotz Gläubiger- und Schuldnerverzugs des Käufers aufrecht, müsse der Verkäufer, um den Kaufpreis verlangen zu können, neben seiner Leistungsbereitschaft auch seine Leistungsfähigkeit wahren. Träfe das zu, sei der zugleich im Schuldner- und im Gläubigerverzug befindliche Beklagte unbedingt, also ohne Beschränkung durch die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung, zur Zahlung des Kaufpreises zu verurteilen. Die Klägerin habe die Zug-um-Zug-Verpflichtung aber selbst in das Klagebegehren aufgenommen. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei unbestritten; ihre Leistungsbereitschaft sei trotz der rechtlichen Annahme der Teilbarkeit ihrer Verpflichtung zur Übergabe der Liegenschaft gegeben, weil sie sich nach ihrem Vorbringen weiterhin an den mündlich geschlossenen Vertrag gebunden erachte und auch nicht von ihren vertraglichen Bindungen der Ehegattin des Beklagten gegenüber abzugehen trachte. Durch die Stattgebung der Klage in der begehrten Form wäre dem Beklagten auch keine vereinbarungswidrige Leistung aufgenötigt, weil er trotz der Fassung des Urteils die Annahme eines von der Klägerin unterfertigten verbücherungsfähigen Kaufvertrages bloß über eine Liegenschaftshälfte ausschlagen könne. Zur Durchsetzung der Klagsforderung im Exekutionsweg bedürfe es einer Eintragung des Beklagten im Grundbuch nicht. Erhebe er im Vollstreckungsverfahren die Zug-um-Zug-Einrede, werde vielmehr schon der Nachweis, dass ein verbücherungsfähiger Kaufvertrag über die Liegenschaftshälfte von der Klägerin unterfertigt und dem Beklagten übergeben wurde, ausreichen, ohne dass es auf eine Annahme durch den Beklagten ankäme. Die Aufnahme der nicht erforderlichen, aber auch nicht ausreichenden Zug-um-Zug-Verpflichtung in das Urteilsbegehren schade deshalb der Klägerin nicht.

Die vom Beklagten dagegen erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor. Im Übrigen ist auf die Revisionsausführungen nur soweit einzugehen, als sie von den vorinstanzlichen Feststellungen ausgehen.

Der Beklagte rügt auch noch in der Revision als Feststellungsmangel, die Vorinstanzen hätten sich mit dem von ihm schon in erster Instanz aufgezeigten „Mängel der rechtlichen Beschaffenheit der Kaufsache“ nicht auseinandergesetzt, umschreibt jedoch diesen „Mangel“ nicht näher. Seiner - im Übrigen aktenwidrigen - Behauptung, die Vorinstanzen hätten keinerlei Feststellung darüber getroffen, ob die Gartenhütte baurechtskonform errichtet sei, kann aber im Zusammenhang mit seinen Erörterungen über das NÖ Kleingartengesetz (vom 6. September 1988 LGBl 8210-0) gerade noch das Vorbringen entnommen werden, der Sohn der Klägerin habe den Beklagten im Zuge der Vertragsgespräche nicht auch darüber informiert, ob die Errichtung der Hütte nicht etwa doch wenigstens im Sinne dieses Gesetzes bewilligt worden oder doch zur Bewilligung geeignet sei. Bei diesen Ausführungen übergeht der Beklagte jedoch die erstinstanzliche Feststellung, der Sohn der Klägerin habe ihm ausdrücklich mitgeteilt, dass die Liegenschaft von einem absoluten Bauverbot betroffen sei und die vorhandene 25 Jahre alte Hütte - übrigens ebenso wie die Hütten auf den Nachbargrundstücken - ohne Baubewilligung errichtet worden sei; die Baubehörde halte sich nur mit Demolierungsbescheiden „mehr als“ zurück. Schon der Hinweis auf die Praxis der örtlichen Baubehörde kann aber nur so verstanden werden, dass für die Errichtung der Gartenhütte keine behördliche Bewilligung vorliege, die Gefahr eines immerhin möglichen behördlichen Abtragungsauftrages jedoch ganz geringfügig sei. Die Auskunft des Sohnes der Klägerin über die „rechtliche Beschaffenheit“ der Liegenschaft und der darauf errichteten Hütte war somit klar und unmissverständlich. Zutreffend bemerkte das Gericht zweiter Instanz deshalb auch, sollte sich der Beklagte - etwa im Hinblick auf das erst kurz vorher (am 1. Jänner 1989) - in Kraft getretene NÖ. Kleingartengesetz insgeheim Hoffnungen auf die Bewilligung der Erneuerung der Gartenhütte gemacht haben, sei dies seine Sache: Im Übrigen kann beim Ausmaß der Kaufliegenschaft von einem Kleingarten im Sinne des § 5 dieses Gesetzes wohl keine Rede sein.

