TE OGH 2009/6/3 16Ok5/09

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Mraz und Dr. Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache des Antragstellers Federico F*****, vertreten durch Mag. Rainer Radlinger, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, und der Antragsgegnerin T***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Peter Jesch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 26 KartG iVm § 5 KartG), über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 23. Dezember 2008, GZ 29 Kt 1/08-36, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist die größte Molkerei Tirols und die viertgrößte Molkerei Österreichs. Der Antragsteller besitzt die Gewerbeberechtigung zur „Erzeugung von Lebensmitteln aller Art und tiefgekühlten Produkten". Er produzierte an einem Betriebsstandort der Antragsgegnerin in L***** einen zu 80 % aus pasteurisierter Milch bestehenden süßen Brotaufstrich („Caramellcreme", in der Folge: Produkt), der zu einem geringen Teil unter der Bezeichnung „T***** Creme" und - nach Beigabe von Honig - zum weit überwiegenden Teil unter der Bezeichnung „***** Milch & Honig Caramellcreme" vermarktet wurde.

Der Antragsteller begehrte, das Kartellgericht möge den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin wirksam abstellen und der Antragsgegnerin die hiezu erforderlichen Aufträge erteilen; hilfsweise, das Kartellgericht möge feststellen, dass das Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 5 KartG darstellt; hilfsweise, das Kartellgericht möge feststellen, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller § 4 KartG unterliegen.

Die Antragsgegnerin habe sich verpflichtet, dem Antragsteller die für die Erzeugung seines Produkts notwendige Menge an Milch zu einem marktüblichen Preis zu liefern. Sein Produkt sei zunächst ausschließlich von der A***** AG (in der Folge: Abnehmerin) vertrieben worden, seit März 2007 sei die Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin des Produkts aufgetreten. Die Antragsgegnerin habe insgesamt 104.000 Gläser à 220 Gramm des Produkts bestellt, wovon

98.537 Gläser geliefert worden seien. Der vereinbarte Milchabnahmepreis von 0,335 EUR/kg pasteurisierter Vollmilch sei von der Antragsgegnerin einseitig auf 0,37 EUR/kg, mit Schreiben vom 22. 10. 2007 für das 4. Quartal 2007 sogar auf 0,523 EUR/kg erhöht worden. Diese Preissteigerung sei sachlich nicht gerechtfertigt; Medienberichten zufolge habe die Antragsgegnerin ihren Milchbauern gegenüber den Abnahmepreis für Rohmilch von 0,38 EUR/kg auf 0,44 EUR/kg, also nur um 0,06 EUR/kg erhöht. Andere Produktionskosten seien nicht gestiegen, zumal der Antragsteller seinen Produktionsstandort in der Molkerei der Antragsgegnerin habe. Der angemessene Milchpreis für ihn betrage daher 0,395 EUR/kg. Eine zumindest kostendeckende Produktion sei ihm nur möglich, wenn ein marktüblicher Preis festgesetzt werde. Er könne die für sein Produkt erforderliche Vollmilch nicht von anderen Anbietern beziehen, weil andere Molkereien nicht nach O***** lieferten; wegen der benötigten kleinen Mengen entstünden hohe Transportkosten, die eine Belieferung durch Dritte wirtschaftlich unmöglich machten. Für die Bestellung vom 23. 5. 2007 mit kontinuierlicher Belieferung bis 17. 8. 2007 habe die Antragsgegnerin einseitig den Lieferzeitraum bis zur Kalenderwoche 45/2007 verlängert; dem habe er nicht zugestimmt, weil er aus wirtschaftlichen Gründen den Produktionsplan habe einhalten müssen. Daraufhin habe die Antragsgegnerin vereinbarungswidrig und trotz rechtzeitiger Bestellung keine Schraubverschlüsse für die Gläser geliefert. Der Antragsteller sei an die Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin und an die Abnehmerin als Großhändlerin gebunden, zumal ihm letztere eine Mindestabnahmemenge von jährlich 400.000 Stück zugesagt habe. Das Produkt „***** Milch & Honig Caramellcreme" sei im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel unter der Marke der Abnehmerin eingeführt, weshalb ihm andere gleichwertige Absatzmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden. Von den zuletzt 50.000 bestellten Gläsern seien 5.463 Gläser noch nicht ausgeliefert worden. Da keine Preisvereinbarung für die Zeit nach dem 30. 6. 2007 getroffen worden sei, habe er zum Ausgleich seines durch den überhöhten Milchpreis sowie den Annahmeverzug der Antragsgegnerin erlittenen Schadens der Antragsgegnerin einen neuen Abgabepreis von 0,90 EUR pro Glas mitgeteilt, den diese abgelehnt habe. Da ihm eine weitere Belieferung zu dem bis 30. 6. 2007 vereinbarten Preis nicht möglich sei, stehe seine Produktion seit Oktober 2007 still. Unter Zugrundelegung eines angemessenen Milchpreises von 0,395 EUR/kg und einer höchstmöglichen Produktion von 40.000 Gläsern pro Monat ergebe sich ein Fixkostenanteil von 0,226 EUR/Glas und ein variabler Kostenanteil von 0,375 EUR/Glas, sodass bei voller Produktion die Kosten 0,601 EUR/Glas ausmachten. Aufgrund der seit April 2007 bestellten 104.000 bzw gelieferten 98.537 Gläser zu 0,685 EUR könne er seine Kosten nicht decken; dafür hätte er statt 67.497,80 EUR zumindest 118.401,70 EUR umsetzen müssen. Solange nicht eine höchstmögliche Produktion für einen längeren Zeitraum sichergestellt sei, sei der von ihm geforderte Preis von 0,90 EUR/Glas gerechtfertigt, weil er die bisher entstandenen und zukünftig entstehenden Fixkosten abdecken müsse. Auch im Hinblick auf den von der Abnehmerin empfohlenen Endverbraucherpreis von 2,29 EUR/Glas sei dieser Großhandelspreis angemessen, weil er ausreichende Handelsspannen ermögliche.

