TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/26 S1 418739-1/2011

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Veröffentlicht am 26.04.2011
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Spruch

S1 418.739-1/2011/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Filzwieser über die Beschwerde der XXXX, StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.03.2011, Zahl 11 02.757-EAST Flughafen, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG, BGBl I Nr. 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige von Nepal, kam mit einem, von deutschen Behörden in XXXX ausgestellten, von XXXX bis

XXXX gültigen Schengenvisum, (mit dem Zusatz: Nur gültig in Begleitung des Arbeitgebers XXXX) am XXXX per Flugzeug aus XXXX kommend am Flughafen XXXX an und war weitergebucht für einen Weiterflug nach XXXX. Da die Beschwerdeführerin jedoch alleine reiste, wurde ihr die Weiterreise verwehrt. Die Beschwerdeführerin widersetzte sich ihrer Zurückweisung nach XXXX und stellte in der Folge bei der Grenzkontrolle den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Aus der polizeilichen Meldung der Grenzpolizeiinspektion Schwechat vom selben Tag geht hervor, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf internationalen Schutz mit folgenden Angaben begründete: Sie könne nicht nach Israel zurück, da ihr Dienstverhältnis dort beendet und sie daher zum Aufenthalt nicht mehr berechtigt wäre. In ihre Heimat könne sie nicht mehr zurück, da ihr Ehegatte eine neue Frau habe und ihr gedroht hätte, sie umzubringen, wenn er sie noch einmal sehe. Das sei auch der Grund gewesen, warum sie nach Israel gegangen wäre. Da sie nicht nach XXXX weiterreisen dürfe, wolle sie nun hier einen Asylantrag stellen. Mehr wolle sie dazu vorerst nicht sagen. Aus einer Anmerkung dieser polizeilichen Meldung geht auch hervor, dass am selben Tag die Deutsche Botschaft in XXXX kontaktiert worden sei, die wiederum die Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin (in Israel) kontaktiert hätte, welche angegeben habe, dass sie die Beschwerdeführerin vorausgeschickt hätte, damit sie überprüfe, ob das Hotel in Deutschland behindertengerecht sei. Die Arbeitgeberin selbst habe die Beschwerdeführerin wegen einer kurzfristigen ärztlichen Behandlung nicht begleiten können. Die Beschwerdeführerin möge wieder nach XXXX zurückkehren. Unter den sichergestellten Dokumenten bei der Beschwerdeführerin befindet sich neben dem Reisepass (worin sich ein bis XXXX gültiges israelisches Visum befindet) und dem Flugticket unter anderem eine Hotelreservierung für die Beschwerdeführerin als Einzelperson in XXXX im Zeitraum vom XXXX bis

XXXX (As. 13-21 BAA). Das Zulassungsverfahren wurde in der Folge in der Erstaufnahmestelle am Flughafen geführt (Flughafenverfahren).

 

2. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.03.2011 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe ihre Heimat am 13.09.2005 mit dem Flugzeug von XXXX nach XXXX verlassen und hätte sich bis XXXX dort aufgehalten. In XXXX habe sie von der deutschen Botschaft ein Visum bekommen. Als Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin aus, im Jahre 1995 in Nepal ihren Gatten geheiratet zu haben. Sie hätten zwei gemeinsame Kinder. Als jedoch ihr Gatte 2005 noch eine Frau geheiratet habe, hätte er sie wegjagen wollen, wogegen sie sich gewehrt hätte. Er hätte sie öfters verprügelt und umbringen wollen. Die Kinder hätte er nicht hergeben wollen. Aus Angst vor ihrem Mann wäre sie nach Israel geflüchtet, wo sie eine Aufenthaltsbewilligung bekommen und als Krankenpflegerin gearbeitet habe. Da aber ihr israelisches Visum im Mai ablaufe und nicht verlängert werde, müsste sie wieder nach Nepal zurück. Da sie dort keine Überlebenschance habe und befürchte von ihrem Gatten umgebracht zu werden, habe sie den gegenständlichen Asylantrag gestellt (As. 1-11 BAA).

 

3. Mit Schreiben vom 24.03.2011 teilte das Bundesasylamt der Fremdenpolizei-Flughafen mit, dass basierend auf der ersten Befragung die Einreise derzeit nicht gestattet und gemäß § 31 Abs. 1 AsylG um Vorführung zur Erstaufnahmestelle Flughafen ersucht werde (As. 51 BAA).