Die vorinstanzlichen Feststellungen über Art und Inhalt der Aufklärung des Beklagten über die Beschaffenheit der Liegenschaft durch den Vertreter der Klägerin bedürfen demnach der geforderten Verbreiterung nicht: Dieser hat den Beklagten über den Vertragsgegenstand - die Liegenschaft und die Gartenhütte - auch in allen rechtlichen Belangen ausreichend informiert. Die behauptete Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten durch die Klägerin ist schon deshalb zu verneinen, ohne dass erst geprüft werden müsste, ob und wieweit sich die Klägerin bei der Beurteilung eines allfälligen Verschuldens in diesem Zusammenhang den verschärften Verschuldensmaßstab, von dem ihr Bevollmächtigter betroffen wäre (§ 1299 ABGB), überhaupt zurechnen lassen müsste (vgl. hiezu JBl 1992, 42). Auch für die Anwendung der Auslegungsregel des § 915 ABGB fehlt daher jede Grundlage.

Soweit der Beklagte auch noch in dritter Instanz Verkürzung über die Hälfte und seine Irreführung durch die Klägerin ins Treffen führt, geht er nicht von den vorinstanzlichen Feststellungen über die örtlichen Bodenpreise sowie seine Aufklärung durch den Sohn der Klägerin aus: Auf dieses Vorbringen ist daher nicht weiter einzugehen.

Aber auch die Frage, ob die Klägerin den Beklagten allein in Anspruch nehmen durfte oder ihn und dessen Ehegattin als Streitgenossen hätte belangen müssen, weil der Kaufvertrag die Liegenschaft als Ganzes zum Gegenstand hatte und diese nach den Feststellungen vom Beklagten und dessen Ehegattin je zur Hälfte erworben werden sollte, hat das Berufungsgericht zutreffend gelöst: Wohl ist der Anspruch mehrerer Käufer auf Übertragung von Miteigentumsanteilen an einer Liegenschaft als Gesamthandforderung zu beurteilen, sofern der Verkauf dieser Liegenschaft als Ganzes Vertragsgegenstand ist, weil die Leistung bei geschuldeter Übereignung einer Sache nicht derart teilbar ist, dass der Schuldner bloß einen Anteil davon übertragen könnte (SZ 46/101; 6 Ob 672/88; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 283; Gamerith in Rummel, ABGB2 § 890 Rz 7), doch wird damit nicht gleichzeitig auch die Kaufpreisschuld zu einer Gesamthandschuld, die nur von allen Schuldner gemeinsam erbracht werden könnte (Gamerith aaO Rz 2), weshalb diese als einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO in Anspruch genommen werden müssten (Holzhammer, ZPR2, 84; Gamerith aaO Rz 10), weil die Gesamthandforderung der Gläubiger grundsätzlich keine Rückwirkung auf die an sich teilbare Gegenleistung zulässt (SZ 48/26; Gamerith aaO § 889 Rz 2 und 5; Gschnitzer aaO 284). Die Frage, ob im vorliegenden Fall die Kaufpreisschuld aber nicht doch entgegen SZ 48/26 als Solidarverpflichtung - die für sich Streitgenossen noch nicht zu einer einheitlichen Streitpartei verschmelzen ließe (Fasching, Lehrbuch2 Rz 374) - angenommen werden müsste, weil die beiden Käufer Eheleute sind (vgl die Nachweise bei Gamerith aaO § 891 Rz 4), hat das Gericht zweiter Instanz mit Recht nicht weiter geprüft, weil die Klägerin den Beklagten ohnedies nur auf den halben Kaufpreis in Anspruch genommen hat.

Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz schließlich auch die vom Beklagten der Sache nach erhobene Einrede des nicht erfüllten Vertrages als nicht berechtigt erkannt. Da feststeht, dass der Beklagte die Verpflichtung übernahm, eine der mündlichen Abrede entsprechende verbücherungsfähige Vertragsurkunde zu übermitteln, dieser Verpflichtung jedoch nicht nachkam, ist er damit in Annahmeverzug geraten (vgl SZ 54/3), befindet sich aber gleichzeitig auch in Verzug mit der Erfüllung der Kaufpreisschuld, weil eine Vorleistungspflicht der Klägerin nicht einmal behauptet worden ist. Fallen dem Käufer die Folgen des Schuldner- und des Gläubigerverzuges gleichzeitig zur Last, kann der Verkäufer diese Folgen grundsätzlich nebeneinander geltend machen. Dringt er weiterhin auf Erfüllung, muss er allerdings nicht bloß seine Leistungsbereitschaft aufrechterhalten, sondern auch seine Leistungsfähigkeit bewahren (SZ 54/3 uva; Bydlinski in Klang2 IV/2, 338 bei FN 40 und 349; Aicher in Rummel aaO § 1052 Rz 12). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin indessen, weil sie den Käufern die Übereignung der gesamten Liegenschaft nicht bloß im Prozess ausdrücklich angeboten hat, sondern - weil weiterhin Eigentümerin - hiezu auch ohne weiteres imstande ist.

Befindet sich der Schuldner gleichzeitig in Schuldner- und Gläubigerverzug, so ist er unbedingt, also ohne die Einschränkung bloß Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung, zu verurteilen, weil ihm bei Annahmeverzug die Einrede des nicht erfüllten Vertrages verwehrt ist (SZ 54/3; JBl 1980, 92 ua; Aicher aaO). Dessen ungeachtet hat die Klägerin bloß die Verurteilung Zug um Zug gegen Unterfertigung eines verbücherungsfähigen Kaufvertrages über einen Hälfteanteil der Liegenschaft begehrt; die unbedingte Verurteilung des Beklagten scheidet deshalb aus, weil damit eine Überschreitung des Klagebegehrens gemäß § 405 ZPO verbunden wäre. Da das Begehren auf Verurteilung Zug um Zug gegen Erbringung einer Gegenleistung anstatt eines unbedingten Zuspruches bloß ein Minus und nicht ein aliud ist (SZ 48/140 uva), steht die Bestimmung des § 405 ZPO der beantragten Verurteilung des Beklagten nicht entgegen.

Der Zuspruch mit der von der Klägerin begehrten Einschränkung bleibt auch nicht verwehrt, weil die von dieser geschuldete Gegenleistung an sich unteilbar ist: Da sie - wie vorher erörtert wurde - an sich die unbedingte Verurteilung des Beklagten hätte begehren können, kann ihr der bloß quantitativ eingeschränkte Urteilsantrag unter diesem Gesichtspunkt nicht zum Nachteil gereichen, zumal weder seiner zwangsweisen Durchsetzung ein exekutionsrechtliches Hindernis entgegenstünde noch die Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtung der Klägerin hiedurch in Frage gestellt wäre.

Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E28682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0010OB00523.92.0219.000

Im RIS seit

01.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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