TE OGH 2010/11/11 3Ob73/10x

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Veröffentlicht am 11.11.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und den Hofrat Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herta P*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei em. o. Univ.-Prof. DI Günter Z*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf der Seite der beklagten Partei Dr. Ekardt B*****, wegen restlich 21.193,03 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Jänner 2010, GZ 16 R 182/09s-90, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. September 2009, GZ 17 Cg 119/07f-79, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichts wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass die Nebenintervention zurückgewiesen wird.

Der Nebenintervenient ist schuldig, der klagenden Partei auch die mit 1.285,74 EUR (darin 213,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 1.541,88 EUR (darin 256,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In einem wegen § 27 MRG geführten Außerstreitverfahren wies das zuständige Bezirksgericht den Antrag der nunmehrigen Klägerin gegen den Nebenintervenienten aufgrund eines vom Beklagten erstatteten Gutachtens ab. Ihr Rekurs blieb erfolglos. Im vorliegenden Verfahren fordert sie vom Beklagten Schadenersatz mit der Begründung, dieses Gutachten sei unrichtig bzw untauglich gewesen. Nach dem im Prozess erstatteten Gutachten stehe fest, dass die von ihr geleistete Investitionsablöse bei Weitem überhöht gewesen sei. Am 22. September 2008 brachte die Klägerin im Außerstreitverfahren einen Antrag auf Abänderung gemäß §§ 73 ff AußStrG ein. Diesen stützte sie auf das Sachverständigengutachten im vorliegenden Prozess.

Das Erstgericht gab mit Urteil vom 27. Mai 2009 dem (von der Klägerin mit 5.000 EUR bewerteten) Feststellungsbegehren zur Gänze und dem Leistungsbegehren im Umfang von 21.119,03  EUR sA statt; ein Mehrbegehren von 18.751,39 EUR sA wies es ab. Das Urteil wurde den Parteienvertretern am 2. und 3. Juni 2009 zugestellt. Nur der Beklagte brachte dagegen Berufung ein.

Am 25. Juli 2009 (Datum des Poststempels) erklärte ein emeritierter Rechtsanwalt seinen Beitritt als Nebenintervenient auf der Seite des Beklagten. Sein rechtliches Interesse an einem Obsiegen des Beklagten begründete er damit, dass in einem zwischen ihm und der Klägerin geführten Außerstreitverfahren dessen Gutachten als gerichtlich bestellter Sachverständiger zur Abweisung des Antrags der Klägerin geführt habe. Diese habe nunmehr mit der Behauptung eines schuldhaft unrichtigen Gutachtens einen Antrag auf Abänderung der Entscheidung im Außerstreitverfahren gestellt.

Nachdem sich die Klägerin gegen den Beitritt ausgesprochen hatte, ließ das Erstgericht mit Beschluss vom 11. September 2009 den Nebenintervenienten nicht zu. Ausgehend von dem oben kurz dargestellten Sachverhalt verneinte es ein konkretes rechtliches Interesse des Beitretenden, ein wirtschaftliches Interesse reiche nicht aus, auch nicht die bloße Möglichkeit, dass die Entscheidung im Prozess seine Rechtssphäre berühren könnte. Dem streitigen Verfahren komme weder positive Rechtsgestaltungswirkung noch Bindungswirkung noch Rechtskraftwirkung für die über den Abänderungsantrag im Außerstreitverfahren zu fällende Entscheidung zu.

Über dessen Rekurs änderte das Rekursgericht diese Entscheidung am 22. Jänner 2010 dahin ab, dass es ihn doch als Nebenintervenienten zuließ, und sprach mit Beschluss vom 14. September 2010 nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Das in nichtöffentlicher Sitzung ergangene Urteil vom selben Tag enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

Seiner Ansicht nach genüge es, wenn die Entscheidung im Prozess die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berühren könnte; es sei kein strenger Maßstab anzulegen. Sollte sich im vorliegenden Verfahren die Unrichtigkeit des vom Beklagten im MSch-Verfahren erstatteten Gutachtens herausstellen, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Nebenintervenienten, weil jenes Verfahren wiederaufgenommen werden könnte. Die Nebenintervention sei daher zulässig, obwohl die Frist für die Einbringung der Berufung auch für ihn bereits abgelaufen sei.

Entgegen der Ansicht der Klägerin wirke sich der Ausgang des Prozesses zumindest insoweit indirekt auf die Rechtslage des Nebenintervenienten aus, als sich aus dem Gutachten ergebe, dass die Klägerin eine teilweise nicht gerechtfertigte Ablöse bezahlt habe. Dennoch sei der Revisionsrekurs zulässig, weil es zu einer vergleichbaren Situation noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe und man das Interesse des Nebenintervenienten auch als nicht ausreichend konkret qualifizieren könnte, sei doch das MSch-Verfahren bisher nicht wiederaufgenommen worden.

