TE OGH 2011/5/19 11Os47/11p

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Veröffentlicht am 19.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer, in der Strafsache gegen Pascal S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 30. November 2010, GZ 49 Hv 37/10a-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

              Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Pascal S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

              Danach hat er am 28. Februar 2010 in H***** den Christian F***** durch Versetzen von zumindest zwei gezielten, wuchtigen Messerstichen in den Hals und in die Brust, die eine Wunde an der rechten Halsseite mit Durchtrennung des rechten Kopfdrehwendemuskels sowie eine Wunde an der linken Brustkorbseite mit Eröffnung des Rippen- und Lungenfells, des Herzbeutels und der rechten Vorkammer des Herzens mit konsekutiver Einblutung in den Herzbeutel und die linke Brusthöhle zur Folge hatten, vorsätzlich zu töten versucht.

              Die Geschworenen hatten die auf ein das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB verwirklichendes Tatsachensubstrat gerichtete Hauptfrage bejaht und die hierzu gestellte Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) verneint. Demgemäß hatten sie die Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs 1 StGB und nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB unbeantwortet gelassen (ON 57).

              Die dagegen aus Z 6, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

              Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der - allerdings ohnedies gestellten (ON 57) - Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erwiderung. Die weitere Beschwerde leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund trotz stillschweigender Subsidiarität gegenüber einem vorsätzlich begangenen Tötungsdelikt bei (wie hier) einheitlichem Tatgeschehen (RIS-Justiz RS0126577) eine besondere Hauptfrage (§ 312 Abs 2 StPO) zum oben genannten Tatbestand zu stellen gewesen wäre (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 48).

              Die gesetzmäßige Ausführung einer Subsumtionsrüge (Z 12) setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten (siehe § 351 zweiter Satz StPO) Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus (RIS-Justiz RS0101476). Indem der Beschwerdeführer bloß den im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen Tötungsvorsatz des Angeklagten nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bestreitet, verlässt er den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613).

              Mit der unsubstantiierten Behauptung, dass eine „offensichtlich für den Angeklagten nicht richtige“ Substitutionsmedikation in der Justizanstalt Hirtenberg tatursächlich gewesen sein soll, stellt die - gegen die Maßnahmenanordnung nach § 21 Abs 2 StGB gerichtete - Sanktionsrüge (Z 13) die Prognosekriterien neuerlich wie in einer nur im Einzelrichterprozess gesetzlich vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, daher unzulässig beweiswürdigend, nicht aber nach Art einer Mängel- oder Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO - vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 17; ders in WK2 Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 9) in Abrede und orientiert sich solcherart ebenfalls nicht am Verfahrensrecht.

              Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Die Entscheidung über die (bislang unausgeführt gebliebene) Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).

              Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

              Bleibt anzumerken, dass es das Erstgericht unterlassen hat, die Prognosetat im Urteil sachverhaltsmäßig der Art nach näher zu beschreiben (RIS-Justiz RS0113980, RS0118581; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 721). Der Hinweis auf eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der Begehung zumindest einer neuen Tat „mit schweren Folgen“ (US 5) vermag derartige Feststellungen nicht zu ersetzen. Diesem - aus Z 13 zweiter Fall ungerügt gebliebenen - Rechtsfehler kann das Berufungsgericht Rechnung tragen, sodass es einer amtswegigen Maßnahme (§§ 290 Abs 1, 344 StPO) nicht bedurfte.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97441

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00047.11P.0519.000

Im RIS seit

10.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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