TE OGH 2011/5/4 15Os183/10s

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Haki A***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Juli 2010, GZ 42 Hv 13/10b-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Haki A***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1 und 15 StGB (I./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (II./1./ und 2./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er seine geschiedene Ehefrau Anita A*****

I./ zu nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum Sommer/Herbst 2003 bis 6. April 2008 in wiederholten Angriffen mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich eines Oralverkehrs, genötigt und zu nötigen versucht, indem er ihr Schläge versetzte, sie teilweise vom Kinderzimmer ins Wohnzimmer zerrte, sie an den Haaren erfasste und ihren Kopf gewaltsam auf seinen erregten Penis drückte;

II./ durch nachstehende Tathandlungen gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt Ende 2003/Anfang 2004, indem er ihr ein Küchenmesser vorhielt und äußerte, sie solle froh sein, dass sie ihren Sohn noch stille, sonst würde er sie wegen des Besuchs bei der Nachbarin vor einigen Tagen erstechen,

2./ zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Februar 2008, indem er ihr ein Küchenmesser vorhielt und sich ihr gegenüber äußerte, „du Hure, du Nutte, ich ersteche dich“;

III./ zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2008 durch die Äußerung, er werde seinem Sohn Fidan A***** lieber eine Kugel in den Kopf schießen, als ihn mit ihr weggehen zu lassen, mithin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von ihrem Vorhaben, ihn mit dem gemeinsamen Sohn zu verlassen, genötigt,

IV./ zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von Sommer 2007 bis Anfang 2008 durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht und Fußtritten gegen die Hüfte Hämatome zugefügt und dadurch vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.

Die eine Undeutlichkeit der Feststellungen in Bezug auf die Entwicklungsstufe der dem Schuldspruch I./ zu Grunde liegenden Taten als bereits vollendet oder bloß versucht reklamierende Mängelrüge (Z 5 erster Fall) spricht keine für die Schuld- und Subsumtion entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0122137 [insbes T5 bis T7]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398).

Entgegen dem die Schuldsprüche I./ bis III./ betreffenden Einwand der Mängelrüge, wesentliche Punkte der Verantwortung des Angeklagten seien mit Stillschweigen übergangen worden (Z 5 zweiter Fall), war das Gericht entsprechend dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, den vollständigen Inhalt dieser Aussage, die das Gericht mit logisch und empirisch einwandfreier Argumentation als unglaubwürdig und reine Schutzbehauptung einstufte (US 10), im Einzelnen zu erörtern (RIS-Justiz RS0098778, RS0106295, RS0106642; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Im Übrigen konnte sich das Gericht von der Glaubwürdigkeit der Zeugin Anita A***** überzeugen (US 7 f), sodass ein Eingehen auf die Angaben des Angeklagten, sie sei manipuliert, zur Anzeige überredet oder gezwungen worden, nicht erforderlich war.

Mangels Annahme einer qualifizierten Tatbegehung ist das Vorbringen in Bezug auf das attestierte posttraumatische Belastungssyndrom der Zeugin Anita A***** nicht entscheidungswesentlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398). Im Übrigen referiert das Urteil das Gutachten der Sachverständigen Dr. L***** keineswegs aktenwidrig (Z 5 letzter Fall), zumal nach deren Ausführungen die posttraumatische Belastungsstörung eindeutig vor der Krebserkrankung aufgetreten ist (S 9 in ON 48).

Das die Schuldsprüche I./, II./ und III./ betreffende Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) ignoriert den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes, dessen Wesen und Ziel es ist, an Hand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. Eine den Anspruch auf Urteilswahrheit im Tatsachenbereich garantierende Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Schuldberufung lässt dieser formelle Nichtigkeitsgrund nicht zu. Er wird demgemäß durch eigene Beweiswerterwägungen, welche jenen der Tatrichter entgegengesetzt werden, nicht prozessordnungsgemäß dargestellt. Gerade dies unternimmt jedoch der Beschwerdeführer, indem er die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Urteilsfeststellungen mit Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin Anita A***** unter spekulativen Erwägungen zu ihrem Anzeigeverhalten sowie durch eigene Bewertung des Gutachtens der Sachverständigen Dr. L***** bekämpft, um seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Konstatierungen entscheidender Tatsachen werden damit auf Aktenbasis nicht aufgezeigt.

Soweit die Aufklärungsrüge (ebenfalls Z 5a) geeignete Erhebungen zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugin Anita A***** reklamiert, macht sie nicht deutlich, wodurch der anwaltlich vertretene Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00183.10S.0504.000

Im RIS seit

20.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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