TE OGH 2009/5/5 1Ob49/09a

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Veröffentlicht am 05.05.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Salzburg, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, und 2.) Peter K*****, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2008, GZ 4 R 172/08d-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. August 2008, GZ 2 Cg 7/08s-8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, je binnen 14 Tagen der erstbeklagten Partei die mit 1.776,15 EUR sowie der zweitbeklagten Partei die mit 2.133,54 EUR (darin enthalten 355,59 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Partei, vertreten durch die Österreichische Bundesforste AG, verkaufte dem Zweitbeklagten 2006 ein ungefähr 4 km2 großes Gebiet des Tennengebirges. Der Käufer wurde im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

Die klagende Partei begehrte, gestützt auf § 4 Abs 8 WRG und § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz 1996, die Feststellung der Nichtigkeit der Kaufverträge. Sie begründete ihr Feststellungsinteresse damit, dass sie im selbständigen Wirkungsbereich Vollzugsorgan der Grundverkehrsgesetze sei. Der Eigentümerstatus sei für die Vollziehung des Grundverkehrsrechts eine Vorfrage. Sollte der Zweitbeklagte zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte schließen oder genehmigungspflichtige letztwillige Verfügungen errichten, seien die Grundverkehrsbehörden der klagenden Partei zur Prüfung und Entscheidung berufen. Auch für die Vollziehung anderer, den Ländern zugewiesener Materien - wie Naturschutz und Jagdrecht - seien klare Eigentumsverhältnisse unverzichtbar.

Die Beklagten bestritten das Feststellungsinteresse und die Voraussetzungen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Das in § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse an der (alsbaldigen) Feststellung fehle. Schotterrinnen mit Niederschlagswasser und Grundwasser seien nach § 3 Abs 1 lit a und b WRG Privatgewässer, weshalb ihr Verkauf nicht unter der Nichtigkeitssanktion des § 4 Abs 8 WRG stehe. Das in § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz enthaltene Verkaufsverbot entfalte keine Außenwirkung, stelle nur eine interne Verkaufsbeschränkung dar, und ermögliche die Ausübung lediglich eines Vetorechts durch das vom Bundesministerium für Finanzen in den Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesforste AG entsandten Mitglieds. Die Entscheidung, ob und welche Liegenschaften des Bundes privatisiert werden sollen, sei infolge der Gewaltentrennung Aufgabe der Politik und nicht der Zivilgerichte.

Das Berufungsgericht, das den Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR bewertete und die ordentliche Revision zuließ, bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

1.) Ein stattgebendes Feststellungsurteil würde Rechtsunsicherheit schaffen, weil Grundbuch und Feststellungsurteil zueinander im Widerspruch stünden. Das Feststellungsurteil würde weder eine Rückabwicklung der Verträge noch eine Änderung des Grundbuchstands bewirken.

2.) Das in § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse müsse zufolge § 1 JN ein privatrechtliches sein. Die klagende Partei behaupte aber keine Privatrechte an den gekauften Grundstücken.

3.) § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz enthalte ein Verkaufsverbot ohne Nichtigkeitssanktion, weshalb es auf den Verbotszweck der Bestimmung ankomme. Normzweck des Bundesforstegesetzes als Privatisierungsgesetz sei, dass die Republik Österreich allein Verbotsberechtigte in Bezug auf ein Veräußerungsverbot sei. Die im Verfassungsrang stehende Vollzugsklausel des Art 1 § 18 Bundesforstegesetz enthalte keine Zuweisung der Vollziehung des § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz an den Bundesminister für Justiz, sondern an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Die Ausarbeitung einer Strategie zur Trinkwasserversorgung sei nicht Aufgabe der Gerichte, sondern der politischen Verwaltung. Die in § 4 Abs 8 WRG angeordnete Nichtigkeitssanktion gelte nur für zum öffentlichen Wassergut gehörende Liegenschaften, was hier nicht zutreffe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision wegen fehlender oberstgerichtlicher Judikatur zum Feststellungsinteresse einer Gebietskörperschaft, deren Privatrechtssphäre durch den angefochtenen Vertrag nicht berührt werde, und zu § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz bzw § 4 Abs 8 WRG zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Unzulässigkeit des Rechtswegs:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagssachverhalt maßgebend. Was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, ist nicht relevant. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584).