In rechtlicher Hinsicht führte der Antragsteller aus, für die Milchbelieferung sei der sachlich relevante Markt der Anbietermarkt für pasteurisierte Vollmilch, der räumlich relevante Produktmarkt der Betriebsstandort der Antragsgegnerin in L*****. Für das Endprodukt habe er keine anderen Absatzmöglichkeiten als die von der Abnehmerin zwischengeschaltete Antragsgegnerin. Sachlich relevant sei daher der Nachfragermarkt auf der Großhandelsstufe für das von der Abnehmerin österreichweit vertriebene Produkt „***** Milch & Honig Caramellcreme". Räumlich relevanter Markt sei das Inland. Im Ergebnis besitze die Antragsgegnerin auf beiden Märkten eine Monopolstellung und sei daher marktbeherrschend iSd § 4 Abs 1 Z 1 KartG; sie besitze auf beiden Märkten auch eine marktbeherrschende Stellung gemäß § 4 Abs 3 KartG, weil der Antragsteller zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sei. Da ihm die Antragsgegnerin als Lieferantin und als Abnehmerin auf beiden betroffenen Märkten unangemessene Preise aufzwinge, bleibe ihm keine Spanne übrig, die zur Abdeckung der Fixkosten und der variablen Kosten zuzüglich einer kleinen Gewinnspanne ausreichte. Es liege daher ein Preismissbrauch (§ 5 Abs 1 Z 1 KartG) bzw eine „Preisschere" vor. Außerdem enthalte der von der Antragsgegnerin verrechnete Milchpreis von 0,523 EUR/kg eine außergewöhnlich hohe Gewinnspanne. Missbräuchlich sei, dass der Abnahmepreis für das Glas „***** Milch & Honig Caramellcreme" von 0,685 EUR/Glas in keinem angemessenen Verhältnis zum Endverbraucherpreis (Aufschlag von 200 % für den Handel) stehe. Auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung schlage zu Gunsten des Antragstellers aus: Er kämpfe um sein wirtschaftliches Überleben, während die wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin „bestechend" sei. Der von der Antragsgegnerin festgelegte Milchpreis von netto 0,523 EUR/kg pasteurisierter Vollmilch und deren Weigerung, einen Abnahmepreis von 0,90 EUR pro Glas zu akzeptieren, seien als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu beurteilen. Die Antragsgegnerin begehrt, den Antrag abzuweisen. Sie besitze keine marktbeherrschende Stellung. Es sei für den Antragsteller zwar bequem, die Milch im gleichen Betriebsgebäude zu beziehen, er sei dazu aber nicht verpflichtet, und es stünde ihm der gesamte österreichische und internationale Milchmarkt offen. Der räumlich relevante Markt sei wesentlich größer als der Betrieb der Antragsgegnerin in L*****; als Industriebetrieb könne der Antragsteller die Milch von jedem Anbieter beziehen. Räumlich relevant sei der gesamte inländische Markt, auf dem die Antragsgegnerin nur einen Marktanteil von 8,9 % erziele und auch die Vermutungsschwellen des § 4 Abs 2 KartG nicht erreiche. Eine Marktbeherrschung nach § 4 Abs 3 KartG liege nicht vor, zumal der Antragsteller die von ihm als unbefriedigend empfundene Struktur seines Unternehmens frei gewählt habe. Die Antragsgegnerin habe keine unangemessenen Verkaufspreise (§ 5 Abs 1 Z 1 KartG) erzwungen. Abgesehen davon, dass der Antragsteller die von ihm benötigte Milch auch von anderen Lieferanten beziehen könne, entspreche der von ihr ab Oktober 2007 verlangte Preis von 0,523 EUR/kg genau dem am Industriemarkt erzielbaren Preis. Auch auf Abnehmerseite besitze die Antragsgegnerin keine marktbeherrschende Stellung gegenüber dem Antragsteller; dieser sei nicht verpflichtet, sein Produkt ausschließlich an sie als Zwischenhändlerin zu liefern, sondern könne grundsätzlich auch - wie schon früher - direkt an die Abnehmerin verkaufen. Es könne der Antragsgegnerin nicht angelastet werden, wenn der Antragsteller seine Geschäftsbeziehungen zur Abnehmerin verloren habe. Außerdem könne er sein Produkt am freien Markt an andere Abnehmer verkaufen. Wenn ihm dies aus individuellen - nur auf seinen Betrieb zutreffenden - wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei, sei dafür nicht die Antragsgegnerin verantwortlich. Das Kartellrecht ermögliche einem Unternehmer nicht, die Konsequenzen eigener wirtschaftlicher Fehlplanungen auf seine Vertragspartner zu überwälzen.

