TE OGH 2010/11/24 9Ob82/10i

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Veröffentlicht am 24.11.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** L*****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in Bludenz, gegen die beklagte Partei K***** N*****, vertreten durch die Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH in Bludenz, wegen 37.451,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 30. September 2010, GZ 2 R 101/10k-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die von der klagenden Partei mit der außerordentlichen Revision vorgelegten Urkunden (Ausdrucke aus dem Vorarlberger geografischen Informationssystem und Gesetzesentwurf über eine Änderung des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes) werden zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Besteht für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen - wie hier - keine gesetzlich vorgeschriebene oder vom Gericht vorgegebene Methode, so hat der Sachverständige gemäß § 7 Abs 1 LBG die geeignete Methode unter Beachtung des jeweiligen Stands der Wissenschaft und der im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten selbst auszuwählen (RIS-Justiz RS0109006; 6 Ob 161/10k). Die Auswahl der Bewertungsmethode kann in diesem Fall nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüft werden, wenn gegen zwingende Denkgesetze verstoßen wird (RIS-Justiz RS0109006; RS0043122). Das Gleiche würde gelten, wenn die vom Gericht gewählte Methode auf abstrakten Überlegungen ohne entsprechenden Tatsachenermittlungen basieren würde (8 Ob 68/10y; vgl auch 8 Ob 141/09g). Sonst gehört das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis des Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswerts dem Tatsachenbereich an (RIS-Justiz RS0118604).

2. Nach ständiger Rechtsprechung kann auch eine nachträgliche Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, die in dem für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt als wahrscheinlich vorausgesehen werden konnte, die Höhe des zu ersetzenden Verkehrswerts beeinflussen (RIS-Justiz RS0110846; RS0058043). Demnach ist für die Bewertung eines Grundstücks allgemein nicht die bestehende Widmung, sondern die realistisch beurteilte künftige Verwendungsmöglichkeit samt ihrer Auswirkung auf den Marktwert entscheidend. Voraussetzung ist allerdings, dass die Erwartungen auf dem Grundstücksmarkt tatsächlich bereits preisbestimmend sind, also nach der Verkehrsauffassung schon zum Bewertungsstichtag ein zusätzliches werterhöhendes Moment (RIS-Justiz RS0110846) und nicht eine bloße Werterhöhungschance darstellen (6 Ob 161/10k). Entscheidend ist daher, ob sich das Entwicklungspotential zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf den Marktpreis ausgewirkt hat.

3. Im vorliegenden Fall kommt dem für die Wertermittlung maßgebenden Zeitpunkt (Bewertungsstichtag) besondere Bedeutung zu. Während bei der Berechnung des normalen Nachlasspflichtteils Werterhöhungen bis zur wirklichen Zuteilung im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0012902; RS0012933), kommt es bei der Ermittlung des Schenkungspflichtteils auf den Wert zur Zeit des Erbanfalls ohne Bedachtnahme auf spätere Wertveränderungen an (RIS-Justiz RS0012922; RS0012973).

4. Die Vorinstanzen sind sowohl von den zutreffenden Bewertungsgrundsätzen als auch vom richtigen Bewertungsstichtag ausgegangen. Die Klägerin gesteht selbst zu, dass zum Zeitpunkt des Erbanfalls mit der Ausarbeitung des von ihr ins Treffen geführten räumlichen Entwicklungskonzepts noch gar nicht begonnen worden war. Auf dieses Konzept kann daher nicht Bedacht genommen werden. Mit Rücksicht auf den Bewertungsstichtag vermag die außerordentliche Revision keinen Verstoß des Sachverständigengutachtens gegen zwingende Denkgesetze aufzuzeigen. Zum Bewertungsstichtag beurteilte der Sachverständige die in Rede stehenden als Landwirtschaftsgebiet gewidmeten Grundstücke als Spekulationsflächen, wobei sich nicht einschätzen lasse, inwieweit die mögliche Spekulation den Verkehrswert beeinflusse. Selbst bezogen auf den - hier allerdings nicht maßgeblichen - Zeitpunkt des Schlusses der Streitverhandlung hat sich das in Vorbereitung befindliche räumliche Entwicklungskonzept nach den Feststellungen auf die Preise der Liegenschaften noch nicht ausgewirkt.

Soweit die Klägerin in der außerordentlichen Revision unterstellt, dass es sich bei den in Rede stehenden Grundstücken in Wirklichkeit nicht um landwirtschaftliche Liegenschaftsflächen, sondern um Bauland handle, ignoriert sie die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens.

5. Die in der außerordentlichen Revision zitierte Entscheidung 7 Ob 238/97v folgt der ständigen Rechtsprechung zur Berücksichtigung wertbestimmender Entwicklungsmöglichkeiten von Grundstücken zum Bewertungsstichtag. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung keinen Schenkungspflichtteil betrifft, bezieht sie sich auf die Werterhöhung einer Fläche, die aufgrund einer beschränkten Widmung („roter Punkt“) ohne Umwidmung bebaut werden konnte. Für den Fall, dass für die Bebaubarkeit ein Umwidmungsansuchen sowie ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss erforderlich ist, wurde in dieser Entscheidung sogar ausgesprochen, dass eine derartige ungewisse Erwartung keine höhere Bewertung rechtfertigten kann.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision - samt der Urkundenvorlage der Klägerin - zurückzuweisen.

Textnummer

E95816

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00082.10I.1124.000

Im RIS seit

29.12.2010

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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