TE OGH 2011/6/21 1Ob46/11p

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Veröffentlicht am 21.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmuth W*****, Italien, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 83.095,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. November 2010, GZ 1 R 214/10w-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Juni 2010, GZ 18 Cg 46/09b-13, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit  2.087,88 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 347,98 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger eröffnete am 20. 4. 2007 ein Konto und ein Wertpapierdepot bei der beklagten Bank. In einer sogenannten „Faxvereinbarung“ ermächtigte er die beklagte Partei und die M***** S***** AG (im Folgenden: AG) folgende per Telefax erteilten Aufträge zu seinem Konto/Depot durchzuführen: Überweisungsaufträge im In- und Ausland, Aufträge zur Konvertierung von Währungen, Barauszahlungen, Wertpapierkauf- und -verkaufsaufträge. Die beklagte Partei und die AG wurden ermächtigt, die erteilten Aufträge ausschließlich nach Übermittlung eines Telefaxes durchzuführen.

Insgesamt wurden dem Depot des Klägers 4.335 Stück Aktien der M***** Limited (A***** E***** Limited) sowie 16.250 Stück Aktien der M***** Limited zugeschrieben.

Am 21. 1. 2009 wurde aus einer Tabak-Trafik in Bozen per Fax ein Verkaufsauftrag an die beklagte Partei gesendet. In dem mittels standardisiertem Formular übermittelten Auftrag wurde unter Angabe der Depotnummer des Klägers die Order erteilt, sämtliche Aktien des Depots zu verkaufen und den Verkaufserlös auf ein Konto bei der B*****-Banken-Gruppe, lautend auf Matteo B*****, zu überweisen. Dieser Verkaufsauftrag stammte nicht vom Kläger, seine Unterschrift war gefälscht.

Der Transaktionsauftrag langte am Abend des 21. 1. 2009 bei der AG ein, die ihn nach Prüfung und Dokumentation am 22. 1. 2009 der beklagten Partei übergab. Im Zuge der Prüfung waren auf dem Auftrag neben der Verkaufsorder die genauen Stückzahlen der zu verkaufenden Aktien handschriftlich angemerkt worden. Bei der beklagten Partei wurden (neuerlich) die Kundendaten, die Verfügbarkeit, die Bezeichnung der angegebenen Wertpapiere sowie (erstmals) anhand von Vergleichsunterschriften des Klägers auf dem Kontoeröffnungsantrag und einem Ausweis dessen Unterschrift auf dem Verkaufsauftrag überprüft. Die beklagte Partei führte den Verkaufsauftrag durch. Den erzielten Erlös in Höhe von 83.095,50 EUR schrieb sie zunächst dem Verrechnungskonto des Klägers gut. Am 28. 1. 2009 überwies sie diesen Betrag auf das im Verkaufsauftrag genannte Konto.

Der Kläger begehrte mit seinem Hauptbegehren, die Zahlung von 83.095,50 EUR sA. Mit seinem ersten Eventualbegehren begehrte er, a) die beklagte Partei zu verpflichten, ihm 16.250 Stück der Aktie A***** I***** Limited und 4.355 Stück der Aktie A***** E***** Limited zu übergeben, sowie b) festzustellen, dass ihm die beklagte Partei für die Differenz zwischen dem Wert der 16.250 Stück der Aktie A***** I***** Limited und 4.355 Stück der Aktie A***** E***** Limited am Tag der Naturalrestitution im Sinn des Punktes a) und dem Wert der Aktien am 22. 1. 2009 hafte. Mit seinem zweiten Eventualbegehren begehrte er die Herausgabe der Aktien laut Punkt a) des ersten Eventualbegehrens.