Keine Amtspartei hat sich am Verfahren beteiligt.

Das Erstgericht wies den Antrag samt Hilfsanträgen ab. Es stellte

zusammengefasst folgenden Sachverhalt fest:

Der Antragsteller kam 2004 mit der Antragsgegnerin in Kontakt und mietete Produktions-, Lager- und Büroräumlichkeiten am Standort der Antragsgegnerin. Im Zuge der Vertragsverhandlungen hatte sich die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller im Fall des Zustandekommens des Mietvertrags mit der für seine Produktion erforderlichen Milchmenge zu einem marktüblichen Preis zu beliefern. Der Antragsteller kaufte eine Produktionsmaschine, erhielt - mit Unterstützung der Antragsgegnerin - die erforderlichen behördlichen Genehmigungen und stellte ab Mitte 2005 erstmals sein Produkt her. Die Antragsgegnerin unterstützte den Antragsteller mit Pressekontakten und bei der Markteinführung, lehnte aber mangels Vertriebsstruktur sein Ersuchen ab, den Vertrieb seines Produkts zu übernehmen. Der Antragsteller konnte in der Folge die Abnehmerin für sein Produkt interessieren, die es - nach Beimischung von Honig - in kleinen Gläsern über Supermarktketten vertreiben wollte. Um den Wünschen der Abnehmerin zu entsprechen, das Produkt abgefüllt in Gläser mit 220 g zu erhalten, erwarb der Antragsteller eine Abfüllanlage. Obwohl die Produktion des Antragstellers in größeren Mengen erst ab Mitte 2006 begann, vereinbarten die Parteien schon im Herbst 2005 einen Preis von 0,335 EUR/kg pasteurisierter Vollmilch, trafen jedoch keine Exklusivvereinbarung über den Milchbezug. Mit der Abnehmerin vereinbarte der Antragsteller einen Abnahmepreis für das fertige Produkt von 0,685 EUR pro Glas. Den für das Produkt benötigten Honig sowie die Schraubverschlüsse der Gläser und die Etiketten bezog der Antragsteller von der Abnehmerin. Am 1. 2. 2006 schlossen der Antragsteller und die Abnehmerin einen für Österreich geltenden Exklusivvertrag mit einjähriger Laufzeit und einer geplanten Menge von 15.000 bis 20.000 Gläsern (dies entspricht bei einer Produktionskapazität von 1.800 Gläsern/Tag etwa 8,3 bis 11,1 Tagesproduktionen). Der Antragsteller ließ sich auf diese Vereinbarung ein, obwohl er eine Kostenberechnung hatte anstellen lassen, nach der der vereinbarte Abnahmepreis erst bei einer Menge von 400.000 Gläsern/Jahr (also bei Vollauslastung der Produktionsstätte über das ganze Jahr) rentabel gewesen wäre. Diesen Berechnungen lag ein fiktiver Milchpreis von nur 0,27 EUR/kg zugrunde, obwohl damals mit der Antragsgegnerin schon ein Milchpreis von 0,335 EUR/kg vereinbart worden war. Der Antragsteller hoffte, nach Ablauf der einjährigen „Testphase" von der Abnehmerin einen Vertrag über eine jährliche Produktion von 400.000 Gläsern zu erhalten. Bis Ende 2006 produzierte der Antragsteller 120.000 Gläser für die Abnehmerin; darüber hinaus hatte der Antragsteller nur die Antragsgegnerin als weitere Abnehmerin seines Produkts in ganz kleinen Mengen für deren Supermarkt. Der Versuch, einen Abnehmer in Italien für eine jährliche Absatzmenge von 1 Mio Gläser zu finden, war nicht erfolgreich. Schon bald nach Produktionsbeginn für die Abnehmerin im Sommer 2006 verfügte der Antragsteller über keine ausreichenden Barbeträge, um die fälligen Milchrechnungen der Antragsgegnerin zu zahlen. Im Februar 2007 betrugen die Verbindlichkeiten des Antragstellers bei der Antragsgegnerin ca