Rechte oder Rechtsverhältnisse, für deren Durchsetzung der Rechtsweg unzulässig ist, können auch im Wege der Feststellung nicht vor die ordentlichen Gerichte gebracht werden. Mangels ausdrücklicher Zulassung des ordentlichen Rechtswegs gilt dies für alle Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts (RIS-Justiz RS0039162; 8 Ob 544/92). Die Feststellungsklage bezüglich eines Rechtskomplexes, der für eine ausschließlich dem Verwaltungsverfahren vorbehaltene Entscheidung maßgebend ist, ist unzulässig (6 Ob 319/62; 1 Ob 580/83 = SZ 56/61; 7 Ob 79/08f).

Die klagende Partei begründet zwar ihr Feststellungsinteresse damit, dass die Klärung des Eigentumsrechts als Vorfrage für (zukünftige) Verwaltungsverfahren nötig sei. Das ändert aber nichts daran, dass sie nach dem maßgeblichen Sachantrag und dem Klagsvorbringen die Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen anderen Parteien geschlossenen privatrechtlichen Vertrags begehrt. Die Frage des in § 228 ZPO geforderten Feststellungsinteresses, dessen Fehlen nach der Judikatur zur Abweisung des Klagebegehrens führt (RIS-Justiz RS0039201), betrifft die inhaltliche Berechtigung des Klagebegehrens. Diese ist für die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht relevant.

2.) Feststellungsinteresse im Sinn des § 228 ZPO:

Auch ein an einem Rechtsgeschäft nicht beteiligter Dritter kann dessen Nichtigkeit geltend machen, wenn er ein rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung hat (RIS-Justiz RS0014654; Rechberger/Klicka in Rechberger³ § 228 ZPO Rz 6). Dieses in § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse fehlt, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann (4 Ob 227/01p) und damit die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des/der Beklagten (hier: Parteien des Rechtsgeschäfts) nicht unmittelbar berührt werden (9 ObA 16/97m; RIS-Justiz RS0039071; Rechberger/Klicka aaO). Der Zweck der Feststellungsklage ist, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht (RIS-Justiz RS0037422).

Das begehrte Feststellungsurteil erfüllt den Zweck, mit dem die klagende Partei in ihrem Klagsvorbringen ihr Feststellungsinteresse rechtfertigt, keinesfalls. Seine Rechtskraft würde nicht zur Aufhebung und Rückabwicklung der Kaufverträge im Verhältnis zwischen beiden Beklagten als Beteiligte der Rechtsgeschäfte führen. Das im Grundbuch eingetragene Eigentum des Käufers bliebe unberührt. § 136 GBG, den die klagende Partei heranzieht, nützt ihrem Standpunkt nichts. Voraussetzung für eine solche, nur auf Antrag zulässige (§ 136 Abs 1 GBG) Grundbuchsberichtigung ist die mangelnde Übereinstimmung des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage. Sie ist dann vorzunehmen, wenn nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten, grundbücherlich aber noch nicht durchgeführt worden ist, die begehrte Eintragung also nur deklarative Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0061010). Ein Feststellungsurteil, das im Verhältnis zur klagenden Partei die Nichtigkeit der zwischen anderen geschlossenen Rechtsgeschäfte feststellt, bewirkt jedenfalls keine außerbücherliche Rückübertragung des Eigentumsrechts an den verkauften Liegenschaften. Bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder letztwillige Verfügungen, die nach den Bestimmungen des Salzburger Grundverkehrsgesetzes von den Grundverkehrsbehörden des Landes zu genehmigen sind, wären diese nach wie vor an die in einem Grundbuchsverfahren, also einem gerichtlichen Verfahren, vorgenommene Eintragung des Eigentumsrechts des Zweitbeklagten gebunden. Das gilt genauso für die Vollziehung des Jagdrechts und des Naturschutzes.

