TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/28 E4 402018-1/2008

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Veröffentlicht am 28.10.2008
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Spruch

E4 402.018-1/2008-4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Vorsitzende und die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. SOVKA über die Beschwerde des L.T., geb. 00.00.1983 alias 26.08.1977, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.10.2008, FZ. 08 09.099-EAST Flughafen, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 25.09.2008 mit einer Maschine der AUA, Kurs OS 822, aus Istanbul kommend an und versuchte mit einem verfälschten türkischen Reisepass samt verfälschtem griechischen Schengenvisum in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. Anlässlich der darauf folgenden polizeilichen Amtshandlung stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz und korrigierte seine persönlichen Daten.

 

2. Am 29.09.2008 erfolgte eine niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers durch einen Beamten des SPK Schwechat.

 

3. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 06.10.2008 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Flughafen, gab der Beschwerdeführer vor dem erkennenden Organwalter des Bundesasylamtes sowie im Beisein einer Rechtsberaterin zu seinen Ausreisegründen im wesentlichen an, er habe aufgrund des Konkurses seiner Firma Schulden bei einem privaten Geldgeber gemacht, könne diese und die damit verbundenen Zinsen nicht zurückzahlen und habe daher mehrmals Morddrohungen erhalten. Einmal sei er entführt und drei Tage angehalten worden. Aus den genannten Gründen fürchte er, dass man ihn töten werde (zum Vorbringen im Detail, AS 71-97).

 

4. Mit Telefax vom 09.10.2008 erteilte UNHCR Wien in gegenständlichem Verfahren seine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005, da das Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

 

5. Mit Bescheid vom 09.10.2008, Zl. 08 09.099-EAST Flughafen, wies das Bundesasylamt, EAST Flughafen, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.); ebenso wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten bezüglich des Herkunftsstaates Türkei gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.).

 

6. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben, in welcher dargelegt wurde, dass jede Handlung, die die Voraussetzung des Art. 9 der Statusrichtlinie erfülle, als Verfolgung zu werten sei. Im Flughafen als abgekürztem Verfahren komme ein erhöhter Rechtsschutz und damit strenger Prüfungsmaßstab zum Tragen.

 

In den der Beschwerde beiliegenden handschriftlichen Ausführungen wurde das bereits niederschriftlich festgehaltene Vorbringen zu den Ausreisegründen wiederholt.

 

7. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Ausführungen des Beschwerdeführers, des Bescheides des Bundesasylamtes sowie des Inhaltes der dagegen erhobenen Beschwerde.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Zuständigkeit des entscheidenden Senates:

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gegenständlicher Verwaltungsakt wurde aufgrund der Geschäftsverteilung dem entscheidenden Senat zugewiesen, woraus sich dessen Zuständigkeit ergibt.

 

2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

 

Mit 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl I Nr. 2005) und auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 26.09.2008 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung kommt.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 AsylG ist die Abweisung eines Antrages in der Erstaufnahmestelle am Flughafen nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und

 

1. der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat;

 

2. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht;

 

3. der Asylwerber keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hat oder

 

4. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 39) stammt.

 

Gemäß § 33 Abs. 2 AsylG darf die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach Abs. 1 durch das Bundesasylamt nur mit Zustimmung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erfolgen und genügt im Flughafenverfahren eine Einvernahme.

 

Gemäß § 33 Abs. 4, 1. Satz AsylG hat der Asylgerichtshof im Flughafenverfahren binnen zwei Wochen ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden.

 

Gemäß § 33 Abs. 5, 1. Satz ist im Flughafenverfahren über die Ausweisung nicht abzusprechen.

 

Gemäß § 39 AsylG sind sichere Herkunftsstaaten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Abs. 1 leg. cit.) sowie Australien, Island, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, Bulgarien und Rumänien (Abs. 4 leg. cit.).

 

3.2. Auf § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist die einschlägige Rechtsprechung zur entsprechenden Vorgängerbestimmung, nämlich zu § 6 Z 1 AsylG 1997 in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003 anwendbar.

 

Der Tatbestand des § 6 Z 1 AsylG 1997 ist dann erfüllt, wenn - ohne sonstigen Hinweis auf eine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat - sich dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung droht. Bei der Prüfung, ob ein Fall des § 6 Z 1 AsylG 1997 vorliegt, ist demnach von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das zu § 6 Z 2 AsylG 1997 ergangene E vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0294).