26.900 EUR, weshalb letztere die weitere Belieferung mit Milch von der Zahlung dieser Außenstände abhängig machte. Im März 2007 verkaufte der Antragsteller unter gleichzeitiger Rückmiete („sale and lease back") seine Produktionsmaschine an eine Bank und beglich mit dem Erlös am 30. 3. 2007 die Schulden aus den Milchlieferungen. Um den Jahreswechsel 2006/2007 kam es auch in der Geschäftsbeziehung zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin zu erheblichen Problemen, weshalb die Abnehmerin nach Ablauf des einjährigen Vertrags ihre Geschäftsbeziehung zum Antragsteller beendete. Zu diesem Zeitpunkt war noch eine Bestellung über 54.000 Gläser offen. Der Antragsteller stellte eine Lösung seiner innerbetrieblichen Probleme bis Ende Mai 2007 in Aussicht. In diesem Zusammenhang stellte er einen Unternehmer als finanzstarken Partner vor, mit dem er bis zum genannten Zeitpunkt eine Gesellschaft gründen wollte. Die Abnehmerin war weiterhin am Vertrieb des Produkts interessiert, wollte aber keine direkten vertraglichen Beziehungen zum Antragsteller eingehen. Um das Projekt zu retten, war die Antragsgegnerin damit einverstanden, für die Übergangszeit bis zur geplanten Gesellschaftsgründung, längstens aber bis Juni 2007, als Zwischenhändlerin zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin tätig zu werden. Zwischen den Parteien und der Abnehmerin bestand Einverständnis darüber, dass die Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin keine selbständigen kaufmännischen Entscheidungen treffen, sondern nur die Produktbestellungen der Abnehmerin an den Antragsteller einerseits, die Bestellungen des Antragstellers über Schraubverschlüsse, Etiketten und „Safety-Seals" an die Abnehmerin andererseits jeweils weitergeben sowie den Rechnungs- und Zahlungsverkehr abwickeln sollte; nur den für die Produktion benötigten Honig sollte der Antragsteller weiterhin direkt bei der Abnehmerin bestellen und zahlen. Eine bestimmte Abnahmemenge wurde nicht festgelegt; die übergebene Ware sollte halbmonatlich an die Antragsgegnerin verrechnet und innerhalb von 10 Tagen ab Rechnungserhalt bezahlt werden, wobei die Antragsgegnerin berechtigt sein sollte, die von ihr gelieferte Milch und sonstige Betriebsmittel im selben Zeitraum gegenzurechnen. Der Antragsteller akzeptierte zwar diese Zwischenlösung bis 31. 5. 2007, bestand aber darauf, dass Lieferungen ab Juni 2007 nur aufgrund einer vertraglichen Basis und direkt von der neuen Gesellschaft an die Abnehmerin erfolgen sollten. Zu einem weiteren Vertrag des Antragstellers mit der Abnehmerin kam es in der Folge jedoch ebenso wenig wie zur geplanten Gründung einer Gesellschaft oder zum Eintritt eines Partners in das Unternehmen des Antragstellers.