Er stützte seine Ansprüche auf die nicht ordnungsgemäße Prüfung des Auftrags sowie auf die (verschuldensunabhängige) Haftung der beklagten Bank, die das Risiko des gefälschten Verkaufs- und Überweisungsauftrags zu tragen habe. Der geltend gemachte Schaden sei keiner Naturalrestitution zugänglich, weil der rechtswidrige Verkauf dem Kläger die Dispositionsmöglichkeit entzogen hätte, die nicht vollständig wiederhergestellt werden könne. Der Schaden entspreche dem Kurswert der Aktien zum Zeitpunkt des Schadensereignisses, also dem Verkaufserlös. Für den Fall ihrer Verpflichtung nur zur Naturalrestitution hafte die beklagte Partei für die allfällige Kostendifferenz der Wertpapiere zwischen dem Tag des Schadenseintritts und der tatsächlichen Naturalrestitution, was das Eventualfeststellungsbegehren rechtfertige. Aus dem Depotvertrag stehe ihm jedenfalls der vertragliche Anspruch auf Ausfolgung des Verkaufserlöses zu.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, den Verkaufsauftrag ordnungsgemäß überprüft zu haben. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Klägers könne nur in einem Anspruch auf Naturalrestitution bestehen.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Die beklagte Bank habe das Fälschungsrisiko zu tragen und bei der Überprüfung der Order fahrlässig gehandelt. Der dem Kläger durch den Entzug der Wertpapiere entstandene Schaden sei einer Naturalrestitution nicht zugänglich, weil die Dispositionsmöglichkeit nicht nachträglich wiederhergestellt werden könne.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es das Hauptbegehren abwies, jedoch die beklagte Partei zur Übergabe von 16.250 Stück der Aktie A***** I***** Limited und 4.335 Stück der Aktie A***** E***** Limited verpflichtete und das Mehrbegehren auf Übergabe weiterer 20 Stück der zuletzt genannten Aktie (vom Kläger unbekämpft) sowie das Eventualfeststellungsbegehren abwies. Die beklagte Partei hafte nach der sich aus § 1014 ABGB ergebenden Risikozuteilung verschuldensunabhängig für den durch den gefälschten Transaktionsauftrag entstandenen Schaden. Der Kläger müsse so gestellt werden, wie er stünde, wenn der gefälschte Verkaufsauftrag nicht erteilt worden wäre. Im Fall einer zu Unrecht erfolgten Abbuchung von einem Girokonto bejahe der Oberste Gerichtshof einen Anspruch des Kontoinhabers auf Sanierung der unrichtigen Belastungsbuchung im Wege der Naturalrestitution. Die Judikatur gestehe dem Kunden einen Anspruch auf Barauszahlung eines tatsächlich bestehenden Guthabens als vertraglichen Erfüllungs- bzw Abrechnungsanspruch zu. Im konkreten Fall dürfe aber nicht übersehen werden, dass nicht nur ein gefälschter Überweisungsauftrag erteilt worden sei, sondern auch ein gefälschter Verkaufsauftrag. Der Kläger habe während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nie behauptet, er hätte diese Aktien zu irgendeinem Zeitpunkt verkaufen wollen. Wäre es nicht zum gefälschten Verkaufsauftrag gekommen, würde der Kläger nach wie vor über die Aktien in seinem Wertpapierdepot verfügen. Aus diesem Grund könne bei der Schadensermittlung nicht nur der gefälschte Überweisungsauftrag isoliert herausgegriffen werden. Vielmehr sei der gefälschte Verkaufsauftrag rückabzuwickeln. Das bedeute, dass der Kläger weder einen vertraglichen noch einen schadenersatzrechtlichen noch einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen die beklagte Partei auf Auszahlung des Verkaufserlöses habe, sondern nur einen solchen auf Übergabe der veräußerten Aktien. Der Grundsatz, dass es dem Geschädigten bei sowohl möglicher als auch tunlicher Naturalherstellung freistehe, entweder die Wiederherstellung des vorigen Zustands oder Geldersatz zu verlangen, könne in diesem speziellen Fall nicht gelten. Den eingetretenen Kursverfall der Aktien habe daher der Kläger, und nicht die Bank zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, der die Abweisung des Hauptbegehrens und hilfsweise des Eventualfeststellungsbegehrens bekämpft, ist nicht berechtigt.

Die Anwendung österreichischen Rechts (iSd Art 4 Abs 1 und 2 EVÜ) war und ist kein Thema des Verfahrens, weshalb diese Frage nicht weiter zu erörtern ist.

