TE OGH 2010/9/28 11Os123/10p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen José C***** H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 12. Juli 2010, GZ 24 Hv 41/10z-181, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Mit den Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde José C***** H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Linz und an anderen Orten - zusammengefasst wiedergegeben - vorschriftswidrig

I./ im Frühling/Sommer 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Noel P***** Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge als Bestimmungs- und Beitragstäter aus der Schweiz aus- und nach Österreich eingeführt, indem er die abgesondert verfolgte Ana B***** zweimal mit dem Schmuggel von jeweils 300 bis 400 Gramm, somit insgesamt 600 bis 800 Gramm Kokain, das zuvor zu einem Grammpreis von 30 Euro erworben worden war, beauftragte, die bei zumindest einer Schmuggelfahrt einen ihr von Noel P***** zur Verfügung gestellten Pkw verwendete;

II./ großteils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Noel P***** eine Gesamtmenge von mindestens 1.200 bis 1.800 Gramm Kokain teils (im Urteilsspruch näher bezeichneten) bekannten, teils unbekannten Abnehmern in zahlreichen Teilverkäufen durch gewinnbringenden Verkauf zu Preisen zwischen 50 und 100 Euro pro Gramm überlassen, wobei er in Bezug auf Suchtgift in einer jedenfalls das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge handelte, und zwar die zu A./ bezeichneten Kokainmengen sowie zusätzlich

1./ zwischen Ende 2007 und Frühling 2008 eine unbekannte Menge Kokain;

2./ zwischen Frühling 2009 und Herbst 2009 zumindest 240 Gramm Kokain;

3./ im Herbst 2009 300 bis 500 Gramm Kokain;

4./ von Sommer 2009 bis Mitte November 2009 eine unbekannte Menge Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG zum Schuldspruch II./ bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend, weil in Bezug auf die inkriminierten Mengen an Suchtgift die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ausreichen. Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde war überdies festzustellen, dass auch den übrigen Teilen des Schuldspruchs der von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Das Erstgericht hat den Reinheitsgehalt des in Bruttomengen angegebenen Suchtgifts in objektiver Hinsicht (vgl dazu RIS-Justiz RS0111350) festgestellt (und ging ersichtlich von insgesamt 120 Gramm reinem Kokain aus, das nach Österreich eingeführt wurde, und von insgesamt 240 Gramm reinem Kokain beim Schuldspruch II./). Betreffend den Vorsatz des Angeklagten hat es aber lediglich konstatiert, dass er mit dem Erlös aus den Suchtgiftverkäufen seinen Lebensunterhalt aufbesserte und die „Tathandlungen im vollen Bewusstsein über die von ihm umgesetzten Suchtgiftmengen bzw auch in Kenntnis der Art des Suchtgifts und des grenzüberschreitenden Transports tätigte“ (US 10).

Den Urteilsannahmen zum Schuldspruch I./ (Aus- und Einfuhr von insgesamt 600 Gramm Kokain) ist nicht einmal zu entnehmen, welche Bruttomengen des Suchtmittels vom Vorsatz des Angeklagten erfasst waren.

Darüber hinaus stellte das Erstgericht zwar im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 14) einen Reinheitsgehalt des Kokains von durchschnittlich 20 % fest, die Entscheidungsgründe lassen aber nicht erkennen, von welchem Reinheitsgehalt der Angeklagte ausgegangen ist. Es fehlt daher auch zum Schuldspruch II./ zufolge mangelnder Bezugnahme auf die von diesem tatsächlich verhandelte Menge an Kokain in Reinsubstanz (die allein rechtlich entscheidend ist) an dem - unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unter die Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG - in subjektiver Hinsicht unbedingt erforderlichen Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0119090).

Hinzu kommt, dass bei Erreichen der von § 28a SMG vorausgesetzten Suchtgiftmenge nur durch Zusammenrechnung der Mengen aus mehreren Einzeltaten (Schuldspruch II./) die kontinuierliche Begehung und der daran angeknüpfte Additionseffekt von vornherein vom Vorsatz des Täters umfasst sein müssen (RIS-Justiz RS0112225), wozu das Ersturteil gleichfalls keine Aussage trifft.

Weil die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Suchtmittelmengen daher keine ausreichende Grundlage für die Schuldsprüche I./ und II./ bieten, war das Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie aus deren Anlass aufzuheben. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit den Berufungen hierauf zu verweisen. Die gänzliche Kassation war erforderlich, weil nach Aufhebung eines Schuldspruchs nach § 28a SMG wegen fehlender Feststellungen zur subsumtionsrelevanten Suchtgiftmenge auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch nach § 27 SMG allenfalls zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00123.10P.0928.000

Im RIS seit

10.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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