 

Eine Entscheidung nach § 6 AsylG 1997 kann u.a. wegen der taxativen Aufzählung der in Z 1 bis 5 dieser Bestimmung genannten Fälle nicht mit der Annahme einer "innerstaatlichen Fluchtalternative" oder mit dem Bestehen ausreichenden staatlichen Schutzes vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgungsgefahr begründet werden (VwGH 24.08.2004, 2003/01/0632 mit Verweis auf VwGH 31.05 2001, Zl. 2000/20/0496).

 

3.3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Türkei verlassen, da er bei einem privaten Geldgeber eingegangene Schulden, nicht zu begleichen imstande war. Ferner hatte er Angst aufgrund damit einhergehender Morddrohungen sowie einer dreitägigen Anhaltung seiner Person durch Mitarbeiter dieses Kreditgebers.

 

Das Bundesasylamt führte eine ausführliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch und hielt im Zuge der rechtlichen Würdigung des Vorbringens fest, dass hiebei nicht einmal ansatzweise ein Bezug zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) hergestellt werden könne. Ebensowenig vermöge die aus den Problemen des Beschwerdeführers resultierende wirtschaftliche Notlage eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu begründen.

 

3.4. Dieser Argumentation des Bundesasylamtes kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

 

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Flughafenverfahren ist unter Anlehnung an § 6 AsylG 1997 an besondere Voraussetzungen gebunden, die im Gesetz taxativ aufgelistet sind.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG ist der Antrag im Flughafenverfahren unter anderem dann abzuweisen, wenn der Aslywerber keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltendgemacht hat.

 

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG definiert Verfolgung als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie.

 

Artikel 9 der Statusrichtlinie (2004/83/EG) lautet:

 

(1) Als Verfolgung im Sinne des Artikels 1A der Genfer Flüchtlingskonvention gelten Handlungen, die

 

a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder

 

b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.

 

(2) Als Verfolgung im Sinne von Absatz 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

 

a) Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,

 

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,

 

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

 

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

 

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen, und

 

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

 

Nach § 33 Abs. 1 Z. 3 AsylG kommt es nicht auf Aslygründe (Gründe im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK), sondern ausschließlich auf das Fehlen einer Verfolgungsbehauptung an. Der Tatbestand entspricht im wesentlichen § 6 Z 1 AsylG 1997 in der Fassung vor der Asylgesetz-Novelle 2003.

 

Nach dieser Bestimmung waren Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht.

 

Da § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in den wesentlichen Punkten mit § 6 Z 1 AsylG 1997 in der Fassung vor der Asylgesetz-Novelle übereinstimmt, kann die vom Verwaltungsgerichtshof zum letztgenannten Tatbestand entwickelte Rechtsprechung weiterhin sinngemäß angewandt werden.

 

Zu beachten ist allerdings, dass die Anwendung von § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich im Vorbringen Hinweise finden, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre (Feßl-Holzschuster Asylgesetz 2005, Kommentar, S 485).

 

Es kommt somit ausschließlich darauf an, ob der Asylwerber Verfolgungshandlungen oder subsidiäre Schutzgründe geltendmacht. Maßgeblich ist demnach ausschließlich das Vorbringen des Asylwerbers (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214; 09.07.2002, 2000/01/0436).

 

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (z.B. VwGH, 24.11.1999, 99/01/0280).

 

Die Anwendung des § 6 Z 1 AsylG 1997 setzt im Sinne dieses Verständnisses des Verfolgungsbegriffes voraus, dass dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich keine Behauptungen zu einer ihm drohenden Verfolgung zu entnehmen sind.

 

Im Hinblick auf das "Offensichtlichkeitskalkül" kann dabei auch die unzureichende Intensität des drohenden Eingriffs nur zur Subsumtion des Vorbringens unter § 6 Z1 AsylG führen, wenn der Fall in dieser Hinsicht völlig eindeutig ist und keine Abgrenzungsfragen aufwirft (VwGH 09.07.2002, 2000/01/0436; 30.09.2004, 2002/20/0086).

 

Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer zu seinen Ausreisegründen angegeben, aufgrund seiner Zahlungsschwierigkeiten von Mitarbeitern seines privaten Kreditgebers mehrfach mit dem Umbringen bedroht worden zu sein (AS 75, AS 77, AS 79). Ferner habe man ihn entführt und drei Tage angehalten (AS 77). Er habe sich daraufhin 35-40 Tage versteckt gehalten. Währenddessen sei bei ihm zu Hause nah seiner Person nachgefragt worden bzw. habe man auch seinen Bruder unter Druck gesetzt. Von seinem Bruder habe er die Information erhalten, dass ihn diese Leute in seinem Versteck ausfindig gemacht haben und zu ihm unterwegs seien. Die Leute des Geldgebers haben ihn auch in Antalya gefunden (AS 91).Der Beschwerdeführer gab ferner an, Anzeige bei der Polizei erstattet zu haben, diese habe aber nichts unternommen.

 

Vor dem Hintergrund dieser Angaben des Beschwerdeführers kann nicht davon ausgegangen werden, bei derartigen Drohungen handle es sich nicht um einen ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Beschwerdeführers (vgl. dazu auch VwGH, 17.12.2003, 2000/20/0526).

 

In weiterer Folge kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Herkunftsstaat geltendgemacht hat, zumal sich diesem Vorbringen nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptung im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lässt (VwGH, 09.07.2002, 2000/01/0436).

 

Die Angaben wurden seitens des Bundesasylamtes als glaubwürdig qualifiziert (AS 237) und seiner Sachverhaltsbeurteilung zugrundegelegt.

 

In der rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, dass selbst, wenn der Gläubiger versucht haben sollte, den Beschwerdeführer mit strafrechtlich relevanten Methoden zur Zahlung zu bewegen, eine solche Verfolgungsgefahr nicht auf einen der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei.

 

Die Übergriffe seien auch nicht dem Staat zuzurechnen, da keine fehlende staatliche Schutzwilligkeit oder Schutzfähigkeit hervorgekommen sei.

 

Das Bundesasylamt stützt seine Entscheidung folglich darauf, dass keine Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen existent sei, nimmt aber keinerlei Bezug auf die einschlägige Judikatur zu § 6 Z1 AsylG 1997 und lässt völlig unberücksichtigt, dass es gerade in einem Fall wie dem entscheidungsgegenständlichen nicht darauf ankommt, dass eine Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, politische Gesinnung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) existiert und gegen eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 Z 3 spricht, sondern bereits die Behauptung einer Verfolgung ohne Hinzutreten eines oder mehrerer der soeben genannten Gründe (gemeint ist hier ein Eingriff von nicht unerheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen unabhängig davon, aus welchem Grund diese erfolgt) im Sinne obzitierter höchstgerichtlicher Judikatur eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 Z 3 leg. cit ausschließt.

 

Die Legaldefinition des Begriffes Verfolgung des AsylG bezieht sich somit lediglich auf die Verfolgungshandlung. Jede Handlung, die die Voraussetzung des Art. 9 der Statusrichtlinie erfüllt, ist als Verfolgung zu werten. Ein geforderter Zusammenhang zu einem Konventionsgrund kann in der Bestimmung des § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG nicht erblickt werden. Der Begriff Verfolgungsgrund ist auch extra in Art. 2 Abs. 1 Z 12 AsylG als ein in Art. 10 der Statusrichtlinie genannter Grund definiert und unabhängig von dem Begriff Verfolgung zu sehen.

 

Zwar sieht Abs. 3 des Art. 9 der Statusrichtlinie vor, dass gemäß Art. 2 lit. c) der Statusrichtlinie eine Verknüpfung zwischen den in Artikel 10 genannten Verfolgungsgründen und den in Absatz 1 als Verfolgung eingestuften Handlungen bestehen muss, allerdings normiert Art. 2 lit. c) den Flüchtlingsbegriff und für den Flüchtlingsbegriff ist entsprechend Art. 1A GFK eine auf die Gründe der GFK zurückzuführende Verfolgung Voraussetzung. Dies ist aber losgelöst von der Frage zu sehen, ob der Asylwerber Verfolgung im Herkunftsstaat im Sinne von § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG geltend macht. Das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen Verfolgungshandlung und Konventionsgrund spielt somit für die Frage der Verfolgung keine Rolle, findet aber in § 33 Abs. 1 AsylG bei der Prüfung, ob sich ein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen wäre, ihren Niederschlag.

 

Die Annahme staatlicher Schutzgewährung - wie sie seitens des Bundesasylamtes ins Treffen geführt wurde - ist im Falle einer von nicht staatlichen Stellen (Privaten) ausgehenden Verfolgungsgefahr überdies nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 6 AsylG 1997 zu begründen (VwGH, 24.02.2003, 2000/20/0326).

 

Aus den hier genannten Gründen kann von einer offensichtlich, das heißt mit "nahezu absoluter Sicherheit erkennbar" fehlenden Verfolgungsbehauptung nicht ausgegangen werden, weshalb der bekämpfte Bescheid nicht von § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG getragen werden konnte.

 

Der erkennende Senat des Asylgerichtshofes verkennt nicht, dass sich im Vorbringen des Beschwerdeführers kein begründeter Hinweis findet, dass diesem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre, hebt jedoch nochmals hervor, dass für die Zulässigkeit der Abweisung des Antrages im Flughafenverfahren das Hinzutreten einer der in § 33 Abs. 1 Z 1-4 genannten Gründe (im konkreten Fall Z 3) zwingend notwendig, jedoch im gegebenen Fall zu verneinen ist.

 

3.5. Da aus den obigen Ausführungen folgend § 33 Abs. 1 Z 3 AsylG keine Anwendung findet, ist weiter zu prüfen, ob einer der anderen Abweisungstatbestände des § 33 Abs.1 Z 1-4 AsylG zur Anwendung gelangt.

 

3.5.1. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Z 1 AsylG sind nicht erfüllt, da der Beschwerdeführer zwar unter Verwendung eines verfälschten türkischen Reisepasses samt verfälschtem griechischen Schengenvisum einen Einreiseversuch unternommen hat, jedoch noch anlässlich seiner ersten Vernehmung vor dem SPK Schwechat seine Daten richtiggestellt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten zu täuschen versucht hat, liegen nicht vor.

 

3.5.2. Ebensowenig sind die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG gegeben, zumal sich die Ausführungen des Beschwerdeführers grundsätzlich als in sich schlüssig, nachvollziehbar und kohärent erweisen und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

 

3.5.3. Da die Türkei auch kein in § 39 AsylG angeführter sicherer Herkunftsstaat ist, gelangt auch § 33 Abs. 1 Z 4 nicht zur Anwendung.

 

3.6. Gemäß § 31 Abs. 1 2.Satz AsylG sind auf Flughafenverfahren, soweit sich aus dem 3. Abschnitt - Sonderbestimmungen für das Flughafenverfahren - nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des 2. Abschnitts - Sonderbestimmungen für das Zulassungsverfahren - anzuwenden. Gemäß § 28 Abs. 3 AsylG ersetzt die Stattgebung oder Abweisung des Antrags im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Wird der Antrag im Zulassungsverfahren abgewiesen, gilt dieser Antrag als zugelassen, wenn oder sobald der Beschwerde gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Gemäß § 33 Abs. 5 AsylG ist im Flughafenverfahren über die Ausweisung nicht abzusprechen. Die Zurückweisung darf erst nach Rechtskraft der gänzlich ab- oder zurückweisenden Entscheidung durchgesetzt werden.

 

3.7. Gemäß § 41 Abs. 5 AsylG hat der Asylgerichtshof in Verfahren gegen eine Entscheidung im Flughafenverfahren, wenn der Sachverhalt hinreichend festgestellt wurde, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen.

 

In den erläuternden Bemerkungen zu § 41 Abs. 5 AsylG der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (GP XXII RV 952) wurde dazu ausgeführt: "Abs. 5 normiert die Möglichkeit des Unabhängigen Bundesasylsenates (nunmehr Asylgerichtshof), im Flughafenverfahren in der Sache inhaltlich zu entscheiden, wenn die Sache aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes und der Verhandlung entscheidungsreif ist. Damit ist - der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 AsylG 1997 folgend - der Asylgerichtshof jedenfalls gehalten, die Frage des Vorliegens eines der Tatbestände des Flughafenverfahrens (§ 33 Abs. 1 Z 1 bis 4), unabhängig von jenem Tatbestand, auf welchen sich das Bundesasylamt in seiner Entscheidung gestützt hat, zu prüfen."

 

Sämtliche der Tatbestände des § 33 Abs. 1 Z 1-4 AsylG wurden durch den erkennenden Senat einer Überprüfung unterzogen und deren Anwendung auf den gegebenen Sachverhalt verneint.

 

3.8. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs.7 AsylG).

 

3.9. Gemäß § 33 Abs. 5, 2. Satz AsylG darf im Flughafenverfahren die Zurückweisung erst nach Rechtskraft der gänzlich ab- oder zurückweisenden Entscheidung durchgesetzt werden, weshalb der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, obsolet war.

Schlagworte
Flughafenverfahren
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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