Die weiteren Überlegungen haben davon auszugehen, dass das Fälschungsrisiko zu Lasten der beklagten Bank ging und diese grundsätzlich die Folgen des gefälschten Verkaufs- und Überweisungsauftrags zu tragen hat. Die beklagte Partei ließ nämlich das Urteil des Berufungsgerichts unbekämpft.

Der Oberste Gerichtshof billigt einem Bankkunden bei einer rechtswidrigen Abbuchung von einem kontokorrentmäßig geführten Konto einen vertraglichen Erfüllungsanspruch auf Barauszahlung des tatsächlichen Guthabens zu, das so zu berechnen ist, als hätte die rechtswidrige Abbuchung nicht stattgefunden (6 Ob 550/95 = SZ 68/59 = ÖBA 1995/513, 900 [Klicka] = WBl 1995, 421 [Zib aaO 401]; 1 Ob 76/04i; 9 Ob 55/06p je mwN). Diese Judikatur hat(te) der Kläger (offenbar) vor Augen, wenn er sich auf einen vertraglichen Anspruch, der auf Auszahlung des seinem Verrechnungskonto gutgebuchten Erlöses aus dem Verkauf der Wertpapiere gerichtet ist, berief (beruft).

Das Berufungsgericht lehnte diesen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens mit dem Argument ab, dass eine isolierte Betrachtung des gefälschten Überweisungsauftrags zur Überweisung des Guthabens nicht in Betracht komme. Der Kläger führt in der Revision gegen diese Ansicht ins Treffen, es stehe ihm frei, den „vollmachtslosen“ Verkauf der Wertpapiere gegen sich gelten zu lassen und damit den Verkauf zu genehmigen, weshalb er die Auszahlung des Guthabens fordern könne.

Auf eine nachträgliche Genehmigung (§ 1016 ABGB) des Verkaufsauftrags hat sich der Kläger im Verfahren erster Instanz aber nicht berufen. Vielmehr hielt er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Behauptung aufrecht, der Verkaufsauftrag sei gefälscht, die beklagte Partei hafte wegen einer mangelhaften Prüfung des Auftrags aus Verschulden und sie müsse verschuldensunabhängig das Fälschungsrisiko tragen. Ohne den auch tatsächlich uno actu erfolgten Verkaufsauftrag ist eine Überweisung jedenfalls schwer vorstellbar, weil die Buchung des Erlöses (sei es jetzt auf das Verrechnungskonto des Klägers oder auf ein anderes Konto) den vorangegangenen Schritt der Verwertung der im Depot erliegenden Wertpapiere voraussetzt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Verkaufs- und Überweisungsauftrag müssten als Einheit betrachtet werden, ist demnach zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ein vertraglicher Erfüllungsanspruch des Auftraggebers auf Herausgabe des Verkaufserlöses (§ 1009 Satz 1 ABGB) setzte außerdem voraus, dass der Erlös der Bank vor der Überweisung auf das im Auftrag genannte Konto zugekommen wäre (RIS-Justiz RS0019312; vgl auch 2 Ob 87/00h mwN). Dies wurde weder behauptet noch festgestellt: Fest steht nur, dass der Erlös zunächst dem Verrechnungskonto des Klägers gutgeschrieben wurde. Auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen die vermeintlich beauftragte Bank, der auf die Herausgabe des Verkaufserlöses gerichtet sein kann (P. Bydlinski in KBB³ § 1009 Rz 4 mwN), berief sich der Kläger im Verfahren erster Instanz ebensowenig wie im Rechtsmittelverfahren. Damit bleibt als Anspruchsgrundlage der geltend gemachte Schadenersatzanspruch zu prüfen.