 

4. Am 25.03.2011 stelle das Bundesasylamt an Deutschland ein dringendes Ersuchen um Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. Art. 9 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO), welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde (As. 97ff BAA). Mit Schreiben vom 29.03.2011 hat Deutschland seine Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art 9 Abs. 2 VO 343/2003 erklärt.

 

5. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.03.2011 in Anwesenheit eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie sei gesund und könne der Einvernahme folgen. Auf Vorhalt der geplanten Überstellung nach Deutschland entgegnete die Beschwerdeführerin, sie wolle nicht nach Deutschland. Nach den Gründen dagegen befragt, führte sie aus, dass es Familienprobleme gebe. Ihr Gatte hätte Verwandte in Deutschland, vor denen sie Angst hätte. Bei den Verwandten handle es sich um ihre verheirateten Schwägerinnen mit deren Gatten. Wo jene genau in Deutschland lebten, wisse sie nicht. Nach einem Kontakt zu ihrem Gatten oder den Genannten befragt, entgegnete sie, sie habe drei Tage vor ihrer Ausreise aus Israel einen Anruf von ihrem Gatten erhalten, der ihr gesagt habe, dass sie Geld schicken solle. Sie werde immer von ihm bedroht. Sie sei mit ihm immer noch offiziell verheiratet, da er sich gegen die Scheidung gestellt hätte. Sie finanziere die Boarding School ihrer beiden Kinder. Sie würden ihre Ferien bei ihrem Gatten verbringen. Auf Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin in Israel über ein bis XXXX gültiges Visum verfüge und weshalb sie nicht länger dort bleiben habe wollen, meinte die Beschwerdeführerin, dass sie dort keine Verlängerung mehr bekommen hätte. Außerdem hätte das Visum eine Gültigkeit nur solange man arbeite. Da sie aber nicht mehr arbeite, sei das israelische Visum auch nicht mehr gültig. Auf weiteren Vorhalt, wie es sein könne, dass sie einerseits nach Deutschland weiterfliegen habe wollen, aber andererseits eine Bedrohung durch die Verwandten ihres Gatten ins Treffen führe, wandte die Beschwerdeführerin ein, dass, wenn sie hier nicht angehalten worden wäre, sie auch nicht nach XXXX weitergeflogen wäre. Der Beschwerdeführerin wurde auch vorgehalten, dass sie durch die deutschen Behörden/Polizei im Falle einer Bedrohung seitens der Verwandten ihres Gatten jedenfalls Schutz erhalten werde, sie sich nur an sie wenden müsste (As. 113-121 BAA).

 

6. Einer ärztlichen Untersuchung des Sondertransits der Bundespolizeidirektion Schwechat zufolge, hätte die Beschwerdeführerin keine Beschwerden (weder Verletzungen noch subjektive Beschwerden) und würde sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand befinden (As. 155 BAA).

 

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.03.3011 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und in einem ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO Deutschland zuständig sei.

 

Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid basierend auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation iSd § 60 AsylG Feststellungen zum deutschen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes und zur Versorgung von Asylwerbern in Deutschland. Demzufolge verfügt Deutschland über ein GFK-konformes Asylverfahren, einschließlich Non-Refoulement-Schutz; Grundversorgung und medizinische Versorgung für Asylbewerber sind gewährleistet.

 

Die Identität der Beschwerdeführerin stehe aufgrund des vorgelegten nationalen Identitätsdokuments fest. Die Beschwerdeführerin sei mit einem deutschen Visum, ausgestellt am 18.03.2011 von der deutschen Botschaft in XXXX, gültig von XXXX bis XXXX, zum Flughafen XXXX angereist und halte sich seitdem im Sondertransitbereich auf. Bis zur Bescheiderlassung hätten sich keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass sei an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit oder an einer psychischen Erkrankung leiden würde, welche bei einer Überstellung ihrer Person eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, die Annahme ihrer Sicherheit in Deutschland in Zweifel zu ziehen. Zu ihrer Behauptung, in Deutschland könnte die Gefahr bestehen, dass sie von dort lebenden Angehörigen ihres Gatten bedroht werden könnte, sei festzuhalten, dass diese Behauptung völlig unbelegt geblieben wäre. Auf Nachfragen habe zwar von ihr in Erfahrung gebracht werden können, dass zwei Schwestern ihres Gatten mit ihren Familien dort leben würden, jedoch sei ihr deren dortiger genauer Aufenthalt nicht einmal annähernd bekannt gewesen. In Hinblick auf die Undifferenziertheit ihres Einwandes und der als notorisch anzunehmenden Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der deutschen Behörden gegenüber allfälligen Angriffen oder Bedrohungen seitens der von ihr genannten Personen, wäre nicht zu erkennen gewesen, dass ihr in Deutschland eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte.

