TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/23 S8 226976-2/2008

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Veröffentlicht am 23.09.2008
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Spruch

S8 226.976-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des A.A., geb. 00.00.1969 alias 00.00.1969, StA. Somalia, p.A. European Homecare, Betreuungsstelle Traiskirchen, 2514 Traiskirchen, Otto Glöckel Straße 24-26, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2008, FZ. 08 03.298-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, ist erstmals am 14.10.2001 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den (ersten) Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.

 

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.02.2002, GZ: 01 23.634-BAT, wurde der Asylantrag vom 14.10.2001 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I 76/1997, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia, nämlich nach Nordsomalia, gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig beim Unabhängigen Bundesasylsenat eine Berufung beim eingebracht.

 

1.3. Mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.08.2002, GZ: 226.976-XII/37/02, wurde das Verfahren gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt, weil der damalige Berufungswerber nicht mehr in Österreich gemeldet war und er unterlassen hat, der Behörde die Änderung seiner bisherigen Abgabestelle mitzuteilen.

 

2.1. Der Beschwerdeführer ist nach Norwegen gereist und hat dort am 21.05.2002 einen Asylantrag gestellt.

 

2.2. Mit Schreiben vom 02.01.2003 stellte Norwegen ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 8 Dubliner Übereinkommen (kurz: DÜ). Mit Schreiben vom 21.01.2003 teilte die österreichische Behörde Norwegen mit, dass Österreich einer Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nicht zustimme, weil die sechsmonatige Frist zur Stellung eines Ersuchens abgelaufen sei und daher Norwegen zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers zuständig sei.

 

2.3. Norwegen entschied über den Asylantrag mit Entscheidung vom 14.01.2004 negativ; die dagegen gerichtete Berufung wurde mit Entscheidung vom 08.11.2004 ebenfalls abschlägig entschieden.

 

3.1. Der Beschwerdeführer ist abermals illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 11.04.2008 den gegenständlichen (zweiten) Asylantrag gestellt.

 

3.2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für Somali gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe 1991 illegal sein Heimatland mit einem Flugzeug von Mogadischu aus verlassen. Danach habe er im Jahr 2001 in Österreich um Asyl angesucht und sei in Österreich bis März 2002 aufhältig gewesen. Danach sei er nach Norwegen gereist. In Norwegen habe er sich bis 09.04.2008 ununterbrochen aufgehalten. Er habe in Norwegen zwei negative Asylbescheide erhalten; die norwegischen Behörden hätten ihn des Flüchtlingslagers verwiesen und hätten ihm gesagt, dass er wieder nach Österreich reisen müsse. Er sei in Sondal/Norwegen in einem Flüchtlingslager wohnhaft gewesen. Er habe sich sodann ein Zugticket besorgt und sei von Oslo aus mit dem Zug über Dänemark, Belgien und Deutschland nach Österreich gefahren. Er sei am Bahnhof Wien Westbahnhof am 11.04.2008 angekommen.

 

3.3. Infolge mangelhafter Fingerabdruckqualität war ein Abgleich im Rahmen des Eurodac-Systems, basierend auf Fingerabdrücken, die dem Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Erstbefragung am 11.04.2008 genommen wurden, nicht möglich.

 

3.4. Am 16.04.2008 fand eine niederschriftlich Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für Somali statt. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, er fühle sich körperlich und geistig in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Er sei bereits vor einigen Jahren aus Somalia ausgereist. Nachgefragt gab er an, dass er das Jahr 1991 bei der Erstbefragung "nur so" genannt habe; wann genau er Somalia verlassen habe, könne er nicht mehr sagen. Nach seiner Antragstellung in Österreich im Jahr 2001 habe er sich sechs Monat hier aufgehalten und sei danach nach Norwegen gereist. Er habe dort einen Asylantrag gestellt. Danach habe er eine Karte mit einem Foto erhalten; diese Unterlage habe er allerdings in Norwegen gelassen. Er habe in Norwegen zwei negative Bescheide erhalten. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass er nach Somalia ausgewiesen werde. Im Jahr 2005 habe man ihm allerdings gesagt, er solle freiwillig nach Österreich zurückkehren. Man habe ihn auf die Straße gesetzt. Er habe keine Unterstützung vom Staat erhalten. Er sei über Schweden, Dänemark, Belgien, Deutschland nach Österreich gelangt.

 

Er bestritt, nachdem auch bei diesem Einvernahmetermin ein Versuch zur Erlangung eines ausreichenden Fingerabdruckergebnisses fehlschlug, eine Manipulation seiner Fingerkuppen. Nach Belehrung über seine Mitwirkungspflichten am Verfahren wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer seitens des Bundesasylamtes mitgeteilt, dass für ihn die gesetzlich vorgesehene zwanzigtägige Frist keine Gültigkeit mehr besitze, da davon ausgegangen werden müsse, dass er auf diese Weise versuche, eine mögliche Antragstellung in einem andere Mitgliedstaat der EU zu verschleiern.

 

3.5. Am 15.05.2008 wurde ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an Norwegen gestellt. Die entsprechende Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 über die Führung von Konsultationen mit Norwegen erhielt der Beschwerdeführer am 16.05.2008. Norwegen stimmte gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung der Übernahme des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 22.05.2008 (beim Bundesasylamt am selben Tag eingelangt) zu.

 

3.6. Am 02.06.2008 führte das Bundesasylamt eine weitere niederschriftliche Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für Somalisch durch. Hierbei gab der Beschwerdeführer an, er fühle sich körperlich und geistig in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Er habe weder in Österreich noch im Raum der Europäischen Union Verwandte noch lebe er mit einer Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

 

Zur geplanten Ausweisung nach Norwegen brachte er vor, er habe mit Norwegen keine Probleme. Es sei für ihn kein Problem, wenn ihn Norwegen wiederaufnehmen und ihm dort Schutz gewähren würde. Er sei nach Österreich gekommen, um Asyl zu bekommen. Wenn er in Norwegen Asyl erhalten würde, habe er kein Problem damit. Er habe in Norwegen Probleme gehabt. Er habe von den norwegischen Behörden zweimal eine negative Entscheidung erhalten. Die norwegischen Behörden hätten ihn aus der Betreuung entlassen und er habe keine Verpflegung erhalten. Auf Vorhalt, dass die Angaben des Beschwerdeführers aufgrund seiner Gehbehinderung nicht glaubhaft erscheinen und es nicht zu erwarten ist, dass ihn die norwegischen Behörden in Anbetracht dieser Behinderung aus der Versorgung entlassen, führte er aus, seine Angaben würden der Wahrheit entsprechen. Er habe zwei negative Entscheidungen erhalten und sei auf die Straße gesetzt worden. Er habe Angst gehabt, dass ihn die Polizei festnehme und nach Somalia abschiebe.

 

Der Rechtsberater beantragte die Zulassung des Verfahrens, weil die zwanzigtägige Frist abgelaufen sei.

 

3.7. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid entschied das Bundesasylamt gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 11.04.2008 als unzulässig zurückzuweisen sei. Für die Prüfung des Asylantrages sei gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung Norwegen zuständig. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Norwegen ausgewiesen; eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Norwegen sei somit gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 zulässig (Spruchpunkt I.). Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Norwegen, insbesondere zum norwegischen Asylwesen und zur Versorgung von Asylwerbern in Norwegen (Spruchpunkt II.). Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass er konkret Gefahr liefe, in Norwegen verfolgt zu werden. Es drohe ihm keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.

 

3.8. Mit Schriftsatz vom 01.07.2008 (beim Bundesasylamt am 07.07.2008 eingelangt) wurde in der - fristgerecht eingebrachten - Beschwerde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer entgegen der Angaben des Bundesasylamtes am Verfahren mitgewirkt habe; eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren könne ihm daher nicht vorgeworfen werden, wodurch es auch nicht zu einem Wegfall der zwanzigtägigen Frist käme. Da sich der Beschwerdeführer bereits seit 2001 ununterbrochen im europäischen Raum aufhalte, müsse nach den Bestimmung des DÜ und nicht nach denen der Dublin-Verordnung vorgegangen werden. Die Erstbehörde habe daher die Konsultationen mit Norwegen auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt. Im Falle einer Rücküberstellung nach Norwegen drohe ihm eine Ausweisung nach Somalia, weil sein Verfahren in Norwegen rechtskräftig abgeschlossen sei. Überdies sei der Beschwerdeführer aufgrund seiner Gehbehinderung behandlungsbedürftig und sei ihm durch einen Arzt des Krankhauses Baden mitgeteilt worden, dass eine Operation notwendig sei. Es bestehe somit im Falle einer Überstellung nach Norwegen ein "real risk" einer Verletzung der in der EMRK verankerten Grundrechte, insbesondere des Art. 3 EMRK.

 

3.9. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 28.07.2008 wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, hat erstmals am 14.10.2001 in Österreich einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.02.2002. GZ: 01 23.634-BAT, gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Gegen den genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde das Verfahren gemäß § 30 AsylG 1997 eingestellt, weil der Beschwerdeführer an keiner österreichischen Abgabestelle gemeldet war und seiner Verpflichtung gemäß § 8 ZustellG eine neue Abgabestelle der Behörde unverzüglich zu melden, nicht nachgekommen war.

 

1.2. Der Beschwerdeführer ist sodann nach Norwegen weitergereist und hat am 21.05.2002 in Norwegen einen Asylantrag gestellt. Norwegen führte mit Österreich Dublin-Konsultationen. Da die sechsmonatige Frist zur Stellung eines Aufnahmeersuchens allerdings bereits abgelaufen war, lehnte die österreichische Behörde eine Zuständigkeit gemäß Art. 8 DÜ ab. Der Asylantrag wurde mit erstinstanzlicher Entscheidung der norwegischen Behörde vom 14.01.2004 sowie Berufungsentscheidung vom 08.11.2004 negativ entschieden.

 

1.3. Der Beschwerdeführer ist sodann am 11.04.2008 neuerlich illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Asylantrag gestellt.

 

1.4. Der Beschwerdeführer hat weder Familienangehörige noch Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt in Österreich, im Gebiet der Europäischen Union, in Norwegen oder in Island.

 

1.5. Am 15.05.2008 wurde ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung an die zuständige norwegische Behörde gestellt. Mit Schreiben vom 22.05.2008 erklärte sich Norwegen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung ausdrücklich zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers für zuständig.

 

Die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegte zwanzigtätige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG 2005 gilt nicht, weil der Beschwerdeführer am Verfahren nicht mitgewirkt hat und ihm dies im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 16.04.2008 mitgeteilt wurde.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen vom 11.04.2008 (Aktenseite 19 bis 27), aus den niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers vom 16.04.2008 sowie vom 02.06.2008 (Aktenseite 37 bis 45 sowie 121 bis 125) sowie aus der Zustimmungserklärung Norwegens (Aktenseite 115).

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (in der Folge: AsylG 2005) ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach § 5 Abs. 1 AsylG 2005 Schutz vor Verfolgung findet (§ 5 Abs. 3 AsylG 2005). Mit dieser Regelung wurde eine teilweise Beweislastumkehr geschaffen. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, ihr Beschwerdevorbringen zu untermauern (wobei dem auch durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949); dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung in dieser Bestimmung überhaupt für unbeachtlich zu erklären.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger (eine Person, die nicht Bürgerin oder Bürger der Europäischen Union ist) an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.2. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung lautet:

 

"(1) Der Mitgliedsstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

 

[...]

 

e) einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20wieder aufzunehmen."

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden entweder im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.

 

3.3. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass dem Beschwerdeführer am 21.05.2002 in Norwegen einen Asylantrag gestellt hat und Norwegen einer Übernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zugestimmt hat, zu Recht von einer Zuständigkeit Norwegens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.

 

Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall nicht gilt, weil der Beschwerdeführer seiner Pflicht gemäß § 15 Abs. 1 AsylG 2005 am Verfahren mitzuwirken, nicht nachgekommen ist und ihm dies seitens des Bundesasylamtes im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 16.04.2008 mitgeteilt wurde.

 

3.4. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen.

 

3.4.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im DÜ festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-Verordnung betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (kurz: EGMR) muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).

 

Zur Kritik am norwegischen Asylwesen:

 

Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Norwegen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Während des gesamten Verfahrens hat der Beschwerdeführer keine substantiierten Gründe vorgebracht, die gegen seine Rücküberstellung nach Norwegen sprechen, im Gegenteil hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er mit Norwegen keine Probleme habe, solange ihm dort Schutz gewährt werde und er nicht nach Somalia abgeschoben werde. Das Vorbringen, dass er nach Erhalt der negativen Entscheidungen aus dem Flüchtlingslager entlassen worden sei und auf der Straße habe leben müssen bzw. keine Unterstützungen von Norwegen erhalten habe, ist aufgrund der Unsubstantiiertheit der Angaben ebenfalls nicht geeignet, eine Rücküberstellung nach Norwegen im Lichte des Art. 3 EMRK als unzumutbar erscheinen zu lassen.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Berufung herauszulesen ist, dass der Beschwerdeführer in Norwegen möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Somalia abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Im Zusammenhang mit dem norwegischen Asylverfahren ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrach machen müssten (vgl. u. a. VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Norwegen keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorligen besonderer von dem Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Unstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa der Beschwerdeführer im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in sein Heimatland zurückgeschoben werden könnte.

 

Zur Gesundheitszustand des Beschwerdeführers:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Italien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin-Verordnung zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07 und die dort zitierte Vorjudikatur des EGMR). Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Im vorliegenden Fall konnte von dem Beschwerdeführer keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Norwegen belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich.

 

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift behauptet eine Überstellung nach Norwegen sei aufgrund seiner Gehbehinderung unzulässig und sei eine Operation erforderlich, ist zunächst auf die Feststellungen zur medizinischen Versorgung im erstinstanzlichen Bescheid zu verweisen. Es kann jedenfalls als gesichert angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer in Norwegen dieselbe Behandlung zuteil wird wie in Österreich und im Falle der Notwendigkeit einer Operation, diese auch in Norwegen durchgeführt werden kann.

 

Es stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Norwegen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

3.4.2. Zur möglichen Verletzung gemäß Art. 8 EMRK:

 

Nach Angaben des Beschwerdeführers gibt es keine Angehörigen in Österreich. Die diesbezüglichen Angaben des Bundesasylamtes treffen zu; diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. B 1802, 1803/06).

 

3.5. Ablauf der zwanzigtägigen Frist des § 28 Abs. 2 AsylG 2005:

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 gilt die zwanzigtägige Frist nicht, wenn der Asylwerber seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 nicht nachkommt. Im gegenständlichen Fall konnte keine ausreichende Fingerabdruckqualität erzielt werden, um diese im Eurodac-System abzugleichen. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen seiner Einvernahme am 16.04.2008 auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen und wurde ihm, nachdem abermals kein Abgleich im Eurodac-System möglich war, mitgeteilt, dass die zwanzigtätige Frist gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 15 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 nicht gilt. Nach der Aktenlage ist das Vorgehen des Bundesasylamtes dem Asylgerichtshof schlüssig nachvollziehbar und liegt daher keine Verfahrensfehler vor.

 

3.6. Zuständigkeit Österreichs nach dem Dubliner Übereinkommen:

 

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerdeschrift, das Bundesasylamt habe eine falsche Rechtsgrundlage zur Beurteilung der Zuständigkeit herangezogen. Da dieser seit 2001 ununterbrochen im europäischen Raum aufhältig sei, sei gemäß Art. 8 DÜ mangels Vorliegen anderer Zuständigkeitskriterien Österreich für die Prüfung des Asylantrages zuständig.

 

Diesbezüglich ist auf Art. 29 Dublin-Verordnung zu verweisen. Wenn ein Fremder vor dem 01.09.2003 im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bereits einen Asylantrag gestellt hat und sich so eine Zuständigkeit eines Mitgliedstaates ergeben hatte (etwa nach Art. 8 DÜ), er sich sodann ab dem 01.09.2003 in einen anderen Mitgliedsstaat begab (ob mit oder ohne neuerlicher Asylantragstellung), so liegt keine Notwendigkeit mehr vor, die Zuständigkeit nach dem Dubliner Übereinkommen oder der Dublin-Verordnung neu zu bestimmen. Das allfällige Ersuchen um Wiederaufnahme richtet sich aber ab dem 01.09.2003 nach dem zweiten Halbsatz des zweiten Satzes des Art. 29 verfahrensrechtlich zwingend nach der Dublin-Verordnung und wäre daher in diesen Konstellationen nicht nach Art. 13 DÜ, sondern nach Art. 20 Dublin-Verordnung zu stellen.

 

Davon unberührt bleibt freilich hier die Frage, welche Norm regelt, unter welchen materiellen Voraussetzungen ein Wiederaufnahmeersuchen in dieser Form gestellt werden kann. Art. 16 Dublin-Verordnung spricht im Einleitungssatz von dem Mitliedsstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist (ähnlich Art. 10 Abs. 1 Einleitungssatz DÜ); daraus wird man folgern können, dass, wenn die Zuständigkeit zur Prüfung des ersten Asylantrages vor dem 01.09.2003 nach den Kriterien des DÜ angenommen worden ist, ein Wiederaufnahmeersuchen nach dem 01.09.2003 inhaltlich nach Art. 10 DÜ (oder allenfalls iVm Art. 3 Abs. 7) zu prüfen, aber verfahrensrechtlich nach den Vorgaben des Art. 20 Dublin-Verordnung zu stellen ist (obgleich eine solche Variante im Anhang III zur DVO nicht vorgesehen ist; vgl. auch franz. Conseil d'Etat, Zl. 267935, 06.03.2006). Ein mögliches Erlöschen der Verpflichtung zur Wiederaufnahme sollte in solchen Fällen also nach Art. 10 Abs. 2 bis Abs. 4 DÜ begründet werden (und nicht nach den korrespondierenden Bestimmungen des Art. 16 Abs. 2 bis Abs. 4 Dublin II-VO). Nur wenn die Verpflichtung, die sich aus dem Asylantrag vor dem 01.09.2003 ergeben hatte, nach den zitierten Regelungen geendet hat, und ab dem 01.09.2003 ein weiterer Asylantrag gestellt wurde, liegt ein erster Asylantrag ab dem 01.09.2003 im Sinne des ersten Satzes vor und es gibt keine Bezüge mehr zum Dubliner Übereinkommen (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung², K5 zu Art. 29).

 

Im gegenständlichen Fall wurde bereits im ersten Dublin-Verfahren zwischen Norwegen und Österreich die Zuständigkeit Norwegens begründet. Nach der Aktenlage bestehen keine Hinweise darauf, dass die Zuständigkeit durch eine der in Art. 10 Abs. 2 bis Abs. 4 DÜ genannten Voraussetzungen geendet hätte. Es ist daher jedenfalls aufgrund der aufrechten Zuständigkeit Norwegen gehalten, den Beschwerdeführer wiederaufzunehmen.

 

3.7. Einstellung gemäß § 30 AsylG 1997

 

Der Vollständigkeit halber ist im gegenständlichen Fall ebenfalls auf § 30 AsylG 1997 hinzuweisen. § 30 Abs. 2 AsylG 1997 lautet:

 

"Nach Abs. 1 eingestellte Verfahren sind auf Antrag der Asylwerber oder der Asylwerberinnen fortzusetzen, wenn die Betroffenen zur Beweisaufnahme zur Verfügung stehen. Eingestellte Verfahren sind von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig."

 

Das Verfahren wurde mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.08.2002 eingestellt; die dreijährige Frist des § 30 Abs. 2 letzter Satz AsylG 1997 ist daher jedenfalls abgelaufen, weshalb die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig war.

 

3.8. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung aufgrund einer drohenden Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte besteht.

 

3.9. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ersichtlich.

 

Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Norwegen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

4. Von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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