Durch den Verkauf seiner Wertpapiere ist dem Kläger ein Schaden entstanden, der in deren Verlust lag, zumal er selbst von einem „rechtmäßigen“ Erwerb der Wertpapiere durch den Käufer ausgeht und einen Herausgabeanspruch gegen diesen ausdrücklich verneint. Dieser Schaden ist nach § 1323 ABGB vorrangig durch Naturalrestitution auszugleichen (RIS-Justiz RS0030228 [T1]). Diese besteht ganz allgemein in der Schaffung einer gleichwertigen Ersatzlage (RIS-Justiz RS0030228; vgl RS0060539; 1 Ob 15/02s mwN; vgl Danzl in KBB³ § 1323 Rz 1). Der Kläger ist also so zu stellen, wie er ohne den Verkauf stünde (Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1323 Rz 1; Reischauer in Rummel³ § 1323 Rz 1, je mwN: 1 Ob 15/02s ua). Bei hypothetischem Verlauf befänden sich die Wertpapiere noch in Verwahrung der Depotbank. Der Kläger stellt(e) nämlich nur auf eine hypothetische Dispositionsmöglichkeit ab. Eine konkrete Absicht, die Wertpapiere verkaufen zu wollen, hat er nie behauptet. Sonstige konkrete Pläne, über die Wertpapiere zu verfügen (wie etwa durch Verpfändung), die aufgrund des rechtswidrigen Verkaufs nicht realisiert werden konnten, wurden und werden nicht einmal angedeutet. Dem Kläger steht also der Anspruch auf Verschaffung derselben Anzahl der „abhandengekommenen“ Wertpapiere als von der beklagten Bank zu erbringende Naturalleistung zu (vgl Harrer aaO Rz 7; vgl 10 Ob 44/07d mwN), was der beklagten Partei auch keine besonderen Schwierigkeiten bereiten dürfte. Mit der Rückstellung der Wertpapiere in das Depot und Verbriefung der Anteilsrechte wird die Rechtsposition des Bankkunden so wiederhergestellt, wie sie vor dem Verkauf bestand. Dass der Kläger mit seinem Eventualbegehren die Wiederherstellung des bestandenen Zustands nicht in dieser Form begehrte, sondern durch Herausgabe der Wertpapiere, ist unerheblich, weil die beklagte Partei die Stattgebung des Eventualbegehrens nicht bekämpfte.

Ähnliche Überlegungen liegen jener Judikatur zugrunde, die einem Bankkunden im Fall einer rechtswidrigen Kontobelastung (nur) den Anspruch auf Wiedergutschrift/Rückbuchung (als Schadenersatzanspruch) zugesteht, weil damit mangels Behauptung anderer Umstände der durch die vertragswidrige Buchung bewirkte Nachteil restlos ausgeglichen wird (6 Ob 550/95; RIS-Justiz RS0045851). Ein durch den entgegengesetzten Buchungsvorgang nicht beseitigter Nachteil wird allenfalls darin gesehen, dass der Kunde wegen des unrichtigen Kontostands in seiner Verfügung beschränkt wird, etwa wenn die Bank Bargeldabhebungen nicht zulässt oder Überweisungen nicht durchführt (vgl Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 47 RdNr 51; vgl Zib aaO). Wie schon erwähnt, gibt es hier keinen Anhaltspunkt für beabsichtigte, aber gescheiterte Verfügungen des Klägers über sein Wertpapierdepot.

Argumente des Klägers gegen die angeordnete Rückstellung (der mittlerweile im Kurs gefallenen Wertpapiere) sind deren Untunlichkeit und das dem Geschädigten grundsätzlich eingeräumte Wahlrecht zwischen der in seinem Interesse angeordneten (6 Ob 139/00k mwN) Naturalleistung durch den Schädiger und dem Geldersatz (RIS-Justiz RS0053254 [T1]; RS0112887; Reischauer aaO Rz 7; Harrer aaO Rz 11). Aus diesem Wahlrecht leitet er seinen Anspruch auf Ersatz des gemeinen Werts der Wertpapiere zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (§ 1332 ABGB) ab.