 

8. Aus einem Aktenvermerk des Stadtpolizeikommandos Schwechat vom 06.04.2011 geht hervor, dass entsprechend den Angaben eines Caritas-Mitarbeiters die Beschwerdeführerin über Brustschmerzen geklagt habe. Der daraufhin verständigte Flughafenarzt hätte die Beschwerdeführerin untersucht und ein EKG durchgeführt. Es hätten jedoch keine Anzeichen einer Erkrankung festgestellt werden. Der Beschwerdeführerin wären zwei Tabletten Mexalen verabreicht worden.

 

9. Gegen den zitierten Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben, worin mangelhafte Verfahrensführung moniert wurde (Beschwerdevorlage: 12.04.2011). Die Beschwerdeführerin habe deutlich und nachvollziehbar ihre Befürchtung dargelegt, worauf das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde nicht eingegangen sei. Es würden mithilfe eines beizustellenden Rechtsberaters noch Ergänzungen nachgereicht werden

 

Zugleich wurde mit Schriftsatz vom 07.04.2011 an den Asylgerichtshof der Antrag auf Beigehung eines Rechtsberaters gemäß § 66 AsylG gestellt.

 

10. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 12.04.2011, Zl. S1 418.739-1/2011/4Z, bestellte der Asylgerichtshof durch den Richter Dr. Filzwieser gemäß § 66 Abs. 2 AsylG 2005 idgF zur Vertretung im Verfahren in der gegenständlichen Beschwerdesache Frau Mag. M.R. zur Rechtsberaterin. Eine Stellungnahme der Rechtsberaterin ist bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt.

 

11. Am 12.04.2011 traf beim Asylgerichtshof die gutachterliche Stellungnahme von Dr. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin betreffend eine vom der Verwaltungsbehörde in Auftrag gegebene Untersuchung der Beschwerdeführerin am 04.04.2011 ein. Danach leide die Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt. Eine akute Suizidalität bestehe zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht, jedoch könne eine Affekthandlung nicht ausgeschlossen werden. Therapeutische Maßnahmen wären derzeit nicht erforderlich. Es bestehe keine schwere Störung, welche bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würde.

 

12. Aus einem Aktenvermerk einer juristischen Mitarbeiterin des zuständigen Senats des Asylgerichtshofes vom 18.04.2011 geht hervor, dass nach telefonischer Rücksprache der Grenzpolizeiinspektion XXXX mitgeteilt worden sei, dass die Beschwerdeführerin gegen ihre Schlafstörungen Tricom und gegen ihre Brustschmerzen Mexalen einnehmen würde, sowie ihre Untersuchung vom Vortag keine Auffälligkeiten gezeigt hätte. Auch eine Nachfrage bei der Fremdenpolizeibehörde am 22.04.2011 brachte ein gleichlautendes Ergebnis; die Beschwerdeführerin befinde sich weiterhin im Transitbereich.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und sind in der Verfahrenserzählung des gegenständlichen Erkenntnisses wiedergegeben.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß §§ 73 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: "AsylG 2005") ist dieses im gegenständlichen Verfahren vollumfänglich anzuwenden.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof sind die einschlägigen Bestimmungen des AsylG 2005 und das Bundesgesetz über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBL I Nr. 147/2008 (in Folge: "AsylGHG") sowie subsidiär das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 (in Folge: "AVG") anzuwenden. Schließlich war das Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 (im Folgenden: ZustG) maßgeblich.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 AsylG ist ein Fremder, der nach Anreise über einen Flughafen (§ 1 Z 1 Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz - FBG, BGBl. I Nr. 97/1998), in dem eine Erstaufnahmestelle am Flughafen eingerichtet ist, einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, dieser Erstaufnahmestelle vorzuführen, soweit das Bundesasylamt nicht auf Grund der vorliegenden Informationen die Einreise gestattet. Auf Flughafenverfahren sind, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des 2. Abschnitts anzuwenden. Wird die Einreise gestattet, ist dieser Fremde einer Erstaufnahmestelle im Inland vorzuführen; auf das weitere Verfahren sind die Bestimmungen dieses Abschnitts dann nicht anzuwenden.

