TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/13 A6 235240-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2008
beobachten
merken
Spruch

A6 235.240-0/2008/7E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Unterer als Vorsitzende und die Richterin Dr. Schrefler-König als Beisitzerin, im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des N.G., geb. 00.00.1971, Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.02.2003, Zl. 02 16.320-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde vom 18.02.2003 wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Der Beschwerdeführer gibt an, den im Spruch bezeichneten Namen zu tragen und Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo zu sein. Er reiste am 23.06.2002 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Asylantrag. Der Beschwerdeführer wurde hiezu am 23.06.2002 durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf sowie am 31.10.2002 und am 04.02.2003 durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, niederschriftlich einvernommen.

 

I.2. Hinsichtlich der zu seinen Fluchtgründen im Zuge dieser Befragungen getätigten Angaben des Beschwerdeführers wird ausdrücklich auf die Wiedergabe im angefochtenen Bescheid (S. 2-6) verwiesen. Er brachte im Wesentlichen vor, er habe seine Heimat am 18.06.2002 mit einem Ruderboot von Kinshasa nach Brazzaville verlassen und sei schließlich am 19.06.2002 über Nairobi und Ägypten in die Türkei geflogen. Mit einem LKW sei er aus der Türkei ausgereist und in weiterer Folge auf dem Landweg illegal nach Österreich gelangt. Er sei aus der Demokratischen Republik Kongo ausgereist, da er von den kongolesischen Behörden auf Grund der während einer routinemäßigen Hausdurchsuchung bei ihm aufgefundenen "militärischen Sachen" und damit in Zusammenhang stehenden Morden gesucht würde. Sein Schwager, ein Soldat der nach L. geschickt worden sei, habe einige seiner Sachen bei seiner Frau beziehungsweise der Schwester des Beschwerdeführers zurückgelassen, worunter sich, ohne dass der Beschwerdeführer hievon bescheid gewusst habe, Uniformen und Munition befunden hätten. Der Beschwerdeführer habe daraufhin drei Tage inhaftiert in einer Zelle verbracht, als ihm ein mit seinem Schwager befreundeter Kommandant zur Flucht verholfen habe. Seine Frau sei daraufhin beinahe von einem Soldaten vergewaltigt und sein Bruder, der ihr zur Hilfe geeilt sei, mit einem Gewehrkolben erschlagen worden. Daraufhin habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen.

 

I.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.02.2003, Zahl 02 16.320-BAT, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 idgF, abgewiesen (Spruchteil I) und unter einem festgestellt, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei (Spruchteil II). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mangels Plausibilität seiner Angaben und auf Grund auffallender Widersprüchlichkeiten nicht vom Wahrheitsgehalt des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens auszugehen gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Beschuldigungen seitens der kongolesischen Behörden hätten leicht durch entsprechende Zeugenaussagen entkräftet werden können. Zudem sei es als ein zu großer Zufall anzusehen, dass der ihm zur Flucht verholfen habende Kommandant ein Schulfreund seines Schwagers gewesen sein sollte, wobei es letztlich umso unplausibler erscheint, da jener Kommandant auch über seine reguläre Haftentlassung entscheiden hätte können. Die Aussagen des Beschwerdeführers seien daher als nicht glaubhaft zu qualifizieren. Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass nicht vom Vorliegen einer reellen Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgegangen werden könne und sich eine derartige Gefährdung auch aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht ergäbe.

 

I.4. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer am 18.02.2003 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde). Eine dazu nachgereichte Stellungnahme langte am 05.03.2003 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein. In den Schriftsätzen wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe die im Asylverfahren besonders geforderte Manduktionspflicht gemäß § 28 AsylG 1997 außer Acht gelassen. Dem Beschwerdeführer sei nicht die entsprechende Möglichkeit eingeräumt worden, zu der vom Bundesasylamt vorgenommenen Beweisaufnahme Stellung zu beziehen. Überdies seien aktuelle Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen bezüglich der (politischen) Situation sowie der allgemeinen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo nicht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.1.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.1.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.1.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.1.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.1.6. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt. Eine kassatorische Entscheidung darf von der Berufungsbehörde nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2001, 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084).

 

II.1.7. Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt gemäß § 37 AVG den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnung des Gesetzgebers würde aber unterlaufen, wenn es wegen Unterbleibens wesentlicher Sachverhaltsermittlungen in erster Instanz zu einer Verlagerung des Verfahrens vor den Asylgerichtshof käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, eigentlich jene Behörde darstellt, die in einer Gesamtbetrachtung erstmals den für das Verfahren sowie für eine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Dieser Gesichtspunkt ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - immer unter ausreichender Berücksichtigung des Parteieninteresses an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG einzubeziehen.

