TE OGH 2009/9/28 2Ob249/08v

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Veröffentlicht am 28.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Z*****AG, *****, vertreten durch Mag. Gabor Maraszto, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2008, GZ 12 R 111/08v-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. April 2008, GZ 20 Cg 226/07p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 5. 3. 2006 verschuldete der Lenker eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs im Gemeindegebiet Radstadt einen Verkehrsunfall, bei dem der in Frankreich zugelassene PKW Mercedes Benz CLS des in Frankreich wohnhaften französischen Staatsbürgers Walter G***** erheblich beschädigt wurde. Das im Unfallszeitpunkt neun Monate alte Klagsfahrzeug war bei der klagenden Partei, einem französischen Versicherungsunternehmen, kaskoversichert und verblieb nach dem Unfall in Österreich. Der auf Veranlassung der klagenden Partei mit der Begutachtung des Fahrzeugschadens beauftragte Sachverständige ermittelte die Instandsetzungskosten mit 45.147,22 EUR, den Wiederbeschaffungswert mit 61.347 EUR und gab den Wert des beschädigten Fahrzeugs mit 18.000 EUR an. Diese Werte beziehen sich auf die österreichischen Marktverhältnisse. Auf der Grundlage des Gutachtens wurde das beschädigte Fahrzeug um 18.000 EUR an einen österreichischen Fahrzeughändler verkauft.

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei zunächst den Ersatz von 43.847 EUR sA. Sie brachte vor, in ihrer Eigenschaft als Kaskoversicherer des Geschädigten ein in Wien ansässiges Schadensbehandlungsbüro mit der Geltendmachung des Kaskoregresses beauftragt zu haben. Am 15. 3. 2006 sei das Gutachten über den Schadensumfang vorgelegen, im Mai 2006 habe die klagende Partei das Fahrzeug verkauft. An diesem sei Totalschaden in Höhe des Klagsbetrags (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) eingetreten, dazu komme eine Standgebühr von 500 EUR. Die klagende Partei habe ihrem Versicherungsnehmer diesen Schadensbetrag abzüglich eines Selbstbehalts von 1.000 EUR bezahlt, wodurch der Schadenersatzanspruch ex lege auf sie übergegangen sei. Des weiteren habe der Geschädigte den Anspruch auf Ersatz des Selbstbehalts und auch seine Forderung auf den Wrackerlös an sie abgetreten. Da der Verkaufserlös dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert entspreche, liege keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vor.

Aufgrund einer Zahlung der beklagten Partei in Höhe von 36.847 EUR schränkte die klagende Partei das Klagebegehren schließlich auf den zuletzt geltend gemachten Betrag von 7.000 EUR sA ein.

Die beklagte Partei wandte zunächst ein, für das Wrack wäre ein Veräußerungserlös von 30.000 EUR realistisch gewesen. Selbst ein Jahr nach dem Unfall wäre es über ihre Restwertbörse noch zu einem Betrag von 26.000 EUR zu verkaufen gewesen. Lediglich aus Gründen prozessualer Vorsicht werde das (ursprüngliche) Klagebegehren nur im Umfang von 7.000 EUR sA bestritten und insoweit die Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die klagende Partei bzw ihre Erfüllungsgehilfen geltend gemacht.

