TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 E6 225621-17/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

E6 225.621-17/2008-19E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Einzelrichter über die Beschwerde des I.W., geb. 00.00.1972, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.06.2006, FZ. 05 09.593-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der am 00.00.1972 geborene Beschwerdeführer gab an, irakischer Staatsangehöriger zu sein und beantragte am 17.09.2001 erstmals die Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu am 30.11.2001 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab nach einem zuvor vorgebrachten offensichtlich unrichtigen Fluchtvorbringen schließlich an, dass er sein Heimatland lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe und hoffe, in Österreich Geld verdienen zu können. Zudem erklärte er, dass er im Irak weder staatlicher noch privater Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und auch im Falle einer Rückkehr mit keinen Sanktionen zu rechnen habe. Weiters führte er konkret aus, dass er den Militärdienst im Irak nicht ableisten hätte müssen, da seine Eltern einen Beamten bestochen hätten.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2001, FZ. 01 21.699-BAG, wurde der Asylantrag in Spruchteil I unter Berufung auf § 6 Z 1 AsylG 1997 als offensichtlich unbegründet abgewiesen; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.12.2001 rechtswirksam zugestellt.

 

Mit Datum vom 28.12.2001 brachte der Beschwerdeführer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ein. Der Aufforderung des Unabhängigen Bundesasylsenates zur Berufungsergänzung kam der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.02.2002 nach.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.02.2002, FZ. 225.621/0-VII/43/02, wurde der Berufung vom 28.12.2001 gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 19.12.2001 gemäß § 32 Abs. 2 AsylG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 19.02.2002 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt rechtswirksam zugestellt.

 

2. In der Folge wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.03.2002, FZ. 01 21.699/2-BAG, der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 17.09.2001 in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 abgewiesen; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22.03.2002 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt rechtswirksam zugestellt, gegen welchen er mit Datum vom 02.04.2002 fristgerecht Berufung einbrachte.

 

Mit Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.06.2002 wurde dem Beschwerdeführer eine zweiwöchige Frist ab Zustellung dieses Schreibens zur Stellungnahme bezüglich der Länderfeststellungen "Irak" eingeräumt. Dieses Schriftstück konnte dem Beschwerdeführer an der von ihm angegebenen Adresse jedoch nicht zugestellt werden, da der Adressat an jener Abgabestelle unbekannt war.

 

Am 17.03.2003 wurde das Verfahren mangels Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit der asylwerbenden Partei gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt und der Verwaltungsakt an das Bundesasylamt retourniert.

 

3. Am 26.03.2003 langte ein Fax des Flüchtlingsreferates des Amtes der Kärntner Landesregierung beim Bundesasylamt ein, worin um Wiederaufnahme des Asylverfahrens bzw. um Verfahrensfortsetzung ersucht wurde, da der Beschwerdeführer nicht unbekannt verzogen sei, sondern sich in Landesbetreuung befinde.

 

Am 06.04.2004 führte der Unabhängige Bundesasylsenat in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

 

In einem Schreiben des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 14.05.2004 an den Beschwerdeführer, wurde diesem mitgeteilt, dass in der am 06.04.2004 geführten mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel hinsichtlich der persönlichen Unterfertigung des Berufungsschriftsatzes vom 02.04.2002 aufgekommen sind, da er angegeben hat, dass ihm die Berufung gegen den abweisenden Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 13.03.2002 gänzlich unbekannt sei und er auch nicht wüsste, wer diese verfasst bzw. wer sie unterschrieben habe. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, innerhalb einer zweiwöchigen Frist ab Zustellung dieses Schreibens, Namen und Adresse desjenigen anzugeben, der die mit 28.03.2002 datierte Berufung (Poststempel 02.04.2002) verfasst hat, widrigenfalls würde von der Nichtmitwirkung zur Klärung des Sachverhaltes ausgegangen werden.

 

Dieses RSa-Schreiben wurde am 19.05.2004 beim zuständigen Postamt hinterlegt, am 08.06.2004 jedoch mit dem Vermerk "Nicht behoben" an den Unabhängigen Bundesasylsenat wieder retourniert.

 

4. Am 28.06.2004 teilte der Unabhängige Bundesasylsenat dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz, mit, dass aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens festgestellt wurde, dass im gegenständlichen Berufungsverfahren keine Berufung vom Beschwerdeführer erhoben wurde bzw. das vorliegende Schreiben vom 02.04.2002 nicht als Berufung zu werten war. Mangels Vorliegen einer Berufung, sei der erstinstanzliche Bescheid vom 13.03.2002 daher in Rechtskraft erwachsen und das Berufungsverfahren somit einzustellen. Am 29.07.2004 erging ein gleichlautendes Schreiben an das Bundesasylamt.

 

5. Am 01.12.2004 langte beim Bundesasylamt ein Fax des Beschwerdeführers ein, in dem die Abänderung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 13.03.2002, FZ. 01 21.699/2-BAG, von Amts wegen gemäß § 68 Abs. 2 AVG angeregt wurde.

 

6. Am 30.06.2005 stellte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt, EAST Ost, erneut einen (schriftlichen) Asylantrag. Als Grund für seine neuerliche Asylantragstellung führte er aus, dass er Turkmene sei, aus K. stamme und sich die Situation in seinem Heimatland seit seiner ersten Antragsstellung dramatisch verändert habe, da die Kurden im Rahmen ihrer autonomen Region die Gebiete der Turkmenen besetzt hätten. Es käme immer wieder zu Zwischenfällen und erst vor kurzer Zeit seien drei Turkmenen allein aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit brutal ermordet worden. Dazu gab er weiters an, dass er in seinem Heimatland in der republikanischen Garde des damaligen Präsidenten Saddam Hussein gedient habe und er überall bekannt sei. Er habe während des Aufstandes von Bashmarga 1992 mitgekämpft und sei nun aufgrund der Veränderung der politischen Situation asylrechtlicher Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt.

 

Am 05.07.2005 wurde der Beschwerdeführer hiezu vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er in seinem ersten Asylverfahren falsche Angaben hinsichtlich seines Militärdienstes gemacht habe, nämlich dahingehend, dass er durch Bestechung von Beamten der Wehrdienstleistung entgehen konnte, jedoch die in seinem zweiten Asylantrag diesbezüglichen Angaben wahrheitsgemäß seien. Weiters erklärte er, dass er bei seiner ersten Einvernahme nicht angegeben habe, sein Heimatland aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, sondern sei dies vom Dolmetscher nicht richtig übersetzt worden. Die falsche Übersetzung seiner Angaben sei auch der Grund für seine negative Asylentscheidung. Abschließend führte er aus, dass er nicht wegen des Geldes bzw. der Arbeit in Österreich sei und er selbst für einen großen Geldbetrag nicht in den Irak zurückgehen würde.

 

Am 11.07.2005 wurde die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vom 05.07.2005 vor dem Bundesasylamt fortgesetzt. Es wurde ihm der Berufungsschriftsatz vom 02.04.2002 gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 13.03.2002, FZ. 01 21.699/2-BAG, vorgelegt, in dem er als Ausreisemotiv aus dem Irak wirtschaftliche Gründe bestätigte und mit keinem Wort erwähnte, dass es zu einer unrichtigen Übersetzungstätigkeit des damaligen Dolmetschers gekommen sei. Der Beschwerdeführer äußerte sich dahingehend, dass er zuerst meinte, die Berufung sei von seinem Anwalt verfasst worden und er habe diese lediglich - ohne Kenntnisnahme vom Inhalt - unterschrieben. Auf Vorhalt, dass im Akt des ersten rechtskräftigen entschiedenen Asylverfahrens keine Vertretungsvollmacht aufscheint, antwortete er, dass er sich geirrt und er bei der Caritas in Klagenfurt einen leeren Zettel unterschrieben habe.

 

Mit Datum vom 15.07.2005 wurde das Asylverfahren mangels Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und ungerechtfertigten Entfernens des Asylwerbers aus der Erstaufnahmestelle gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt. Am 01.09.2005 langte beim Bundesasylamt mittels Fax ein Antrag auf Verfahrensfortsetzung ein; zudem wurde die neue Adresse des Beschwerdeführers bekanntgegeben.

 

7. Am 23.09.2005 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab an, dass er in den Jahren 1990 bis 1993 Mitglied der Republikanischen Garde gewesen sei. Auf Vorhalt, weshalb er diese Angaben nicht schon im ersten Asylverfahren gemacht hat, führte er aus, dass er die Ableistung seines Militärdienstes sehr wohl angegeben habe, jedoch der Dolmetscher ihn nicht verstanden habe.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.06.2006, FZ. 05 09.593-EAST Ost, wurde der neuerliche Asylantrag des Beschwerdeführers vom 30.06.2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden hätte können und die unglaubwürdige Begründung des neuerlichen Asylantrages des Beschwerdeführers nicht ausreiche, einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Es sei davon auszugehen, dass das Ermittlungsverfahren keine Änderung des maßgeblichen asylrelevanten - rechtskräftig beurteilten - Sachverhaltes ergeben habe und somit kein im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG geforderter neuer Sachverhalt vorliege.

 

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 05.07.2006 mangels Bekanntgabe der neuen Zustelladresse des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG ohne vorhergehenden Zustellversuch durch Hinterlegung im Akt rechtswirksam zugestellt und zugleich der Vorgang gemäß § 23 Abs. 2 ZustellG beurkundet. Nach zahlreichen erfolglosen Zustellversuchen an die neu bekanntgewordene Wohnadresse des Beschwerdeführers, wurde der Bescheid schließlich am 30.08.2006 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt.

 

8. Mit Datum vom 11.09.2006 brachte der Beschwerdeführer gegenständliche Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.06.2006, FZ. 05 09.593-EAST Ost, ein. Im Wesentlichen wiederholte er jenes Vorbringen, das er bereits in seinem zweiten schriftlichen Asylantrag vom 30.06.2005 erstattete und fügte hinzu, dass es sich dabei nicht um eine bloße Änderung der Nebenumstände des Vorbringens, sondern um ein neues konkretes Vorbringen handeln würde. Zudem wurde gerügt, dass die erstinstanzliche Behörde keine korrekte inhaltliche Prüfung durchgeführt und somit eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen habe.

 

Am 19.09.2006 langte die Berufungsvorlage des Bundesasylamtes beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein, wovon das Bundesasylamt verständigt wurde.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den das Erst- und Zweitverfahren umfassenden Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, die bekämpften Bescheide sowie die neuerliche Asylantragstellung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß

 

§ 68 Abs. 1 AVG.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs Berufung der Begriff Beschwerde tritt.

 

2. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057). Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25.04.2007, 2004/20/0100, ausführte, ist eine neue Sachentscheidung, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 15.10. 1999, 96/21/0097).

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.07.2005, 2005/20/0343, mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, d.h. könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH 16.02.2006, 2006/19/0380; 29. 11.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 19.7.2001, 99/20/0418). Das Bundesasylamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 24.02.2000, 99/20/0173, mwN.).

 

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; 15.10.1999, 96/21/0097). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913). Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 30.05.1995, 93/08/0207).

 

"Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

3. Im rechtskräftigen Bescheid des ersten Asylverfahrens vom 13.03.2002, FZ. 01 21.699/2-BAG, wurde vom Bundesasylamt ausgeführt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei, da der Beschwerdeführer - seinen eigenen Angaben folgend - den Irak ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, im Falle einer Rückkehr in den Irak einer unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Ergänzend zum beschwerdegegenständlichen Bescheid des Bundesasylamtes werden folgende Ausführungen getroffen:

 

Selbst wenn man von einem glaubwürdigen Kern in Bezug auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei in seinem Heimatland asylrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, weil er in den Jahren von 1990 bis 1993 in der republikanischen Garde des damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein gedient hätte und nun im Irak überall bekannt sei, ausgehen würde, so wäre dieser Sachverhalt bereits vor Rechtskraft des den ersten Asylantrag abweisenden Bescheides vorgelegen. Der Beschwerdeführer war gehalten, sämtliche asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen bereits im ersten Asylverfahren wahrheitsgemäß vorzubringen. Demnach hätte der Beschwerdeführer den nunmehr behaupteten Sachverhalt bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahren vorzubringen gehabt, hat dies jedoch, obwohl er in den damaligen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, unterlassen. Da sich der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt vor Rechtskraft des ersten abweisenden Asylbescheides ereignet hat und im abgeschlossenen Verfahren vorzubringen gewesen wäre, liegt keine nachträgliche Sachverhaltsänderung vor, sondern ist davon auszugehen, dass auch der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt von der Rechtskraftwirkung des ersten abweisenden Asylbescheides erfasst ist. Bei der Beurteilung des Sachverhalts nach § 68 Abs 1 AVG kommt es - anders als bei der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG - auf ein schuldhaftes Verhalten der Partei nicht an (VwGH 29.03.1978, Slg 9510 A), es ist daher unerheblich, warum der Beschwerdeführer dieses Vorbringen nicht schon im ersten Asylverfahren geltend gemacht hat. Identität der Sache liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 15.11.2000, 2000/01/0184).

 

Dieser im ersten Asylverfahren nicht vorgebrachte Fluchtgrund der dreijährigen Mitgliedschaft bei der Republikanischen Garde des Beschwerdeführers, kann somit zu keiner neuerlichen Sachentscheidung führen. Bescheide, die - selbst auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, sind verbindlich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; 10.06.1998, 96/20/0266). Eine bei Bescheiderlassung schon bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides umfasst, das nachträgliche Hervorkommen dieser Umstände ermöglicht daher nicht automatisch eine neue Entscheidung (VwGH 25.04.2003, 2000/12/0055). Um in derartigen Fällen eine neue Entscheidung zu ermöglichen, muss daher die Rechtskraft (insb. das Wiederholungsverbot) durchbrochen werden; das AVG sieht für diesen Fall die Wiederaufnahme des Verfahrens vor.

 

Was die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens betreffend die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der Republikanischen Garde durch die Erstinstanz betrifft, ist darauf zu verweisen, dass sich die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum "glaubwürdigen Kern eines Vorbringens" auf Vorbringen von Asylwerbern betreffend Verfolgungshandlungen bezieht, die sich erst nach Rechtskraft des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen (vgl VwGH 26.07.2005, 2005/20/0343). Im gegenständlichen Verfahren hat der nunmehrige Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren mit diesem Vorbringen keinen Sachverhalt vorgebracht, der sich auf Sachverhaltsänderungen nach dem ersten Asylverfahren bezieht. Eine Auseinandersetzung mit dem glaubwürdigen Kern des Vorbringens des Beschwerdeführers erübrigt sich damit.

 

Dem Bundesasylamt ist zuzustimmen, wenn es meint, dass der Beschwerdeführer durch das Austauschen seines bisherigen unglaubwürdigen Vorbringens bzw. durch eine weitere unglaubwürdige Anpassung seines Vorbringens an die aktuelle Situation im Herkunftsstaat lediglich versuchte, eine Asylgewährung zu erlangen.

 

Den Anschuldigungen des Beschwerdeführers gegenüber dem beeideten Dolmetscher, dass dieser seine Angaben betreffend die Wehrdienstleistung falsch übersetzt hätte bzw. dass er und der ägyptisch stämmige Dolmetscher einander aufgrund von divergierenden Dialekten der arabischen Sprache nicht verstanden hätten, kann ebenso kein Glaube geschenkt werden. Den Angaben des Beschwerdeführers folgend, hätte er sich am gleichen Tag nach der Einvernahme im ersten Asylverfahren die Kopie der Niederschrift von einem sehr gut Deutsch sprechenden iranischen Mitbewohner übersetzen lassen und dabei die angeblichen Unstimmigkeiten der Niederschrift mit seinen tatsächlichen Angaben festgestellt. Dazu führte das Bundesasylamt richtig aus, dass der Beschwerdeführer somit ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, diesen - sehr unwahrscheinlichen - Sachverhalt in seinem vorangegangen Asylverfahren vor Eintritt der Rechtskraft bekannt zu geben. Der Beschwerdeführer hat es jedoch unterlassen, sich wegen dieser behaupteten Unstimmigkeiten vor Erlassung des Bescheides an das Bundesasylamt zu wenden, und diese auch in der am 02.04.2002 beim Bundesasylamt eingelangten Berufung nicht erwähnt.

 

Da weder in der maßgeblichen Sachlage für eine Asylgewährung im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages auf Asylgewährung nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht mehr neuerlich meritorisch entschieden werden darf. Da sohin Identität der Sache vorliegt, hat das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

Die Beschwerde war somit wegen entschiedener Sache abzuweisen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der maßgebliche Sachverhalt in Bezug auf die Asylgewährung gemäß § 7 AsylG in einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG relevanten Weise geändert hat.

Schlagworte
Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
24.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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