TE OGH 2010/6/30 3Ob106/10z

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Veröffentlicht am 30.06.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard Brandl, Rechtsanwalt, Klagenfurt am Wörthersee, Kardinalschütt 7, als Masseverwalter im Konkurs der E***** KG, *****, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gernot Murko und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 44.980 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2009, GZ 2 R 142/09h-37, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 22. Juni 2009, GZ 22 Cg 16/08g-33, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand der Anfechtung ist die Rückführung der Überziehung eines Kontokorrentkredits der Gemeinschuldnerin (einer Kommanditgesellschaft) bei der beklagten Bank durch einen ihrer Komplementäre einerseits und die Aufrechterhaltung des Kontokorrentkredits nach Kenntnis der Beklagten von der materiellen Insolvenz andererseits (§ 31 Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall KO).

2. Verneint das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel erster Instanz, kann dies nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (stRsp, RIS-Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei - weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei - mangelhaft geblieben (aaO [T58]). Nichts anderes versucht aber der Kläger, ohne eine der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anerkannten Ausnahmen geltend zu machen.

3. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Beweislast für die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung ebenso wie für die Nachteiligkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts, wenn sie wie in § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO ausdrücklich erwähnt wird (RIS-Justiz RS0111464), und für deren objektive Vorhersehbarkeit (RIS-Justiz RS0065092) den Masseverwalter trifft. Wie dieser die Nachteiligkeit beweist, steht ihm frei; er kann eine Differenzrechnung vornehmen oder Umstände behaupten und beweisen, aus denen sich zwingend die Quotenverschlechterung ergibt (RIS-Justiz RS0065092 [T8]; RS0111457). Zu einer Verschiebung der Beweislast kann es nur kommen, wenn für eine Partei mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die Aufklärungen zu geben (RIS-Justiz RS0037797 [T48]).

Für solche Umstände bietet der vorliegende Sachverhalt allerdings keine Anhaltspunkte. Die festgestellte mangelnde Nachvollziehbarkeit der Buchführung der Gemeinschuldnerin lag nicht in der Sphäre der beklagten Partei. Der Revisionswerber führt nicht aus, über welche relevanten Kenntnisse, die dem Kläger selbst nicht zugänglich wären, die Beklagte verfügt hätte. Ein Beweisnotstand im Einzelfall rechtfertigt noch keine Verschiebung der Beweislast (RIS-Justiz RS0039939 [T33]).

4. Das Berufungsgericht ist auch nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung des Anscheinsbeweises im Konkursanfechtungsverfahren abgewichen. Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises lässt sich insbesondere nicht aus der in der Revision zitierten Entscheidung 6 Ob 110/00w = SZ 73/182 ableiten. Darin wird nur betont, dass die von Kreditgeschäften in der Krise ausgehende Gefahr des „Versickerns“ der Geldmittel prima facie angenommen werden müsse, sodass der Masseverwalter schon dadurch den Beweis der Vorhersehbarkeit des (ex post zu beurteilenden) Nachteils erbringen könne, dass aus den Geschäftsbüchern, den Bilanzen, dem Lagebericht und ähnlichen Unterlagen des Unternehmens Umstände hervorgehen, die eine Sanierung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als unmöglich erscheinen lassen. Eine Aussage, wonach bei Aufrechterhaltung eines Kontokorrentkredits in der Krise auch der Eintritt eines Quotenschadens nicht nur möglich, sondern geradezu formelhaft typisch (RIS-Justiz RS0040266 [T3]) wäre, findet sich in dieser Entscheidung entgegen den Revisionsausführungen nicht.

In der im Rechtsmittel des Masseverwalters zitierten Entscheidung 4 Ob 306/98y = SZ 71/210 hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass der Masseverwalter den Beweis der Nachteiligkeit eines angefochtenen Rechtsgeschäfts entweder durch eine Differenzrechnung, oder durch den Nachweis anderer Umstände erbringen kann, aus denen sich zwingend eine Quotenverschlechterung ergeben muss, etwa, dass der Gemeinschuldner nur noch Verlustgeschäfte abgeschlossen hat (vgl Weissel, Die mittelbare Nachteiligkeit von Kreditgeschäften nach § 31 KO, ÖBA 1992, 630 [633]). Ein Anscheinsbeweis wird darin ebenfalls nicht zugebilligt.