Rechtliche Beurteilung

Der über Auftrag des Erstgerichts verbesserte (erstmals am 5. März 2010 eingebrachte) Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.

1. Dass es einer Bewertung im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht bedarf, hat der erkennende Senat bereits im Beschluss vom 30. Juni 2010 dargelegt.

2. Nach Aufhebung des § 18 Abs 4 ZPO durch die ZVN 2009 (BGBl I 30) mit Wirkung vom 1. April 2009 (Art XIV Abs 1 leg cit) kann die Entscheidung, durch welche die Nebenintervention für zulässig erklärt wird, auch durch ein abgesondertes Rechtsmittel, also nach den allgemein für Rekurse geltenden Regeln angefochten werden (Fucik/Klauser/Kloiber, TK ZPO10 146). Da die angefochtene Entscheidung lange nach diesem Datum erging, gilt das für den vorliegenden Revisionsrekurs.

3. Die Nebenintervention setzt nach § 17 Abs 1 ZPO ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei voraus. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RIS-Justiz RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS-Justiz RS0035638). Von dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ging das Gericht zweiter Instanz ohnehin aus. Allerdings ist auch an jenen Entscheidungen festzuhalten, wonach das Interesse am Erzielen bestimmter Beweisergebnisse zur Begründung eines rechtlichen Interesses nicht ausreicht (7 Ob 725/80 = SZ 53/168 [für einen „Musterprozess“]; 2 Ob 12/09t unter Berufung auf 2 Ob 132/60 = JBl 1961, 91; Schubert in Fasching/Konecny, ZPO² § 17 Rz 1 mwN).

4. Im Hinblick auf die zuletzt zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, auf welche die Klägerin zu Recht hinweist, liegt eine wahrzunehmende unrichtige Beurteilung der zweiten Instanz im Einzelfall vor: Der Nebenintervenient berief sich in seinem Beitrittsschriftsatz ausschließlich auf den schon vorliegenden Abänderungsantrag der Klägerin im MSch-Verfahren, der lange vor dem Urteil des Erstgerichts gestellt wurde und sich demnach auch nur auf das im Prozess erstattete Gutachten, nicht aber auf diese Entscheidung stützte. Selbst ein klageabweisendes Urteil im vorliegenden Rechtsstreit kann aber auf dieses Gutachten keinen Einfluss nehmen, selbst wenn ihm letztlich die Beweiskraft abgesprochen würde. Der Nebenintervenient legte nicht dar, inwieweit ein Urteil im Schadenersatzprozess gegen den seinerzeitigen Gutachter in der einen oder anderen Richtung Einfluss auf seine Rechtsstellung als Antragsgegner im Außerstreitverfahren haben könnte. Vielmehr kann er (zu Recht) nur mit dem im Prozess eingeholten Gutachten, also einem bloßen Beweisergebnis, argumentieren (die mögliche Auswirkung der Entscheidung des Rechtsstreits machte er gar nicht geltend). Dieses Gutachten kann aber keinesfalls ungeschehen gemacht werden. Es ist aber auch nicht ersichtlich, inwieweit es sich auf das Abänderungsverfahren nach dem AußStrG zu Lasten des Beitretenden auswirken könnte, falls sich im vorliegenden Verfahren - wie es das Rekursgericht für möglich hält - die Unrichtigkeit des vom Beklagten im MSch-Verfahren erstatteten Gutachtens herausstellen sollte. Zutreffend legt die Klägerin dar, dass auch ein stattgebendes Urteil (das im dargelegten Sinn die Beurteilung des Gutachtens des Beklagten im Außerstreitverfahren als unrichtig voraussetzt) das Außerstreitgericht - schon mangels Parteienidentität (RIS-Justiz RS0041175) - nicht binden könnte. Demnach ist ein rechtliches Interesse des Beitretenden an einem Obsiegen des Beklagten nicht anzunehmen.

Daher ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 iVm § 41 ZPO. Im Zwischenstreit über die Zulassung des Nebenintervenienten wird auch dieser kostenpflichtig (RIS-Justiz RS0035436). Die maßgebliche Bemessungsgrundlage beträgt nach Eintritt der Rechtskraft des nicht angefochtenen klageabweisenden Teils des Ersturteils auch schon im Rekursverfahren nur noch 26.193,03 EUR.

Textnummer

E95586

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00073.10X.1111.000

Im RIS seit

01.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

18.04.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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