 

Im Hinblick auf die Anreise der Beschwerdeführerin über den Flughafen XXXX und dem Umstand, dass der Beschwerdeführerin die Einreise nicht gestattet wurde, liegt ein Flughafenverfahren (§§ 31 bis 33 AsylG) vor. Gemäß § 33 Abs 4 AsylG hat der Asylgerichtshof binnen 2 Wochen über eine Beschwerde zu entscheiden.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Unter Zugrundelegung des dargestellten Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin von den deutschen Behörden ein Schengenvisum ausgestellt bekam, in XXXX zurückgewiesen wurde und nun im Transitbereich aufhältig ist und sie auch keine Familienangehörige (iSd Art. 7 iVm Art. 2 lit. i Dublin II-VO) in Österreich hat, kommt nach der Rangfolge der Kriterien der Dublin II-VO deren Art. 9 Abs. 2 als zuständigkeitsbegründende Norm in Betracht (zum vorrangigen Verhältnis gegenüber Art 12 Dublin II VO; Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin II VO, K1 zu Art 12). Deutschland hat auch auf Grundlage dieser Bestimmung seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Aufnahme der Beschwerdeführerin und Behandlung ihres Asylantrages bereit erklärt. Die erste - von der Beschwerdeführerin nicht substantiell bestrittene - Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

Ebenso unbestrittenermaßen ist im Asylverfahren der Beschwerdeführerin noch keine Sachentscheidung in Deutschland gefallen.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei; die deutschen Behörden wurden über den gesamten, dem Bundesasylamt bekannten, Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht (nunmehr: Unionsrecht) nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die unionsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, zu verbieten scheint) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO³, K9-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Unionsrecht kann nur von den zuständigen unionsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten, rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre regelmäßig unionsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. In Bezug auf Griechenland wurde seitens des erkennenden Gerichtshofes bereits seit längerem in zahlreichen Entscheidungen faktisch nicht mehr von einer generellen Annahme der Sicherheit ausgegangen und eine umso genauere Einzelfallprüfung durchgeführt. Der EGMR hat in diesem Kontext mit Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs Belgien/Griechenland (30696/09) klargelegt, dass fehlende Unterkunft in Verbindung mit einem langwierigen Asylverfahren (welches selbst schwerwiegende Mängel aufweist) unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK relevant sein kann (vgl insb. Rz 263 des zitierten Urteils). Ein entsprechend weiter Prüfungsumfang in Bezug auf relevante Bestimmungen der EMRK (Art. 3, 8 und 13) ist daher unter dem Hintergrund einer Berichtslage wie zu Griechenland angebracht (wodurch auch die "effet utile"-Argumentation einzelfallbezogen relativiert wird) - was der herrschenden Praxis des AsylGH entspricht (anders wie die in Rz 351 und 352 des zitierten Urteils beschriebene Situation im belgischen Verfahren). Eine solche Berichtslage liegt zu Deutschland nun jedenfalls nicht vor, ebenso wenig eine vergleichbare Empfehlung von UNHCR (wie jene zu Griechenland), von Überstellungen abzusehen. Nichtsdestotrotz hat der AsylGH - unter Berücksichtigung dieser Unterschiede - auch im gegenständlichen Fall nachfolgend untersucht, ob die Anwendung des Selbsteintrittsrechts aus Gründen der EMRK angezeigt ist. Im Lichte der eben getroffenen Ausführungen zur Auslegung des Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet, dass die Grundrechtscharta der EU für den konkreten Fall relevante subjektive Rechte verliehe, welche über jene durch die EMRK gewährleisteten, hinausgingen. Auch spezifische Verletzungen der unionsrechtlichen Asylrichtlinien, die in ihrer Gesamtheit Verletzungen der Grundrechtscharta gleichkämen, sind nicht behauptet worden. Weitergehende Erwägungen dazu konnten also mangels Entscheidungsrelevanz in concreto entfallen.

 

2.1.2.2. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Familiäre Bezüge sind in Österreich nicht hervorgekommen, eben sowenig schützenswerte Aspekte des Privatlebens, wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, Z. 1802,1803/06-11).

 

2.1.2.3. Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK

 

2.1.2.3.1. Bedrohung durch nepalesische Staatsangehörige in Deutschland

 

Das in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt äußerst vage gehaltene Vorbringen der Beschwerdeführerin zur angeblichen Bedrohung durch nepalesische Staatsangehörige vermag die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG nicht zu entkräften. Dem Bundesasylamt ist darin beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin schon nicht in der Lage war, die konkrete Adresse ihrer angeblichen Bedroher anzugeben, geschweige denn eine von ihnen bereits ergangene Bedrohung. Darüber hinaus waren ihre Angaben in diesem Kontext auch nicht glaubwürdig. So gab die Beschwerdeführerin bei der Grenzpolizeiinspektion Schwechat am XXXX an, dass sie nicht in ihre Heimat zurückkehren könne, da ihr Mann eine neue Frau habe und ihr gedroht habe, sie umzubringen, wenn er sie noch einmal sehe. Hingegen erklärte sie dazu bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen habe wollen, er jedoch dagegen gewesen wäre.