Richtig ist, dass eine Naturalherstellung schon dann als untunlich angesehen wird, wenn der Geschädigte sie nicht wünscht (RIS-Justiz RS0088999). Der einem Geschädigten im Fall der Untunlichkeit der Naturalrestitution eingeräumte Anspruch auf Ersatz des gemeinen Werts/Schätzwerts (vgl Reischauer aaO Rz 7; vgl Ch. Huber in Schwimann, ABGB-TaKomm § 1323 Rz 13, 24 mwN) zum Schädigungszeitpunkt ist aber auf die Fälle zugeschnitten, in denen es um die reale Beschädigung (oder Zerstörung) einer körperlichen Sache geht (vgl 8 Ob 123/05d = SZ 2006/28; 2 Ob 176/07g mwN = ZVR 2008/241, 499 [Ch. Huber]: Zerstörung eines Gebäudes), aber nicht um den Verlust „volatiler“ Wertpapiere durch deren unberechtigten Verkauf.

Das Wahlrecht des Geschädigten darf nicht in berechtigte Interessen des Schädigers eingreifen (RIS-Justiz RS0053254 [T2]). Die Forderung des Klägers auf Ersatz des gemeinen Werts zum Zeitpunkt der Schädigung (iSd Wiederbeschaffungswerts/Austauschwerts: 1 Ob 143/04t mwN; 2 Ob 176/07g; Reischauer aaO § 1332 Rz 8) bedeutet nichts anderes als die Überwälzung seines (allgemeinen) wirtschaftlichen Risikos als Anleger auf die beklagte Bank, deren (hier) haftungsbegründendes Verhalten grundsätzlich nicht kausal für den finanziellen Nachteil ist, den der Kläger durch den gefallenen Kurs erlitten haben soll.

Aufgabe des Schadenersatzrechts ist es zudem, dem Geschädigten einen Ausgleich zu verschaffen (RIS-Justiz RS0023471; Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts Rz 3/1), und nicht ihn zu bereichern. Dieser Ausgleichsfunktion trägt die in § 1323 ABGB enthaltene Anordnung, alles in den vorigen Stand zurückzuversetzen, vorrangig Rechnung. Der Geschädigte soll so gestellt werden, wie er ohne schädigendes Ereignis stünde. Bei hypothetischem Verlauf hätte der Kläger den jetzt geforderten Verkaufswert der Wertpapiere aber nicht lukriert. Dieser Gedanke, eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, liegt beispielsweise jener Judikatur zugrunde, die bei Anschaffung einer neuen anstelle der zerstörten Sache einen Abzug „neu für alt“ vornimmt (1 Ob 16/06v; RIS-Justiz RS0022726; RS0010075 ua). Auch darin zeigt sich, dass das Prinzip des objektiv-abstrakten Schadenersatzes auf Basis des gemeinen Werts zum Schädigungszeitpunkt nicht unbedingt gilt. Zum selben Ergebnis führt auch die Ansicht Reischauers (aaO § 1332 Rz 4), wonach dieser Wert nicht zusteht, wenn der Geschädigte wie hier mit der Ersatzbeschaffung zuwartet und inzwischen der Preis verfällt.

Als Ergebnis wird festgehalten: Die sehr volatilen Wertpapieren immanenten Kursschwankungen rechtfertigen es, hier die vom Kläger gewünschte objektiv-abstrakte Berechnung des Schadens auf Basis des gemeinen Werts abzulehnen und einer subjektiv-konkreten Schadensberechnung den Vorzug zu geben, wie sie auch in den Fällen der Schädigung von Anlegern aufgrund unrichtiger Beratung und/oder Irreführung bei Erwerb der Anlage vertreten wird (8 Ob 123/05d; 6 Ob 231/10d mwN).

Das Eventualfeststellungsbegehren, das der Kläger mit den Schäden als Folge der zwischen Verkauf und Naturalrestitution eingetretenen/eintretenden Kursverlusten rechtfertigt, scheitert daran, dass der Verkauf als haftungsbegründendes Verhalten nicht kausal für den (zukünftigen) Wertverfall ist, wenn keine konkrete Verkaufsabsicht in diesem Zeitraum besteht. Damit ist entgegen der Meinung des Revisionswerbers nicht relevant, ob die beklagte Partei bei Prüfung des Verkaufs- und Überweisungsauftrags schuldhaft handelte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E97873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00046.11P.0621.000

Im RIS seit

05.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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