TE AsylGH Erkenntnis 2009/01/16 S11 402130-2/2009

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Veröffentlicht am 16.01.2009
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Spruch

S11 402130-2/2009/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde der M.A., geb. 00.00.2001, StA. Kasachstan, vertreten durch die Mutter A.A., geb. 00.00.1979, als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.12.2008, FZ. 08 11.363-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Die Beschwerdeführerin reiste am 08.08.2008 gemeinsam mit ihrer Mutter, A.A., geb. 00.00.1979, und ihren minderjährigen Geschwistern M.S., geb. 00.00.1999, und M.M., geb. 00.00.2003 illegal in Österreich ein. Sie stellte am 08.08.2008 durch ihre gesetzliche Vertreterin in der Erstaufnahmestelle Ost einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 09.08.2008 fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung, sowie am 17.09.2008 eine Einvernahmen der Vertreterin vor dem Bundesasylamt in Gegenwart eines Rechtsberaters statt.

 

Am 18.08.2008 richtete das Bundesasylamt an Tschechien ein Ersuchen um Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Familienmitglieder gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde.

 

Am 20.08.2008 bestätigte die Vertreterin der Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG, wonach beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Tschechien geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde der Beschwerdeführerin sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach der Antragseinbringung, übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 28.08.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am selben Tag, stimmten die tschechischen Behörden der Übernahme der Beschwerdeführerin und ihrer Familienmitglieder gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II-Verordnung zu.

 

Die Beschwerdeführerin brachte im Verfahren durch ihre Vertreterin folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor: Sie sei im Mai 2006 gemeinsam mit ihrer Mutter, ihren minderjährigen Geschwistern und einem Bekannten ihres Vaters mit einem tschechischen Visum per Flugzeug über die Türkei nach Tschechien gereist., wo sie am 18.05.2006 durch ihre Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe. Danach sei sie mit ihrer Familie in verschiedenen Flüchtlingslagern untergebracht worden. Nachdem die Anträge nach Erschöpfung des Instanzenzuges negativ beschieden worden waren, habe sie gemeinsam mit der Familie Tschechien verlassen und sei in einem LKW versteckt am 08.08.2008 illegal nach Österreich eingereist. Zwischenzeitlich lägen der Mutter der Beschwerdeführerin Unterlagen vor, die eine Verfolgung in Kasachstan beweisen würden. Diese wären in Tschechien noch nicht zur Verfügung gestanden, deshalb werde um neuerliche Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz ersucht.

 

2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 02.10.2008, Zl: 08 07.011-EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Tschechien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Tschechien zulässig sei. Ihre Familienmitglieder wurden entsprechend beschieden.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zum tschechischen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes, der Ausweisung und zur Versorgung von Asylwerbern in Tschechien.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die neu hervorgekommenen Beweise den tschechischen Behörden vorzulegen sein werden. Weder sei es notorisch, noch habe es die Vertreterin der Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise relevant darlegen können, dass sie tatsächliche Gefahr liefe, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre oder ihr eine Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Es sei nicht ersichtlich oder amtsbekannt, dass die tschechischen Behörden die vorgelegten Unterlagen nicht im Sinne des Refoulementverbotes entsprechend prüfen würden.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 16.010.2008 Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen behauptet, dass eine Rückstellung nach Tschechien zu einer Folgeabschiebung nach Kasachstan führen würde, wo das Leben der Familie bedroht sei. Das Asylverfahren sei in Tschechien nicht gründlich geprüft worden, außerdem sei die Familie schlecht behandelt worden. Die Kinder wären "traumatisiert, erschrocken und krank".

 

4. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 23.10.2008 beim Asylgerichtshof ein und wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.10.2008, GZ: S11 402130-1/2008/2E, als unbegründet abgewiesen.

 

5. Die Beschwerdeführerin stellte am 14.11.2008 durch ihre Vertreterin einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 17.11.2008 fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung der Vertreterin, sowie am 04.12.2008 eine Einvernahme vor dem Bundesasylamt in Gegenwart eines Rechtsberaters statt.

 

Am 20.11.2008 teilte das Bundesasylamt Tschechien mit, dass ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz eingebracht worden sei und berief sich dabei auf die bereits am 28.08.2008 erfolgte Zustimmung Tschechiens zur Wiederaufnahme.

 

Am 25.11.2008 bestätigte die Vertreterin der Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG, wonach beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Die Beschwerdeführerin brachte im Verfahren keinen neuen Sachverhalt bezüglich ihrer beabsichtigten Überstellung nach Tschechien vor und führte lediglich aus, dass die Mutter unter Depressionen und psychischen Störungen leide.

 

6. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 04.12.2008, Zl: 08 11.363-EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Tschechien zulässig sei. Ihre Familie wurde entsprechend beschieden.