 

Andererseits ist es nicht plausibel, weshalb die Beschwerdeführerin trotz der behaupteten Bedrohung in Deutschland zunächst überhaupt mit ihrer Arbeitgeberin dahin zu reisen beabsichtigte und dann dies sogar allein tun hätte wollen und dort eine Hotelreservierung vorgenommen hat. Dass ihr in Deutschland keine Gefahr droht, geht auch aus ihrer ursprünglichen Angabe vor der Grenzpolizeiinspektion hervor, wonach sie in Österreich einen Asylantrag stelle, da sie nicht nach Deutschland weiterfliegen dürfe.

 

Darüber hinaus ist grundsätzlich von Amts wegen nicht bekannt, dass der deutsche Staat die Menschenrechte nicht achte oder an sich nicht in der Lage sei, Menschenrechte sowie Leib und Leben von Menschen zu schützen, und der Beschwerdeführerin bei allfälligen gegen sie gerichteten kriminellen Handlungen in Deutschland nicht die Möglichkeit offen stünde, diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Ein Unterschied zwischen dem diesbezüglich in Deutschland und Österreich gewährten Schutz kann überhaupt nicht erkannt werden. Somit kann im konkreten Fall bei einer Weiterfahrt nach Deutschland kein reales Risiko für den Beschwerdeführer im Sinne von Art. 3 EMRK erblickt werden.

 

2.1.2.3.2. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Deutschland

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Deutschland nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Deutschland sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Auch konnte von der Beschwerdeführerin keine Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Asylgerichthofes belegt werden. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich.

 

In diesem Zusammenhang ist - als zusätzliche Hintergrundinformation - auf die nunmehr eingelangte gutachterliche Stellungnahme von Dr. I.H. vom 04.04.2011 hinzuweisen, wonach zwar bei der Beschwerdeführerin eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege, diese aber bei einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Deutschland keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustands aus ärztlicher Sicht bewirken würde (sohin ändert sich das vom Bundesasylamt verwendete Beurteilungskalkül nicht entscheidungswesentlich). Gleiches muss für Brustschmerzen und Schlafstörungen der Beschwerdeführerin gelten, wogegen sie gängige Medikamente einnimmt; davon hat sich der Asylgerichtshof im Interesse der Beschwerdeführerin versichert.

 

Es gibt auch, wesentlich im Sinn der oben genannten Judikatur, keine Hinweise auf eine zur Zeit medizinisch notwendige stationäre Aufnahme der Beschwerdeführerin. Dass Asylwerber in Deutschland medizinische Versorgung erhalten, folgt schon aus den unwidersprochen gebliebenen, durch die Verwaltungsbehörde in das Verfahren eingeführten, Feststellungen zu Deutschland. Dass das deutsche medizinische System etwa wesentlich schlechter wäre als das österreichische, wurde im Verfahren gleichfalls nicht vorgebracht. Die Überstellung des Beschwerdeführers nach Deutschland erweist sich also auch unter diesem Gesichtspunkt zum Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

Sofern sich etwa anlässlich einer beabsichtigten Effektuierung der Unzuständigkeitsentscheidung durch die Fremdenpolizeibehörde eine - zur Zeit nicht objektiv absehbare - Verschlechterung des Gesundheitszustandes/Hinweise auf Affektgeschehen ergäbe(n), wäre dies von der Fremdenpolizeibehörde geeignet zu berücksichtigen. Angesichts des insgesamt angegriffenen Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin (im oben beschriebenen Ausmaß) ist jedenfalls Sensibilität im Umgang angezeigt.

 

2.1.3. Zusammengefasst stellt daher eine strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung der Beschwerdeführerin nach Deutschland zum Entscheidungszeitpunkt kein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar.

 

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

 

2.2. Im Hinblick auf § 33 Abs. 5 AsylG, wonach im Flughafenverfahren über die Ausweisung nicht abzusprechen ist, hat die Verwaltungsbehörde zu Recht keine Ausweisungsentscheidung getroffen.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, welche Ausführungen sie in einer Beschwerdeverhandlung würde tätigen wollen, die ein anderes Verfahrensergebnis bewirken könnten.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Flughafenverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, private Verfolgung, psychische Störung, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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