Nach Einschaltung der Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin blieb der Abnahmepreis für das Produkt unverändert; daraus erhielt die Antragsgegnerin zur Abgeltung ihres Abwicklungsaufwands von der Abnehmerin eine Spanne als Vergütung, sodass die Einschaltung der Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin zu Lasten der Abnehmerin ging. Auch der vereinbarte Milchpreis blieb unverändert. Am 12. 4. 2007 bestellte die Antragsgegnerin im Auftrag der Abnehmerin beim Antragsteller die aus der direkten Geschäftsbeziehung zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin offen gebliebenen 54.000 Gläser zur Belieferung zwischen 17. 4. und 30. 6. 2007. Am 23. 5. 2007 bestellte die Antragsgegnerin ein weiteres Mal im Auftrag der Abnehmerin beim Antragsteller 50.000 Gläser zur Belieferung bis 17. 8. 2007. Mit Schreiben vom 29. 6. 2007 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen neuen Milchpreis ab August 2007 von 0,375 EUR/kg bekannt, teilte ihm aber mit Schreiben vom 5. 7. 2007 mit, dass er die Milch für den noch offenen Auftrag vom 23. 5. 2007 noch zum alten Preis von 0,335 EUR/kg erhalte. Da der Absatz des Produkts in den Sommermonaten geringer war als angenommen, ersuchte die Abnehmerin, zur Vermeidung zu langer Lagerzeiten die Produktion zu drosseln und den Lieferzeitraum für die genannten 50.000 Gläser bis zur Kalenderwoche 45/2007 zu verlängern. Dieses Ersuchen gab die Antragsgegnerin an den Antragsteller mit Schreiben vom 5. 7. 2007 weiter. Der Antragsteller antwortete, dass er diesem Ersuchen nicht entsprechen könne, sich aber um eine Ausdehnung des Lieferzeitraums bis zur Kalenderwoche 39/2007 bemühen werde.

In der Folge kam es beim Antragsteller zu kurzfristigen Produktionsverzögerungen, weil ihm keine Schraubverschlüsse für die Gläser zur Verfügung standen; die Ursache dafür kann nicht festgestellt werden. In Erfüllung der beiden Bestellungen der Antragsgegnerin (insgesamt 104.000 Gläser) lieferte der Antragsteller bis 1. 9. 2007 insgesamt 98.537 Gläser aus, musste jedoch danach die Produktion infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten und seines hohen Schuldenstands einstellen.

