TE OGH 1985/6/25 10Os33/85

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Veröffentlicht am 25.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 13.Dezember 1984, GZ 28 Vr 838/84-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben; gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt und der Angeklagte für die ihm zur Last fallenden strafbaren Handlungen nach §§ 28 Abs. 1, 148 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Helmut A (zu I) - unter (insoweit prozessual verfehltem) gleichzeitigem (Qualifikations-)Freispruch von der Anklage wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges - des (wegen der zwischenzeitigen Begehung weiterer einschlägiger Straftaten gemäß § 58 Abs. 2 StGB nicht verjährten) Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und (zu II) des Verbrechens des schweren, teilweise gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last

I. in der Zeit vom 24.März 1977 bis 20.Juli 1978 in München in 15 Fällen durch Vorlage von Versicherungsanträgen, die er mit den Namen fingierter Antragsteller unterfertigt hatte, seiner Dienstgeberfirma B gegenüber falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich des jeweiligen Versicherungsabschlusses, gebraucht zu haben;

II. in Innsbruck mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechmäßig zu berechern, nachstehend angeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, die diese oder andere am Vermögen schädigten, und zwar

1. Angestellte der C D durch die Vorgabe

seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, insbesondere unter Verschweigung der Beendigung seines Dienstverhältnisses zu der Firma E und der damit verbundenen Einkommenseinbuße,

a)

am 13.Dezember 1983 zur Auszahlung von 5.000 S Bargeld,

b)

am 30.Dezember 1983 und am 1.Februar 1984 zu Überweisungen auf Grund eines Dauerauftrages in der Höhe von je 5.047 S, insgesamt sohin von 10.094 S;

              2.              in der Zeit vom 14.März 1983 bis 31.März 1984 mit der Absicht, sich hiedurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Bedienstete des Arbeitsamtes Innsbruck durch die Vorgabe, beschäftigungslos zu sein sowie durch Verschweigen seiner Erwerbstätigkeit bei den Firmen F Gesellschaft m.b.H. bzw Harald

G zur (wiederkehrenden) Auszahlung von Arbeitslosenunterstützungen in der Gesamthöhe von ca 10.500 S. Der Angeklagte wurde hiefür nach §§ 128, '148 erster Strafsatz' StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Er bekämpft dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Z 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO, die sich, abgesehen von dem aus dem letztangeführten Nichtigkeitsgrund gegen den Strafausspruch gerichteten Vorbringen, ihrem Inhalt nach gegen den Schuldspruch im Faktenkomplex II. 1. wendet, die Urteilsfakten I. und II. 2. hingegen unangefochten läßt. In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes reklamiert der Angeklagte in bezug auf das Faktum II. 1. b eine Aktenwidrigkeit, der Sache nach jedoch eine Unvollständigkeit des erstgerichtlichen Ausspruches darüber, daß die seinem Dauerauftrag entsprechenden Überweisungen von je 5.047 S am 30.Dezember 1983 und am 1.Februar 1984 bei Kenntnis der Auflösung seines Dienstverhältnisses zu der Firma E von der C

D nicht durchgeführt worden wären, indem er vorbringt, die erwähnte Urteilsannahme widerstreite der (eine Realisierung des Dauerauftrages trotz Kenntnis der Auflösung dieses Dienstverhältnisses nicht ausschließenden) Aussage des Zeugen Ernst