 

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Das Bundesasylamt hat es gänzlich verabsäumt, die aktuellen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo zu ermitteln, da keinerlei auf Berichtsmaterial oder Dokumentationen beruhende Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen wurden. Ermittlungen dieser Art sind aber zumindest zur allgemeinen Lage und zur Rückkehrsituation im Herkunftsstaat zu treffen. Darauf aufbauende Feststellungen wären jedenfalls notwendig gewesen, um das - wenn auch als nicht glaubhaft erachtete - Vorbringen des Beschwerdeführers erstinstanzlich in umfassender Weise überprüfen zu können. Es ist somit nicht als ausreichend anzusehen, lediglich mit einem Satz darauf hinzuweisen, dass sich bereits aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eine § 57 FrG entsprechende Gefährdungssituation nicht ergäbe. Woraus das Bundesasylamt überhaupt diese Erkenntnis schöpft, ist dem erstinstanzlichen Akt an keiner Stelle zu entnehmen, da eine Begründung dieser Feststellung, etwa Bezug nehmend auf dem Akt nicht beiliegende Länderberichte samt einschlägigen Quellen, gänzlich fehlt. Das Bundesasylamt zitiert zwar die entsprechende fremdenrechtliche Bestimmung, unter welcher Voraussetzung sich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Asylwerbers als gerechtfertigt erweise, unterlässt es aber, auf das gegenständliche Verfahren, insbesondere auf eine etwaige Rückkehrproblematik, verbunden mit einer unter Umständen bestehenden innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit, in konkreter Weise einzugehen. Schlichtweg von der Unglaubwürdigkeit der getätigten Angaben auszugehen, ohne die wohl als eher instabil zu bezeichnende Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo in diese Entscheidung mit einzubeziehen, widerspricht dem Grundsatz der Offizialmaxime, wonach die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen hat. Die freie Beweiswürdigung zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens darf erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen. Eine antizipierte Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt beurteilt wird, ist jedenfalls unzulässig (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2007) Rz 323).

 

Zudem wurde das individuell erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in hinreichender Weise gewürdigt.

 

Das Bundesasylamt wird im fortgesetzten Verfahren unter Berücksichtigung der in der Beschwerde sowie Stellungnahme vorgebrachten Argumente und nach Prüfung etwaig vorgelegter Beweismittel zu ermitteln haben, ob der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seine Heimat - wenn auch allenfalls in einer hypothetischen Betrachtungsweise - diskriminierenden Handlungen seitens der kongolesischen Behörden ausgesetzt wäre und ihn im Zuge einer drohenden Inhaftierung eine unmenschlichen Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe erwarten würde. Des Weiteren ist in den zu treffenden Feststellungen unter Beifügung einer entsprechenden Begründung zu überprüfen, ob im Falle des Beschwerdeführers der von ihm behaupteten Verfolgungsgefahr durch Umsiedelung in einen anderen Landesteil der Demokratischen Republik Kongo Abhilfe geschaffen werden könnte. Es ist hier insbesondere auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Ohne Erhebungen der für die Prüfung notwendigen Tatsachen kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde. Eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers und Würdigung seines Vorbringens nach Vorhalt aktueller Länderfeststellungen wird die Erstbehörde im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof fordert in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde - fehlende Feststellungen, mangelhafte Beweiswürdigung zur persönlichen Unglaubwürdigkeit, mangelnde Würdigung von Beweismitteln - hat das Bundesasylamt jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens unterlassen.

 

Aus der Sicht des Asylgerichtshofes verstößt das Prozedere der Erstbehörde somit gegen die von § 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben getätigt oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

 

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt noch ergibt sich aus den bisher angestellten Ermittlungen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche.

 

Das Bundesasylamt wird in weiterer Folge in einer ergänzenden Einvernahme die konkreten Ermittlungsergebnisse mit dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung aktueller Länderfeststellungen zu erörtern haben, um beurteilen zu können, ob das erstattete Vorbringen tatsächlich als nicht glaubhaft qualifiziert werden kann. Eine allfällig gleichlautende Entscheidung wird unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse entsprechend zu begründen sein, so dass sie einer nachfolgenden Kontrolle standzuhalten vermag.

 

II.1.8. Von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn "hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist", war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - anders als das erstinstanzliche Asylverfahren - sich als Mehrparteienverfahren darstellt (vgl. § 67b Z 1 AVG), sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ-manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, dies unter Berücksichtigung der §§ 51a bis d AVG und der Notwendigkeit der Ladung mehrerer Parteien, keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Hinzu kommt, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Asylgerichtshof als zentrale Bundesbehörde in Wien (mit einer Außenstelle in Linz) eingerichtet ist, sodass auch diesbezüglich eine Kostenersparnis nicht ersichtlich ist. Im Übrigen liegt eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht vor, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort haben (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084, unter Verweis auf VwGH 29.01.1987, Zl. 86/08/0243).

 

II.1.9. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall dem diesbezüglichen Antrag in der Beschwerde Rechnung zu tragen und das dem Asylgerichtshof gemäß § 66 Abs. 2und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides die Verwaltungsbehörden (lediglich) an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden sind (vgl. z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141); durch eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand (VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass das Bundesasylamt das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten