TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 D6 255194-4/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

D6 255194-4/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde des R.A., geb. 00.00.1979, StA. v. Usbekistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.6.2008, FZ. 07 05.447-BAT, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Usbekistan, reiste am 19.2.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.2.2004 einen Asylantrag. Am 27.8.2004 wurde er durch das Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich befragt.

 

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 12.11.2004, Zl. 04 02.943-BAT, diesen Asylantrag gemäß § 7AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), stellte zugleich fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Usbekistan gemäß §8 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß §8 Abs. 2 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit dem am 22.11.2004 eingebrachten Schriftsatz eine Berufung.

 

3. Der Unabhängige Bundesasylsenat gab mit Bescheid vom 13.1.2005, Zl. 255.194/0-VI/17/04, der Berufung gegen den Bescheid vom 12.11.2004 statt, behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

 

Am 9.3.2005 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt zu seinem Fluchtweg und seinen Fluchtgründen niederschriftlich befragt.

 

4. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24.6.2005, Zl. 04 02.953-BAT, diesen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.), stellte zugleich fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Usbekistan gemäß §8 Abs. 1 AsylG 1997 zulässig sei (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß §8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.). Dagegen wurde Berufung erhoben.

 

5. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies mit Bescheid vom 12.9.2005, Zl. 255.194/2-VI/17/05, die Berufung gegen den Bescheid vom 24.6.2005 gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß §8 Abs. 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan aus (Spruchpunkt II.).

 

6. Am 14.6.2007 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 19.6.2007 und 26.6.2007 wurde durch das Bundesasylamt niederschriftlich befragt.

 

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 3.7.2007, Zl. 07 05.447-EAST Ost, diesen Antrag gemäß §68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß §10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet (im deutschen Text) nach Usbekistan bzw. (im russischen Text) nach Russland aus (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit dem am 10.7.2007 eingebrachten Schriftsatz Berufung.

 

7. Der Unabhängige Bundesasylsenat gab mit Bescheid vom 25.7.2007 der Berufung vom 10.7.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.7.2007 gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 statt und behob den bekämpften Bescheid.

 

Am 21.8.2007, 26.9.2007 und am 12.6.2008 wurde der Beschwerdeführer abermals durch das Bundesasylamt niederschriftlich befragt.

 

8. Das Bundesasylamt wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.6.2008, Zl. 07 05.447-BAT, den Antrag vom 14.6.2007 neuerlich gemäß § 68 Abs. 1 Z 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan aus (Spruchpunkt II.).

 

In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt fest, dass der Beschwerdeführer usbekischer Staatsangehöriger sei und die Identität des Beschwerdeführers aufgrund des in Vorlage gebrachten Führerscheines feststehe. Der nunmehrige Antrag werde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer Ladungen vorlegte, denenzufolge er bei der Miliz erscheinen sollte. Diese Ladungen mögen zwar echt sein. Aufgrund der Tatsache, dass der Vater des Beschwerdeführers 25 Jahre lang Polizist gewesen sei, sei "nahe liegend und davon auszugehen", dass die Ladungen für eine Gegenleistung von korrupten Behördenorganen ausgestellt worden und daher zwar echt, aber "unrichtig" seien. Diese Annahme resultiere jedoch erst aus einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers. In der Folge führt das Bundesasylamt eine Reihe von "Ungereimtheiten" in dessen Aussagen an.

 

Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass von einer Änderung des Sachverhaltes seit Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12.9.2005 nicht ausgegangen werden könne und den Angaben des Beschwerdeführers kein glaubhafter Kern zu entnehmen sei. Ferner wertet das Bundesasylamt die verfügte Ausweisung - da der Beschwerdeführer über keine familiären Anbindungen zu Österreich verfüge - nicht als Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers.

 

9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 7.8.2008, worin der Beschwerdeführer sein Vorbringen, dass er als aktives Mitglied einer oppositionellen Partei namens "Birlik" auf der schwarzen Liste der Fahndung stehe und daher aufgrund seiner politischen Gesinnung und Tätigkeit von der Polizei und der Regierung verfolgt werde, wiederholte. Er habe dem Bundesasylamt schriftliche Beweismittel vorgelegt, welche von dem Beamten zwar als echt bewertet, aber dennoch nicht als Beweismittel akzeptiert worden seien. Er verstehe die Vorgehensweise der Behörden nicht, warum ihm keine Glaubwürdigkeit zugestanden werde. Es sei unrealistisch, wenn die Asylbehörden erwarten würden, dass er eine Bestätigung der usbekischen Polizei beibringen könne, wonach er verhaftet, geschlagen und verfolgt worden sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Im vorliegenden Fall brachte der Beschwerdeführer nach Kenntniserlangung des Bescheides vom 25.6.2008 am 7.8.2008 ein mit "Berufung" bezeichnetes Schreiben ein, welches am 8.8.2008 beim Bundesasylamt einlangte, obwohl der Bescheid zu diesem Zeitpunkt nicht rechtmäßig zugestellt worden war (nämlich durch Hinterlegung trotz Ortsabwesenheit und Aushändigung an eine nicht bevollmächtigte Person). Nach nunmehr rechtswirksamer Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 3 ZustellG am 19.8.2008, gilt die hinterlegte Sendung gemäß § 23 Abs. 4 ZustellG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt. Für das Einparteienverfahren vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass eine vor Bescheidzustellung eingebrachte Berufung zunächst unzulässig ist, diese Unzulässigkeit aber durch die spätere Zustellung des angefochtenen Bescheides beseitigt wird (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, 260). Daher ist die vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung fristgerecht eingebracht worden und daher zulässig.

 

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses.

 

Gemäß Art. 129c B-VG iVm § 61 Abs. 1 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder - soweit dies in Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist - durch Einzelrichter.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen zurückweisenden Bescheid wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers nach § 61 Abs. 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG 2005 durch den zuständigen Richter des Asylgerichtshofes als Einzelrichter zu führen.

 

2. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Der vorliegende Antrag wurde am 14.6.2007 gestellt, weshalb das AsylG 2005 anzuwenden ist.

 

3. Nach § 41 Abs. 3 AsylG 2005 ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung die Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren statt zu geben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch statt zu geben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Der Gesetzgeber hat für das Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide sehr kurze Fristen (§41Abs. 2, §37 Abs. 3 AsylG) vorgesehen, andererseits aber die gerichtliche Beschwerdeinstanz dazu verpflichtet, bei einem mangelhaften Sachverhalt der Beschwerde stattzugeben, ohne §66 Abs. 2 AVG anzuwenden (§ 41 Abs. 3 AsylG). Das Ermessen, das § 66 Abs. 3 AVG der gerichtlichen Beschwerdeinstanz einräumt, allenfalls selbst zu verhandeln und zu entscheiden, besteht somit in einem solchen Verfahren nicht. Aus den Erläuterungen des Gesetzgebers (RV 952 BlgNR 22. GP, 66) geht hervor, dass "im Falle von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesasylamt zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzuweisen" ist. Diese Zulassung stehe einer späteren Zurückweisung nicht entgegen. Daraus und aus den erwähnten kurzen Entscheidungsfristen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die gerichtliche Beschwerdeinstanz im Verfahren über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide von einer Ermittlungstätigkeit möglichst entlasten wollte. Die Formulierung des §41Abs. 3 AsylG 2005 ("wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint"), die sich erkennbar an § 66 Abs. 2 AVG anlehnt, schließt somit nicht aus, dass eine Stattgabe ganz allgemein bei Erhebungsmängeln in Frage kommt, die der gerichtlichen Beschwerdeinstanz eine prompte Erledigung unmöglich machen.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. §68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).

 

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

 

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

 

Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).

 

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

 

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

 

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens i.S.d. §66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß §68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

4. Aus nachstehenden Gründen ist davon auszugehen, dass das vorliegende Verfahren mangelhaft ist und daher das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers rechtswidrig gemäß § 68 AVG zurückgewiesen hat:

 

4.1 Der angefochtene Bescheid lässt jegliche - insbesondere aktuelle - Länderfeststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage und Versorgungslage in Usbekistan vermissen. Es ist überhaupt nicht erkennbar, dass das Bundesasylamt eine einzige aktuelle Quelle bzw. einen einzigen aktuellen Länderbericht zur Beurteilung der Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr nach Usbekistan herangezogen hat. Das Bundesasylamt hat sich nicht einmal ansatzweise mit der in den entscheidungsrelevanten Zeiträumen maßgeblichen Lage in Usbekistan auseinandergesetzt, hat demzufolge auch nicht geprüft, ob, und wenn ja, welche Sanktionen der Beschwerdeführer zu erwarten hätte, sollte er nach Ablehnung seines Asylantrages zwangsweise nach Usbekistan zurückkehren müssen. Auch enthält der angefochtene Bescheid keine konkreten und belegbaren sowie in weiterer Folge nachprüfbaren Feststellungen zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden des Herkunftsstaates. Ferner ist der vom Bundesasylamt zitierte Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, der überdies aus dem Jahr 2005 stammt, nicht allgemein zugänglich, sodass sich die Ausführungen der belangten Behörde in dieser Frage auf nicht nachvollziehbare Grundlagen stützen (VwGH 1.9.2005, 2005/20/0357; vgl. auch in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse 15.5.2003, 2002/01/0560, 17.9.2003, 2001/20/0292, 30.6.2005, 2005/20/0108).

 

Obwohl der Unabhängige Bundesasylsenat in seinem Bescheid vom 25.7.2007 die belangte Behörde ausdrücklich auftrug, aktuelle Länderberichte zu Usbekistan im Rahmen des Parteiengehörs zu erörtern, wurde dies in den Einvernahmen vor Erlassung des angefochtenen Bescheides unterlassen.

 

4.2 Die belangte Behörde hat ferner die vorgelegten Ladungen des Beschwerdeführers als (möglicherweise) echt eingeschätzt, ging aber davon aus, dass die Ladungen über korrupte Behörden beschafft worden seien. Diese Annahme wird mit dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers begründet. Eine derartige Begründung ist im vorliegenden Fall aber nur insoweit zulässig, wenn andere Möglichkeiten, die Richtigkeit der Ladungen zu erkunden, nicht mehr bestehen. Im vorliegenden Fall wird die belangte Behörde die Frage nach anderen Nachforschungsalternativen sowie vor diesem Hintergrund die angeführten Widersprüche mit dem Beschwerdeführer zu erörtern und dessen Aussagen entsprechend zu würdigen haben.

 

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesasylamt hinsichtlich der als fehlend beanstandeten Feststellungen die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die entsprechenden Ergebnisse, insbesondere die aktuellen Länderberichte, mit dem Beschwerdeführer - unter Beachtung des Parteiengehörs - ebenso wie die unter 4.2. angesprochenen Fragen zu erörtern haben.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
03.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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