3.) § 4 Abs 8 WRG und § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz als Grundlage für das Feststellungsbegehren:

§ 4 Abs 8 WRG ordnet unter anderem an, dass die Übertragung des Eigentums an zum öffentlichen Wassergut gehörenden Liegenschaften bei sonstiger Nichtigkeit erst nach bescheidmäßiger Feststellung der dauernden Entbehrlichkeit für die mit der Widmung als öffentliches Wassergut verbundenen Zwecke (Ausscheidung) zulässig ist.

§ 1 Abs 3a Bundesforstegesetz 1996, BGBl 1996/793, idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl I 2000/142, verbietet unter anderem den Verkauf von strategisch wichtigen Wasserressourcen, ausgenommen an Gebietskörperschaften.

Zur Gesetzgebung und Vollziehung des Wasserrechts ist nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG ausschließlich der Bund zuständig, wie die Revision selbst erkennt. Selbst nach ihrer Auffassung kann sich daher nur der Bund auf eine Wahrung wasserwirtschaftlicher Interessen berufen und wegen deren Verletzung die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung nach § 4 Abs 8 Wasserrechtsgesetz im zivilgerichtlichen Verfahren geltend machen (vgl Rossmann, Das österreichische Wasserrechtsgesetz3 [1993] 27; Oberleitner, WRG2 § 4 Rz 10). Für eine Legitimation des an einem derartigen Rechtsgeschäft nicht beteiligten Landes, eine auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Klage einzubringen, bieten die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes keine Grundlage.

Aus der alleinigen Zuständigkeit des Bundes zur Vollziehung des Wasserrechts zieht die Revision den Schluss, eine Gebietskörperschaft, die Wasserressourcen im Sinn des § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz zulässigerweise erwerbe, könne dem Sinn der Regelung nur durch eine Tätigkeit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung entsprechen (Schaffung einer Infrastruktur im Dienste der Wasserhaltung und Wasserverwertung). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts würden dadurch privatrechtliche und privatwirtschaftliche Interessen des Landes als potenzieller Erwerber tangiert.

In ihren Argumenten übersieht die klagende Partei, dass sie an dem konkreten, privatrechtlichen Veräußerungsgeschäft nicht beteiligt war. Die grundlegende, bereits in Punkt 2. dargelegte Voraussetzung für ein Feststellungsinteresse, nämlich die unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung der klagenden Partei, kann nicht verwirklicht sein. Die abstrakt gehaltenen Erwägungen der klagenden Partei zur privatrechtlichen Tätigkeit von Gebietskörperschaften im Rahmen der Daseinsvorsorge und der Einhaltung des Gemeinwohls können das Feststellungsbegehren nicht rechtfertigen.

4. Inhaltliche Voraussetzungen der §§ 4 Abs 8 WRG, 1 Abs 3a Bundesforstegesetz:

Mangels Feststellungsinteresses müssen diese nicht geprüft werden. Das gilt insbesondere für die unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens relevierten Fragen, ob Schotterrinnen wasserführende Gewässer sind und die Verkaufsbeschränkungen nach § 4 Abs 8 WRG eingreifen und ob die Grundstücke strategisch wichtige Wasserressourcen im Sinn des § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz sind.

5. Ergebnis:

Eine Gebietskörperschaft (Land) ist nicht berechtigt, die Feststellung zu begehren, dass ein zwischen dem Bund als Verkäufer und einem Privatrechtssubjekt als Käufer geschlossener Kaufvertrag wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs 8 WRG oder § 1 Abs 3a Bundesforstegesetz nichtig ist, wenn ihre Rechtsposition nicht unmittelbar tangiert ist.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E90810

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00049.09A.0505.000

Im RIS seit

04.06.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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