H (S 720), welche in den Entscheidungsgründen mit Stillschweigen übergangen werde.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rüge ist jedoch deshalb nicht zielführend, weil das Beschwerdevorbringen keine entscheidende Tatsache betrifft. Denn im Hinblick darauf, daß dem Angeklagten in Ansehung der Aufrechterhaltung des Dauerauftrags im Urteil primär schon das damit verbundene grundsätzliche Vortäuschen des Fortbestandes seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit vorgeworfen (S 729, 736 f), sowie ausdrücklich festgestellt wird, daß er zumindest ab der in Rede stehenden Auflösung seines Dienstverhältnisses auch eine Zurückzahlung der von der Sparkasse erwirkten Überweisungen gar nicht mehr vorhatte (S 740 f), kommt (im Hinblick auf die evidente Kausalität jedenfalls dieser Täuschung für den Schadenseintritt bei der Bank) der bekämpften - arg. 'insbesondere' und arg. 'unter Verschweigung' (im Gegensatz zu 'durch die Vorgabe') laut S 729 letztlich nur exemplifizierenden - Konstatierung, daß die weitere Durchführung des Dauerauftrages durch die Sparkasse auch schon bei einer Mitteilung über die Beendigung des Dienstverhältnisses unterblieben wäre, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Bei dem auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gestützten (sich in einer bloßen Negierung beschränkenden) Einwand, das angefochtene Urteil lasse in bezug auf das Faktum 'zu ON 26 II. 2.' (womit ersichtlich erneut das Urteilsfaktum II. 1. b gemeint ist - vgl hiezu die Anzeige ON 26 sowie die Gliederung in der Anklageausdehnung S 708) Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz vermissen, setzt sich der Beschwerdeführer über die dahingehenden Feststellungen des erstgerichtlichen Urteils einfach hinweg, wonach er sich sehr wohl unrechtmäßig bereichern wollte und die Vermögensschädigung des Kreditinstitutes billigend in Kauf nahm (S 736 und 737), sodaß die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Das weitere Beschwerdevorbringen, wegen des Fehlens einer Absicht, einen Schaden im Sinn des § 108 StGB zuzufügen, sei auch eine Strafbarkeit wegen jenes Vergehens nicht gegeben, ist daher unaktuell.

Ebenso negiert der Angeklagte abermals den festgestellten Urteilssachverhalt zur subjektiven Tatseite, indem er aus der Z 9 lit b (sachlich lit a) des § 281 Abs. 1 StPO zum Urteilsfaktum II. 1. b - im unübersehbaren Gegensatz zu seinem einleitenden Vorbringen in der Mängelrüge - nunmehr ein gutgläubiges Vertrauen darauf, daß das Geldinstitut mangels ausreichender Kontodeckung den Dauerauftrag (auch ohne sein weiteres Zutun) von sich aus nicht Rechnung tragen werde, für sich in Anspruch nimmt; solcherart verfehlt er daher auch in diesem Punkt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung der Rechtsrüge.

Nicht stichhältig ist ferner der weitere - auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützte - Einwand, die Qualifikation nach § 147 Abs. 2 StGB komme im Hinblick auf die dem Faktum II. 1. a zugrunde liegende, die Wertgrenze von 5.000 S bloß erreichende, nicht aber übersteigende Schadenshöhe vorliegend nicht zum Tragen. Denn der Beschwerdeführer vernachlässigt dabei nicht nur den in § 29 StGB verankerten Zusammenrechnungsgrundsatz, sondern überhaupt offenbar auch den Schuldspruch zu II. 1. b und zu II. 2.

Im bisher behandelten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit zu verwerfen.

Berechtigung kommt diesem Rechtsmittel hingegen zu, soweit aus der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO Nichtigkeit des Strafausspruches wegen Verletzung der Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes releviert wird. Nach dem Inhalt des eingangs wiedergegebenen Schuldspruchs nahm das Erstgericht die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 148 StGB (von der Anklage abweichend nur) in Ansehung des dem Punkt II. 2. zugrundeliegenden Verhaltens an (S 729 f) und führte hiezu in den Urteilsgründen aus, es sei dem Angeklagten darum gegangen, sich trotz Fehlens der für die Gewährung einer Arbeitslosenunterstützung erforderlichen Voraussetzungen eine fortlaufende Einnahme von etwa 3.000 S monatlich 'zumindest über einen Zeitraum von einigen Monaten hinweg' zu verschaffen (S 738, 739, 742). Es stellte daher in der rechtlichen

Beurteilung - rechtsrichtig (vgl hiezu SSt 47/73 u.a.) bloß - auf den ersten Qualifikationsfall des § 148 StGB ab und erklärte dementsprechend im Urteilsspruch, bei der Strafverhängung (nur) den ersten Strafsatz des § 148 StGB anzuwenden (S 730); in den Entscheidungsgründen (S 743) vermeinte es jedoch nach einem nicht differenzierenden Hinweis darauf, daß der Angeklagte 'wegen gewerbsmäßigen Betruges nach § 148 StGB' hafte, daß 'diese Gesetzesstelle' eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem bis zu zehn Jahren vorsehe.

Damit hat das Erstgericht - möglicherweise - unrichtig den nur für den zweiten, hier nicht zutreffenden Fall der gewerbsmäßigen Begehung eines schweren Betruges geltenden Strafrahmen zugrunde gelegt, dadurch aber jedenfalls die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes überschritten, und zwar unbeschadet dessen, daß die tatsächlich verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres auch im (richtigerweise anzuwendenden) ersten Strafsatz des § 148 StGB, welcher von sechs Monaten bis fünf Jahren reicht, Deckung findet. Eine Überschreitung der Grenzen des anzuwendenden gesetzlichen Strafsatzes im Sinne des zweiten Falles der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO (der nicht jeweils für den einzelnen Fall durch das Verhältnis zur Höhe eines Wertes, Nutzens oder Schadens bestimmt wird - vgl Art VII Strafrechtsanpassungsgesetz BGBl 1974/422) ist nämlich bei der Ausmessung der Strafe nicht nur dann gegeben, wenn letztere (ohne Anwendung der §§ 39 oder 41 StGB - vgl SSt 46/40) gezielt unter dem Mindest- oder über dem Höchstmaß tatsächlich festgesetzt wird, sondern auch in jenen Fällen, in denen das Gericht diese Grenzen bei der Wahl des anzuwendenden Strafsatzes überschreitet, mag auch der unterlaufene Fehler dehalb, weil die festgesetzte Strafe trotz ihrer (gemessen am richtigen Strafsatz) relativen Fehlerhaftigkeit in ihrem absoluten Ausmaß innerhalb des richtigen Strafrahmens liegt, im Ausspruch über die Strafhöhe an sich gar nicht sichtbar werden (SSt 30/10; EvBl 1967/411, 1969/28; ÖJZ-LSK 1977/357; EvBl 1977/63 sowie weitere Entscheidungen bei Mayerhofer-Rieder 2 E Nr 17 f und 29 zu § 281 Abs. 1 Z 11 StPO u. a.; vgl auch Gebert-Pallin-Pfeiffer, Anm nach E Nr 6 j zur gleichen Gesetzesstelle).

Es war daher in diesem Umfang der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, der nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO nichtige Strafausspruch aufzuheben, gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen und in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde die Strafe - unter Zugrundelegung des ersten Strafsatzes des § 148 StGB - neu zu bemessen.

Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos. Der in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ergehenden Strafneubemessung steht nicht entgegen, daß weder der Angeklagte, der nach der Mitteilung des Amtsgerichtes München vom 10.Juni 1985 am 20. März 1985 aus der Justizvollzugsanstalt Stadelheim - seiner letzten bekannten Adresse - entlassen wurde und dabei angegeben hatte, ohne festen Wohnsitz zu sein, und dem daher eine Ladung nicht zugestellt werden konnte, noch sein Verteidiger - dieser trotz ausgewiesener Zustellung - zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof, der auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde eingeschränkt wurde, erschienen waren. Denn einer Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde steht nicht entgegen, daß der Angeklagte unbekannten Aufenthaltes ist. Eine Verteidigung des Angeklagten in einem solchen Fall ist im Hinblick auf § 286 Abs. 3 und 4 StPO - anders als im Verfahren nach § 292 StPO (vgl 13 Os 35/85) - gewährleistet. Wenn aber der Verteidiger trotz ausgewiesener Zustellung zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung nicht erscheint, hindert dies nicht eine - hier allein aktuelle - Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde

(SSt 46/5 = JBl 1975, 269 = EvBl 1975/234 = RZ 1975/47,

EvBl 1979/232 = JBl 1980, 106 u.a.m.).

Bei der Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die zweifache Qualifikation des Betruges, die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der Betrugshandlungen und der Urkundenfälschung und die Begehung der Betrugstaten während eines anhängigen Strafverfahrens, mildernd hingegen das Geständnis des Angeklagten zu den Urteilsfakten I. II. 2. Es konnten demnach die bereits vom Erstgericht vollständig und zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe zugrunde gelegt werden.

Auf dieser Grundlage erscheint eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Taten angemessen.

Anmerkung

E06185

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00033.85.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19850625_OGH0002_0100OS00033_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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