Nach Vorliegen des im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachtens des Kraftfahrzeug-Sachverständigen brachte die beklagte Partei ergänzend vor, der geringe Restwert gründe sich darauf, dass ein französisches Fahrzeug in Österreich schwer zu verwerten sei. Bei der Wertermittlung sei auf den „Heimmarkt" des Geschädigten abzustellen. Der klagenden Partei wäre die Einholung entsprechender Angebote möglich gewesen, wodurch - auch unter Berücksichtigung der Transportkosten - ein höherer Restwert erzielbar gewesen wäre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Hiebei ging es vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und von der weiteren Feststellung aus, dass ein französisches Fahrzeug in Österreich „erheblich schwerer" (als in Frankreich) zu verwerten sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass in Österreich ein höherer Restwert zu erzielen gewesen wäre. Rechtlich folgerte das Erstgericht, eine „Schlechtverwertung" zu Lasten des Schädigers habe nicht stattgefunden. Von einer Verletzung der Schadensminderungspflicht könne „nicht einmal ansatzweise" die Rede sein.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht erörterte es, aus jener höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einer beschädigten Sache grundsätzlich auf den Wohnort des Geschädigten abzustellen sei, könne für das hier zu lösende Problem, auf welchen Markt es bei der Ermittlung des Restwerts des im Inland beschädigten Fahrzeugs eines ausländischen Geschädigten ankomme, nichts gewonnen werden. Die Frage, auf welchen Anbietermarkt sich der Geschädigte verweisen lassen müsse, sei ausschließlich eine solche des Umfangs seiner Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 1304 ABGB. In der deutschen Literatur und Judikatur werde dies im Zusammenhang mit dem Auftreten spezialisierter Wrackaufkäufer in Internetwrackbörsen schon seit längerem diskutiert. Dazu werde allgemein die Ansicht vertreten, dass dem Geschädigten nicht mehr als eine Veräußerung des Wracks zu den auf dem allgemeinen - aus lokalen Fahrzeughändlern bestehenden - Markt erzielbaren Preisen zuzumuten sei. Mit einer Veräußerung des Wracks zu den dort erzielbaren Konditionen genüge der Geschädigte grundsätzlich seiner Schadensminderungsobliegenheit. Ein sich aus einer solcherart zumutbaren Verwertung ergebender Restwert sei der Schadensberechnung daher zugrunde zu legen. Auf andere Verwertungsmöglichkeiten, insbesondere solche außerhalb der räumlichen Umgebung des Geschädigten, die mit zusätzlichen Kosten und Mühen (etwa im Zusammenhang mit einem erforderlichen Transport des beschädigten Fahrzeugs zum Anbieter) verbunden seien, dürfe der Geschädigte nicht verwiesen werden. Ebenso wenig sei der Geschädigte verpflichtet, von sich aus Marktforschung zu betreiben und Angebote räumlich entfernter Interessenten einzuholen. Eine Berücksichtigung höherer Wrackankaufspreise nicht lokaler Anbieter werde nur unter der Bedingung befürwortet, dass damit keinerlei zusätzliche zeitliche oder finanzielle Belastungen verbunden sein dürften.

Die zur Abgrenzung der Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten bei der Wrackverwertung im Zusammenhang mit Internetwrackbörsen entwickelten Grundsätze seien auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der Geschädigte habe ein legitimes Interesse daran, dass das Wrack möglichst schnell verkauft werde und er mit der Verwertung des Wracks möglichst wenig belastet sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Geschädigte die im Zusammenhang mit der Wrackverwertung aufgewendete Zeit und Mühe in der Regel nicht ersetzt erhalte. Die maßvolle Beanspruchung durch die Schadensregulierung müsse daher die maßgebliche Determinante für die Begrenzung der Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten sein. Daraus ergebe sich aber, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet sei, über die ihm zumutbare Veräußerung zu allgemeinen lokalen Marktpreisen hinaus selbst weitere Anstrengungen zur Einholung von Angeboten nicht lokaler Anbieter zu unternehmen bzw Kosten und Mühen des Transports des Wracks zu einem (vom Aufenthaltsort des Wracks) entfernten Anbieter auf sich zu nehmen.