 

7. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 24.12.2008 Beschwerde erhoben. Die Mutter und Vertreterin der Beschwerdeführerin legte einen Thoraxröntgenbefund vom 00.12.2008 vor und gab an, starke Schmerzen in der Brust zu haben. Zur Überstellung nach Tschechien wurde nichts ausgeführt, Änderungen der für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates sowie eine etwaige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes maßgeblichen Umstände wurden seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

 

8. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 09.01.2009 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in den jeweilig geltenden Fassungen nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (z. B. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; 30.06.2005, 2005/18/0197; 25.04.2002, 2000/07/0235) liegen verschiedene "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Aus § 69 Abs. 1 AVG ergibt sich, dass eine neue Sachentscheidung nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern auch im Falle desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln ausgeschlossen ist, die bereits vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, aber erst nachträglich hervorgekommen sind. Demnach sind aber auch Bescheide, die - auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, verbindlich und nur im Rahmen des § 69 Abs. 1 AVG einer Korrektur zugänglich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.

 

Unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäische Union gemäß § 5 AsylG 2005 geführt haben, keine Änderung eingetreten ist, ist ein im Bundesgebiet neuerlich gestellter Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VwGH 07.05.2008, 2007/19/0466).

 

Im vorliegenden Fall steht der Behandlung des zweiten Antrages der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht entgegen. Zwar konnte die Beschwerdeführerin selbst keine relevanten Sachverhaltselemente vorbringen, jedoch erweist sich das Verfahren selbst als mangelhaft.

 

2.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.2.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 beziehungsweise 14 und Art. 15 Dublin II-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-Verordnung zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.2.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass grundsätzlich eine Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II VO kraft vorangegangener erster Asylantragstellung in der Europäischen Union gemäß Art 13 Dublin II-Verordnung bestand. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren auch nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestrittenermaßen ist das Asylverfahren der Beschwerdeführerin in Tschechien negativ beschieden worden.

 

2.2.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der ursprünglichen Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.2.1.3. Am 25.11.2008 bestätigte jedoch die Vertreterin der Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG, wonach beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Grundsätzlich ist das Bundesasylamt im Dublinverfahren zu Entscheidungen gemäß § 68 AVG berechtigt, jedenfalls dann, wenn der Beschwerdeführer noch nicht überstellt wurde; ein neues formelles Konsultationsverfahren ist nicht zwingend erforderlich, sofern die seinerzeitige Zustimmung noch nicht konsumiert und die Überstellungsfrist - wie im vorliegenden Fall - noch offen ist.

 

Wenn kein formelles Konsultationsverfahren (mehr) geführt wird, der Mitgliedstaat aber konsultiert wird, ob die Zustimmung noch aufrecht ist (so geschehen am 20.11.2008) und dies dem Beschwerdeführer mitgeteilt wird, ist eine entsprechende Belehrung der Erstbehörde darüber gegenüber dem Beschwerdeführer als Mitteilung iSd § 28 Abs 2 AsylG zu werten.

 

Ansonsten wäre die § 68 AVG Entscheidung jedoch vom Bundesasylamt unter Einhaltung der 20-Tages-Frist des § 28 AsylG zu erlassen gewesen.

 

Die 20-Tages-Frist bezieht sich im Falle einer § 68 AVG Entscheidung nämlich nicht nur auf die Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG - wonach beabsichtigt wird, den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen - sondern auch auf die Entscheidung selbst - da ja nicht nochmals Konsultationen geführt werden [...es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordung...] und somit die Fallkonstellation des § 28 Abs. 2 AsylG, für welche die 20-Tages-Frist nicht gilt, nicht immer gegeben ist,.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt die Beschwerdeführerin innerhalb von 20-Tagen nach Antragstellung jedoch nicht umfassend über die beabsichtigte Vorgangsweise belehrt (nicht nur über die beabsichtigte Zurückweisung wegen entschiedenen Sache, sondern auch darüber, dass zwar keine - neuerlichen - Konsultationen mit Tschechien geführt werden, jedoch, dass die aufgrund der früheren Konsultationen vorliegende Zustimmung zur Wiederaufnahme noch vorliegt und die diesbezügliche Überstellungsfrist noch aufrecht ist) was als Mitteilung über das Führen von Konsultationen im Sinne des § 28 Abs. 2 AsylG anzusehen gewesen wäre, sodass die 20-tägige Entscheidungsfrist nicht mehr gegeben gewesen wäre.

 

Im gegenständlichen Fall wurde dies jedoch verabsäumt, die zurückweisende Entscheidung ist auch nicht innerhalb von 20 Tagen ergangen, der Antrag wäre daher zuzulassen gewesen.

 

2.3. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.

 

2.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Entscheidungsfrist, Familienverfahren, Fristversäumung
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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