TE OGH 2011/5/4 15Os34/11f

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander I***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Dezember 2010, GZ 39 Hv 153/10i-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander I***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. Juni 2010 in K***** einer Angestellten der Filiale der V***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 450 Euro Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Claudia F***** eine echt aussehende Spielzeugpistole vorhielt und mehrfach äußerte „Überfall“.

Er wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Ausspruch der Einweisung richtet sich die auf die Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Vorauszuschicken ist, dass die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO darstellt und grundsätzlich mit Berufung und nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 11 StPO auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Dabei sind Überschreitung der Anordnungsbefugnis (Z 11 erster Fall) und Ermessensentscheidung innerhalb dieser Befugnis zu unterscheiden. Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde ist die Überschreitung der Anordnungsbefugnis, deren Kriterien der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhende Zustand, dessen Einfluss auf die Anlasstat, die als Anlasstaten in Betracht kommenden mit Strafe bedrohten Handlungen sowie deren Mindeststrafdrohung sind. Hinsichtlich dieser für die Sanktionsbefugnis entscheidenden Tatsachen ist neben der Berufung auch die Bekämpfung mit Verfahrens-, Mängel- oder Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 2 bis Z 5a StPO) zulässig.

Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt oder die Prognosetat verfehlt als solche mit schweren Folgen beurteilt, kommt eine Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO in Frage. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt.

Die Kritik (Z 4) an der Abweisung des - schriftlich gestellten (ON 26) - Antrags auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Psychiatrie scheitert schon an der erforderlichen Antragstellung in der Hauptverhandlung. Die Verfahrensrüge kann nämlich nicht auf einen Antrag gestützt werden, der in einem Schriftsatz, aber nicht in der Hauptverhandlung gestellt wurde. Die Erklärung der Verteidigerin in der Hauptverhandlung am 3. Dezember 2010, den Beweisantrag 1.2. in ON 26 aufrecht zu halten (ON 35 S 8), vermag die mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gebotene Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0099178, RS0099511, RS0099099; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310).

Dass das Schöffengericht über den schriftlichen Antrag ein (abweisendes) Zwischenerkenntnis fasste (ON 35 S 8), ändert nichts am Mangel der Legitimation zur Verfahrensrüge (13 Os 122/07a).

Im Übrigen wies das Erstgericht den bezeichneten Antrag ohne Verletzung von Verteidigungsrechten zu Recht ab, weil der Angeklagte Mängel von Befund und Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 StPO nicht aufzuzeigen vermochte (RIS-Justiz RS0117263).

Dem Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung der Einweisungsentscheidung (Z 5 vierter Fall) ist zu entgegnen, dass die Begründung von Urteilsfeststellungen auch durch einen Verweis auf Aktenbestandteile vorgenommen werden kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 396). Daher ist auch eine Urteilsbegründung mängelfrei, die durch Hinweis auf ein von den Tatrichtern im Rahmen der Beweiswürdigung als schlüssig beurteiltes Gutachten (RIS-Justiz RS0097433) - dem eine zureichende Grundlage für die getroffenen Feststellungen der Abartigkeit höheren Grades, des Kausalitätszusammenhangs (zwischen Abartigkeit und Anlasstat) sowie der Prognosetat zu entnehmen ist - erfolgt. Mit dem nicht näher substantiierten und überdies nicht zutreffenden (vgl US 8) Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe sich mit dem Verweis auf das Sachverständigengutachten begnügt und das Gutachten selbst sei gleichfalls nicht zureichend begründet, wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht entsprechend zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0119301, RS0099508).

Weshalb der Umstand, dass beim Angeklagten keine suchtbedingte schwere Persönlichkeitsveränderung vorliege, der Annahme einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad in Form einer pathologischen Spielsucht entgegenstehen sollte und die Bejahung dieser Einweisungsvoraussetzung daher einer entsprechenden - „besonders sorgfältigen“ - Begründung bedurft hätte, vermag der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar darzutun, sodass dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.

Auch die Sanktionsrüge (Z 11 erster und zweiter Fall) verfehlt ihr Ziel. Das Erstgericht hat die im § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) ausreichend berücksichtigt (US 7), wobei die aus der daraus gebildeten Feststellungsgrundlage vorgenommene Ableitung der Befürchtung von Straftaten mit schweren Folgen mit Blick auf das als mängelfrei erachtete Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen sowie unter Bezugnahme auf das Motiv (Spielschulden) für einen Raubüberfall im Jahr 2003 und die Verwendung der gegenständlichen Raubbeute für Spieleinsätze (US 8) keineswegs willkürlich erfolgte und - der Beschwerde zuwider - auf die hohe Wahrscheinlichkeit abstellte, dass der Angeklagte Raubüberfälle (auch) unter Verwendung von Waffen begehen werde (US 10).

Soweit der Beschwerdeführer (ausreichende) Klarstellungen zu den Einweisungsvoraussetzungen vermisst, legt er nicht dar, welche Feststellungen über die vom Erstgericht ohnehin getroffenen hinaus noch erforderlich gewesen wären. Dieser Einwand ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigerin - gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97212

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00034.11F.0504.000

Im RIS seit

19.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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