Am 3. 10. 2007 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Zugrundelegung eines Preises von 0,90 EUR/Glas zur Leistung einer Akontozahlung von 4.500 EUR für 5.000 Gläser auf, womit die Antragsgegnerin nicht einverstanden war; diese teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. 10. 2007 vielmehr einen künftig zu verrechnenden Milchpreis für das 4. Quartal 2007 von 0,523 EUR/kg mit. Der Antragsteller erklärte, diesen Preis nicht zu akzeptieren. Ein höherer Milchpreis als der im Herbst 2005 vereinbarte Preis von 0,335 EUR/kg wurde dem Antragsteller nie verrechnet und wäre entsprechend der Zusicherung der Antragsgegnerin im Schreiben vom 5. 7. 2007 auch für die Milch zur Herstellung der restlichen Bestellmenge von 5.463 Gläsern nicht verrechnet worden. Zu Verhandlungen über den künftig zu verrechnenden Milchpreis kam es infolge Einstellung der Produktion des Antragstellers nicht mehr. In ihrer Eigenschaft als Zwischenhändlerin gab die Antragsgegnerin entsprechend den im Frühjahr 2007 getroffenen Vereinbarungen nur die Bestellungen der Abnehmerin unverändert an den Antragsteller weiter. Die Antragsgegnerin hätte dem Antragsteller nur dann einen höheren Abnahmepreis anbieten können, wenn sie ihrerseits von der Abnehmerin einen höheren Preis erhalten hätte, was auch Gegenstand von Verhandlungen vor der Produktionseinstellung war. Seit Februar 2007 verhandelten die Parteien über eine Übernahme des Unternehmens des Antragstellers durch die Antragsgegnerin, ohne dass es zu einer Einigung über den Übernahmepreis gekommen wäre. Die Antragsgegnerin brach die Gespräche ab, als sie erfuhr, dass weder Abfüllanlage noch Produktionsmaschine im Eigentum des Antragstellers standen. Der Antragsteller stellte ab November 2007 die Zahlungen für die von der Antragsgegnerin gemieteten Räumlichkeiten ein; sein Schuldenstand im März 2008 betrug rund 345.000 EUR, davon 225.000 EUR Bankschulden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Frage einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin müsse nicht geklärt werden, weil ihr kein missbräuchliches Verhalten in Form eines Preismissbrauchs vorzuwerfen sei, und zwar weder als Anbieterin von Vollmilch, noch als Nachfragerin des Produkts des Antragstellers. Der Antragsteller sei der von ihm behaupteten Preisschere durch Anhebung des Milchpreises bei gleichzeitiger Verweigerung der Anhebung des Abnahmepreises nie ausgesetzt gewesen, weil im Rahmen der beiden von der Antragsgegnerin getätigten Bestellungen beim Antragsteller beide Preise unverändert geblieben seien. Auch sonst sei der Antragsgegnerin kein missbräuchliches Verhalten vorzuwerfen. Sie habe bei ihren beiden Bestellungen nur den zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin direkt vereinbarten Abnahmepreis verlangt. Die unternehmerische Fehlentscheidung des Antragstellers, den von der Abnehmerin angebotenen Abnahmepreis zu akzeptieren, obwohl dieser nach den Berechnungen seiner eigenen Berater unter Zugrundelegung des vereinbarten (und unstrittig angemessenen) Milchpreises nicht einmal bei Vollauslastung der Kapazitäten des Betriebs habe rentabel sein können, sei nicht der Antragsgegnerin anzulasten, die weder an der Vereinbarung des Abnahmepreises beteiligt gewesen sei, noch die von der Abnehmerin vorgegebenen Abnahmemengen beeinflussen habe können. Dass die Antragsgegnerin den Abnahmepreis für die von ihr bereits bestellte Ware nicht nachträglich erhöht und auch für künftige Bestellungen ohne Zustimmung der Abnehmerin keine höheren Abnahmepreise versprochen habe, sei angesichts der Stellung der Antragsgegnerin als bloße Zwischenhändlerin nicht missbräuchlich. Auch ein Abnehmer mit marktbeherrschender Stellung sei nicht verpflichtet, zu Gunsten eines abhängigen Lieferanten bewusst Verlustgeschäfte einzugehen und dessen Ware zu Preisen abzunehmen, um die er sie mit Sicherheit nicht weiterverkaufen könne. Die vom Antragsteller ins Treffen geführte Gewinnspanne (die sich durch Einschaltung der Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin nicht erhöht habe) sei nicht der Antragsgegnerin, sondern der Abnehmerin und dem Einzelhandel zugute gekommen. Zu berücksichtigen sei auch, dass vereinbarungsgemäß die Funktion der Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin zeitlich beschränkt und Ende Mai 2007 beendet sein sollte. Nach dieser Vereinbarung seien weitere Bestellungen der Antragsgegnerin ab Juni 2007 - für die dann allenfalls neue Abnahmepreise zu vereinbaren gewesen wären - ausgeschlossen gewesen. Angesichts dieser zeitlich und auf zwei konkrete Geschäftsfälle beschränkten Funktion der Antragsgegnerin als Zwischenhändlerin könne es nicht einmal missbräuchlich sein, wenn sich die Antragsgegnerin geweigert hätte, überhaupt weitere Bestellungen vorzunehmen; umso mehr gelte dies dann aber auch für das fehlende Versprechen, für allfällige künftige Bestellungen einen höheren Abnahmepreis zu zahlen. Letztlich stelle sich aber die Frage des Abnahmepreises für künftige Bestellungen schon deshalb nicht, weil der Antragsteller nicht einmal die vereinbarten Bestellmengen zur Gänze geliefert, sondern seine Produktion vor vollständiger Erfüllung des Auftrags eingestellt habe.