Die Revision lässt auch außer Acht, dass die Nachteiligkeit der Aufrechterhaltung eines Kontokorrentkredits in der Krise typischerweise darin liegt, dass der Schuldner den Kredit immer wieder abrufen kann, um die zu einem Konkursantrag entschlossenen, andrängenden Gläubiger befriedigen zu können (vgl insb 6 Ob 110/00w). Ein solcher Sachverhalt steht im vorliegenden Fall aber gerade nicht fest. Nachdem für die Beklagte im Mai 2007 die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin erkennbar wurde, kam es nur noch zur klagsgegenständlichen Teilrückführung des Kontokorrentsaldos auf den vereinbarten Höchstrahmen, danach blieb der Kontostand bis zur Konkurseröffnung im Wesentlichen unverändert. Es fehlt daher nicht nur an einem Schadensnachweis, sondern schon an bloßen Indizien dafür, dass die Verzögerung der Konkursanmeldung überhaupt durch weitere Krediteinräumungen der Beklagten (mit-)verursacht werden konnte.

5. Die Deckungsanfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO erfordert kumulativ den Nachweis einer - zumindest mittelbaren - Gläubigerbenachteiligung und der Befriedigungstauglichkeit des Anfechtungsanspruchs (König, Anfechtung4 Rz 10/52). Sind bereits die allgemeinen Voraussetzungen der Anfechtung im Einzelfall nicht erfüllt, kommt es auf die in der Revision als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, unter welchen Umständen die Befriedigung durch Entgegennahme der Zahlung eines solidarisch mithaftenden Kreditnehmers, der gleichzeitig Schuldner der Gemeinschuldnerin ist, nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO angefochten werden kann, nicht an.

Der Kläger verkennt zudem die Kernaussage der von ihm zitierten Entscheidung 3 Ob 656/82, wenn er meint, die Anfechtung der Deckung eines Gläubigers durch einen Dritten sei nach der Rechtsprechung nur dann befriedigungsuntauglich, wenn dieser nicht gleichzeitig Schuldner der späteren Gemeinschuldnerin war. Von „nur dann“ ist in der zitierten Entscheidung keine Rede. Vielmehr kommt es in Fällen einer Befriedigung durch Dritte darauf an, ob der neue Gläubiger die Forderung aus einer besseren Rechtsstellung heraus - ua als Aufrechnungsberechtigter - realisieren kann (RIS-Justiz RS0064410 [T2, T3]), weil in diesem Fall die Beseitigung des lästigeren, weil abgesicherten Gläubigers und Restaurierung des alten Gläubigers die Befriedigungsaussichten der Konkursgläubiger erhöhen kann (4 Ob 100/04s = ÖBA 2004, 867 [Koziol]). Schon zu 8 Ob 138/64 = SZ 37/66 (zust König aaO Rz 5/14 wurde entschieden, dass die nicht auf Kosten der Masse erfolgte Zahlung eines Mitschuldners ohne Rücksicht auf eine Regressmöglichkeit nicht nach § 31 Abs 2 Z 2 KO anfechtbar sei.

Im hier zu beurteilenden Fall haben die Vorinstanzen aber für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt, dass a) die Forderung der Gemeinschuldnerin gegen ihren Komplementär von vornherein als nicht werthaltig einzustufen war und b) ihm selbst die zur Reduktion des Kontokorrentsaldos verwendeten Mittel nur unter der Bedingung der Umschuldung kreditiert wurden, woraus folgt, dass dieser Betrag auch ohne die angefochtene Transaktion für die Masse nicht lukrierbar gewesen wäre.

Diese positiven Feststellungen stehen auch der Anwendung einer Zweifelsregel über die Nachteiligkeit der angefochtenen Zahlung entgegen. Durch die Leistung der Beklagten aufgrund erfolgreicher Anfechtung würde die Masse vielmehr im Ergebnis etwas erlangen, das ihr bei Unterbleiben des angefochtenen Geschäfts nie zugekommen wäre, aber ohne den (nur bei einer werthaltigen Forderung) korrespondierenden Abfluss aufgrund der weiterbestehenden Regressforderung des zahlenden Komplementärs (vgl 4 Ob 91/06w). Wirtschaftlich betrachtet würde also der Beklagten in diesem Umfang das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Masse auferlegt.

5. Bei diesem Sachverhalt bedarf es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, ob bzw in welcher Höhe der Komplementär der Beklagten als gleichzeitiger Solidarschuldner des Kontokorrentkredits durch seine Zahlung überhaupt eine kompensable Regressforderung erlangen konnte (§§ 896 und 1358 ABGB; vgl Gamerith in Rummel, ABGB³ § 896 Rz 5). Zum Innenverhältnis der Solidarschuldner führt der Revisionswerber ebenso wenig aus wie zur Frage des Aufrechnungsverbots nach § 20 KO.

Die außerordentliche Revision wirft daher keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb sie zurückzuweisen ist.

Schlagworte

Anfechtungsrecht,Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E94550

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00106.10Z.0630.000

Im RIS seit

20.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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