TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/23 E5 429480-1/2012

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Veröffentlicht am 23.10.2012
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Spruch

E5 429.480-1/2012-6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. Habersack als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Jordanien, vertreten durch Rae Dr. Kocher & Mag. Bucher, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2012, Zl. 12 01.124-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein jordanischer Staatsangehöriger, reiste am 24.01.2012 in Österreich ein, stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 27.01.2012 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des SPK Schwechat erstbefragt.

 

Im Wesentlichen führte der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Befragung aus, dass er am 18.01.2012 einen Drohanruf von einem Unbekannten erhalten habe, wonach er getötet werde, wenn er nicht zu seiner Religion zurückkehre. Auch sein Freund XXXX habe einen derartigen Anruf erhalten. Sie seien in der Folge gemeinsam nach XXXX gefahren. Durch seinen jüngeren Bruder habe der Beschwerdeführer telefonisch erfahren, dass auch sein Vater ihn umbringen wolle. Darüber hinaus sei er auch von einem Mitarbeiter namens XXXX angerufen worden und habe ihm dieser mitgeteilt, dass Leute im Friseurgeschäft gewesen seien und die Glasscheiben eingeschlagen sowie das Auto des Beschwerdeführers beschädigt hätten. Auch hätten vier bärtige Scheichs seinem Mitarbeiter gesagt, dass sie der Person des Beschwerdeführers innerhalb von 24 Stunden habhaft werden wollen würden, ansonsten sie ihn töten würden. Aus diesem Grund habe sich der Beschwerdeführer von seinen Bruder seinen Reisepass und Koffer hinter ihrem Haus übergeben lassen und sei er danach mit seinem Freund XXXX zum Flughafen gefahren.

 

Am 14.03.2012 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Anlässlich der Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, dass er in Jordanien zwei Friseurgeschäfte geführt habe und hätten sich diese in der Nähe seines Wohnhauses, in der XXXX befunden. Das größere Geschäft heiße "XXXX" und das kleinere "XXXX". Derzeit habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu Personen in Jordanien. Den meisten Umgang mit christlichen Personen habe er mit seinem Freund XXXX gehabt. Die Lage in Jordanien erlaube es nicht, dass man mit anderen Personen, die dem christlichen Glauben angehören würden, in Kontakt stehe.

 

Der Beschwerdeführer stamme aus einer muslimischen Familie, sei jedoch nicht sehr gläubig gewesen. Vor etwa einem Jahr habe er XXXX in einem seiner Friseursalons kennenglernt und sich mit diesem angefreundet. Nach einiger Zeit habe ihm dieser vom Christentum erzählt und ihm auch Abt XXXX vorgestellt. Der Beschwerdeführer habe sich mehr und mehr für das Christentum interessiert und sich schließlich dazu entschlossen, Christ zu werden und habe diesen Übertritt rein geistig vollzogen, nur XXXX habe davon gewusst. Durch das Christentum habe er begonnen, seinen Lebensstil zu ändern.

 

Am 18.01.2012 hätten dann sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Freund Drohanrufe bekommen, dass sie zu ihren Wurzeln zurückkehren sollten, sonst werde man sie umbringen. Nach einem Telefonat mit Abt XXXX habe ihnen dieser geraten, das Land zu verlassen. Sein Bruder XXXX habe dem Beschwerdeführer anschließend seinen Reisepass und Kleidungsstücke auf einem weitläufigen, unbewohntem Stück Land hinter dem Haus übergeben.

 

Der Beschwerdeführer habe seinen Glauben im Geheimen ausgeübt und hätten nur Abt XXXX und XXXX darüber Bescheid gewusst. In Österreich hätten sie sich bei Abt XXXX gemeldet. Die Taufe sei ein Ziel des Beschwerdeführers.

 

Mit Schriftsatz vom 14.03.2012 gab der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zur Situation von Konvertiten in Jordanien ab.