Zur Frage der Verlängerung der Abnahmefrist habe die Antragsgegnerin - auf Wunsch der Abnehmerin - nur ein Ersuchen an den Antragsteller gerichtet und dessen Ablehnung aufgrund der Vereinbarung ohnehin zur Kenntnis nehmen müssen. Es fehle jeder Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin Deckelbestellungen des Antragstellers oder Deckellieferungen der Abnehmerin zurückgehalten habe. Eine Unangemessenheit des dem Antragsteller bis zuletzt verrechneten Milchpreises sei nicht behauptet worden. Die Angemessenheit des ab August 2007 angekündigten Milchpreises stehe nicht zur Diskussion, weil er nie zur Verrechnung gekommen sei und auch nicht zur Verrechnung habe kommen können, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Ankündigung der Erhöhung seine Produktion aus ganz anderen Gründen schon eingestellt gehabt habe. Die bloße Ankündigung einer künftigen Preiserhöhung, die vom Vertragspartner nicht akzeptiert wird, über die aber wegen der bereits zuvor aus anderen Gründen erfolgten Einstellung der Produktion beim Abnehmer gar nicht mehr näher verhandelt wird und die wegen dieser Produktionseinstellung auch gar nicht mehr zur Verrechnung kommen kann, sei keine Erzwingung unangemessener Preise iSd § 5 Abs 1 Z 1 KartG.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Abänderungsantrag dahin, seinen Anträgen zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Das „über ausdrückliche Anweisung des Antragstellers" ausgeführte Rechtsmittel stellt über weite Strecken den Sachverhalt aus Sicht des Antragstellers - und damit teilweise abweichend von den getroffenen Feststellungen - dar, ohne bestimmte Rechtsmittelgründe geltend zu machen. Insoweit diese Ausführungen allenfalls eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung bezwecken, ist ihnen entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof (OGH) auch als Kartellobergericht im kartellgerichtlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsinstanz tätig wird und zur Überprüfung der Beweiswürdigung - ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten - in keinem Fall berufen ist (RIS-Justiz RS0109206 [T6, T10]; RS0123662).

1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel, die nicht zur Unterstützung der Rechtsmittelgründe vorgebracht werden, sind vor dem OGH nicht zulässig (vgl § 66 Abs 2 AußStrG und RIS-Justiz RS0079200). Dieses Neuerungsverbot gilt auch für das kartellrechtliche Rekursverfahren. Die vom Rekurswerber mit seinem Rechtsmittel an den OGH ohne Bezugnahme auf einen Rechtsmittelgrund erstmals vorgelegten 21 Urkunden bedürfen deshalb keiner Stellungnahme.