Die Frage, ob für die Beurteilung des Wrackwerts die österreichischen oder französischen Marktverhältnisse maßgebend seien, sei daher dahin zu beantworten, dass dem Geschädigten besondere Anstrengungen zum Verkauf des Wracks auf einem räumlich vom Wrack entfernten Anbietermarkt grundsätzlich nicht zuzumuten seien. Zusätzliche, mit zeitlichen und finanziellen Mehraufwendungen verbundene Bemühungen, um das in Österreich befindliche Wrack am französischen Markt zu einem höheren Preis zu verkaufen, könnten dem Geschädigten somit nicht abverlangt werden und zwar auch dann nicht, wenn er seinen Wohnsitz oder Sitz in Frankreich habe. Es begründe demnach keine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit, wenn das nach einem Unfall in Österreich verbliebene Wrack eines ausländischen Geschädigten zu dem vom Kraftfahrzeug-Sachverständigen nach österreichischen Marktverhältnissen ermittelten Verkaufspreis an einen lokalen österreichischen Kraftfahrzeughändler verkauft werde. Darauf, ob von diesen Grundsätzen abzugehen sei, wenn dem Geschädigten „am Silbertablett" ein höheres Angebot eines nicht lokalen Wrackankäufers präsentiert werde, müsse hier nicht eingegangen werden. Auch die im deutschen Schrifttum diskutierte Frage, ob der Geschädigte verpflichtet sei, dem Ersatzpflichtigen vor dem Verkauf des Wracks Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, stelle sich nicht. Schließlich habe keine der Parteien behauptet, dass sich am französischen Markt ein anderer als der der Schadensberechnung zugrunde gelegte Wiederbeschaffungswert des Klagsfahrzeugs ergeben hätte.

Die Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof zu der Frage, auf welchen Anbietermarkt bei der Ermittlung des Wrackwerts abzustellen sei, wenn das Wrack nach einem Unfall eines ausländischen Geschädigten in Österreich verbleibe, bisher noch nicht geäußert habe.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch im Sinne des Eventualantrags berechtigt.

Die beklagte Partei macht geltend, die Frage, auf welchen Anbietermarkt sich der ausländische Geschädigte bei der Ermittlung des Restwerts verweisen lassen müsse, könne nicht völlig losgelöst von den zu § 305 ABGB entwickelten Rechtsgrundsätzen beantwortet werden. Danach sei für die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einer beschädigten Sache auf den Ort abzustellen, wo die Sache üblicherweise ihren gewöhnlichen Nutzen entfalte, hier also auf den französischen Markt. Dies müsse konsequenterweise auch für den Restwert gelten. Gerade der klagenden Partei als namhafter französischer Versicherungsgesellschaft wäre es zumutbar gewesen, das Fahrzeug am Heimatmarkt anzubieten, wobei die Kosten des Rücktransports ohnedies der Erwerber zu tragen gehabt hätte.

Hiezu wurde erwogen:

1. Im Hinblick auf die Unfallbeteiligung eines in Frankreich zugelassenen Kraftfahrzeugs ist vorauszuschicken, dass die Vorinstanzen den gegenständlichen Schadenersatzanspruch zutreffend nach dem gemäß Art 3 des Haager Straßenverkehrsabkommens maßgeblichen Recht des Unfallorts, somit nach österreichischem Recht beurteilt haben. Davon sind auch die Parteien ausgegangen. Der Anwendungsausschluss gemäß Art 2 Z 5 des Abkommens kommt hier nicht zum Tragen, weil die klagende Partei lediglich den im Wege der von ihr behaupteten Legalzession und - hinsichtlich des Selbstbehalts - der rechtsgeschäftlichen Abtretung auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch des Geschädigten geltend macht (zur identen Rechtslage bei Übergang auf den Sozialversicherungsträger vgl Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall VI Rz VII/19). Die Wirksamkeit des nach dem Zessionsgrundstatut (vgl RIS-Justiz RS0076669, RS0077439, RS0083638), hier also nach französischem Recht zu beurteilenden Forderungsübergangs wurde von der beklagten Partei ebenso wenig bestritten wie die Aktivlegitimation der klagenden Partei.

2. Dem Geschädigten steht grundsätzlich der Ersatz der Reparaturkosten zu, wenn die Reparatur möglich und wirtschaftlich („tunlich") ist (RIS-Justiz RS0030285). Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert der beschädigten Sache nicht oder nur geringfügig übersteigen. Steht aber fest, dass die Reparatur nicht durchgeführt wird, stellt die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Sache im unbeschädigten und dem im beschädigten Zustand das Höchstmaß des zuzusprechenden Ersatzes dar; ein über diese objektive Wertminderung hinausgehendes Begehren wäre abzuweisen (2 Ob 158/07k mwN = ZVR 2008/227 [Ch. Huber]; 2 Ob 116/08k; RIS-Justiz RS0022844 [insb T2]).

Wenngleich am Klagsfahrzeug kein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist - ein solcher wäre nur anzunehmen, wenn der Zeitwert erheblich hinter den veranschlagten Reparaturkosten zurückgeblieben wäre (RIS-Justiz RS0030559) -, so hat die klagende Partei nach Abrechnung des Kaskoversicherungsfalls mit ihrem Versicherungsnehmer im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung nicht mehr als den Ersatz der objektiven Wertminderung begehrt.

3. Aus § 1332 ABGB ergibt sich nicht unmittelbar, welcher Ort für die Bemessung des gemeinen Werts maßgebend ist. Nach herrschender Rechtsprechung ist bei der Feststellung der Höhe des Wertersatzes für eine bei einem Unfall im Inland beschädigte bewegliche Sache in der Regel auf den gemeinen Wert der Sache abzustellen, den diese am Wohnort des Geschädigten hat. Soll doch der Geschädigte durch den Ersatz des Schätzungswerts der beschädigten Sache in die Lage versetzt werden, sich ein Ersatzstück anzuschaffen (2 Ob 317/97z mwN = SZ 70/240; RIS-Justiz RS0045278). Die auf § 305 ABGB gestützte Ansicht Koziols (in Haftpflichtrecht I³ Rz 10/26), es komme für die Bewertung auf den Ort an, an dem sich die Sache befinde, wurde in der zitierten Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Wohl ergebe sich aus dieser Bestimmung, dass auf den Nutzen abzustellen sei, den die Sache gewöhnlich leiste, doch leiste gewöhnlich die Sache den Nutzen eben nicht am Ort der Beschädigung, sondern an dem Ort, wo sie gewöhnlich benützt werde. Dies sei der Ort, der in § 305 ABGB gemeint und daher für den gemeinen Wert maßgebend sei.

Im Sinne dieser Rechtsprechung wurde etwa bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts (2 Ob 190/79 = IPRE 1, 66 [Deutschland]; 8 Ob 3/86 [Griechenland]) oder der merkantilen Wertminderung (2 Ob 317/97z [Deutschland]) in Österreich beschädigter ausländischer Fahrzeuge auf die Marktverhältnisse am Wohnort des Geschädigten abgestellt (vgl Ch. Huber, Aktuelle Fragen des Sachschadens, ÖJZ 2005/12, 219). Daran ist festzuhalten (idS auch Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2b § 1332 Rz 6).

4. Die vorstehenden Erwägungen sind im Regelfall aber nicht nur für die Schätzung des Wiederbeschaffungswerts, sondern auch für jene des Restwerts der beschädigten Sache von Relevanz. Beschafft sich der Geschädigte an seinem Wohnort ein Ersatzfahrzeug, so wird für ihn die Inzahlunggabe des Wracks beim vertrauten Kraftfahrzeughändler die einfachste Art der Verwertung sein (vgl Ch. Huber in DAR 2002, 342; auch Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess25 Kap 3 Rz 45; Kriegner, Wrackwertproblematik bei Kfz-Totalschäden in der Haftpflichtversicherung aus österreichischer und deutscher Sicht, wbl 2007, 365 [367 FN 21]). Auch wenn der Geschädigte das Wrack nicht anlässlich einer Ersatzbeschaffung in Zahlung geben, sondern durch anderwärtige Veräußerung verwerten will, wird er gewöhnlich daran interessiert sein, dass dies bei den ihm vertrauten regionalen Kraftfahrzeughändlern und -werkstätten geschieht. Der relevante Markt für die Ermittlung des Wrackwerts ergibt sich daher regelmäßig aus dem Wohnort des Geschädigten (Kriegner aaO 369).

5. Die dargestellten, von der vermuteten Interessenlage des Geschädigten ausgehenden Grundsätze hindern aber keineswegs eine abweichende Beurteilung, wenn im konkreten Einzelfall (vgl RIS-Justiz RS0010067) die Verwertung des beschädigten Fahrzeugs am mit dem Wohnort nicht identen Unfallort zu einem aus der Sicht des Geschädigten sachgerechteren Ergebnis führt. Nach dem hier maßgeblichen Sachverhalt trat an dem erst neun Monate alten, in Frankreich zugelassenen, kaskoversicherten Klagsfahrzeug bei einem Verkehrsunfall in Österreich erheblicher Sachschaden ein. Die Inzahlunggabe des Wracks im Zuge der Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs oder seine sonstige Verwertung in Frankreich kam für den Geschädigten (möglicherweise auch aufgrund einer entsprechenden Gestaltung des französischen Kaskoversicherungsvertrags) ganz offensichtlich nicht in Betracht. Die Schadensabwicklung oblag allein dem Kaskoversicherer, also der klagenden Partei. Da diese vorbrachte, nach Vorliegen des von ihr veranlassten Schätzgutachtens selbst einen Kaufvertrag mit einem österreichischen Fahrzeughändler abgeschlossen zu haben, ist davon auszugehen, dass ihr der Geschädigte das Wrack zur Verwertung im eigenen Namen überlassen hat. Vor dem Hintergrund dieser unstrittigen Sachlage ist nun zu prüfen, ob sich die klagende Partei bei der Schadensberechnung einen höheren als den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös anrechnen lassen muss. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass dies nur dann zu bejahen wäre, wenn der Geschädigte oder die an seine Stelle getretene klagende Partei bei der Schadensabwicklung gegen die sie treffende Schadensminderungspflicht verstoßen hat.

6. Aus § 1304 ABGB ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den (auch ohne sein Zutun) eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist (Schadensminderungspflicht; 2 Ob 4/08i; 2 Ob 205/08y; RIS-Justiz RS0027043; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1304 Rz 37 f). Nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht kann zur Kürzung der Ansprüche des Geschädigten führen (RIS-Justiz RS0027602). Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegt unter anderem vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, obwohl sie - objektiv betrachtet - von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (2 Ob 3/07s; 2 Ob 158/07k; RIS-Justiz RS0023573). Was dem Geschädigten dabei zuzumuten ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (2 Ob 3/07s mwN; RIS-Justiz RS0027787).

Unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht wird neuerdings im Zusammenhang mit dem Phänomen der sogenannten Wrackbörsen und spezialisierter Wrackkäufer ua die vom Berufungsgericht angesprochene Frage diskutiert, ob sich der Geschädigte ausnahmsweise auf ihm vom Schädiger (bzw dessen Haftpflichtversicherer) präsentierte günstigere Restwertangebote (auch) außerhalb des allgemeinen (lokalen) Markts verweisen lassen muss (zu diesem Thema vgl zuletzt etwa Kriegner aaO 370 f sowie Ch. Huber, Die Kfz-Schadensregulierung in Österreich und Deutschland, ZVR 2008/262, 535 f je mit zahlreichen Nachweisen aus der [vorwiegend deutschen] Judikatur und Literatur). Auf diese Problematik ist hier aber nicht weiter einzugehen, weil die Interessenlage der Streitteile mit den im Schrifttum erörterten Fällen nicht vergleichbar ist. Soll doch nach dem in dritter Instanz allein noch aufrecht gebliebenen Einwand der beklagten Partei die Verletzung der Schadensminderungspflicht nur darin liegen, dass das Wrack nicht auf dem allgemeinen Markt in Frankreich, sondern auf dem allgemeinen Markt in Österreich veräußert worden ist. Die Frage, ob sich die klagende Partei auf einen Sondermarkt verweisen hätte lassen müssen, stellt sich somit nicht.

7. Ob der Einwand der beklagten Partei berechtigt ist, kann anhand der bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen noch nicht abschließend beurteilt werden. Dem Berufungsgericht ist wohl darin beizupflichten, dass dem Geschädigten ein legitimes Interesse an der möglichst schnellen und mit möglichst geringem Aufwand an Zeit und Mühe verbundenen Verwertung des Wracks zuzubilligen ist. Dieses Kriterium allein wird für den verständigen durchschnittlichen Geschädigten aber nicht ausreichend sein, wenn er vor der Entscheidung steht, das beschädigte Fahrzeug (an dessen Inzahlunggabe bei einer allfälligen Ersatzbeschaffung er kein Interesse hat) entweder an Ort und Stelle zu verwerten oder es in seiner Heimat zu veräußern. Dazu bedarf er umfassender Informationen über alle maßgeblichen Umstände, die es ihm ermöglichen, die Vor- und Nachteile einer Veräußerung im In- und Ausland abzuwägen. Dazu gehört vor allem die Kenntnis des im In- und Ausland jeweils erzielbaren Verwertungserlöses. Ließe sich auf dem heimischen Markt (hier also in Frankreich) unter Berücksichtigung des Aufwands für die Organisation und die Kosten des Rücktransports ein bedeutend höherer Verwertungserlös erzielen, verstieße die Verwertung im Ausland (in Österreich) gegen die Schadensminderungspflicht.

Die beklagte Partei steht auf dem Standpunkt, dass bei Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs auf dem französischen Markt - auch unter Einbeziehung der Transportkosten und allfälliger weiterer Aufwendungen - ein zumindest um 7.000 EUR höherer Veräußerungserlös erzielbar gewesen wäre. Der erkennende Senat geht davon aus, dass ein Mehrerlös in dieser (oder ähnlicher) Größenordnung einen verständigen durchschnittlichen Geschädigten dazu bewogen hätte, die Veräußerung des Wracks auf dem heimischen Markt vorzuziehen. Dies setzt voraus, dass ihm die Ermittlung der heimischen Marktverhältnisse auf zumutbare Weise möglich gewesen wäre, was bei der klagenden Partei, einem Versicherungsunternehmen, ohne Zweifel zu bejahen ist.

Die Behauptungs- und Beweislast für die schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht trifft den Schädiger (RIS-Justiz RS0027129). Erweisen sich danach Maßnahmen der Schadensminderung als objektiv zumutbar, hat der Geschädigte zu beweisen, dass ihm diese Maßnahmen subjektiv unzumutbar waren (RIS-Justiz RS0026909).

Die beklagte Partei hat hiezu ausreichendes Prozessvorbringen erstattet und auch einen Beweisantrag gestellt. Das Erstgericht hat bisher aber lediglich festgestellt, dass das Klagsfahrzeug in Österreich „erheblich schwerer" (als in Frankreich) zu verwerten gewesen sei. Feststellungen zu dem auf dem französischen Markt erzielbaren Veräußerungserlös haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht als entbehrlich erachtet. Ebenso liegen noch keine Feststellungen zu den von der klagenden Partei behaupteten Transportkosten vor. Des weiteren ist noch ungeklärt, ob die mit der Verwertung in Frankreich verbundene Zeit und Mühe jene, die für die Verwertung in Österreich aufgewendet werden musste, überhaupt in einem relevanten Ausmaß überwogen hätte.

Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben. Erst nach Kenntnis aller maßgeblichen Umstände wird beurteilt werden können, ob sich die klagende Partei bei der Schadensberechnung einen höheren Restwert als 18.000 EUR (die Höhe des Wiederbeschaffungswerts ist unstrittig) anrechnen lassen muss.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E91882

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00249.08V.0928.000

Im RIS seit

28.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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