 

Mit Schreiben vom 30.03.2012 richtete das Bundesasylamt eine Anfrage an die Staatendokumentation.

 

Am 16.08.2012 langte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation beim Bundesasylamt ein, welche dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 21.08.2012 zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt wurde.

 

Mit Schriftsatz vom 03.09.2012 langte eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers betreffend die Anfragebeantwortung ein. Demnach sei hinsichtlich der Situation von Konvertiten auf einen veralteten Bericht des US Department of State verwiesen und der aktuelle Bericht für den Zeitraum 2011 völlig außer Acht gelassen worden. Zudem stünden die Ausführungen des Polizeiattachés, Konvertiten fielen nicht mehr in die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte, in eindeutigem Widerspruch zu weitgehend unstrittigen Tatsachen in Jordanien und zu den unbedenklichen Berichten des USDOS. Zudem würden die Antworten hinsichtlich der Ausreisemöglichkeit und der innerstaatlichen Fluchtalternative jeglicher Begründung entbehren und werde diesbezüglich beantragt, der ÖB Amman ergänzende Fragen vorzulegen.

 

In Anbetracht der offenkundigen Mangelhaftigkeit der Beantwortung der erwähnten Fragen durch den Polizeiattaché seien auch die übrigen Antworten desselben durch das Bundesasylamt zu hinterfragen und keinesfalls in der derzeitigen Form der Entscheidung des Bundesasylamtes zugrunde zu legen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.09.2012, Zl. 12 01.124-BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen; in Spruchpunkt III wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Jordanien ausgewiesen.

 

Beweiswürdigend wurde vom Bundesasylamt ausgeführt, dass sich die Darstellung des Beschwerdeführers zu seiner Konversion im Wesentlichen zwar glaubhaft darstelle, aber aufgrund der vorliegenden Anfragebeantwortung sei daraus keinesfalls ableitbar, dass ihm deshalb asylrelevante Verfolgung drohen solle.

 

Nicht gefolgt werden können den Ausführungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Vorfälle vom 18.01.2012, wonach es unter anderem zu einer Sachbeschädigung in seinem Geschäft gekommen sein solle. Dies deshalb, da darüber laut dem Erhebungsergebnissen in der Anfragebeantwortung nichts bekannt sei. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer bei seinen Befragungen in Bezug auf die Übergabe seines Reisepasses und Koffers in Widersprüche verstrickt. So habe er zunächst bei der Erstbefragung angegeben, diese Utensilien hinter seinem Haus erhalten zu haben. In der Einvernahme am 14.03.2012 habe er jedoch angegeben, dass er diese in einem unbewohnten Viertel relativ weit entfernt vom Haus erhalten habe. Die Erklärung, dass dieser Ort tatsächlich hinter dem Haus liege und es sich um ein brach liegendes, sehr weitläufiges Stück Land handle, könne nicht überzeugen.

 

I.2. Gegen diesen dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 07.09.2012 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 20.09.2012 fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Darin wird zunächst betreffend der Sachbeschädigungen im Friseursalon darauf hingewiesen, dass diese wohl binnen kurzer Zeit behoben gewesen seien, da der Betrieb des Geschäftes so rasch als möglich fortgesetzt werden sollte.

 

Hinsichtlich der vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüche in Zusammenhang mit der Übergabe des Koffers und des Reisepasses wurde ausgeführt, dass die vom Bundesasylamt herangezogene Wortwahl des Beschwerdeführers kein Anhaltspunkt für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens sei, zumal das vom Beschwerdeführer beschriebene Feld relativ groß und tatsächlich hinter dem Haus der Familie gelegen sei. Worin tatsächlich ein Widerspruch gelegen sein solle, werde im angefochtenen Bescheid nicht mehr näher erläutert.

 

Entgegen der Ausführungen des Bundesasylamtes erkenne Jordanien einen Abfall vom Islam nicht nur nicht an, sondern verbiete und lehne diesen ab, indem es auch die entsprechende Verfolgung durch Scharia-Gerichte dulde. Die Anfragebeantwortung vom 14.08.2012 sei nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers einzuschätzen und seien bereits in der Stellungnahme vom 31.08.2012 die diesbezüglichen Mängel ausführlich und substantiiert gerügt worden, was im angefochtenen Bescheid jedoch völlig außer Acht gelassen worden sei.

 

I.3. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.

 

II.2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

II.2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.2. Gemäß § 18 AsylG 2005 haben die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung einer Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, dar.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062).

 

II.2.3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt (ein zwar auf das AsylG 1997 bezogenes Erkenntnis, welches jedoch - wie die folgenden - weiterhin aufgrund der herausgearbeiteten Grundsätze und mangels diesbezüglicher Änderung der Rechtslage relevant bleibt):

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nunmehr wurde durch den oben zitierten § 23 AsylGHG das AVG, und damit mangels anderslautenden Bestimmungen im B-VG, VwGG und AsylG 2005 auch § 66 AVG für anwendbar erklärt. Zu den allgemein im Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwendenden Vorschriften vergleiche das hg. Erkenntnis vom 12.08.2008, C5 251.212-0/2008.

 

Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG 1997 die Ausführungen im Erkenntnis des VwGH vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f).

 

Gemäß § 66 Absatz 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Absatz 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist (...) (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2 [1992] 127 f), dessen Ausführungen sich insoweit allerdings nicht auf § 66 Absatz 3 AVG, sondern auf die "im § 39 AVG normierten Ermessensdeterminanten" beziehen, vertritt dazu die Ansicht, die Zurückweisung durch einen unabhängigen Verwaltungssenat werde ¿regelmäßig jedenfalls den Geboten der Raschheit und Kostenersparnis zuwiderlaufen' und ¿unnötigen Verwaltungsaufwand' verursachen."

 

Nach Ausführungen zur Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG außerhalb des abgekürzten Berufungsverfahrens mit dem Ergebnis, dass von einer generellen Unzulässigkeit der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG nicht auszugehen sei, setzt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, fort wie folgt:

 

"In diese Richtung gehen auch die Gesetzesmaterialen zu § 38 Asylgesetz (RV 686 BlgNR 20. GP 30), weil diese ausdrücklich die Geltung des AVG für das Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat betonen und daran anschließend hervorheben, dass die Möglichkeit der ¿Zurückverweisung' durch § 32 Asylgesetz ¿erweitert' worden sei, was in Bezug auf Berufungsverfahren vor der belangten Behörde, in denen § 32 Asylgesetz nicht anzuwenden ist, eine positive Anknüpfung an die in § 66 Absatz 2 AVG vorgesehene Zurückverweisungsmöglichkeit bedeutet (...).

 

Der Verwaltungsgerichthof hat im Erkenntnis vom 27. April 1989, Slg. 12.917/A, aus einer in den Verwaltungsvorschriften angeordneten zwingenden und ohne Ausnahme bestehenden Verpflichtung zur Durchführung einer Berufungsverhandlung trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme hinsichtlich der Geltung des § 66 Abs. 2 AVG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung in einem solchen Berufungsverfahren gefolgert. Das steht aber zu der hier - für das Verfahren vor der belangten Behörde - zu Grunde gelegten gegenteiligen Auffassung schon deshalb nicht im Widerspruch, weil eine derartige uneingeschränkte Verhandlungspflicht für den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht besteht. (...) Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Nach grundsätzlichen Bejahung der Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl.2002/20/0315 zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG noch Folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht..."

 

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"In der Abstandnahme von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist, kann im vorliegenden Fall keine Ermessensfehler gelegen sein. Es trifft zwar zu, dass durch die mit der Kassation verbundene Eröffnung eines zweiten Instanzenzuges das Verfahren insgesamt verlängert werden kann. Dieser von Rohrböck (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl [1999] 492) offenbar verkannten Überlegung wurde in dem Vorerkenntnis vom 23. Juli 1998 bei der Deutung der Vorschriften über das abgekürzte Berufungsverfahren nach § 32 AsylG erhebliche Bedeutung beigemessen (Wiederin, ZUV 2000/1, 20f). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Auslegung von Sondervorschriften über ein abgekürztes, der besonders raschen Verfahrensbeendigung dienendes Berufungsverfahren, sondern um die Interpretation des § 66 AVG außerhalb eines solchen Verfahrens.

 

Diesbezüglich ist zunächst auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 381f zu § 66 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung zu verweisen, wonach es gemäß § 66 Abs. 3 AVG nicht auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die konkrete Amtshandlung ankommt. Unter diesem Gesichtspunkt wurde eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht angenommen, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort hatten (Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, 86/08/0243).

 

Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006, 2005/20/0459, hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

II.2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst unter Zugrundelegung der alten Rechtslage vor dem 01.07.2008 und damit vor der Novelle des Bundesverfassungsgesetz BGBl I 2008/2, dem Asylgerichtshofeinrichtungsgesetz BGBl I 2008/4 mit dem ein Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) erlassen und unter anderem das AsylG 2005 (AsylG 2005) geändert wurde in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Diese Überlegungen müssen umso mehr gelten, als nunmehr durch Einrichtung des Asylgerichtshofes dieser als zweite und letzte Instanz entscheidet. Gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes kann - anders als dies bis zum 30.06.2008 in Bezug auf Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates möglich war - keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Damit ist offenkundig, dass es zur Sicherung der Qualität des Rechtsschutzes im Instanzenzug in Hinblick auf die neue Rechtslage umso notwendiger ist, bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu finden.

 

Wie sich aus der detailliert oben ausgeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung ergibt, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem Unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005).

 

Art. 129 c B-VG idF des Art. 1 Z 28 BVG BGBl. I 2/2008 spricht nicht mehr vom Unabhängigen Bundesasylsenat als der "oberste[n] Berufungsbehörde", sondern richtet den Asylgerichtshof als Gericht ein, das nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die neue Verfassungsrechtslage übertragen ließe, kann doch von einer Behörde, die - verfassungsrechtlich vorgesehen - "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" zu erkennen hat, nicht gesagt werden, sie habe in dieser Hinsicht nicht (mindestens) dieselbe Stellung wie eine oberste Berufungsbehörde. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es dieses Gericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der beschränkten Kontrolle seiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof ab. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es der Asylgerichtshof ist, der erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass dieser seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies kann auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

II.3.1. Im vorliegenden Fall bestand das Kernvorbringen des Beschwerdeführers darin, dass er in Jordanien zum christlichen Glauben gefunden habe und für sich selbst "in Gedanken" konvertiert sei.

 

Das Bundesasylamt hat es jedoch völlig unterlassen, zu dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten, relevanten Sachverhalt konkrete Feststellungen zu treffen und einer, wenn auch nur ansatzweisen, Würdigung zu unterziehen. Das Bundesasylamt führt vielmehr, ohne jedoch näher darauf einzugehen, hierzu lediglich aus, die Darstellung der Konversion stelle sich im Wesentlichen glaubhaft dar, jedoch habe der Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Anfragebeantwortung keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten.

 

Dabei übersieht das Bundesasylamt, dass der Beschwerdeführer selbst nie angegeben hat, tatsächlich zum christlichen Glauben konvertiert zu sein und wurde der Beschwerdeführer auch nicht zu den für das Verfahren wesentlichen Fakten befragt. So hat der Beschwerdeführer zwar geschildert, dass er durch seinen Freund XXXX zum Christentum gefunden habe und, dass er sich entschlossen habe, Christ zu werden bzw. sich über TV-Sender, das Internet und Bibelunterricht über das Christentum informiert habe. Das Bundesasylamt hielt es offensichtlich jedoch für entbehrlich, den Beschwerdeführer konkret danach zu befragen, warum er sich dem christlichen Glauben (innerlich) angeschlossen haben will, was er tatsächlich über das Christentum weiß, etc. Vielmehr traf das Bundesasylamt Feststellungen, ohne die entsprechenden Grundlagen hierfür zu haben. So wurde der Beschwerdeführer lediglich danach befragt, ob er in Österreich eine Kirche besuche bzw. Kontakt zur christlichen Gemeinschaft aufgenommen habe. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer lediglich an, er habe sich bei Abt XXXX gemeldet. Ermittlungen, um diese Angaben des Beschwerdeführers zu verifizieren, wurden vom Bundesasylamt ebenfalls nicht angestrengt. Es ist daher nicht ersichtlich, auf welche Umstände das Bundesasylamt die Feststellung stützt, eine Konversion des Beschwerdeführers sei glaubhaft, wenn dieser selbst lediglich behauptet, für sich selbst konvertiert, jedoch nicht getauft zu sein. Das Bundesasylamt ist somit auf das eigentliche Kernvorbringen des Beschwerdeführers nicht konkret eingegangen.

 

Für den Asylgerichtshof ließ sich jedenfalls kein Anhaltspunkt für diese Annahme, die vom Bundesasylamt ohne entsprechende Beweiswürdigung getroffen worden ist, finden.

 

Der dem Asylgerichtshof vorliegende, bisher erhobene Sachverhalt ist somit keinesfalls als ausreichenden Entscheidungsgrundlage anzusehen. Eine ausreichende und eingehende Befragung des Beschwerdeführers zu seinem Religionswechsel und eine daran anschließende entsprechende Würdigung des ermittelten Sachverhaltes in Auseinandersetzung mit den Länderfeststellungen zu(r Situation von Konvertiten in) Jordanien wären unerlässlich gewesen und wird dies im fortgesetzten Verfahren vom Bundesasylamt nachzuholen sein.

 

II.3.2. Im Wesentlichen stützt sich das Bundesasylamt in seiner Begründung des gegenständlichen Bescheides darauf, dass aus der vorliegenden Anfragebeantwortung keine asylrelevante Verfolgung ableitbar sei. Diese Schlussfolgerung erweist sich jedoch mangels einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung als nicht zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers tragfähig und wurde nach Ansicht des Asylgerichtshofes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die Beurteilung der (Un)Glaubwürdigkeit vom Bundesasylamt nicht ausreichend schlüssig ermittelt.

 

Wie in der Beschwerde bzw. der Stellungnahme vom 31.08.2012 des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers dargestellt, geht aus den Ausführungen des Polizeiattachés und den zur Verfügung stehenden Länderfeststellungen hinsichtlich der Zuständigkeit der Scharia Gerichte für Konvertiten ein eindeutiger Widerspruch hervor. Das Bundesasylamt setzt sich damit jedoch nicht näher auseinander, sondern folgt offensichtlich ungeprüft und ohne auf die vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu Recht aufgezeigten Widersprüche einzugehen, den Ausführungen des Polizeiattachés, wonach Konvertiten nicht mehr in die Zuständigkeit der Scharia Gerichte fallen würden, ohne jedoch schlüssig darzulegen, wieso es scheinbar davon ausgeht, dass den Berichten des US Department of State, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangen, kein Glauben zu schenken war.

 

Der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers ist weiters im Recht, wenn er in der Stellungnahme darauf hinweist, dass laut Punkt 4 und Punkt 11 der Anfragebeantwortung Konvertiten mit keinerlei Folgen bzw. Sanktionen von Seiten des Staates zu rechnen hätten, während unter Punkt 3 davon die Rede ist, dass jeder eine Klage gegen Apostaten bei einem islamischen Gericht einbringen kann und eine entsprechende Verurteilung mit Entzug der bürgerlichen Rechte einschließlich der Annullierung von Heiraten und dem Entzug des Sorgerechtes für die Kinder verbunden sei. Auch mit diesem Widerspruch setzt sich das Bundesasylamt in keinster Weise auseinander, sondern geht pauschal davon aus, dass eine Verfolgungsgefahr nicht erkennbar sei, obwohl ebenfalls unter Punkt 3 der Anfragebeantwortung davon die Rede ist, dass Muslime, die zu anderen Religionen konvertieren, unter anderem auch mit Bedrohung und Misshandlung durch Regierungsbeamte konfrontiert seien.

 

Sogar in den vom Bundesasylamt selbst herangezogenen Länderfeststellungen wird davon berichtet, dass Scharia Gerichte weiterhin Apostasie Prozesse gegen Konvertiten führen. Zudem sei die Konversion vom Islam nach islamischen Recht nicht erlaubt und riskiere jeder Konvertit aus diesem Grund den Verlust seiner Bürgerrechte.

 

Wie das Bundesasylamt dennoch pauschal davon ausgehen kann, dass Konvertiten in Jordanien keine (asylrelevante) Verfolgung drohte, kann aufgrund der obigen Ausführungen keinesfalls nachvollzogen werden.

 

Überdies ist hinsichtlich der Anfragebeantwortung festzuhalten, dass darin (zum Teil) sämtliche Quellenangaben fehlen und auch nichts über die Art und Weise der Nachforschungen ausgeführt wird bzw., worauf der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers in zutreffender Weise hinweist, die Ausführungen auf nicht aktuellem Berichtsmaterial beruhen. Damit entzieht sich das Beweismittel jedoch einer objektiven Kontrolle darauf, ob es überhaupt geeignet ist, die Angaben des Beschwerdeführers zu widerlegen.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesasylamt daher zu ermitteln und eindeutige, einander nicht widersprechende Feststellungen darüber zu treffen haben, ob Konvertiten in Jordanien tatsächlich vor ein Scharia Gericht gestellt werden, ob jeder Bürger berechtigt ist, eine entsprechende Anklage wegen Apostasie zu bewirken und insbesondere, mit welchen Konsequenzen der Beschwerdeführer zu rechnen hat, falls es tatsächlich zu einer Anklage durch ein Scharia Gericht und in weiterer Folge zu einer Verurteilung kommt.

 

Ebenfalls werden Feststellungen darüber zu treffen sein, welche Möglichkeiten es in Jordanien für Konvertiten gibt, ihre neu angenommene Religion auch tatsächlich auszuüben.

 

Dabei wird sich das Bundesasylamt auch mit den vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers vorgelegten Berichten und aufgezeigten Widersprüchen auseinanderzusetzten haben, auf der Grundlage dieser Ermittlungen, konkrete Feststellungen zu treffen und diese auch einer entsprechenden, vor allem schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung zu unterziehen haben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.10.2002, Zl. 2001/01/0406 ausgeführt, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht bedeutet, dass die Behörde von einander widersprechenden Beweisergebnissen einige herausgreifen, andere aber ohne Begründung nicht erwähnen dürfte. Die oben dargestellte Aktenlage hätte daher das Bundesasylamt veranlassen müssen, in der Begründung des angefochtenen Bescheids, soll diese dem Gesetz entsprechen, zu den einander widersprechenden Beweisergebnissen im Einzelnen Stellung zu nehmen und schlüssig darzulegen, was sie veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, I (1998), E 70 und 71 zu § 45 AVG zitierte Judikatur, sowie VwGH vom 22.05.2001, Zl. 2000/01/0253).

 

Im Besonderen hätte das Bundesasylamt demnach auf das Vorbringen bzw. die Unterlagen eingehen, diese allenfalls überprüfen und das dabei gewonnene Ergebnis argumentativ verarbeiten müssen. Demgegenüber hat sich das Bundesasylamt mit zahlreichen Vorbringensteilen offenkundig überhaupt nicht auseinander gesetzt.

 

Der Beschwerde ist daher insofern zuzustimmen, als die (Länder)Feststellungen im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Situation von Konvertiten in Jordanien unzureichend geblieben sind.

 

II.3.3. Soweit das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer vorhält, dass aufgrund der Erhebungsergebnisse der Anfragebeantwortung nicht davon auszugehen sei, dass es tatsächlich eine Sachbeschädigung in seinem Friseursalon bzw. an seinem Auto gegeben habe, ist festzuhalten, dass sich aus der Anfragebeantwortung lediglich ergibt, dass von einem derartigen Vorfall nichts bekannt ist. Hierzu ist anzumerken, dass aus der Beantwortung der Frage nicht hervorgeht, wie die entsprechenden Nachforschungen angestellt wurden und sich das Beweismittel somit einer objektiven Kontrolle darauf entzieht, ob es überhaupt geeignet ist, die Angaben des Beschwerdeführers zu widerlegen.

 

Das Bundesasylamt geht weiters davon aus, dass der Beschwerdeführer sich bei seinen Befragungen in Bezug auf die Übergabe seines Reisepasses und Koffers in Widersprüche verstrickt habe, da er den diesbezüglichen Sachverhalt in der Erstbefragung beim Stadtpolizeikommando Schwechat und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt unterschiedlich geschildert habe.

 

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass es dem Wesen der Erstbefragung nach § 19 Abs 1 AsylG entspricht, dass diese der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dienen soll und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Dementsprechend kann es dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden, wenn er nicht sofort jeden einzelnen Aspekt seiner Fluchtgeschichte erwähnt und kann es dem Beschwerdeführer nach Ansicht des Asylgerichtshofes auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sein Vorbringen dahingehend ergänzt, dass es sich beim Übergabeort, der tatsächlich hinter dem Haus des Beschwerdeführers liege, um ein brach liegendes, weitläufiges Stück Land handle.

 

II.4. Es wären dem Bundesasylamt daher verschiedene Möglichkeiten offen gestanden - und diese auch notwendig gewesen -, objektiv durch entsprechende Ermittlungsschritte nach entsprechender Zustimmung durch den Beschwerdeführer dessen Angaben zu überprüfen und wird dies nun auch vorzunehmen sein.

 

Der angefochtene Bescheid stützt sich zusammengefasst darauf, dass keine asylrelevante Verfolgung gegeben sei. Die entsprechende Begründung erweist sich jedoch mangels entsprechender Feststellungen als nicht zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers tragfähig und wurde nach Ansicht des Asylgerichtshofes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die Beurteilung einer asylrelevanten Gefährdungssituation aus einem der in der GFK genannten Gründe nicht ausreichend ermittelt.

 

Ohne Nachholung der hier aufgezeigten und für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Anschließend wird das Bundesasylamt eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Berücksichtigung auch der in der gegenständlichen Beschwerde getroffenen Ausführungen als Teil des Verfahrensaktes unter Zugrundelegung aktueller und entscheidungsrelevanter Feststellungen, die in weiterer Folge dem nunmehrigen Beschwerdeführer unter Beachtung des Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen sein werden, im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben und wird erst danach die Feststellung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes möglich sein.

 

II.5. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

 

Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache der Beschwerdeinstanz sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesasylamt wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen und würde es darüber hinaus, sofern der Asylgerichtshof diese Vorgangsweise wählen würde, (mindestens) einer mündlichen Verhandlung nur zur Erörterung der Ermittlungsergebnisse bedürfen.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des Bescheides des Bundesasylamtes sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

II.6. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesasylamt wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, Konversion, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Religion, wesentlicher Verfahrensmangel
Zuletzt aktualisiert am
13.11.2012
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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