2.1. Die Gestaltung des Beweisaufnahmeverfahrens in Außerstreitsachen ist weitgehend dem Ermessen des Gerichts überlassen. Es kann die Beweise in einer mündlichen Verhandlung oder außerhalb einer solchen aufnehmen (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 31 Rz 7). Die Beweisaufnahme im außerstreitigen Verfahren ist an keine besonderen Förmlichkeiten gebunden (16 Ok 4/07). Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (RIS-Justiz RS0074920 [T12], RS0006036).

2.2. Angesichts dieser Rechtslage ist der Vorwurf einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens unbegründet, der darauf gestützt ist, das Erstgericht habe von den Parteien vorgelegte Urkunden nicht [gemeint offenbar: in einer mündlichen Verhandlung] „zum Akt genommen und verlesen". Die genannten Urkunden befinden sich im Akt, wurden also offensichtlich Aktenbestandteil. Dass das Gericht in die Urkunden vor der Entscheidungsfindung nicht Einsicht genommen oder dem Antragsteller die Einsicht in von der Gegenpartei vorgelegte Urkunden verweigert hätte, behauptet der Antragsteller hingegen nicht. Er zeigt in seinem Rechtsmittel auch die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, weil er nicht ausführt, in welchem Punkt das Ergebnis des Verfahrens für ihn günstiger gewesen wäre, wären die gerügten angeblichen Unterlassungen unterblieben (vgl RIS-Justiz RS0043027, RS0043049).

2.3. Ob sich der Antragsteller mit Bestandzins im Rückstand befunden hat, welchen genauen Inhalt die Preisvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin hatte, und ob es infolge eines Übersetzungsfehlers ein Missverständnis bei den unterschiedlichen Bezeichnungen für das Produkt des Antragstellers je nach Abnehmer gegeben hat, ist für die hier zu lösenden Rechtsfragen eines marktmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin ohne Bedeutung. Auf die darauf bezogenen Rekursausführungen ist damit nicht weiter einzugehen. Eine dem Erstgericht unterlaufene Verwechslung der Parteienbezeichnung (S 21 der Entscheidung) wurde bereits bei der Wiedergabe des Sachverhalts richtiggestellt.

3.1. Der Antragsteller macht geltend, es liege „eindeutig auf der Hand", dass die Antragsgegnerin ihre Machtposition gegenüber dem Antragsteller „ruinös" ausgenutzt und ihn „vernichtend unter Druck" gesetzt habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei davon auszugehen, dass der Antragsteller „aufgrund des Etikettenaufdrucks 'T***** Milch' jedenfalls gezwungen" gewesen sei, die Milch bei der Antragsgegnerin zu beziehen, und dass die Antragsgegnerin und die Abnehmerin „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" an den Tag gelegt hätten.

3.2. Soweit mit diesen allgemeinen Ausführungen überhaupt eine Rechtsrüge erhoben wird, ist sie jedenfalls nicht berechtigt. Weshalb die - jederzeit veränderbare - grafische Gestaltung einer Produktverpackung bewirken soll, dass der Lieferant eines benötigten Vorprodukts die Stellung eines Marktbeherrschers gegenüber einem Produkthersteller besitzt, ist nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass dem Antragsteller für den Bezug der benötigten Milch und für den Absatz des von ihm daraus hergestellten Produkts der gesamte inländische Markt offenstand. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Antragsgegnerin bei ihren beiden Bestellungen nur den zwischen dem Antragsteller und der Abnehmerin direkt vereinbarten Abnahmepreis verlangt und den zwischen den Parteien vereinbarten Milchpreis verrechnet. Dafür, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller eine Machtposition besessen oder eine solche wettbewerbswidrig ausgenützt hätte, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Im Übrigen ist auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen.

Anmerkung

E9099416Ok5.09

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inÖBl-LS 2009/252 - CaramellcremeXPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0160OK00005.09.0603.000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten